Komisch daß Du von den Palästinensern ein friedliches Vorgehen forderst aber andererseits die von Israel ausgeführte Gewalt billigst.
Ich bin auch der Meinung ein friedlicher Widerstand kann eine Lösung sein, aber es muß eben einer der beiden Parteien anfangen. Und ich denke eine friedliche Lösung zu suchen wäre für Israel einfacher als für die Unterdrückten Palästineser. Aus der Position der Stärke heraus ist es viel einfacher.
Kurioserweise ist das nicht der Fall. Eine demokratisch gewählte Regierung muß sich durch ihre Handlungen für eine Bestätigung im Amt qualifizieren. Deswegen ist die israelische Regierung zunächst daran interessiert, den Terrorismus der Hamas zu unterbinden oder zumindest auf ein möglichst niedriges Maß zu reduzieren. Da rein passive Sicherheit - also intensive Kontrolle an Checkpoints, Grenzüberwachung, konventionelle Polizeiarbeit, Einsatz der Geheimdienste im Inneren - nicht den Erfolg verspricht, den die Öffentlichkeit erwartet, hat man sich dazu entschlossen, auf die identifizierten Anführer der Terroristen Attentate zu verüben.
Der Kern des Problems ist aus meiner Sicht das Fortbestehen der arabischen Ideologie, das Existenzrecht Israels zu verneinen und weiterhin auf den kataklysmischen Krieg zu hoffen, in dem Israel ausgelöscht und "die Juden zurück ins Meer getrieben" würden. Solange sich diese Grundeinstellung nicht ändert, könnte sich keine israelische Regierung Nachgiebigkeit gegenüber den eingeschworenen Feinden leisten.
Andererseits, würden die Palästinenser der Illusion abschwören, sie könnten eines Tages wieder ein "ethnisch reines" Palästina von 1880 wieder zurückbekommen und sich mit der Tatsache abfinden, daß es Israel nun mal gibt, und man sich irgendwie arrangieren muß, so könnten sie es sich leisten, einseitig in Vorleistung zu gehen und den Terrorismus einzustellen. Vergessen wir nicht, daß die Fatah zur ersten und zweiten Intifada aufgerufen hat und sich beispielsweise Arafat niemals ausdrücklich von Bombenattentaten distanziert. Man möge auch nicht die Fähigkeiten der Fatah unterschätzen, Ruhe im eigenen Lager zu bewirken - es ist eben auch Unwille, die Gewalt zu beenden.
Israel weiß ganz genau, daß es die Palästinenser niemals dauerhaft militärisch besiegen kann. Israels strategisches Interesse ist daher langfristig eindeutig auf eine Friedensregelung ausgerichtet - freilich zu illusionär günstigen Bedingungen. Aber man wird Zugeständnisse nur auf dem verhandlungsweg, schrittweise, und über einen langen Zeitraum erreichen können.
Da die Palästinenser nichts zu verlieren haben, riskieren sie mit einer Einstellung der Gewalt ebenfalls nichts. Die Terrorgruppen hingegen würden natürlich durch konventionelle Polizeiarbeit in einer solchen Friedensphase nach und nach ausgehoben werden, weshalb sie sich ja auch aus Gründen der Selbsterhaltung gegen eine Friedensregelung sperren (müssen). Damit wird aber auch deutlich, daß die palästinensischen Anführer seit Jahrzehnten auf ganzer Linie versagt haben, soweit es den Maßstab betrifft, zum Wohle des eigenen Volkes zu arbeiten. Statt substantieller Fortschritte ist lediglich die Perpetuierung eines Krieges niedriger Intensität (im Sinne militärischer Definitionen) erreicht worden, in Verbindung mit Propagandaerfolgen im Ausland (außer Amerika).
Aus meiner Sicht stellt sich die Lage daher so dar, daß die Palästinenser eher als die israelische Regierung die Möglichkeit haben, einen Gewaltverzicht zu üben, und daß es ihren Interessen besser dienlich wäre. Entgegen ihrer eigenen Propaganda bleiben ihnen nämlich tatsächlich Alternativen zu Selbstmordattentaten. Dafür ist aber ein Bewußtseinswandel erforderlich, der zu der Erkenntnis führt, daß die gegenwärtige Situation in einem hohen Maße selbstverschuldet ist und eben nicht alles die Schuld einer zionistischen Weltverschwörung ist.
Daher - und auch, um einen Gegenpol zu der Meinung zu bilden, die in dem infamen Titel dieses Threads zum Ausdruck kommt - neige ich dazu, bei allem Wunsch nach Abstand zu beiden Konfliktparteien, die Problemlage aus Sicht Israels zu beleuchten. Ich meine, daß man sich generell in Europa zuwenig in die Lage Israels hineinversetzt, wenn es um die Bewertung des Konflikts geht. Das geht einher mit einem üblicherweise unzureichenden Wissen über die historische Entwicklung der Situation, und mangelnde Detailkenntnis. Das ist nicht verwunderlich, ich schließe mich dabei mit ein - aber es entschuldigt Ignoranz und vorschnelles Urteil keineswegs. Alle Verantwortung an der gegenwärtigen Lage auf Israel abzuwälzen mag zwar bequem und der Konstruktion eines schön eindeutigen Weltbildes dienlich sein, führt aber nicht weiter.