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Naja, ist doch klar: Mieter stellen den überwiegenden Teil der Wählerschaft, also werden sie von Politikern auch bevorzugt durch die Rechtsgestaltung bedient. Das kann nun wirklich niemanden überraschen. Dasselbe gilt natürlich auch fürs Arbeitsrecht und die Sozialgesetzgebung. Unternehmer sind in der Minderheit und haben auch nur eine Stimme, daher beugt sich der Politiker nur insoweit den Forderungen der Wirtschaft als sie zur Erhaltung des Melkviehs notwendig sind. Ja, gut - das sind halt die Spielregeln der Demokratie. Alle Volksparteien müssen zwangsläufig zu Sozialdemokraten mutieren, sonst verlieren sie den Großteil ihrer Wählerschaft. Eine Partei, die sich für Unternehmer-Interessen einsetzt wird deswegen auch nur wenig mehr Stimmen anziehen als der Anteil von Unternehmern an der Gesamtbevölkerung beträgt - so ca. 5% eben.
 
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Mo, 24. Okt 2005, 21:10

Ssnake hat geschrieben:
Schön, sparen wir uns die gegenseitige Abwatscherei.

Gerne.

Die Erschließungs- und Förderkosten bei meinem Ölbeispiel habe ich durchaus nicht vergessen. Nur ist es so, dass Abramowitsch über ein Vermögen von drei Milliarden Dollar verfügt. Und das ist kein virtuelles Geld irgendeiner AG, an der sich das kleine Arschloch beteiligen könnte. Abramowitsch hat einen großen Teil davon ins Ausland transferiert und tatsächlich realisiert. Das erlaubt ihm Spässe wie eine eigene 767, eine Yacht mit eingebautem U-Boot und Hubschrauberlandeplatz oder eben einen ganzen Fußballclub zu kaufen - im übrigen eine Aktion, die so albern ist, dass sie wohl nur ein russischer Neureicher zustande bringt. Dieses Geld stammt aus dem Verkauf einer Ressource dieser Erde zu weit überhöhtem Preis und nicht aus ehrlicher Arbeit an der Ölpumpe. Ich frage mich wirklich, warum du dir so eine Mühe gibst, diesen schnöden Betrug an der Menschheit mit den aberwitzigsten Argumenten zu rechtfertigen?! Wenn du das nicht einsehen willst, nehme ich das so hin, aber ich möchte nicht weiter darüber schreiben müssen, es langweilt mich.

Das Eisen im Erdkern oder die 4300 deutschen Quadratmeter gehören auch für mich zu den Dingen, die ich recht selten vermisse. Du wolltest aber einen Beleg dafür, dass Aufteilung der Welt und Erbbesitz im Grundgesetz verankert sind. Den hast du nun. Mit dem Makel, er wäre weit hergeholt, kann ich leben. Wenn du mir auf praktischeres Niveau nicht folgen willst, sondern grundsätzliche Belege und Herleitungen für Selbstverständliches forderst, dann kann ich auch nix machen, wenn diese dir dann zu weit hergeholt sind. Auf die Statistik mit der zunehmenden Vermögensumverteilung bist du dagegen gar nicht erst eingegangen. Die war dir wohl nicht zu weit hergeholt. Ich nehme also an, dass du das nicht mehr in Frage stellst.

Ich habe auch nichts gegen Miete. Aber dass sie eben nicht nur die Aufwände des Vermieters deckt, hast du doch selbst bewiesen:
... daß der Mietzins einschließlich des mit ihm verbundenen Ausfallrisikos mit anderen Anlageformen konkurriert

Natürlich hebt kein Vermieter seinen Arsch, wenn er sein Geld nicht besser verzinst kriegt als bei der Bank. Du zahlst mit der Miete für den Arbeits- und Verwaltungsaufwand, das eingesetzte Kapital UND einen höheren Zinssatz als die Bank bietet. Dass eine Berliner Mietgenossenschaft wegen absurder Mieterschutzgesetze finanzielle Probleme kriegen kann, mag zwar so sein - hat aber mit dem von mir angeführten prinzipiellen Zusammenhang nichts zu tun: Miete schafft arbeitsfreies Einkommen für den Inhaber des Mietgegenstandes.

Soweit es die prinzipielle Ungerechtigkeit des Zinses an sich geht, halte ich dagegen, daß in einer Marktwirtschaft alle konvertiblen Güter einen Preis haben sollten, weil nur über den Preis der Weg zu einem sparsamen und effizienten Ressourceneinsatz gefunden wird.

Was hat denn das mit dem Zins zu tun? Natürlich haben auch in der Freiwirtschaft alle Güter einen Preis und kosten Geld. Die weiteren Ausführungen über Verschwendung laufen deshalb ins Leere.

Ebenso ist es mit dem Geld. Zins ist letztlich der Preis für Kapital.

Also zusammen mit deiner obigen Aussage kriege ich den Eindruck, dass du hier was durcheinanderwirfst. Geld ist nichts weiter als ein Wertmaßstab. Dummerweise bildet unser Geld die Güter, denen es entsprechen soll nur unzureichend ab. Es verliert nicht an Wert wie sie - im Gegenteil, es hat die Angewohnheit, sich selbständig zu vermehren. Deswegen driften Geldwirtschaft und reale Güterwirtschaft auseinander.

Wenn wir uns eingehender darüber unterhalten wollen, muss ich etwas präziser werden. Es geht genaugenommen nicht um die Abschaffung des Zins, sondern um die Beseitigung seiner negativen Auswirkungen durch eine Umlaufsicherung des Geldes. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass er auf oder gar unter Null sinken kann. Das ist derzeit nicht der Fall. Er kann derzeit nicht unter ca. 3% sinken, weil das die Grenze ist, unterhalb der jeder sein Geld festhält und es nicht mehr verleiht. Wir haben also ein ständiges Anwachsen der Geldmenge. Es gibt kein stabiles System in dem irgendetwas immerzu exponentiell wachsen kann.

Wenn du in der Freiwirtschaft jemanden findest, der dir Rendite anbietet damit du ihm Geld leihst, darfst du die natürlich nehmen. Wenn aber alle vor lauter Wohlstand so fett und faul geworden sind, dass sie keine Lust haben, für mehr zu arbeiten als den Status quo, dann wirst du auch keinen Zins mehr kriegen für dein Geld. Das System funktioniert aber immer noch, auch ohne Wachstum. Im Gegensatz zu heute. Weil die Kapitalbesitzer ihr Geld auch ohne Zins verleihen müssen.

Die Frage ist also, ob man nicht durch die Abschaffung des Zinses den verantwortlichen Umgang mit Kapital fahren läßt.

Die Kreditvergabe verkommt auch in der Freiwirtschaft nicht zu einem Akt der Nächstenliebe. Selbstverständlich fordert der Kreditgeber sein Geld zurück. Kommt ein Schuldner den vereinbarten Raten nicht nach, sieht er sich prinzipiell den gleichen Sanktionen gegenüber wie heute - auch ohne Zins. Er tut also gut daran, mit dem geborgten Geld etwas gescheites anzufangen, damit er es zurückzahlen kann und selber den Gewinn macht, weswegen er es sich geliehen hat. Borgen und verprassen is nich'.

Der von Dir vermißte Ausgleich findet also gelegentlich statt. :twisted:
Das weiß ich. Bisher meistens über Krieg und Zerstörung. Die Frage ist doch, ob wir das andauernd wollen oder ob wir nicht versuchen sollten, zu einem Geldsystem zu kommen, das diese "Resets" nicht braucht. Es steht nämlich bald wieder einer an.

Zu viel, in der Praxis, als daß damit ein wahrhaft gerechter Übergang bewerkstelligt werden könnte.

Doc SoLo hat geschrieben:
Denn die Ungleichverteilung von Vermögen muss nicht unbedingt beseitigt werden.


Vielleicht wäre ja so ein gelehrtes Buch über diese "Freiwirtschaft" eine geeignete Advendtslektüre für mich. Hättest Du da einen konkreten Literaturtipp?

Einen ersten Überblick geben die Wikipedia-Artikel, die allerdings mit ein paar Ungenauigkeiten behaftet sind:
http://de.wikipedia.org/wiki/Umlaufgesichertes_Geld
http://de.wikipedia.org/wiki/Freiwirtschaft

Zum Thema Geld gibt es ein recht kompaktes Buch, das auch komplett online steht:
http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kennedy

Hier sind jede Menge Texte, u.a. auch die von Silvio Gesell selber:
http://www.geldreform.de/

Ich habe aber die originalen Texte auch nicht komplett gelesen. Die stammen noch aus einer Zeit, als man sich eine goldunabhängige Währung noch nicht vorstellen konnte. Die meisten aktuellen Diskussionen darüber beziehen sich denn auch auf die Fragen, inwieweit man ihm Antisemitismus oder Sozialdarwinismus unterstellen kann. Ich habe keine Lust, mich daran zu beteiligen.

Dann wären da noch die Diskussionen zu ökonomischen Artikeln auf Telepolis und zum Teil sogar die Artikel selber, wie ich am Neuesten grad sehe. Da sind dann wirklich grenzgeniale Zeitgenossen unterwegs und es ist oft ein Genuss, die Wortschlachten nachzulesen.

Ihre Basis haben einige von ihnen in diesem unscheinbaren Forum: http://f23.parsimony.net/forum52169/index.htm

Auf der zugehörigen Seite finden sich Kommentare zum aktuellen Geschehen aus Sicht von Freiwirtschaftlern, meist hochinteressant:
http://systemfehler.de/main.htm

Ich teile halt Deine Schlußfolgerungen nicht und versuche es eben lieber mit Zuversicht und Aktivierung meiner Umwelt, wo ich es denn kann.
Zuversicht!? Mit Verlaub, aber da ist etwas mehr nötig. Viel mehr als Kopf in den Sand stecken und Aussitzen ist das auch nicht.

Ciao,

Doc SoLo
Zuletzt geändert von Doc SoLo am Mo, 24. Okt 2005, 21:15, insgesamt 1-mal geändert.
 
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Di, 25. Okt 2005, 07:36

Doc SoLo hat geschrieben:
Ssnake hat geschrieben:
Schön, sparen wir uns die gegenseitige Abwatscherei.

Ich habe auch nichts gegen Miete. Aber dass sie eben nicht nur die Aufwände des Vermieters deckt, hast du doch selbst bewiesen:
... daß der Mietzins einschließlich des mit ihm verbundenen Ausfallrisikos mit anderen Anlageformen konkurriert

Natürlich hebt kein Vermieter seinen Arsch, wenn er sein Geld nicht besser verzinst kriegt als bei der Bank. Du zahlst mit der Miete für den Arbeits- und Verwaltungsaufwand, das eingesetzte Kapital UND einen höheren Zinssatz als die Bank bietet. Dass eine Berliner Mietgenossenschaft wegen absurder Mieterschutzgesetze finanzielle Probleme kriegen kann, mag zwar so sein - hat aber mit dem von mir angeführten prinzipiellen Zusammenhang nichts zu tun: Miete schafft arbeitsfreies Einkommen für den Inhaber des Mietgegenstandes.


Ganz so arbeitsfrei ist dieses Einkommen dann aber auch nicht. Zum einen muß man sich im Zweifelsfall das zu vermietende Objekt erstmal erarbeiten, d.h. der Vermieter (oder eben sein Vater oder sonst wer wenn er es geerbt hat) mußte erstmal entbehrungen hinnehmen um das Objekt zu erwerben. Auf Gut Deutsch: Er hätte das Geld stattdessen ja auch zu seinem Vergnügen verprassen können. Um heutzutage Eigentum zu erwerben ist fleißiges Sparen vonnöten, und das war eigentlich schon immer so. Zum Zweiten bedeutet auch der Unterhalt einer vermieteten Wohnung Arbeit, im Zweifelsfall Verwaltungsarbeit. Wenn Du nur von Miete leben willst (also tatsächlich "Arbeitsfrei") brauchst Du mehrere Mietobjekte die Du verwalten und im Zweifelsfall in Stand halten mußt. Wenn etwas kaputtgeht mußt Du Dich um die Handwerker kümmern. Klar ist das im Zweifelsfall weniger schwere Arbeit als in der Fabrik zu buckeln, aber nichtsdesto Arbeit im heutigen Sinne des Begriffes.





Doc SoLo hat geschrieben:
Also zusammen mit deiner obigen Aussage kriege ich den Eindruck, dass du hier was durcheinanderwirfst. Geld ist nichts weiter als ein Wertmaßstab. Dummerweise bildet unser Geld die Güter, denen es entsprechen soll nur unzureichend ab. Es verliert nicht an Wert wie sie - im Gegenteil, es hat die Angewohnheit, sich selbständig zu vermehren. Deswegen driften Geldwirtschaft und reale Güterwirtschaft auseinander.

Ciao,

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Das ist so jetzt auch nicht richtig, Geld verliert doch ständig an Wert, nämlich durch die Inflation. 3% Zinsen die man "einfach so" (also ohne sich um gute Anlagegeschäfte zu kümmern) auf der Bank bekommt sind ja gerade das was die Inflationsrate ausgleicht. Für ein Auto für das man vor 30 Jahren 8000 DM hinlegen mußte muß man heute schon mindestens 20.000 Euro hinlegen. Wie kannst Du da behaupten Geld würde nicht an Wert verlieren?
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Di, 25. Okt 2005, 19:42

Ganz so arbeitsfrei ist dieses Einkommen dann aber auch nicht. Zum einen muß man sich im Zweifelsfall das zu vermietende Objekt erstmal erarbeiten, d.h. der Vermieter (oder eben sein Vater oder sonst wer wenn er es geerbt hat) mußte erstmal entbehrungen hinnehmen um das Objekt zu erwerben. Auf Gut Deutsch: Er hätte das Geld stattdessen ja auch zu seinem Vergnügen verprassen können.

Was ist mit dem Bauer, der fleissig angebaut, wenig gegessen und nun den Speicher voller Korn hat? Darf er zu Recht erwarten, dass das Korn im Speicher sich nun vermehrt, wo er doch so fleißig war? Muss er nicht sogar damit rechnen, dass es schlecht wird, wenn er es nicht verbraucht? Ist er nicht deswegen gezwungen, es vorerst zu verkaufen (investieren), notfalls auch ohne Zins dafür zu erhalten?

Nur weil du fleissig warst, berechtigt dich das nicht, nun dauerhaft andere für dich arbeiten zu lassen. Der einzige Luxus, den dir Geld (in einem funktionierenden System) bieten kann, ist, den Zeitpunkt für das "Verprassen zum Vergnügen" frei zu wählen - nicht aber die Vergrößerung des "Vergnügens" durch Abwarten.

Zum Zweiten bedeutet auch der Unterhalt einer vermieteten Wohnung Arbeit, im Zweifelsfall Verwaltungsarbeit.

Hab ich doch berücksichtigt. Und der Vermieter würde es nicht machen, wenn er nicht ZUSÄTZLICH zu seinem Arbeitslohn eine genügende Verzinsung erhalten würde. Für den Bankzins müsste er ja auch nicht arbeiten. Lies die entsprechende Stelle in meinem letzten Post nochmal genau.

Wenn Du nur von Miete leben willst (also tatsächlich "Arbeitsfrei") brauchst Du mehrere Mietobjekte die Du verwalten und im Zweifelsfall in Stand halten mußt.

Ich habe von arbeitsfreiem "Einkommen" geschrieben, nicht von "Leben". Für die Diskussion der grundlegenden Zusammenhänge ist es unerheblich, ob dieses arbeitsfreie Einkommen nun der Lebensunterhalt oder nur ein Zubrot ist.

Wie kannst Du da behaupten Geld würde nicht an Wert verlieren?

Weil der Zins nicht an die Inflation gekoppelt ist und für Investitionen immer höhere Renditen gefordert werden als die Inflation beträgt.

In der Tat hat Inflation eine umlaufsichernde Wirkung. Sie läßt sich aber nicht genau steuern und ist als Liquiditätsstrafe schwerer zu greifen als ein einfacher Abschlag. Ausserdem müsste man die Inflation bei Kreditgeschäften von vorneherein mit berücksichtigen. Da die zurückgezahlten Raten am Anfang "mehr wert" sind, als dieselben Raten am Ende der Laufzeit, sind Kredite anfangs teuer und werden mit der Laufzeit immer "billiger". Das hat verschiedene negative Auswirkungen, sowohl im geschäftlichen, wie auch privaten Bereich, die hier zusammen mit einigen weiteren Aspekten ausführlich erläutert sind.

Ciao,

Doc SoLo
 
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Di, 25. Okt 2005, 23:55

Warum brummt dann die Wirtschaft in Hochinflationsländern nicht?
Dort, wo dauerhaft eine hohe Inflationsrate herrscht(e), z.B. Südamerika in den 70ern, müßte sich dann doch der freiwirtschaftliche Ansatz der Liquiditätsbesteuerung wenigstens ein bißchen bemerkbar gemacht haben, denn die Anlagezinsen am Geldmarkt lagen nicht zu allen Zeiten über die Inflationsrate. Steuerbarkeit hin oder her, wenn es diesen realwirtschaftlichen Effekt des verstärkten Wirtschaftswachstums aufgrund von Geldentwertung gäbe, müßte er doch zu beobachten sein.
Es wurde ja auch hierzulande während der Kanzlerschaft des "Weltökonomen" versucht, durch Deficit Spending die Arbeitslosigkeit unter Inkaufnahme höherer Inflation zu bekämpfen - am Ende hatte man dann beides. Und Deflationstendenzen haben die Notenbanken seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eigentlich auch gut in den Griff bekommen. Die Zahl der Fälle, in denen Volkswirtschaften in die klassische Liquiditätsfalle getappt sind, ist doch seit der großen Depression in den 1930ern sehr überschaubar geblieben, obwohl sie doch häufiger auftreten müßte, wenn ich die Argumente der Freiwirtschaftler recht verstehe.


Wie auch immer - ich muß morgen früh nach Stockholm, komme erst nächste Woche wieder. Insofern werden wir das Thema nicht ausdiskutieren können, wir haben ja auch kein volkswirtschaftliches Seminar hier. Aber ich werde mir das eine oder andere Buch zum Thema mal vorknöpfen. Neugierig bin ich ja schon geworden...
 
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Mi, 26. Okt 2005, 07:52

Nur noch kurz zu Docs Kommentaren, so fit bin ich zugegebenerweise in diesem Thema nicht.

Das Korn im Speicher des Bauern kann natürlich schlecht werden, aber er kann es auch vermehren indem er es als neues Saatgut fürs nächste Jahr bekommt. Klar, er muß Arbeit hineinstecken um es zu vermehren, aber eine gewisse "Arbeit" ist auch notwendig wenn Du Dein Geld vermehren willst. Wenn Du mit Anlagegeschäften Geld machen willst setzt das nämlich vorraus daß Du Dich gut informierst wie Du Dein Geld anlegst. Auch das bedeutet Zeitaufwand. Im Prinzip könnt man dann auch beim Bauern klagen daß er das Saatgut nur verteilen und später ernten muß, wachsen tut es ja von alleine. :wink:

Und wie ich gesagt habe ist auch eine Wohnung bzw. die Einnahme der Miete davon icht komplett "arbeitsfrei". Die Wohnung wird vom Mieter heruntergewirtschaftet und verliert an Wert, das Haus muß ab und an repariert werden usw.

Klar, der Zins ist nicht an die Inflation GEKOPPELT, aber momentan ist es schon so daß er kaum mehr als die Inflation abdeckt. Zumindest wenn man nicht erheblichen Aufwand hineinstecken will. (Was wieder "Arbeit" in unserem Sinne hier darstellt).

Ursprünglich sind wir ja über die Chancengleichheit auf dieses Thema gekommen, und letztendlich besteht diese in unserem Land durchaus. Nach wie vor bin ich der Meinung das Jeder hier die Chance hat durch Leistung zu Geld zu kommen und sich etwas aufzubauen. Inzwischen ist das etwas schwerer als früher, das gebe ich schon zu, aber die Chance ist trotzdem noch da. Und wahrscheinlich ist es auch nicht möglich dies in einer Generation zu schaffen, aber zumindest für seine Kinder kann man schon bessere Vorraussetzungen schaffen. Der "Reset" wie Du ihn bezeichnet hast ist ja nicht all zu lange her, und zumindest danach waren hierzulande die Chancen für alle gleich. Letztendlich kannst Du Dich dann beklagen daß Deine Großeltern oder Eltern die Chancen nicht besser genutzt haben. Ich sehe das System als äußere Umstände die ich als einzelner nur bedingt ändern kann und mit denen ich mich arrangieren muß. Und in diesen äußeren Umständen muß ich eben das beste aus meinen Möglichkeiten machen. Im Prinzip ist das ein darwinistisches System: Wer sich am besten anpaßt gewinnt. Letztendlich ist es dann auch egal wie gut oder schlecht ein System ist, diese Grundregel bleibt immer gleich: Auch in einem "perfekten" System gibt es Leute die sich besser oder schlechter anpassen, so gesehen wird es immer Verlierer und Gewinner geben.
Das ist auch gut so, denn nur mal um der Theorie willen angenommen es gäbe ein perfektes System bei dem alles gerecht wäre und jeder völlig gleich wäre. In diesem Fall gäbe es ja überhaupt keinen Grund etwas zu verändern, denn alle wären ja zufrieden. Damit würde sich auch niemand mehr anstrengen müssen. Es gäbe also keine Belohnung für mehrarbeit und keine Strafe für Faulheit. Ein solches System würde überhaupt nicht funktionieren.

Ein weiteres Problem eines solchen starren System ist daß es auf Einflüsse von außen nicht reagrieren könnte. Die kleinste Änderung der äußeren Bedingungen würden zu einem Zusammenbruch des Systems führen.
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Mo, 31. Okt 2005, 16:01

Dirty Harry hat geschrieben:
Ursprünglich sind wir ja über die Chancengleichheit auf dieses Thema gekommen, und letztendlich besteht diese in unserem Land durchaus. ... Der "Reset" wie Du ihn bezeichnet hast ist ja nicht all zu lange her, und zumindest danach waren hierzulande die Chancen für alle gleich.

Bei aller Übereinstimmung in vielen anderen Bereichen halte ich diese Aussage denn doch für leicht widerlegbar. Immobilienbesitz und Beteiligungen an Unternehmen waren keineswegs Bestandteil der Währungsreform von 1948, die eben genau das war: Eine reine Geldumstellung. Damit wurden liquide Mittel weitgehend vernichtet und durch einen Einheitsbetrag ersetzt, ohne aber die restliche Vermögensverteilung anzupacken. Schuldner wurden über Nacht schuldenfrei und Gläubiger faktisch enteignet.

War das gerecht? Wurde damit Chancengleichheit hergestellt?
Immerhin wurde gesellschaftlicher Aufstieg durch eine langanhaltende Phase des Wirtschaftswachstums begünstigt, und auch diejenigen, denen der Aufstieg durch die Gesellschaftsschichten nicht gelang, partizipierten erheblich vom Massenwohlstand der gesamten Gesellschaft. Das hat die soziale Unzufriedenheit entscheidend gedämpft, und bis 1973 war die Welt ja auch scheinbar in Ordnung. Der Ölpreisschock legte dann ja nur offen, was früher oder später unvermeidlich ohnehin ans Tageslicht gekommen wäre.


Die Währungsumstellung 1990 erfolgte dann unter günstigeren Umständen durch die 1:1 und 1:2-Regelung der Sparbeträge. Da in der DDR sehr viel Geld (mangels Konsummöglichkeit) auf Sparkonten geparkt war und die Rentner sofort auf Westrente umgestellt wurden, entstand eine kurzfristige Illusion von sofortigem Wohlstand. Illusion deshalb, weil er leider nicht durch eine produktive industrielle Basis abgesichert war. Die Konsumlaune aufgrund der Wohlstandsillusion bescherte uns dann die Sonderkonjunktur bis 1994, anschließend setzte der unvermeidliche Katzenjammer ein - verbunden mit der Völkerwanderung nach Westen.


Im es kurz zu fassen: Ich meine, unsere Gesellschaft ist sozial ziemlich durchlässig. Halbwaisenkinder aus Flüchtlingsfamilien konnten es bis zum Bundeskanzler schaffen, und ähnliche Biografien findet man auch an vielen anderen Orten führender Manager in Politik und Wirtschaft. Für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sind die Chancen gut, oder sehr gut. Allerdings nicht für alle, genauso wie notwendigerweisenur eine kleine Zahl von Menschen Spitzenpositionen und Spitzengehälter erreichen kann (sonst wär's ja keine Spitze mehr). Es sollte das gesellschaftliche Bestreben sein, Chancengerechtigkeit zu erreichen. Dabei ist es wie mit allen anderen Idealen - sie sind nicht erreichbar, aber gute Orientierungshilfen, wenn es darum geht, die Konsequenzen von Handlungsalternativen abzuschätzen. Welche Ideale man sich setzt, ist eine Frage des gesellschaftlichen Grundverständnisses, über sie wird letztendlich bei Wahlen abgestimmt.
 
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Sa, 5. Nov 2005, 21:34

Ich will ja den Thread nicht sterben lassen, aber gelegentlich muss ich einfach mal 'ne Zeit warten, bis ich wieder den Nerv habe, was reinzuschreiben... *seufz* Liest eigentlich sonst noch jemand mit, außer den "Kombattanten"?

@Harry:

Die Sonne dürfte damit, etwas über (Millionen) Jahre hinweg selbstlos zu verschenken, auch ziemlich alleine dastehen. Insofern ist es abwegig, aus dem kostenlosen botanischen Wachstum auch monetäres ableiten zu wollen. Ja, ich weiß, dass deine Bemerkung nicht ganz ernst gemeint war - meine ist es auch nicht :P

Warum du mir zum wiederholten Mal die Kosten des Vermieters erläuterst, obwohl ich längst geschrieben habe, dass mir das völlig bewusst ist, verstehe ich aber tatsächlich nicht. Da ich mich nicht dreimal wiederholen werde, ein letzter Erklärungsversuch: Immobilienfonds. Du gibst jemandem Geld, er baut davon Wohnungen, unterhält, renoviert und vermietet sie. Du hast weder die Wohnungen gesehen, noch die Mieter, weißt allenfalls grob, wo die sich überhaupt befinden. Und Arbeit mit diesen Mietern und Wohnungen hast du natürlich auch nicht. Trotzdem wirft deine Beteiligung an den Fonds Rendite ab. Arbeitsfreies Einkommen für dich, kreiert aus erhöhten Mietkosten für die Mieter. Des einen Privileg ist des anderen Last - ganz einfach, hatten wir schonmal in diesem Thread. Wenn dir das jetzt immer noch nicht einleuchtet, gebe ich auf. Also bitte keine Kommentare mehr zu irgendwelchen Vermieterkosten von irgendwelchen Wohnungen!

Meine Großeltern mache ich ganz bestimmt nicht für ungenutzte Chancen in ihrem Leben verantwortlich, die mich jetzt mutmaßlich benachteiligen. Ich muss gestehen, etwas so groteskes habe ich in einer Diskussion über Chancengleichheit überhaupt noch nicht gehört.

Und auf das Gebiet des Sozialdarwinismus folge ich dir definitiv nicht. Für mich sind Menschen keine Tiere, deswegen sollten - nein, müssen - in ihrer Gemeinschaft auch andere Verhaltensregeln als in der Tierwelt gelten. Wenn du das anders siehst, gibt es zwischen uns keine Diskussionsgrundlage mehr.

Das (zugegeben ungerechte) System als gegeben hinnehmen und sich anpassen, um zu gewinnen... Ahja. Eine so zynische Sicht auf die Welt kann IMO nur jemand haben, dem es selbst dank Luxusgehalt über verdiente Maßen gut geht und dem jeglicher Gerechtigkeitssinn fehlt. Nein, ich wünsche dir trotzdem nicht, dass du bei den 8.500 dabei bist. Obwohl, bei den Abfindungen... Der westdeutsche Rausschmiss unterscheidet sich eben auch vom ostdeutschen.

@Ssnake:
Warum brummt dann die Wirtschaft in Hochinflationsländern nicht?

Weil zu hohe und vor allem nicht vorhersehbare Inflation das Vertrauen ins Geld senkt und letztlich zum direkten Handel führt. Ohne die Lage in Südamerika genau zu kennen, vermute ich, dass das dort wegen der ohnehin existenzieller geprägten Wirtschaft der Fall war. Ohne Geld ist man wirtschaftlich aber wieder in der Steinzeit.

Einen positiven wirtschaftlichen Effekt hat Inflation nur, wenn sie moderat und berechenbar ausfällt - beides Forderungen von Freiwirtschaftlern, die Inflation als Kompromiss auf dem Weg zur "echten" Umlaufsicherung sehen.

Und Deflationstendenzen haben die Notenbanken seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eigentlich auch gut in den Griff bekommen.

Ich bin überzeugt, dass die derzeitige Deflation und Wirtschaftsmisere von den Notenbanken nicht gestoppt werden kann. Zumal sich nun auch unser Staat kräftig am Geldstreik beteiligen wird: Mehrwertsteuer rauf + Milliarden-Sparprogramm. Weiß eigentlich überhaupt jemand, was das bringen soll? Die bittere Pille schluckt man ja , weil man von ihr gesund wird. Von der "Spar-Pille" ist am Ende gar nichts gesund oder überhaupt nur besser. Wenn man sich tatsächlich an Staatsschulden aus den 70ern gebunden sieht, ist nichts mehr zu retten. Kein Mensch wird die je zurück zahlen. Ich frage mich nur noch, ob unsere Politiker das wissen und nur so tun als...

Den ersten drei Absätzen in deinem letzten Post stimme ich voll und ganz zu.

Immerhin wurde gesellschaftlicher Aufstieg durch eine langanhaltende Phase des Wirtschaftswachstums begünstigt, und auch diejenigen, denen der Aufstieg durch die Gesellschaftsschichten nicht gelang, partizipierten erheblich vom Massenwohlstand der gesamten Gesellschaft.

Sehr richtig! Und genau das vernebelt euch Wessis heute noch den Blick auf die Realität aus Vermögensumverteilung und Ausbeutung. Deswegen erkennt ihr die fundamentale Ursache der jetzigen Probleme nicht, sondern seht eine vorübergehende Konjunkturflaute, wie es sie schon öfters gegeben hat, diesmal mit der Sonderbelastung Osten.

Jetzt, wo das große Wirtschaftswachstum nicht mehr da ist, beginnen die unteren Schichten wieder zu verlieren wie früher auch schon. Ich frage mich, wie deutlich das noch werden muss, bis es endlich als Realität bgriffen wird. Vielleicht hilft es ja, derzeit mal nach Frankreich zu schauen...

Ciao,

Doc SoLo
Zuletzt geändert von Doc SoLo am Sa, 5. Nov 2005, 21:42, insgesamt 1-mal geändert.
 
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So, 6. Nov 2005, 18:25

Okay, mit Imobilienfonds hast Du so natürlich recht, aber dann kannst Du Banken generell als Parasiten dieser Gesellschaft verteufeln.

Und die Sache mit dem Darwinismus: Egal was für ein System Du entwickelst und wie gerecht Du es zu gestalten versuchst, es wird immer Leute geben die sich besser daran anpassen und ihren Nutzen daraus ziehen und Leute die sich nicht gut anpassen und Nachteile haben werden. Was willst Du dagegen machen? Und unser System ist immerhin so gut daß zumindest theoretische Chancengleichheit besteht. Jemand der Intelligent ist und die "Regeln" zu seinen Gunsten auslegen kann kann es zu etwas bringen, egal welche Herkunft er hat. Nichts anderes wollte ich damit ausdrücken.

So ein "Luxusgehalt" habe ich dann auch nicht, ich habe einfach auch das Glück das meine Eltern nicht arm sind. (Zwar auch nciht wirklich reich, aber immerhin.) Und zu den 8500 gehöre ich bislang auch nicht und werde ich auch nicht gehören, da ich in der Nutzfahrzeugsparte bin und bislang das ganze nur die PKW-Sparte betrifft. Somit bekomme ich auch kein finazielles Angebot zum Ausscheiden, was bei mir allerdings auch nicht so prickelnd ausfallen würde.
Da neulich mal Hyundai versucht hat mich abzuwerben bin ich auch relativ zuversichtlich daß ich wieder einen Job bekommen würde. Vielleicht schlechter wie der jetzige, aber immer noch besser als Arbeitslos. Aber das habe ich Dir ja neulich schon geschrieben: Ingenieure sind momentan Mangelware und daher auch nicht wirklich akut von Arbeitslosigkeit bedroht.
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So, 6. Nov 2005, 20:40

Doc SoLo hat geschrieben:
Liest eigentlich sonst noch jemand mit, außer den "Kombattanten"?

*meld*
 
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So, 6. Nov 2005, 22:07

tafkag hat geschrieben:
Doc SoLo hat geschrieben:
Liest eigentlich sonst noch jemand mit, außer den "Kombattanten"?

*meld*


Um die überaus interessante Diskussion nicht im Sande verlaufen zu lassen: Ich auch! :)
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So, 6. Nov 2005, 22:19

Early hat geschrieben:
tafkag hat geschrieben:
Doc SoLo hat geschrieben:
Liest eigentlich sonst noch jemand mit, außer den "Kombattanten"?

*meld*


Um die überaus interessante Diskussion nicht im Sande verlaufen zu lassen: Ich auch! :)

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Leland Yee, the Senator that decided that violent videogames were so dangerous to society that he needed to propose a law that banned selling them to minors, was arrested recently for weapons trafficking. He was buying shoulder-mounted rocket launchers from an extremist Islamic group and accidentally sold them to a member of the FBI. I mean, thank God he doesn't play videogames or he might have really become a threat to society.

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Mo, 7. Nov 2005, 08:21

@DocSolo:

Noch etwas zu meinem vorigen Post, da hatte ich etwas wenig Zeit:

Du mußt jetzt schon mal erklären wie Du Dir so ein gerechtes System vorstellst oder wie unser System gerechter werden könnte. Ich gebe Dir insofern recht daß bei uns nicht alles Optimal ist, aber ich für meinen Teil finde das System auch nicht schlecht. Wer mehr tut bekommt auch mehr (oder bringt es zu mehr) und trotzdem gibt es eine Absicherung für die "unteren Schichten". (Völlig egal ob sie durch eingenes Verschulden in eine missliche Lage gekommen sind oder durch "äußere Umstände".)

Wenn Du Dir ein System vorstellst das in etwa funktioniert wie der Kommunismus oder der Sozialismus (in einer idealen Form) mußt Du mal erläutern wie das funktionieren soll. Wenn alle völlig gleich sind und auch unabhängig von persönlicher Leistung das gleiche Verdienen, welchen Anreiz gibt es dann mehr zu leisten? Und wer macht dann die "angenehmen" Jobs und wer macht die "Drecksarbeit". So unterschiedlich wie die Menschen sind so unmöglich wird es völlige Gerechtigkeit zu erreichen. Und sobald es ungerechtigkeiten gibt gibt es auch Unzufriedenheit. Und Rendite fürs Geldverleihen ist nunmal der Anreiz daß die Leute eben dies tun. Wer würde sein Geld verleihen wenn er keine Gegenleistung dafür bekommt? Immerhin birgt das Verleihen ja auch ein gewisses Risiko, so gering das auch sein mag, denn das Geld ist erstmal weg. Selbst wenn Du es nur aufs Konto legst hast Du das geringe Risiko das die Bank pleite geht und Du kannst Dir ja vorstellen wie gut Deine Chancen als "Kleinanleger" sind dann wieder an Dein Geld zu kommen.
Daß momentan in der Politik viel zu viel schlecht läuft darüber brauchen wir nicht zu diskutieren, da bin ich völlig Deiner Meinung. Wenn das Geld fehlt werden einfach die Steuern erhöht, das kann nicht sein. Vor allem verstehe ich nicht wie mit einem derart desolaten Staatshaushalt noch Millionen für einen Umzug des Regierungssitzes und "nice to Have"-Dinge wie z.B. ein Holocaust-Mahnmal übrig sind?

Und nach wie vor bleibe ich bei meiner Meinung daß man es in unserem Land zu etwas bringen kann, auch aus einer misslichen Anfangslage heraus. Ich habe einen guten Freund der genau das geschafft hat. Seine Eltern waren eher einfach gestrickt und hatten auch nicht viel Geld und haben ihm nichts, höchstens noch Schulden (zum Glück nicht zu viele) hinterlassen. In der Schule konnten Sie ihm sicher nicht helfen, trotzdem hat er sein Abitur gemacht und an einer BA studiert (da finanzielle Unterstützung ja Fehhlanzeige war.) Von seinen Schwiegereltern kann er auch keine Unterstützung erwarten, die kommen auch mehr schlecht als recht über die Runden und eher unterstützt er sie. Trotzdem hat er es geschafft sich ein kleines Häuschen zu leisten und seine Tochter kann darauf hoffen auch einmal etwas zu erben.
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Ich lese auch mit.

Aber der Markt reguliert sich schon selbst :)
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Do, 17. Nov 2005, 12:34

Ich hab natürlich auch mit hohem Interesse immer mitgelesen.

Und da es nicht wirklich in den Witzethread passt, weil es kein Witz ist und dieser Thread hier tematisch am nächsten dran ist (und auch so als evtl. Abschluss des Threads ;)) hier ein kleiner Beitrag.
Sicher werden viele das nachfolgende aber sowieso schon kennen...


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Die Geschichte des Herrn Müller

Das hier, das ist der Herr Müller. Der Herr Müller kommt aus Aretsried, das liegt in Bayern, also ganz im Süden.

Der Herr Müller ist ein Unternehmer und das, was in den Fabriken von Herrn Müller hergestellt wird, habt ihr sicher alle schon mal gesehen, wenn ihr im Supermarkt wart. Der Herr Müller stellt nämlich lauter Sachen her, die aus Milch gemacht werden. Naja, eigentlich stellen die Kühe die Milch her, aber der Herr Müller verpackt sie schön und sorgt dafür, daß sie in den Supermarkt kommen, wo ihr sie dann kaufen könnt.

Die Sachen, die der Herr Müller herstellt sind so gut, daß sogar der Herr Bohlen dafür Werbung gemacht hat.

Weil der Herr Müller ein Unternehmer ist, hat er sich gedacht, er unternimmt mal was und baut eine neue Fabrik. Und zwar baut er sie in Sachsen, das ist ganz im Osten.

Eigentlich braucht niemand eine neue Milchfabrik, weil es schon viel zu viele davon gibt, und diese viel zu viele Milchprodukte produzieren, aber der Herr Müller hat sie trotzdem gebaut.

Und weil die Leute in Sachsen ganz arm sind und keine Arbeitsplätze haben, unterstützt der Staat den Bau neuer Fabriken mit Geld.

Arbeitsplätze hat man nämlich im Gegensatz zu Milchprodukten nie genug. Also hat der Herr Müller einen Antrag ausgefüllt, ihn zur Post gebracht und abgeschickt.

Ein paar Tage später haben ihm dann das Land Sachsen und die Herren von der Europäischen Union in Brüssel einen Scheck über 70 Millionen Euro geschickt.

70 Millionen, das ist eine Zahl mit sieben Nullen, also ganz viel Geld. Viel mehr, als in euer Sparschwein passt.

Der Herr Müller hat also seine neue Fabrik gebaut und 158 Leute eingestellt. Hurra, Herr Müller.

Nachdem die neue Fabrik von Herrn Müller nun ganz viele Milchprodukte hergestellt hat, hat er gemerkt, daß er sie gar nicht verkaufen kann, denn es gibt ja viel zu viele Fabriken und Milchprodukte.

Naja, eigentlich hat er das schon vorher gewußt, auch die Herren vom Land Sachsen und der Europäischen Union haben das gewußt, es ist nämlich kein Geheimnis. Das Geld haben sie ihm trotzdem gegeben.

Ist ja nicht ihr Geld, sondern eures. Klingt komisch, ist aber so.

Also was hat er gemacht, der Herr Müller? In Niedersachsen, das ist ziemlich weit im Norden, hat der Herr Müller auch eine Fabrik. Die steht da schon seit 85 Jahren und irgendwann hatte der Herr Müller sie gekauft.

Weil er jetzt die schöne neue Fabrik in Sachsen hatte, hat der Herr Müller die alte Fabrik in Niedersachsen nicht mehr gebraucht, er hat sie geschlossen und 175 Menschen haben ihre Arbeit verloren.

Wenn ihr in der Schule gut aufgepasst habt, dann habt ihr sicher schon gemerkt, daß der Herr Müller 17 Arbeitsplätze weniger geschaffen habt, als er abgebaut hat. Dafür hat er 70 Millionen Euro bekommen.

Wenn ihr jetzt die 70 Millionen durch 17 teilt, dafür könnt ihr ruhig einen Taschenrechner nehmen, dann wißt ihr, daß der Herr Müller für jeden vernichteten Arbeitsplatz über 4 Millionen Euro bekommen hat.

Da lacht er, der Herr Müller. Natürlich nur, wenn niemand hinsieht.

Ansonsten guckt er ganz traurig und erzählt jedem, wie schlecht es ihm geht.

Aber der Herr Müller sitzt nicht nur rum, sondern er sorgt auch dafür, daß es ihm besser geht. Er ist nämlich sparsam, der Herr Müller.

Sicher kennt ihr die Becher, in denen früher die Milch von Herrn Müller verkauft wurden. Die schmeckt gut und es passten 500 ml rein, das ist ein halber Liter. Seit einiger Zeit verkauft der Herr Müller seine Milch aber in lustigen Flaschen, nicht mehr in Bechern. Die sind praktisch, weil man sie wieder verschließen kann und sehen hübsch aus. Allerdings sind nur noch 400 ml drin, sie kosten aber dasselbe. Da spart er was, der Herr Müller. Und sparen ist eine Tugend, das wissen wir alle.

Wenn ihr jetzt fragt, warum solche ekelhaften Schmarotzer wie der Herr Müller nicht einfach an den nächsten Baum gehängt werden, dann muß ich euch sagen, daß man so etwas einfach nicht tut.

Wenn ihr aber das nächste mal im Supermarkt seid, dann laßt doch einfach die Sachen vom Herrn Müller im Regal stehen und kauft die Sachen, die daneben stehen. Die schmecken genauso gut, sind meistens billiger und werden vielleicht von einem Unternehmer hergestellt, für den der Begriff "soziale Verantwortung" noch eine Bedeutung hat.
Zuletzt geändert von Chellie am Do, 17. Nov 2005, 12:36, insgesamt 1-mal geändert.
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