Zumal ich glaube, dass ihr Sebastian B. vor einen ideologischen Karren spannt, vor den er nicht wirklich gehört. Ich hatte beim Lesen seines Blogs/Abschiedsbriefs eher das Gefühl, einen vereinsamten Menschen vor mir zu haben. Diese ganze Gesellschafts- und Konsumkritik war bei ihm konkret auf die Mitschüler bezogen, mit denen er nicht klar kam.
Die haben ihn fertig gemacht und er suchte eine "Rechtfertigung" sie zu hassen. Einfach zu sagen: Ich möchte sie töten, weil sie *mich nicht mögen*, wäre vermutlich ehrlicher gewesen. Aber emotional viel schwerer, außerdem wirkt man dann wie ein Weichei. Also schiebt er sein ganzes Leid auf abstrakte Problematiken (welche ihn im Zweifel nicht in diesem Maße interessiert hätten, wenn die "Jocks" ihn nur akzeptiert hätten). Damit wirkt er stärker, unabhängiger und in gewisser Weise intelligenter. Alles Dinge, die sich jemand wünscht, der als Versager empfunden wird, denke ich.
Von meiner eigenen Schulzeit an meiner eigenen GSS kenne ich das von Bekannten. Ich stand immer ein wenig zwischen den "Rollen-/Computerspielern" und den "Coolen" (nicht, dass sie oder gar ich das tatsächlich gewesen wären *gg*). Ich war bei keiner "Gruppe" wirklich involviert, kam aber mit beiden gut kar. Daher konnte ich dem Treiben recht unbefangen zuschauen.
Man sah deutlich, wie die "Ausgegrenzten" an sich nach der Anerkennung der beliebteren Schüler gegiert haben. Da sie diese aber nicht bekamen, fiel ihnen früher oder später etwas ein, um die Abneigung erwidern zu können. Sie suchten sich also Eigenschaften, die sie an den „Jocks“ hassten, nur um zu rechtfertigen, warum sie keinen Kontakt bekamen. So wie der bis über beide Ohren verschossene Mann, der einen Korb erhält und dann sagt: „Na ja, sie war eh eingebildet. Und hässlich. Und wenn ich es mir recht überlege, hat sie auch gestunken. Flittchen!“
Der Prozess hat sich bei meinen Mitschülern häufig als "radikale" Systemkritik getarnt, obwohl eigentlich sehr, sehr individuelle Probleme der Auslöser waren. Frei nach dem Motto: „Stürzt das System und alle angepassten Kriecher!“, wenn gemeint war: „Warum haben die so viele Freunde/so viel Geld/so viel Erfolg/sehen so gut aus ... und ich nicht?!“
Da die Probleme sehr individuell sind, dürften es die Lösungen auch sein. Den "großen Wurf für alle" gibt es wohl eher nicht, vermute ich. Es ist halt einfacher zu sagen: Bürgergeld her/Computerspiele weg (beliebig austauschbar durch das neuste Buzzword) --> alle Probleme lösen sich in Luft auf.
Der Witz an den individuellen Lösungen ist, dass sie schwerer und einfacher zu gleich sind. Denn für die brauche ich weder politisches noch finanzielles Kapital. Dafür muss ich aber selbst handeln, kann es nicht auf andere schieben ("*die* Politiker machen nix!"). Und muss mich damit zufrieden geben, dass ich immer nur one person at a time helfen kann.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich langsam verrückt werde, aber mir fällt immer stärker auf, wieviel Sinn das macht, was die Bibel Jesus in den Mund legt. Schade, dass sich keine Sau dran hält...