Ray,
Große Teile dessen, was der von Dir zitierte Kommentar aussagt, ist vom Spiegel-Artikel in keiner Weise angefochten worden. Im Gegenteil: Über die schon seit Jahren vorliegenden Pläne des rechten Flügels der Konservativen, der sog. "Falken", zur Errichtung einer unbestrittenen US-Hegemonie, hat der Spiegel selbst wiederholt berichtet.
Die Schlüsse, die der gute Mr. Meacher zieht, entbehren nicht einer gewissen Logik, aber sind sie beweisbar? Wenn das jemand schafft, werde ich ihm meinen Respekt zollen. Doch einfach die Beweislast von sich weg zu schieben und zu sagen, man müsse das Gegenteil beweisen (also eine Umkehr der nicht von ungefähr akzeptierten Beweispflicht)? Damit könnte ich auch behaupten, daß bei Böblingen rosa Elefanten mit Flügeln herumflattern, die mit Saddam Hussein unter einer Decke stecken. Am besten 23...
Bis es also neue Fakten gibt, verbuche ich solche Theorien unter "kann man mal im Auge behalten", halte mich derweil aber an jene Dinge, die nachvollziehbar rekonstruiert wurden. Erst vor kurzem hat die ARD (leider gut versteckt, um 23:00 Uhr - urgs, schon wieder 23
) einen hervorragenden Dokumentarfilm über das Versagen der Geheimdienste vor dem 11. September gezeigt. Darin wurde ein Bild von zwei um die selben Geldtöpfe buhlenden, von Bürokratie-Geschwülsten gelähmten Organisationen gezeichnet, die aus Konkurrenzdenken nicht miteinander kommunizierten. Warum liefert der vom Demokraten Clinton ins Amt gehievte George Tenet seinem neuen Herrchen Bush wohl so kreuzbrav und ergeben firsch gefärbte Informationen, um dessen Agenda zu untermauern? Weil Bush ihm, wenn ich das mal so ausdrücken darf, den Arsch gerettet hat. Die Verantwortlichkeit für das Versagen seiner Organisation hätte ihn sonst garantiert den Kopf gekostet.
Wenn man die Prä-9/11-Strukturen von CIA und FBI analysiert, scheint die Erklärung eines Totalversagens in Kombination mit nicht ernst genug genommenen Warnungen durchaus plausibel. Und angesichts der Tatsache, daß ein Großteil der Warnungen schon zu Zeiten der Clinton-Administration vorlagen, sogar erheblich plausibler als die "Absichts-These".
Übrigens nimmt es Mr. Meacher mit einigen Details auch nicht so genau: Daß Roosevelt über die Anzeichen für den bevorstehenden Pearl Habor-Angriff umfassend informiert worden ist, geht keineswegs aus den Navy-Archiven vor, sondern lediglich, daß solche Anzeichen generell den diversen Geheimdiensten vorlagen. Deshalb streiten sich die Historiker ja auch bis heute, ob Roosevelt den Angriff zugelassen hat, oder ob Verantwortliche auf niedrigerer Befehls-Ebene die Vorwarnungen mit einer Mischung aus Inkompetenz und Arroganz (nach dem Motto: "Das können diese Japaner doch gar nicht") ignorierten. Was im PH-Falle die erste Möglichkeit untermauert, ist der Abzug der Flugzeugträger kurz vor dem Angriff. Aber schlüssig bewiesen ist die Roosevelt-These keineswegs. Es sei denn, Mr. Meacher hat ein ganz eigenes Verständnis des Begriffs "Beweis". Das wäre dann aber eins, mit dem er vor jedem halbwegs veranwortungsvollen Gericht ausgelacht werden würde.
Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001