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Fr, 11. Apr 2003, 15:17

Hardbern hat geschrieben:
@Ssnake: Nur mal so aus Neugierde, bist Du Besitzer eines CDU Parteibuches?
Nur mal so unter Freunden: Das geht Dich eigentlich nichts an, aber: Nein. Ich habe überhaupt kein Parteibuch, und würde mir, wenn überhaupt, keines der CDU anschaffen, mit der ich in vielen Frage über Kreuz liege.
Ich denke mal dass kommt jetzt auch davon, dass Du beruflich damit zu tun hast, aber ich frage mich trotzdem wie man nur so versessen auf Krieg sein kann?
Deine unzutreffende Wahrnehmung kann ich nur damit erklären, daß ich aus beruflichen Gründen vielleicht länger und intensiver über diese Fragen nachgedacht habe, als Du, und daß ich -möglicherweise aufgrund eines anderen Menschenbildes, anderer Lebenserfahrungen und einer umfassenderen Kenntnis der Fakten- zu anderen Schlußfolgerungen komme als Du.
Ich bin deswegen relativ ausführlich in meinen Beiträgen, weil es eine ernste Frage ist, der man mit empathischer Wohlfühl-Rhetorik nicht gerecht wird. Ich hätte es hier einfacher, wenn ich im Strom schwimmend mit den Wölfen heulen würde, die in diesem Land gegenwärtig den Ton angeben (selbst in der CDU, auch wenn Frau Merkel versucht, eine andere Richtung vorzugeben).
Als denkender Mensch bin ich jedoch zu anderen Ergebnissen gekommen. Heuchelei ist nicht meine Art, und eine klare Sprache empfinde ich als wohltuend. In englischen Foren werde ich von den besonders patriotischen US-Boys als weichlicher "Liberal" (das ist dort ein Schimpfwort für Leute an der Grenze zum Sozialismus) bezeichnet, weil ich dort ebenso wie hier die Meinung vertrete, daß nur weil es Saddam Hussein gibt, Irakis deswegen immer noch Menschen sind, deren Leid man zu respektieren hat, und denen ich versuche klarzumachen, daß die "Right or wrong, my country"-Haltung in Deutschland begreiflicherweise nicht so populär ist. Saddam Hussein ist nicht der Irak, ebensowenig wie "Bush the Lesser" identisch mit den USA als Nation ist.
Als jemand, der Michael Moore in vielen Bereichen von Herzen zustimmt, bin ich vielen "aufrechten US-Bürgern" in höchstem Maße suspekt. Ich tu' mir das an, weil ich glaube, daß wenn ich nur einen Mitleser zu einem ernsthafteren Nachdenken über das Thema bringen kann, sich der Aufwand schon gelohnt hat.

Ich finde Demokratie hervorragend, aber sie erfordert auch, daß man der eigenen Verantwortung als Staatsbürger gerecht wird und sich über die wichtigen Themen unserer Zeit auf dem Laufenden hält, wenn man doch gelegentlich die Aufgabe hat, die alte Regierung abzuwählen under ggf. zu bestätigen. Wie kann ich über das Für und Wider von Atomkraftwerken abstimmen, wenn ich mich nur durch die Bild-Zeitung ("Gemein! Er tat ihr Atom in den Tee!") über das Thema informiere?
Wie kann ich eine eigene Meinung zu überhaupt irgendetwas bilden, wenn ich mich nicht aus wahrhaft unterschiedlichen Quellen informiere, was ggf. auch ausländische Fernsehsender und das Internet mit einschließt? Es beschämt mich, daß Deutschland als Nation die Demokratie nicht aus freien Stücken gewählt hat, sondern von Amerika und Großbritannien 'reingewürgt bekam. Es beschämt mich zutiefst, daß die technisch und wissenschaftlich fortschrittlichste, kulturell beeindruckendste Zivilisation des frühen 20 Jahrhunderts -Deutschland!- in die finsterste Barbarei des Genozid fallen konnte. Als Deutscher und als Demokrat kann es für mich daher nur eine einzige Konsequenz geben, nämlich sich eine unabhängige Meinung zu bilden (auch wenn das unbequem ist) und diese im öffentlichen Diskurs zu vertreten (auch wenn das noch unbequemer ist), damit meine Mitbürger im Wettstreit um die besten Ideen bei der nächsten Wahl das Kreuz dort machen, wo es nach ihrer wohl begründeten Meinung hingehört.

Ich weigere mich, Meinungen anzuhängen, weil das bequem wäre und mir eigenes Nachdenken erspart, oder Meinungen zu vertreten, von denen ich glaube, daß andere sie hören wollen. Ja, Lisa Simpson ist mein Ideal, auch wenn sie anderen mit ihrer Art auf die Nerven fällt. Hier stehe ich, ich kann nicht anders.

Und jetzt Sie!
 
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Fr, 11. Apr 2003, 16:39

Ssnake hat geschrieben:
...
Hier stehe ich, ich kann nicht anders.
...


Und deswegen nur weiter so!
 
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Fr, 11. Apr 2003, 18:17

Ssnake hat geschrieben:
Dirty Harry hat geschrieben:
Ich verstehe Deinen agressiven Ton nicht so ganz, aber gut.
War nicht aggressiv gemeint, aber vielleicht haben wir da 'na andere Wahrnehmung.
Komisch finde ich allerdings daß Du einerseits die Palästinenser (im anderen Beitrag) für Ihre Selbstmordattentate verurteilst und forderst sie sollen friedlichen Widerstand nach Ghandis Vorbild leisten, andererseits aber Krieg als Mittel zur Konfliktlösung billigst nur weil er von einem demokratischen Staat geführt wird.
Nein, das habe ich nicht sagen wollen. Natürlich wäre es besser gewesen, wenn sich die Irakis 1991 gemeinschaftlich einfach nur hingesetzt hätten und gesagt hätten, "Wir stehen erst wieder auf, wenn Hussein gegangen ist."
Da hätte man sich viel Ärger ersparen können. Insofern stimme ich ja auch der These zu, daß bei langfristiger Betrachtung jedes Volk die Regierung hat, die es verdient. Im Nachhinein betrachtet wäre es vielleicht auch klüger gewesen, man hätte es gewagt, den Aufstand der Schiiten zu unterstützen - aber es ist müßig, darüber zu spekulieren, denn man kann Vergangenes nicht ändern.
Krieg ist nicht erstrebenswert, auch das habe ich immer wieder betont. Nur gehe ich nicht so weit zu sagen, es dürfe unter gar keinen Umständen je zu Krieg kommen, denn Krieg kann ja sehr wohl Lösungen herbeiführen, zu denen man ohne nicht käme. Allerdings müssen es schon sehr schwerwiegende Probleme sein, wenn man ein so problematisches Instrument wie einen Armeeeinsatz zur Lösung heranziehen will. Ob dies im vorliegenden Fall wirklich so notwendig war, darüber kann man geteilter Meinung sein. Ich glaube, daß sowohl die Zielsetzung als auch die Methode zulässig waren (auch wenn ich mir eine friedliche Lösung gewünscht hätte (mit der Betönung auf Lösung)), und ich kann eine Vielzahl von Argumenten der Kriegsgegner nicht teilen - aus den dargelegten Gründen.
Ich wähne mich nicht im Besitz letztgültiger Wahrheiten. Jedoch hat sich meine Meinung zum Konflikt über die letzten Monate gewandelt, weil ich aus dem Lager der Kriegsgegner letztlich kein überzeugendes Argument gehört habe, wie man denn anders zu einer Lösung kommen könne. Viele bestreiten ja noch immer, daß es überhaupt ein Problem gegeben habe - nun ja, auch 'ne Art, es zu sehen. Leider nicht hilfreich, denn wenn die Regierung der einzigen Weltmacht das anders sieht, sollte man sich überlegen, wie man zu einer Lösung des von ihr wahrgenommenen Problems beiträgt, anstatt sich in sinnloser Obstruktion zu ergehen.

Auch hat mich die Einseitigkeit der Argumentation USA=Bush=böse abgestoßen, insbesondere in Verbindung mit dem naiven Glaubenssatz, Frankreich und Rußland seien aus allgemeiner Menschenfreundlichkeit gegen den Krieg.
Daß demokratisch gewählte Regierungen weniger Krieg führen als totalitäre Regime möchte ich anzweifeln
Lies' bitte genauer: Demokratien führen untereinander weniger Krieg, das war meine Aussage. Und die stimmt auch. Daß Demokratien gegen nicht demokratisch verfaßte Staaten Krieg führen, ist auch unvermeidlich, wenn sie sich dem Imperativ der Förderung von Menschenrechten verpflichtet fühlen und die Aggressoren in den besagten Diktaturen und sonstigen totalitären Regimes sitzen.
Zum Thema Uranmunition: In dem kurzen Beitrag in der Tagesschau darüber wurde gesagt daß sie von der UN geächtet ist
Das wäre mir absolut neu. Ich kann mir wohl vorstellen, daß es eine Empfehlung der UN zu dem Thema gibt, der sich gewiß auch alle Staaten anschließen, die nicht die technologische Fähigkeit haben, solche Munition überhaupt herzustellen.
Einen internationalen Vertrag wie das Chemiewaffen-Abkommen oder den Atomwaffensperrvertrag, selbst ein Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen ist mir zu diesem thema nicht bekannt.
Ich will nicht ausschließen, daß es das trotzdem gibt, hätte dann aber gern noch ein paar genauere Hinweise, wo das stehen soll. Bei Betrachtung der verschiedenen "Glanzleistungen" von Panorama, Monitor und ähnlichen Magazinen, die immer wieder mal ungetrübt von jeder Sachkenntnis Falschnachrichten verbreiten, wenn sie denn nur der rechten Gesinnung förderlich sind, bin ich mittlerweile sehr zögerlich geworden, vorbehaltlos zu glauben, was mir das Fernsehen so vorsetzt. Und das sind ja oftmals dieselben Redakteure, die halt mal für Monitor und dann wieder für die Tagesschau Beiträge liefern. Und wenn es dann irgendein unverbindliches Papier gibt, daß vorschlägt, auf die Verwendung von Uran zu verzichten, wird das zum Zweck der 90-Sekunden-pro-Beitrag - Grenze sicher schon mal "verdichtet wiedergegeben".
Fakt ist daß der Uranstaub der dabei entsteht Krebs auslöst
Nein. Er erhöht das Risiko, an Krebs zu erkranken, aber das tut auch das Mineralwasser aus der Eifel oder der Asbeststaub im Klassenzimmer usw.
Es mag wie Sophisterei klingen, ist es aber nicht. Eine zweifelsfreie Kausalität läßt sich beim Krebs fast nie aufstellen. Das heißt nicht, daß man alle Vorsicht fahren lassen kann, und ich weiß auch nicht, wie oft ich hier noch sagen muß, daß ich dU auch nicht so sonderlich toll finde - aber ich muß auch gestehen, daß wenn ich als Soldat im Einsatz konkret vor zwei Munitionshaufen stehen würde mit der Wahl, zweitklassige Munition zu laden und mit einem reinen Umweltgewissen zu sterben oder erstklassige Munition zu bekommen und mir dafür noch fünfzig Jahre bis zu meinem Hinscheiden Vorwürfe machen zu können, daß ich zur bösen dU-Munition gegriffen habe - also, da fiele mir die Wahl schon schwer. Man hat ja insbesondere nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern auch für seine Besatzung, seinen Zug, die Kompanie ... oder, wenn man Verteidigungsminister ist, für seine Armee insgesamt. Und da stellt sich die Frage, wie man der Witwe und den beiden fünf und acht Jahre alten Waisen erklären soll, daß Papi nie wieder nach Hause kommen wird, weil in einem fernen Land voller Feinde der eigenen Nation ein geringes Umweltrisiko nicht in Kauf genommen werden sollte.

Ich will damit sagen, daß solche Entscheidungen nicht so einfach getroffen werden können, wie ihr es beliebt zu unterstellen.
Zu Deiner These 1: Genau so wie die Amerikaner das in Hiroshima und Nagasaki gemacht haben???
Nun, zwischen Hiroshima und Auschwitz gibt es in der Tat einen fundamentalen Unterschied: Auschwitz diente dem politischen Ziel, eine Minorität auszulöschen, also Menschen aufgrund ihrer Herkunft zu töten. Hiroshima hat die Notwendigkeit beseitigt, eine äußerst verlustreiche und auch für die Bevölkerung verheerende Landung in Japan durchzuführen, was ansonsten notwendig gewesen wäre.
Ja, Hiroshima war notwendig und gerechtfertigt, weil die sonst unvermeidliche Landungsschlacht wie in der Normandie ebensoviele Tote durch konventionelle Munition hervorgerufen hätte wie der Nuklearwaffeneinsatz. Es sollte vielleicht auch darauf hingewiesen werden, daß die USA in den Tagen vor dem Einsatz eine Flugblattkampagne mit der Warnung, die Stadt zu verlassen, durchführten - unter beachtlichem Risiko für die Besatzungen der Flugzeuge, die diese Flugblätter abwarfen. Die japanische Regierung hielt es für weise, für das Lesen von US-Flugblättern Gefängnisstrafen mit Auspeitschen und andere Nettigkeiten auszusprechen und auch die Warnung selbst zu ignorieren. Und man spekulierte nach dem Abwurf in Hiroshima darauf, es werde nicht zu einem zweiten Schlag kommen, weil die USA nur eine einzige dieser Bomben zur Verfügung hätten, wodurch die zweite Demonstration der Fähigkeiten notwendig wurde.
Aus Verantwortung vor der eigenen Bevölkerung und den eigenen Soldaten, ja möglicherweise sogar zur Schonung der restlichen japanischen Bevölkerung im Sinne meiner 1. These war es tatsächlich die richtige Lösung in einer schrecklichen Zeit. Ich beneide niemanden, der damit zu tun hatte, denn so eine Entscheidung - egal wie sie ausfällt- ist fürchterlich. Aber dennoch mußte eine Entscheidung getroffen werden, um den Krieg zu beenden, der geführt wurde, damit wir uns heute trefflich darüber streiten können.
etc.pp.: Der völkerrechtswidrige Krieg
...von dem selbst Friedensheld Joschka gesagt hat, daß 1441 hinreichend ist, um loszuschlagen. Das hatten wir schon.


Dieses: "Nimm es endlich hin kam mir etwas aggresiv vor, aber vielleicht bin ich nach Doc einfach nr empfindlich, wenns nicht so gemeint war: umso besser.

Zum Thema Irak: Ja es war eine Lösung für das irakische Volk notwendig, dieses hatte ein Problem. Kein Problem waren Massenvernichtungswaffen (Bis jetzt sind keine gefunden worden) und es kam keine akute Notwendigkeit Saddam zu entmachten! Momentan ging nach außen keine Bedrohung von ihm aus. Daher bin ich der Meinung es hätte auch eine friedliche Lösung geben können. Wie die ausgesehen hätte? Sorry, aber ich bin kein Nahostexperte! Aber ich bin mir sicher es hätte Möglichkeiten gegeben. Krieg ist definitiv keine "Lösung" und wenn dann die allerschlechteste von allen.

Den Zusammenhang von Ausschwitz und Hiroshima kapiere ich jetzt leider nicht, der einzige Zusammenhang ist für mich daß beides kriegsverbrechen der übelsten Sorte waren. Daß die Atombomben den Krieg gegen Japan beendet haben, sorry aber da muß ich leider diesen Smilie bemühen: :arg: Der Krieg wäre ohne die Atombomben höchstens noch ein paar Wochen gegangen, eine Landung in Japan wie in der Normandie wäre auf gar keinen Fall notwendig gewesen. Japan war wirtschaftlich und militärisch völlig am Boden und hätte auch ohne die Bomben kapituliert. Sicher hätte es auf beiden Seiten noch Opfer gegeben, aber genauso sicher nicht so viele wie durch die ZWEI! Atombombenabwürfe (Wenn schon dann hätte auch einer gelangt!). Diese Opfer wären aber "nur" Soldaten gewesen, anstatt Millionen von Zivilisten. (Die Spätfolgen noch nicht einmal eingerechnet). Der einzige Sinn und Zweck der Atombombenabwürfe war eine öffentliche! Machtdemonstration um der ganzen Welt, vor allem aber Rußland die Überlegenheit aufzuzeigen und als nette Nebenwirkung der Test der Atombomben im realen Einsatz. Dies war wohl das verwerflichste was Amerika jemals getan hat. Um den Krieg gegen Japan zu beenden hätte es nämlich auch genügt einen Militärstützpunkt auf einer Pazifikinsel auszulöschen. Dies wäre aber nicht demonstrativ genug gewesen um Rußland einzuschüchtern! Daß Du diesen Atombombeneinsatz auch noch rechtfertigst finde ich ungeheuerlich! Diese Flugblattaktion war doch nur reine Gewissensberuhigung! Natürlich hört da kein Japaner darauf. Hätten die Amerikaner zivile Opfer wirklich vermeiden wollen hätten sie ein rein militärisches Ziel auswählen müssen. (Hamburg, Dresden, Hiroshima, Nagasaki, alles Kriegsverbrechen der Allierten die durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen sind. Deine These mit dem einmal kräftig zuschlagen um Opfer zu vermeiden finde ich extrem Menschenverachtend und zynisch, da kann ich Dir einfach nicht so recht glauben daß Du Krieg nicht gut findest! Wieviele Opfer hat Ghandis passiver Widerstand gekostet? Wahrscheinlich wären es weniger gewesen wenn die Inder sich alle gleichzeitig erhoben hätten und alle Briten denen sie habhaft geworden wären getötet hätten? Gewalt führt zu Haß und Haß erzeugt wieder Gewalt. Klar momentan sehen wir die glücklichen Iraker die sich befreit fühlen. Die die Angehörige verloren haben und die Amerikaner dafür hassen sehen wir nicht. Aber auch die gibt es und wer weiß zu wievielen Terroranschlägen dies in den nächsten Jahren führen wird?

Zu der Uranmunition: Allein die Tatsache daß die Anzahl der Krebsfälle in Basra drastisch angestiegen ist ist doch Indiz genug. Vor allem bei Kindern, klar, die spielen halt in den Panzerwracks. Und ich bezweifle daß der Verzicht auf Uranmunition auch nur einen Toten mehr auf Amerikanischer Seite gekostet hätte.

Und ist es besser den 5 und 8 Jahre alten Irakischen Kindern erklären zu müssen daß sie leider Krebs haben und in einem Jahr sterben müssen?

So, sorry aber da sind unsere Meinungen einfach nicht kompatibel, und ich glaube auch nicht daß einer von uns den anderen Überzeugen kann, dazu sind wir beide einfach zwei zu große Sturköpfe. :wink:

Und bevor das jetzt ewig so: :irre: :motz: :arg: :roll: weitergeht verabschiede ich mich in zwei Wochen Urlaub. Vielleicht sieht danach die allgemeine Weltlage wieder freundlicher aus!
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Dirty Harry hat geschrieben:
Den Zusammenhang von Ausschwitz und Hiroshima kapiere ich jetzt leider nicht, der einzige Zusammenhang ist für mich daß beides kriegsverbrechen der übelsten Sorte waren.
Genau deswegen habe ich es ja erwähnt, weil ich mir das schon dachte. Auschwitz war _nur_ ein Verbrechen, kein Kriegsverbrechen (nicht alles, was während eines Krieges verbrochen wird, ist deswegen ein Kriegsverbrechen). Auschwitz ist die industrielle Vernichtung von Menschen gewesen zum erklärten Zwecke des Genozids. Wir sind uns einig, daß dies das finsterste und tiefste Loch ist, in das Deutschland und damit stellvertretend die Menschheit je gefallen ist.
Demgegenüber Hiroshima.
Ein militärisches Ziel: Marinestützpunkt, Industriehafen
Ein politischer Zweck: Schnellstmögliche Kriegsbeendigung. (Ja, natürlich wollte man auch den Sowjets eine Botschaft senden)
Zudem: Ungewißheit über den vollen Umfang der Zerstörung und die Langzeitfolgen der Radioaktivität (man wußte ja nicht mal, was Gene sind)

Der Angriff ist nicht mit Auschwitz vergleichbar, weil er nicht die Vernichtung des japanischen Volkes zum Ziel hatte, weil er kein reines Experiment gewesen ist. Gewiß, ein schreckliches Ereignis. Und doch eine legitime Kriegshandlung, so schwer der Gedanke auch zu ertragen sein mag.

Ich will nicht um Tote feilschen, doch ich finde, es muß gesagt werden: In Hiroshima und Nagasaki starben nicht MILLIONEN von Menschen. Unmittelbar waren es in Hiroshima etwa 30.000 Menschen, an den Spätfolgen sind weitere 100.000 Einwohner verstorben - weit weniger, als gemeinhin angenommen wird. Das macht es nicht erträglicher, rückt doch aber die Maßstäbe ein wenig gerade.
Und macht deutlich: 200.000 Tote hätte es sehr wohl bei einer Landung in Japan geben können, denn auch wenn Japan wirtschaftlich am Ende war, heißt es doch nicht, daß es ohne eine erfolgreiche Landung (oder aber die Alternative, den Nuklearwaffeneinsatz) tatsächlich kapituliert hätte.

Es ist wohlfeil, aus der Sicherheit eines beheizten Wohnzimmers und im Abstand von 60 Jahren darüber zu räsonnieren, ob der damalige US-Präsident die richtige Entscheidung getroffen hat. Ich kann dazu nur sagen, daß diese Entscheidung unter Ungewißheit und einem gewissen zeitlichen Druck getroffen wurde. Wir genießen das Privileg der Rückschau, da fällt es immer leicht, ein Urteil zu fällen.
Deine These mit dem einmal kräftig zuschlagen um Opfer zu vermeiden finde ich extrem Menschenverachtend und zynisch, da kann ich Dir einfach nicht so recht glauben daß Du Krieg nicht gut findest!
Die Erfindung und der operative Einsatz des Kampfpanzers liefert ein sehr anschauliches Beispiel, warum die These NICHT menschenverachtend und zynisch ist, wie das auf den ersten Blick erscheinen mag. 1916/17 haben sich alle europäischen Nationen in einem ungeheuren Krieg zerfleischt, der zwischen sieben und neun Millionen Tote gekostet hat. Kennzeichen der strategischen Situation damals war, daß mittels Maschinengewehr und Artillerie die Verteidigung so sehr über den Infanterie-dominierten Sturmangriff dominierte, daß niemand eine Entscheidung herbeiführen konnte, andererseits aber auch der Wille zur Beendigung auf keiner Seite groß genug war. Wäre alles so geblieben, hätte es im Prinzi noch jahrelang so weitergehen können, und man hätte entsprechend dem mäandernden Verlauf der Frontlinie die Landschaften Europas nach und nach dem Mond angeglichen.
Der Kampfpanzer versprach, dies zu ändern!
Herkömmliche Waffen erwiesen sich als ungeeignet, ihn aufzuhalten. 90% der deutschen Kampftruppen waren entlang der Front in einem nur sieben Kilometer tiefen Streifen stationiert. Mit einem massierten Angriff von Panzern hätte man einen Durchbruch durch diese absurd dünne Linie schaffen können, um dann durch die entstandene Lücke auf das dann entblößte Reichsgebiet zu stoßen.

Kernelement des Panzers war damals weniger seine Feuerkraft, die war nicht so sehr überwältigend. Es war seine psychologische Wirkung, die er auch heute noch (wenn auch nicht mehr in vollem Umfang) entfaltet. Es ist doch besser, der Feind läuft weg und kapituliert dann schnell, als wenn er "Welle um Welle seiner Männer vorschickt" (wenn ich mal Zap Brannigan zitieren darf, den idiotischen Raumflottenkommandeut in Futurama).

Die Kernidee ist doch, daß es entscheidend ist, den Willen zu Kämpfen zu brechen. Wer nicht mehr kämpfen will, kann gefangengenommen werden, und die Verluste auf beiden Seiten sinken insgesamt. Ich kann nicht erkennen, was an dieser Idee zynisch und menschenverachtend sein soll. Sie mag Dir ungewohnt erscheinen, ja. Aber wenn man den 1. Weltkrieg vergleicht mit dem isolierten Frankreich-Feldzug im 2. Weltkrieg, dann war doch ein dreiwöchiger Blitzkrieg die entschieden humandere Lösung als vier Jahre Verdun, wenn es denn schon zum Kampf kommen mußte. Natürlich wäre die Menschheit besser dran, wenn es beide Kriege überhaupt gar nicht erst gegeben hätte, das ist ja mal klar.
 
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Fr, 11. Apr 2003, 19:53

Ssnake hat geschrieben:
Dirty Harry hat geschrieben:
Deine These mit dem einmal kräftig zuschlagen um Opfer zu vermeiden finde ich extrem Menschenverachtend und zynisch, da kann ich Dir einfach nicht so recht glauben daß Du Krieg nicht gut findest!
Die Erfindung und der operative Einsatz des Kampfpanzers liefert ein sehr anschauliches Beispiel, warum die These NICHT menschenverachtend und zynisch ist, wie das auf den ersten Blick erscheinen mag.

Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: Mit der Atombombe im 2.WK wurde gezielt die zivile Bevölkerung getroffen, was imho durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen ist - auch nicht dadurch, dass somit eine Landung und viele, vielleicht sogar noch mehr, Tote vermieden wurden. Sorry, aber wenn dabei 200.000 Soldaten gestorben wären, dann wäre das bedauerlich gewesen, aber imho nicht einmal annähernd so schlimm wie die 100.000 Zivilisten, die dort dahinvegitiert sind (von den später geborenen Krebs-Kindern will ich gar nicht erst sprechen). Auch wenn ich viele deiner Punkte akzeptiere oder sogar teile, in diesem Punkt kann ich dir wirklich nicht mehr folgen, im Gegenteil, ich finde deine Position hier einfach nur noch abstoßend...
 
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Hardbern
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Fr, 11. Apr 2003, 20:31

Genau deswegen habe ich es ja erwähnt, weil ich mir das schon dachte. Auschwitz war _nur_ ein Verbrechen, kein Kriegsverbrechen (nicht alles, was während eines Krieges verbrochen wird, ist deswegen ein Kriegsverbrechen).


Erklärt mir mal jemand wieso z. B. die Vernichtung unzähliger Polen ìn Auschwitz kein Kriegsverbrechen gewesen sein soll? Polen war ein militärisch besetztes Gebiet. Wenn die Besatzer die die Besiegten in ein Vernichtungslager schicken ist das in meinen Augen ein fettes Kriegsverbrechen. Aber vielleicht bin ich wieder mal unterinformiert.

Eigentlich müsste man sich an dieser Stelle ausklinken. Macht es denn Sinn mit jemanden zu diskutieren der selbst den Massenmord an japanischen Zivilisten rechtfertigt? Der Lacher war in dem Zusammenhang echt das Flugblattargument.

Deine Argumente sonst sind ja sonst sehr gut aber das mit den Atombombenabwürfen war für meine Begriffe ein absoluter Griff ins Klo.

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ray
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Fr, 11. Apr 2003, 21:17

Ich denke auch, daß sich der gezielte Angriff auf Zivilisten, wie in Hiroshima/Nagasaki geschehen, durch nichts rechtfertigen läßt.

Ssnake argumentiert hier wie ein Pentagon-Stratege. Das ist natürlich rational, aber es gibt bekanntlich nichts, was so sehr dem dialektischen Spiel unterworfen ist wie Rationalität, so daß man die Geschichte Europas seit Ausbruch der französischen Revolution je nach Geschmack als Evolution der Vernunft oder aber als den sich zunehmend vervollkommnenden Wahnsinn betrachten kann. Paradebeispiel sind hier lasergelenkte Bomben, in deren Entwicklung wahrscheinlich milliarden Dollars und ein Unmaß menschlicher Kreativität investiert worden ist: sind sie humaner, weil sie gezielt ein ganz bestimmtes Ziel zerstören können und so kollateralen Schaden begrenzen, oder liegt in dieser Präzision des Zerstörens gerade der Gipfel der Perversion.

Das ist es, was mich an den Amerikanern stört: die totale Fixierung dieser Nation auf die Erschaffung immer raffinierterer, technisch beeindruckenderer Mittel, irgendetwas kaputt zu machen. Würden die Amerikaner auch nur die Hälfte ihrer - ansich durchaus bewunderswürdigen und beispiellosen - Ímagination und Kreativität darauf verwenden Mittel zu erfinden die Welt besser zu machen, etwas aufzubauen, die Natur zu erhalten etc. Ich wäre ihr größter Fan.
Zuletzt geändert von ray am Fr, 11. Apr 2003, 23:39, insgesamt 2-mal geändert.
 
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Fr, 11. Apr 2003, 21:22

Zweifellos waren die Atombombenabwürfe schreckliche Ereignisse, und eine frühere Kapitulation Japans - ja, die Vermeidung des 2. Weltkriegs insgesamt! - wäre für alle Beteiligten die beste Lösung gewesen, das steht ja wohl kaum zur Debatte.

Jedoch: Hätte die nukleare Abschreckung, die den 3. Weltkrieg zwischen der Sowjetunion und den USA erfolgreich verhindert hat, ohne Hiroshima so gut funktioniert? Nur mal angenommen, es hätte Hiroshima nicht gegeben, sondern es wären lediglich Filmaufnahmen vom Testgelände in Los Alamos um die Welt gegangen. Wäre die Hemmschwelle zum Einsatz nicht niedriger gewesen? Hat nicht der Schrecken des nuklearen Höllenfeuers gerade dadurch, daß er sich einmal in seinem vollen Umfang gezeigt hat, die Bereitschaft zur kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den Blöcken soweit abgesenkt, daß sich die Welt dadurch insgesamt zum Besseren gewendet hat?

Ich meine, wenn dies in der Menschheitsgeschichte die einzigen tatsächlichen Kriegseinsätze von Nuklearwaffen bleiben sollten - wäre es dann nicht die bessere Lösung, sie als fürchterlichen Abschlußpunkt eines insgesamt entsetzlichen Krieges zu erleben als in der Frühphase eines neuen Krieges, der dann mit nuklearen Vergeltungsschlägen beantwortet würde und so gewiß noch mehr Städte verwüstet hätte?


Ich will unter gar keinen Umständen andeuten, die Japaner hätten es verdient gehabt oder sowas - da bitte ich, das zur Kenntnis zu nehmen. Ich rege nur deshalb zu diesem Gedankenspiel an, weil Anno '45 der nukleare Geist nun mal aus der Flasche war und nichts ihn wieder hätte hineintreiben können. Ich habe auch mit den vorangegangenen Überlegungen lediglich deutlich machen wollen, daß mit einer reflexhaften Bewertung Hiroshimas als Kriegsverbrechen die volle Dimension des Ereignisses nicht erfaßt wird. Das Leid, daß es über die Bevölkerung gebracht hat, war unermeßlich, das kann niemand bestreiten.
Doch zu dieser Geschichte gibt es viele Facetten, die in die Bewertung einfließen müssen. Ich wollte auch deutlich machen, daß aus der Perspektive der damals handelnden Entscheidungsträger, insbesondere des US-Präsidenten, eine Abwägung getroffen werden mußte zwischen gleichermaßen schrecklichen, dennoch unterscheidbaren Alternativen, und daß ich mir nicht zutraue im Brustton der Überzeugung zu trompeten, ich wisse, wie ich entschieden hätte, und zwar, die Landung auf Hokkaido oder einer anderen Hauptinsel zu befehlen. Man macht es sich vielleicht ein bißchen einfach wenn man behauptet, der Fall sei auch aus der damaligen Sitation heraus sonnenklar und es könne doch keinerlei Zweifel geben.

Solche Ideen erscheinen vielleicht auch deswegen befremdlich und erschreckend, weil wir sie gerne verdrängen und gar nicht erst darüber nachdenken wollen. Es ist einfach, diese Ereignisse einfach als Wahnsinnstaten abzutun, weil man dann nicht zugeben muß, daß sie einer eigentümlichen aber doch zwingenden Logik folgen, der man sich womöglich nicht entziehen kann. Denn in diesem Moment steht man nur noch einen Schritt vor der Erkenntnis, daß man in der Situation des damaligen Präsidenten in Verantwortung vor der eigenen Nation und der Geschichte womöglich ebenso entschieden hätte, und entdeckt den Abgrund in sich selbst, an dessen Rand wir täglich in scheinbarer Selbstgewißheit entlangspazieren. Nein, angenehm sind diese Gedanken gewiß nicht. Aber sind sie deswegen weniger wahr?
 
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Fr, 11. Apr 2003, 22:01

Jedoch: Hätte die nukleare Abschreckung, die den 3. Weltkrieg zwischen der Sowjetunion und den USA erfolgreich verhindert hat, ohne Hiroshima so gut funktioniert? Nur mal angenommen, es hätte Hiroshima nicht gegeben, sondern es wären lediglich Filmaufnahmen vom Testgelände in Los Alamos um die Welt gegangen. Wäre die Hemmschwelle zum Einsatz nicht niedriger gewesen? Hat nicht der Schrecken des nuklearen Höllenfeuers gerade dadurch, daß er sich einmal in seinem vollen Umfang gezeigt hat, die Bereitschaft zur kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den Blöcken soweit abgesenkt, daß sich die Welt dadurch insgesamt zum Besseren gewendet hat?

Ich meine, wenn dies in der Menschheitsgeschichte die einzigen tatsächlichen Kriegseinsätze von Nuklearwaffen bleiben sollten - wäre es dann nicht die bessere Lösung, sie als fürchterlichen Abschlußpunkt eines insgesamt entsetzlichen Krieges zu erleben als in der Frühphase eines neuen Krieges, der dann mit nuklearen Vergeltungsschlägen beantwortet würde und so gewiß noch mehr Städte verwüstet hätte?



Das halte ich für ein ethisch sehr fragwürdiges Argument. Da könnte man auch sagen, Auschwitz war gut, denn hinterher waren alle so schockiert, daß so etwas nicht mehr passieren wird.

Ich glaube auch nicht, daß Hiroshima notwendig war, um den Politikern klarzumachen, was für eine schreckliche Waffe sie da besitzen. Die Bomben in Japan waren doch nur Knallfrösche verglichen mit dem, was später entwickelt worden ist.
 
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Fr, 11. Apr 2003, 22:47

Ray hat geschrieben:
Das ist es, was mich an den Amerikanern stört: die totale Fixierung dieser Nation auf die Erschaffung immer raffinierterer, technisch beeindruckenderer Mittel, irgendetwas kaputt zu machen.

Das sind doch alles keine Relationen mehr, die ein vernünftig denkender Mensch nachvollziehen könnte: Amerika gibt für immer bessere Zerstörungswerkzeuge Jahr für Jahr mehr aus, als die fünf nach ihnen folgenden Nationen zusammen. Wenn man nur daran denkt, wieviel Gutes Amerika auch nur mit einem Zehntel des Militärbudgets vollbringen könnte...

Ray hat geschrieben:
Das halte ich für ein ethisch sehr fragwürdiges Argument. Da könnte man auch sagen, Auschwitz war gut, denn hinterher waren alle so schockiert, daß so etwas nicht mehr passieren wird.

Ich glaube auch nicht, daß Hiroshima notwendig war, um den Politikern klar zu machen, was für eine schreckliche Waffe sie da besitzen. Die Bomben in Japan waren doch nur Knallfrösche verglichen mit dem, was später entwickelt worden ist.

*unterschreib*

Die Atombombe hätte ihre abschreckende Wirkung mit Sicherheit auch erfüllt, wenn sie auf ein rein militärischen Ziel abgeworfen worden wäre. Es hätten mit Sicherheit nicht hunderttausende von Zivilisten sterben müssen, um zu demonstrieren, was diese Waffe bewirken kann.

Diese Tat hat nicht nur die Gewalt der Atombombe verdeutlicht, sondern vor allem die Tatsache, dass die USA bereit sind Massenvernichtungswaffen gegen die Zivilbevölkerung einzusetzen, wenn man sie angreift. Das war in meinen Augen das größte Armutszeugnis in der Geschichte der Demokratie und hätte niemals geschehen dürfen. Da helfen auch keine theoretischen Rechtfertigungsversuche, die man weder belegen noch widerlegen kann.
 
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Fr, 11. Apr 2003, 22:49

ray hat geschrieben:
Das halte ich für ein ethisch sehr fragwürdiges Argument. Da könnte man auch sagen, Auschwitz war gut, denn hinterher waren alle so schockiert, daß so etwas nicht mehr passieren wird.
Neinnein, das wollte ich nicht als Rechtfertigung heranziehen, versteh' mich da bitte nicht falsch. Das hätte auch in der damaligen Situation niemand sehen können, daß es so kommen würde. Das ist einzig ex post argumentiert, aus der Überlegung, was denn hätte passieren können, wenn es diese Stadtvernichtung nicht gegeben hätte.
Nein, mein Hauptargument ist, daß die Entscheidung für oder gegen den Einsatz aus der damaligen Situation heraus bewertet werden muß, also: Wäre dem US-Präsidenten ohne das Wissen um die nachfolgende Entwicklung der Ereignisse eine bessere Entscheidung möglich gewesen? Und da sage ich, es ist nicht so eindeutig, wie man das auf den ersten Blick vermuten könnte.
Ich glaube auch nicht, daß Hiroshima notwendig war, um den Politikern klarzumachen, was für eine schreckliche Waffe sie da besitzen. Die Bomben in Japan waren doch nur Knallfrösche verglichen mit dem, was später entwickelt worden ist.
Da wiederum bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube, die Dimension der Atombombe sprengt die anschauliche Vorstellung, wir alle haben davon keine klare Vorstellung. Also, ein gutes Beispiel finde ich da "Starship Troopers" aus den 50er Jahren, wo die Space Marines die Atom-Handgranate auf die Bugs werfen. Die Vorstellung war bloß, daß es eine Art hochwirksamer Sprengstoff sei, also ohne die Langzeitschäden usw.
Das erscheint aus heutiger Sicht so absurd, daß es schon wieder lachhaft ist, aber seit der Entdeckung der Atomspaltung durch Lise Meitner und Otto Hahn war die Atombombe zunächst ein absurdes Gedankenkonstrukt abgehobener Wissenschaftler, bis die technische Realisierbarkeit plötzlich doch erreichbar schien.
Erst die Schockwelle von Hiroshima hat überhaupt unter den Intellektuellen die Anti-Atomkriegsbewegung losgetreten, die bis in die 80er Jahre hinein die Öffentlichkeit in den Demokratien so bewegt hat und damit den Rechtfertigungsdruck für die gewählten Politiker so sehr in die Höhe schraubten.
Das ist es, was mich an den Amerikanern stört: die totale Fixierung dieser Nation auf die Erschaffung immer raffinierterer, technisch beeindruckenderer Mittel, irgendetwas kaputt zu machen. Würden die Amerikaner auch nur die Hälfte ihrer - ansich durchaus bewunderswürdigen und beispiellosen - Ímagination und Kreativität darauf verwenden Mittel zu erfinden die Welt besser zu machen, etwas aufzubauen, die Natur zu erhalten etc. Ich wäre ihr größter Fan.
Da stimme ich Dir zu. Die amerikanische Gesellschaft scheint von einer Fixierung auf Militär und Waffen beherrscht zu sein, daß es außerordentlich befremdlich ist. Zugute kann man ihnen halten, daß die besondere Situation als Weltmacht natürlich auch eine besondere Verantwortung mit sich bringt, die zweifellos auch einen höheren Aufwand für das Militär mit sich bringt.
 
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Fr, 11. Apr 2003, 23:01

Ssnake hat geschrieben:
Ja, Hiroshima war notwendig und gerechtfertigt, weil die sonst unvermeidliche Landungsschlacht wie in der Normandie ebensoviele Tote durch konventionelle Munition hervorgerufen hätte wie der Nuklearwaffeneinsatz. Es sollte vielleicht auch darauf hingewiesen werden, daß die USA in den Tagen vor dem Einsatz eine Flugblattkampagne mit der Warnung, die Stadt zu verlassen, durchführten - unter beachtlichem Risiko für die Besatzungen der Flugzeuge, die diese Flugblätter abwarfen. Die japanische Regierung hielt es für weise, für das Lesen von US-Flugblättern Gefängnisstrafen mit Auspeitschen und andere Nettigkeiten auszusprechen und auch die Warnung selbst zu ignorieren. Und man spekulierte nach dem Abwurf in Hiroshima darauf, es werde nicht zu einem zweiten Schlag kommen, weil die USA nur eine einzige dieser Bomben zur Verfügung hätten, wodurch die zweite Demonstration der Fähigkeiten notwendig wurde.

Ich muss nochmal auf obige Aussage zurückkommen, denn diese gehört wirklich zum plattesten, was ich jemals in diesem Forum gelesen habe. Hiroshima war notwendig und gerechtfertigt? Die Flugblattkampagne?? Ein zweiter Schlag auf eine Stadt war notwendig, um zu demonstieren, dass nicht nur eine Bombe existiert??? Herrgott, wie kann man nur solch einen unsäglichen Müll schreiben? Dagegen sehen ja sogar diverse Aussagen von Harry oder Hardbern vollkommen normal aus...
 
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Sa, 12. Apr 2003, 01:12

Herrjeh, da hab' ich ja wieder was geschrieben...
Also, ich wollte damit sagen, daß es aus der Sicht der damaligen Entscheider (ohne das Vorwissen, das wir ja nun haben) durchaus eine nachvollziehbare Entscheidung war. Es bot sich die Chance, den Krieg schnell zu beenden, indem man eine überzeugende Machtdemonstration bot - oder aber das Leben von vielen Tausend eigenen Soldaten bei einer schwierigen Landungsaktion mit ungewissem Ausgang aufs Spiel zu setzen. In der Verantwortung für sein eigenes Land hat der US Präsident dann die fatale Entscheidung zum Einsatz der Atomwaffen getroffen, und, gemessen an dieser konkreten damaligen Situation kann ich es nachvollziehen.

Hiroshima hat darüber hinaus etwa ebensoviele Tote einschließlich der Langzeitfolgen gekostet (was man damals nicht wußte), wie man vielleicht bei einer Landungsoperation hätte erwarten können (nur eben weniger ungleich verteilt).

Ich sag' ja nicht, man soll es wieder tun, und der Einsatz von Nuklearwaffen sei eine gute Idee, oder womöglich auch im Irak angezeigt gewesen. Natürlich nicht! Aber man soll nicht so tun, als hätten sich damals leuchtende Alternative aufgetan und die USA hätten aus reiner Boshaftigkeit und perverser Experimentierlust diese Städte eingeäschert.
 
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Sa, 12. Apr 2003, 01:20

nachdem jetzt so viele gegenmeinungen aufgetaucht sind, möchte zumindest ich hier festhalten, dass ich ssnakes argumentation teilweise zustimme.

ich versuche gerade mir noch einmal den film "trinity and beyond" auszuborgen - das war doch die doku über nuklearwaffen, die vor etwa zwei jahren von den meisten sendern ausgstrahlt wurde, oder?

ich kann mich gut an berichte über einige "tests" erinnern, bei denen sich wissenschaftler ohne schutz in unmittelbarer nähe (bzw. einige km unterhalb) einer nuklearen explosion gratulierten. strahlungsschäden waren nicht bekannt - wie denn auch? dass einige wissenschaftler, die sich mit strahlendem material beschäftigten, früh starben wurde anscheinend nicht ernst genommen.

als SF fan habe ich auch einige bücher aus der zeit gelesen - geprägt von den ideen, was die nukleare energie im alltag alles bewirken könnte - von atomgetriebenen autos über züge bis hin zur kleinen heizung im keller. gefahren? aber woher denn? es ging ja soweit, dass vom militär ernsthaft kleine nukleare flugabwehrraketen in erwägung gezogen wurden. heute kann man angesichts dessen nur den kopf schütteln... damals versprach die nukleare revolution (bei ziviler nutzung) das paradies auf erden. ich habe hier einige "jugendbücher" aus der zeit herumliegen, man würde kaum glauben was damals alles für möglich gehalten wurde.

angesichts der damaligen situation (einige jahre "weltweiten" krieg an mehreren fronten, "verlustreiche" (relativ) invasion in europa, diverse schlachten im pazifik, der pearl-habour-"schock" [verschwörungstheorie, anyone?] kann zumindest ich mir gut vorstellen, dass eine regierung eine "schnelle" lösung bevorzugt - und diese auch durchaus verantwortbar ist. die japaner waren ja nicht gerade als "feiglinge" im kampf bekannt, die wegrennen, sobald sie eine feindliche armee sehen. dazu kommt noch, dass dort der vorherige ministerpräsident gestürzt und durch einen (angeblich?) ziemlich fanatischen admiral ersetzt wurde. zusätzlich wurde ein ultimatum gestellt, der "angriff" erfolgte also nicht unerwartet. man könnte auch der dortigen regierung vorwerfen, dass sie nicht "rechtzeitig" kapitulierte, als der kampf ohnehin aussichtslos war (massive niederlagen auf dem festland, pazifik in amerikanischer hand). darüber streiten sich aber anscheinend die historiker noch...
von manchen wird der abwurf der bomben ja auch als erste aktion im "kalten krieg" bezeichnet. im nachhinein ist es unmöglich zu beweisen, ob sie einen "echten atomkrieg" verhindert hat. angesichts der weltweiten "anti-atom" (im weitesten sinne) bewegung, die durch den angriff ausgelöst wurde, ist das aber durchaus wahrscheinlich. und vergleichen wir die 0,014 megatonnen von hiroshima mit einer von der sovjetunion getesteten 60 megatonnen fusionsbombe, dann wird klar, wovor die menschheit bewahrt worden ist - bisher.

btw. ssnake: sicher, dass die opferzahlen nicht höher waren?

auch wenn es schwer ist, das jetzt zu formulieren, aber die auslöschung von hiroshima/nagasaki ist für mich weniger zu verurteilen (da japan anscheinend nicht zu kapitulieren bereit war) als andere alliierte bombenangriffe (dresden, anyone? - auch hier gab es über 30000 tote) auf ein zusammenbrechendes land.

mfg
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Vorläufig letzte Worte, heute:

der Exstudent auf der Insel
 
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Sa, 12. Apr 2003, 09:02

Ssnake hat geschrieben:
Nein, angenehm sind diese Gedanken gewiß nicht. Aber sind sie deswegen weniger wahr?

Nein sind sie nicht.

Ich habe leider diese Diskussion größtenteils verpasst, weshalb ich nichts konkretes mehr beitragen kann. Daher möchte ich nur ein paar Sachen loswerden, die in mir beim Lesen-am-Stück in der letzten halben Stunde hängengeblieben sind.

Erstmal möchte ich Ssnake meine Bewunderung aussprechen. Zum einen für seine gesellschaftspolitische Bildung, die in diesem Forum wirklich die eines jeden von uns in den Schatten stellt, unabhängig von der jeweiligen Gesinnung - zum anderen zu seiner Engelsgeduld mit der er hier in stets sachlicher Art seine Meinung vertritt, obwohl von den Andersdenkenden zum Teil wirklich unfaire und auch gänzlich unberechtigte Vorwürfe hinsichtlich Kriegsbefürworterei kamen. Dies erinnert mich an meinen Disput mit Dirty Harry, der mich hoffentlich jetzt nicht mehr für einen Fan des amerikanischen Präsidenten hält. Ich selbst habe leider nicht Ssnakes Geduld, weshalb ich in meinem jugendlichen Übermut in solchen Fällen schon mal "arrogant" und "agressiv" reagiere, was natürlich nicht in Ordnung ist. Davon abgesehen bin ich aber immer noch der Meinung, dass ich zu keiner Zeit jemanden persönlich beleidigt habe. Selbst in meinem ersten - zugegeben agressiv-patzig formulierten - Post in diesem Thread nicht. Den Ignore-Modus Dirty Harry gegenüber hebe ich trotzdem auf, da er in seinem längeren Vor-Urlaubs-Post zum ersten Mal für mich wirklich lesenswerte Argumente gebracht hat, deren Ignorierung ungerecht wäre. Deshalb: [/Ignore="Dirty Harry"].

Die Atombombendisskussion hat mich ehrlich gesagt völlig schockiert. Auch ich habe diese Aktionen stets verurteilt, allerdings weniger vom Gesichtspunkt der Opfer her. Damals gingen in aller Welt so ungeheuer menschenverachtende Dinge vor sich, dass ich daraus allein die Amerikaner nicht verurteilen kann; diese Abwägungen, ob ein Landungskrieg nun verlustreicher gewesen wäre oder nicht sind rein akademisch. In einem Weltkrieg gegen Diktaturen, die offensichtlich jegliche Zivilisiertheit verloren haben, kann man schwerlich Menschrechtsverletzungen ahnden. Der Grund für die Verurteilung meinerseits war folgender: Ein Krieg sollte meiner Meinung nach immer das letzte Mittel sein, ein klare Zielsetzung haben und in einer begrenzten Zeit beendet werden können. Dies impliziert auch, dass die Zerstörungen beseitigbar sein müssen, es dürfen keine Schäden angerichtet werden, von der sich eine Kriegspartei nie mehr erholen kann. Letzteres war in Hiroshima gegeben, da nach einem halben Jahrhundert immer noch Spätfolgen auftreten. Ich selbst bin jedoch nie auf die Idee gekommen, dass die Amerikaner das ja gar nicht wissen konnten. Und es erscheint mir glaubhaft, von DNA wußte man damals tatsächlich nichts. Ich glaube man hatte den Prozeß der Zellteilung gerade bis auf Chromosomen-Ebene erforscht und das Mitose/Meiose Schema aufgestellt. Wie kann es nur sein, dass ich von diesem Argument mein ganzes Leben lang noch nichts gehört habe? Dass ich selbst nicht drauf gekommen bin liegt am eigenen Unvermögen. Wenn es tatsächlich so ist, fallen die Langzeitschäden als Vorwurf an die USA komplett weg. Man kann jemanden nicht nur an Hand der Folgen verurteilen, die er zum Tatzeitpunkt noch gar nicht absehen konnte. Das würde die "Warmes-Wohnzimmer"-These Ssnakes bestätigen. Insofern halte ich Ssnakes Gesamtargumentation nicht für "unsäglichen Müll", sondern zumindest für bedenkenswert.

Ciao,

Doc SoLo
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