Benutzeravatar
Ssnake
Think Tank
Hauptmann
Hauptmann
Beiträge: 2232
Registriert: Do, 5. Sep 2002, 23:18
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Sa, 22. Okt 2005, 02:21

Mich nervt diese ganze Nörgelpolemik. Wie soll's denn bitteschön besser gemacht werden?

Ebenso diese stupide Kritik am Schumacher/Aldi-Beispiel: Sicher, es kann nur einen geben, der an der Spitze steht, aber in der zweiten Reihe lebt sich's ja auch ganz gut, selbst in der dritten und vierten. Im Kern sehe ich hier einfach nur den blanken Neid, der zwangsläufig in der zerstörerischen Forderung nach Enteignung mündet. Danach geht's zwar keinem besser, aber zumindest den (ehemals) Reichen genauso schlecht wie allen anderen. Ich muß nicht soviel Geld verdienen wie Schumacher um glücklich zu sein. Ich neide ihm die Millionen nicht. Überhaupt ist dieser Ansatz "Geld = Glück" dermaßen materialistisch, daß er dem Humanismus, der ja angeblich der Kritik zugrundeliegt, Hohn spricht.

Die Fundamentalkritik am Zins ist absurd. Solange es Eigentum gibt muß es auch Zins geben, weil es sonst keinen Anreiz gibt, überhaupt etwas vom eigenen Besitz herauszurücken, damit jemand anderes mit Hilfe dieses Kapitals Güterproduktion unternehmen kann. Wann und wo immer z.B. eine Religion ein Zinsverbot ausgesprochen hat, ist er unter anderem Namen und in Verkleidung zur Hintertür wieder hereinspaziert.

Hochtheoretische Ansätze interessieren mich im Grunde überhaupt nicht. Ideologen und Utopisten haben den Grundstein zu allen Massenmorden des 20. Jahrhunderts gelegt (hinzu kämen noch Kreuzzüge und ähnliche Aktionen). 100 Millionen Tote durch Regimes, die als Ziel den Kommunismus angeführt haben, kann man als gesichert annehmen. Und noch immer schämt sich die Linke nicht und vertritt die Ansicht, es wäre eben nur in der Umsetzung ein wenig aus dem Ruder gelaufen.
Das Gesabbel von den ausgebeuteten Arbeitermassen bringt uns doch keinen Schritt weiter. Mit Hartz IV werden gerade mehr als doppelt so viele Milliarden an denselben Kundenkreis ausgeschüttet, der zuvor Arbeitslosengeld, -hilfe, und Sozialhilfe bezogen hat, und trotzdem heißt es, das sei alles Schweinkram aus der kapitalistischen Folterkammer. Solange diese Gesellschaft solche Fragen nicht ehrlich und offen diskutieren kann (also ohne "Jehova! Jehova!"-Gejohle), ist sowieso nicht mit einer Wende zum Besseren zu rechnen.
 
Benutzeravatar
Doc SoLo
Ghost Doc
Hauptmann
Hauptmann
Beiträge: 2111
Registriert: Mo, 8. Apr 2002, 11:19
Wohnort: Mittweida

Sa, 22. Okt 2005, 11:21

Ssnake hat geschrieben:
Mich nervt diese ganze Nörgelpolemik. Wie soll's denn bitteschön besser gemacht werden?

Hab ich doch geschrieben. Aber wenn du meine Ausführungen auf "diese ganze Nörgelpolemik" reduzierst, hast du schlicht nix davon kapiert. Vielleicht nochmal lesen?

Im Kern sehe ich hier einfach nur den blanken Neid, der zwangsläufig in der zerstörerischen Forderung nach Enteignung mündet.

Bezeichnend, wie du unbesehen jedem Andersdenkenden niederste moralische Motive unterstellst. Hilflos?

Auch schön, wie du das Adjektiv "zerstörerisch" in diesen Zusammenhang einführst. Enteignung zerstört erstmal nichts und ich kann mich nicht erinnern, unter den Brücken in der DDR verwahrloste Frack- und Zylinderträger gesehen zu haben.

Danach geht's zwar keinem besser, aber zumindest den (ehemals) Reichen genauso schlecht wie allen anderen.

Doch, es geht besser. Weil nämlich alle Preise sofort im Schnitt um über 30% sinken. Nahrungsmittel waren in der DDR unter anderem deshalb so billig, weil sie ohne Pachtansprüche sehr rationell auf Flächen angebaut werden konnten, von denen der baden-würtembergische Bauer heute noch träumt. Aber heute kriegen wir die billigen Lebensmittel ja aus Entwicklungsländern, die wir nach Strich und Faden bescheissen können, weil sie in der Ausbeutungshierarchie noch weit unter dem deutschen Proletariat rangieren.

Ich muß nicht soviel Geld verdienen wie Schumacher um glücklich zu sein. Ich neide ihm die Millionen nicht. Überhaupt ist dieser Ansatz "Geld = Glück" dermaßen materialistisch, daß er dem Humanismus, der ja angeblich der Kritik zugrundeliegt, Hohn spricht.

Was für eine lächerliche Argumentation! Umkehrschluss: Weil man auch ohne Geld glücklich sein kann, versuchen wir doch gar nicht erst, die Menschen gerecht am Wohlstand dieser Welt und an ihrem Arbeitsprodukt zu beteiligen. Na klaro! Frage mich, warum die Bauern früher keinen Bock mehr auf Frondienste hatten, sie hätten doch auch so glücklich sein können. Ssnake, ab in den Frondienst! Dürfte deinem Glücklichsein ja keinen Abbruch tun.

Die Fundamentalkritik am Zins ist absurd. Solange es Eigentum gibt muß es auch Zins geben, weil es sonst keinen Anreiz gibt, überhaupt etwas vom eigenen Besitz herauszurücken, damit jemand anderes mit Hilfe dieses Kapitals Güterproduktion unternehmen kann.

Mit der Abschaffung des Zins wird eine Umlaufsicherung eingeführt, die Geldhortung verhindert. Bei Entfernung aus dem Kreislauf verliert es langsam aber stetig an Wert. Genauso wie der Bauer seine Äpfel nicht ewig aufbewahren kann, um auf einen höheren Preis zu spekulieren, weil sie vorher vergammeln. Damit ist Geld kein allen anderen Dingen überlegenes Gut mehr. Es ist dann nur noch das was es sein soll: Tauschmittel und Wertspeicher (aber eben kein besserer als jeder anderer). Und damit hört endlich die Benachteiligung desjenigen auf, der nur seine Arbeitskraft anzubieten hat. Gleichzeitig sind auch noch die wirtschaftlichen Schweinezyklen und "Geldstreiks" (wie wir jetzt grad einen haben) Geschichte. Gerade die gegenwärtige Lage zeigt doch, dass der Zins als Umlaufsicherung völlig untauglich ist.

Wann und wo immer z.B. eine Religion ein Zinsverbot ausgesprochen hat, ist er unter anderem Namen und in Verkleidung zur Hintertür wieder hereinspaziert.

Es gibt nur eine einzige Hintertür: Boden. Und deswegen ist die Bodenreform erforderlich.

Hochtheoretische Ansätze interessieren mich im Grunde überhaupt nicht.

Die Zinsreform ist weder hochtheoretisch noch unmöglich. Mach dir mal die Mühe, drüber nachzudenken, es lohnt sich.

Und noch immer schämt sich die Linke nicht und vertritt die Ansicht, es wäre eben nur in der Umsetzung ein wenig aus dem Ruder gelaufen.

Wieso sollte sie sich schämen? Hat Marx das "Kleine Handbuch der Diktatoren" geschrieben, mit "Artikel 1: Du sollst töten alle deine politischen Gegner."? Ich glaube nicht. Man kann den Kommunismus auch als Ideal sehen, das trotz seiner Unerreichbarkeit geholfen hat, Mißstände in der modernen Gesellschaft aufzudecken. Ich ziehe jedenfalls den Hut vor Marx' analytischer Kraft, auch wenn er das Prinzip der Ausbeutung vermutlich noch nichtmal ganz richtig erkannt hat (Besitz der Produktionsmittel).

Das Gesabbel von den ausgebeuteten Arbeitermassen bringt uns doch keinen Schritt weiter.

Was für eine inhaltslose, destruktive Aussage. :roll:

Mit Hartz IV werden gerade mehr als doppelt so viele Milliarden an denselben Kundenkreis ausgeschüttet, der zuvor Arbeitslosengeld, -hilfe, und Sozialhilfe bezogen hat, und trotzdem heißt es, das sei alles Schweinkram aus der kapitalistischen Folterkammer.

Jetzt enttäuschst du mich wirklich. Hartz IV ist der Beweis für ein untaugliches Wirtschaftssystem - nichts weiter. Warum brauchen wir es denn? Damit die zwangsläufigen Verlierer in diesem System ihre Fresse halten und die Reichen nicht beim reichsein stören, muss der Staat aus dem Steuersäckel einen Tropf an sie legen. Das kann schon prinzipiell nicht auf Dauer funktionieren und überlastet ihn zunehmend, deswegen die Kürzungen mit Hartz IV. Was meinst du was los wäre, wenn die ganzen Wegrationalisierten mit der Arbeitslosigkeit auch vor dem Nichts stünden in diesem Land. Wenn hinter den Hecken auf Ackermanns abendlichen Heimweg ein paar dürre Hälse warten würden? Da hätte sich schon längst was geändert.
Solange diese Gesellschaft solche Fragen nicht ehrlich und offen diskutieren kann (also ohne "Jehova! Jehova!"-Gejohle), ist sowieso nicht mit einer Wende zum Besseren zu rechnen.

Genau. Wüsste aber nicht, wo ich "Jehova!" gejohlt hätte. Leider bist ausgerechnet du ein leuchtendes Beispiel dafür, dass eine sachliche Diskussion nicht erwünscht ist. Mehr als dass man auch *mit* Ausbeutung glücklich sein kann, hast du ja nicht gebracht in diesem Post.

Ciao,

Doc SoLo
 
Benutzeravatar
wulfman
Leitwolf
Licht des Forums
Licht des Forums
Thema Autor
Beiträge: 3063
Registriert: So, 7. Apr 2002, 17:28
Wohnort: Tansania

Sa, 22. Okt 2005, 12:49

Doch, es geht besser. Weil nämlich alle Preise sofort im Schnitt um über 30% sinken. Nahrungsmittel waren in der DDR unter anderem deshalb so billig, ...

ich erlaube mir jetzt hier kurz einen einwurf, den ich mir bisher verkniffen habe. es wurde ja schon des öfteren von ausreichend verfügbaren nahrungsmitteln in der DDR gesprochen. ich erlaube mir kurz, ein etwas weniger subjektives argument aufzuführen: es werden ja seit jahrzehnten bei der musterung die daten der potentiellen rekruten erfasst. interessanterweise waren die burschen aus dem osten 1989 im durchschnitt signifikant (einige zentimeter) kleiner, dito für andere messdaten. körpergröße & co sind allgemein als verlässliche marker für die versorgung mit nahrungsmitteln bzw. die lebensqualität anerkannt.

abdiel meinte ja, dass immer genug nahrungsmittel verfügbar waren, du schlägst hier / willst anscheinend in eine ähnliche kerbe schlagen. wenn also in der DDR genug nahrung verfügbar war und sie so günstig war (dass jeder sich genug leisten hat können), warum waren dann die burschen etwas schlechter entwickelt? und komm mir jetzt nicht "die im osten sind einfach kleiner", in den vergangenen jahren hat sich der effekt ausgeglichen und ist inzwischen weitgehend verschwunden.

mfg
wulfman
______________________________
Vorläufig letzte Worte, heute:

der Exstudent auf der Insel
 
Benutzeravatar
Abdiel
Angry Angel
Goldfieber?
Goldfieber?
Beiträge: 8574
Registriert: Mo, 8. Apr 2002, 15:39
Wohnort: Sachsen

Sa, 22. Okt 2005, 19:34

Ich bezweifel den Zusammenhang zwar stark, aber könntest Du wenigstens ein paar passende Links dazu posten, damit man sich mal ein wenig darin belesen kann? Weder weiss ich genau wie die jeweiligen Musterungszahlen (in % der Gesamtbevölkerung) aussehen, noch wie genau die Körpergrösse als Marker angesehen wird (leider hatten wir das im Bio-LK in keinster Weise behandelt). Von daher halte ich mich auch mit Mutmassungen zurück (davon fallen mir gleich ein halbes Dutzend ein), bis ich darüber ein wenig mehr weiss.

Fakt ist trotzdem, dass ich zu keiner Zeit in der DDR Hunger leiden musste oder wichtige Grundnahrungsmittel gefehlt hätten. Und ob mir die tägliche Kiwi, die ich übrigens immer noch nicht esse, zu mehr Körpergrösse verholfen hätte, bezweifel ich einfach mal. Aber ohne Nachlesen werd ich mir da kein Urteil bilden können...

Noch ein kleiner Nachtrag zum teuren Leben im Westen: Im Allgemeinen zahlt der Ostdeutsche gleichviel, meistens sogar mehr, als sein westdeutscher Mitbürger. Einzige Ausnahme könnten die Mieten sein, was aber durch die Wohnraumsituation, sprich Bevölkerungsschwund, bedingt ist. Gerade die Versorgungsunternehmen langen jedoch bei uns kräftig zu, so dass von einem billigen Leben keine Rede sein kann.
Zuletzt geändert von Abdiel am Sa, 22. Okt 2005, 19:45, insgesamt 1-mal geändert.
People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing. (Florence Foster Jenkins)
 
Benutzeravatar
Ssnake
Think Tank
Hauptmann
Hauptmann
Beiträge: 2232
Registriert: Do, 5. Sep 2002, 23:18
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

So, 23. Okt 2005, 02:09

Also, ich nehme an, DU meintest diesen Beitrag, den ich nochmal lesen soll. Na schön.
Doc SoLo hat geschrieben:
Ssnake hat geschrieben:
Ich finde jene Regierungsformen gut, in denen jedermann die prinzipielle Chance eingeräumt bekommt, zu den Gewinnern zu gehören. Die Demokratie erlaubt das, weil die Verlierer, sobald sie in der Mehrheit sind, die Herrschenden absetzen können...

Ich frag mich wo du lebst?!

In Hannover.
Sag das mal dem hässlichen Arschloch, das in einer Toilette einer Ghetto-Wohnung als Kind zweier Sozialhilfeempfänger in zweiter Generation das Licht Deutschlands erblickt.

Deine Wortwahl. Ich habe zuviel Respekt vor Armen, um sie als häßliche Arschlocher zu kategorisieren. Ich war selber mal eins von diesen häßlichen Arschlöchern. Mir muß keiner erklären, welche Möglichkeiten man da hat und welche nicht. Der Unterschied ist, ich habe meine Möglichkeiten genutzt. Es war auch viel Glück dabei, das bestreite ich nicht. Aber wir haben da ein gesellschaftliches Problem, das Du ja auch andeutest, nämlich
Generationenfolge in der Sozialhilfe:
Weil die Sozialhilfe so angelegt ist, daß Untätigkeit effektiv belohnt wird, sich also Sozialhilfeempfänger ökonomisch rational verhalten, wenn sie die (offizielle) Arbeitsaufnahme verweigern, züchten wir uns tatsächlich eine Parallelgesellschaft aus Sozialhilfeempfängern heran. Das ist zweifellos ein ernsthaftes, strukturelles Problem unserer Gesellschaft.
Damit will ich keineswegs sagen, daß das alles Schmarotzer sind, sondern daß wir uns überlegen müssen, wie Transferzahlungen organisiert werden müssen, um die Empfänger zu aktivieren und ihnen die Aufnahme einer regulären Arbeitstätigkeit hinreichend attraktiv zu machen. Das setzt neben einer Reduktion der Attraktivität der Sozialhilfe vor allem voraus, daß die wirtschaftspolitischen und wirtschaftsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, die für die Bildung neuer Arbeitsplätze förderlich sind. Und da die Sozialhilfeempfänger überwiegend keine gut ausgebildeten Akademiker sind, muß es sich zwangsläufig um Arbeitsplätze handeln, die keine hohen Qualifikationen voraussetzen. Damit kann es sich dann (im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Lösung) auch nicht um gutbezahlte Arbeit handeln, weil es einerseits ein Überangebot an Arbeitskräften auf diesem noch zu schaffenden Arbeitsmarkt gäbe, und andererseits durch die Automation und Mechanisierung dieser einfachen Tätigkeiten Konkurrenz schon längst geschaffen bzw. die Produktivität auch in diesen Bereichen gesteigert worden ist (Straßenreinigungsmaschinen, automatisierte Hochregallager, Schuhputzmaschinen, maschinelles Gartengerät, usw).
Die Welt ist längst aufgeteilt und ihre Ressourcen werden vererbt.

Gibt's dazu auch 'ne Herleitung, oder muß man das bei objektiver Betrachtung der Weltlage einfach anerkennen, weil es selbsterklärend ist?
Von denen die kommen, habens die einen von anfang an und die anderen kriegen es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie - egal was sie machen. Steht so im Grundgesetz.
Die Stelle muß ich überlesen haben - könntest Du das bitte noch mal erläutern?
Ich schlage vor, da nicht nur den reinen Verfassungstext zu Rate zu ziehen, sondern vielleicht eine aktuelle, kommentierte Ausgabe. Das mag den Sinn der einen oder anderen Passage und ihre Auslegung durch das Verfassungsgericht etwas erhellen, wenn er sich beim ersten Überfliegen nicht unmittelbar erschließt.
Auf Deine Argumentation bin ich jetzt echt gespannt.
Und wenn das kleine Arschloch dann alt genug ist, um in einem deutschen Ballungsraum als Mietsklave zu schuften und die Hälfte seines Lohns an den Besitzer der vier Wände in denen es hausen darf abdrückt (übrigens ohne dass der irgendetwas dafür leisten müsste, nennt man arbeitsfreies Einkommen), darf es wählen gehen.

Hahahaha...
Schon mal eine durch Mieter buchstäblich zerstörte Wohnung gesehen, die nur durch Investition in fünfstelliger Höhe wieder in einen Zustand versetzt werden kann, daß sie am Markt anzubieten ist?
Miete deckt genau so ein Ausfallrisiko ab. Die Investition in eine Wohnung, die man dann Dritten bereitstellt, ist zunächst beträchtlich. Sie wird nur dann erfolgen, wenn sie anderen Anlageformen gleichwertig ist, sonst steckt man das Geld lieber gleich in Aktien. Typischerweise bringt Mietzins eine Kapitalrendite von 4-5%, sofern wir von Wohnfläche und nicht Gewerberaum reden. Das liegt noch unterhalb aktueller Kreditzinsen, so daß eine kreditfinanzierte Immobilie typischerweise erst nach Tilgung des Darlehens beginnt, einen positiven Deckungsbeitrag zu erwirtschaften. Dem steht der Vorteil gegenüber, daß so eine Wohnung normalerweise über einen langen Zeitraum werthaltig bleibt und damit das Risiko dieser Anlageform gering ist (was daher auch die verminderte Kapitalrendite rechtfertigt).
Zins ist stets das maß für das mit der Anlageform verbundene Risiko. Die Rendite im Drogengeschäft ist enorm, das damit verbundene Risiko allerdings auch. Windige Anlagebetrüger müssen enorm hohe Renditeversprechungen machen, um das nur zu berechtigte Mißtrauen ihrer Opfer zu überwinden. Aktien bieten eine ordentliche Rendite, allerdings immer noch mit einem merklichen Kursrisiko. Libanesische Staatsanleihen bieten hohe Zinsen, weil mit ihnen sowohl das Kurs- wie auch ein Ausfallrisiko verbunden ist. General Motors' Unternehmensanleihen sind auf den Status von Junk Bonds abgestürzt und bieten dementsprechende Traumrenditen von 15%, weil ihr Kauf mit dem sehr wahrnehmbaren Risiko des Totalausfalls im Falle der nicht unwahrscheinlichen Insolvenz verbunden ist.
Und so ist es eben auch mit der Miete. Einkommen muß nicht immer nur durch Muskelschmalz erwirtschaftet werden, um gerechtfertigt zu sein. Es kann auch durch eine Dienstleistung oder die Bereitstellung einer Unterkunft mit dem damit verbundenen Kapitalaufwand erwirtschaftet werden. Daran kann ich überhaupt nichts anstößiges finden.
Nun nehmen wir an, unser Arschloch ist ein ganz besonders cleveres Exemplar - Schule, Politik, Medien haben ihm sein Leben lang vergebens ins Hirn geschissen,
Du tätest Dir selbst einen Gefallen, wenn Du von dieser absurden Revolutionslyrik Abstand nehmen würdest, die macht Dich nur angreifbar. Ich hätte z.B. doch gerne einen konkreten Beleg dafür, daß diese Gesellschaft bei jeder sich bietenden Gelegenheit aggresive Indoktrination betreibt. Deine allgemeine Unzufriedenheit mit der Welt reicht mir da jedenfalls nicht. Und ohne überzeugenden Beleg werde ich solche "Argumente" nicht mit einer Gegenrede würdigen.
...damit er nicht erkennen sollte, wie er um seiner Hände Arbeit betrogen wird - und möchte etwas an den Verhältnissen zum Besseren ändern. Dann wird es feststellen, dass kein zur Wahl stehender Politiker an dem was ihn arm macht etwas ändern will.

Hmmm... Gewissensforschung... schwierige Sache, das. Ich gehe demzufolge davon aus, daß Du auch die PDS (oder wie auch immer sich die SED jetzt gerade nennen mag) als zum Establishment gehörig betrachtest? Immerhin stehen die ja zur Wahl. Wie die NPD. Oder die BüSo, PBC, ÖDP und andere grenzwertige Gruppierungen.

Im Gegensatz zu Dir sehe ich die Sache so, daß Politiker jeden Trend aufgreifen, der verspricht, daß er ihnen mehr Wählerstimmen zutreibt als sie durch diesen Trend enttäuschte Stammkunden verlieren. Aber wahrscheinlich bin ich nur hoffnungslos naiv, daß ich nicht erkenne, daß bürgerliche Demokratie kapitalgelenkt und nur einen Schritt vom repressiven Faschismus enfernt ist, der nach seiner Überwindung durch das revolutionäre Proletariat über den Umweg des Sozialismus zum Kommunismus führen wird, hurra! Ist es das?
Demokratie? Natürlich! Aber doch bitte nur im Rahmen unserer weisen besitzstandswahrenden Verfassung.

Nach den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit scheint mir ein Selbsterhaltungsgebot der Verfassung ziemlich einsichtig. Aber da habe ich wohl etwas mißverstanden - die Verfassung wurde also von Krupp- und Siemens-Agenten diktiert, richtig?
Und dann wundern sich die Gewinner des Systems, wenn die kleinen Arschlöcher nicht mehr zu Wahl gehen. Oder einfach den wählen, der die Schraube des Sozialtropfs, an dem sie bereits hängen, etwas aufdreht. Oder aus Spass irgendwas ankreuzen.

Ich wundere mich nicht darüber, daß es passiert. Ich teile aber nicht Deine Argumentation, warum das so ist, und schon gar nicht finde ich, daß man sich damit abfinden sollte. Eine Demokratie erfordert, daß ihre Angehörigen aktiv für die Verteidigung ihrer Werte und Prinzipien eintritt. Und genau das mache ich hier. Ich versuche, die Vorteile des Systems herauszustellen und setze mich dadurch dafür ein, daß auch andere diese Vorteile erkennen. Das ist schlichtweg Teil meiner Auffassung, daß Staat und Gesellschaft sich stets ihres Grundkonsenses verständigen müssen, der ihr Fundament bildet. Das macht mich selbstverständlich zu einem Vertreter des Systemerhalts, nur ist mir das entgegen Deiner Grundhaltung überhaupt nicht peinlich.
Gleichwohl bemühe ich mich darum, nicht voreingenommen zu sein. Wenn es ein überzeugendes, besseres Gesellschaftsmodell gibt, dann würde ich vielleicht doch zum Revolutionär. Der entscheidende Punkt liegt aber zunächst in der Frage der Überzeugungskraft dieses alternativen Entwurfs, und dann in der Frage, ob die Kosten eines Systemwechsels den erwarteten Nutzen auch nicht überschreiten. Das sind das notwendige und hinreichende Kriterium das erfüllt werden muß, um mich davon abzubringen, des status quo zu verteidigen.

Wenn Du also auf die Kraft des Arguments setzt, dann ist es wohl legitim, wenn ich von Dir verlange, mich zu überzeugen. Schaffst Du es, schließe ich mich Dir an.
Mich interessieren ganz andere Dinge. Z. B. dass die ständige Umverteilung von arm zu reich endlich aufhört.

Das ist ja zunächst einmal eine Behauptung. Glaubst Du einfach nur an diese Umverteilung, oder ist sie zu belegen?
Dafür müsste man unter anderem Grundbesitzer enteignen, den Zins abschaffen und die Spekulation in der Finanzwelt verbieten.

O, wie schön! Ein Patentrezept!
Von denen kann es gar nicht genug geben!

Hm. Also, Grundbesitz enteignen hilft, weil...?
Und die Eigentumsrechte am Grund fallen dann an... wen? Den Staat? Und der macht dann damit... was?
Wer lenkt diesen Staat? Und wie?
Und die gegenwärtigen Eigentümer überzeugen wir mit welchen Mitteln davon, daß es nicht zur zum Besten aller, sondern auch ihrer ist? Wie soll der Übergang gestaltet werden?
Den Zins... schaffen wir dann in Deutschland ab. Und sonst bleibt die Welt, wie sie ist? Oder muß das dann doch weltweit geschehen. Aber wie?
Und Spekulation erkennen wir... woran genau? Was ist Spekulation eigentlich? Wann wird sie zur Investition? Ist Arbitrage böse, oder notwendig? Beteiligungsgesellschaften sind Heuschrecken... oder hilfreich? Kommt's auf die Absichten an? Wie erkennen wir sie? Welche Absichten - welche Gedanken - sind dann erlaubt, welche unerwünscht? Und was machen wir dann?
Mein lieber Ssnake: Die Verlierer SIND in der Mehrheit!

Nun, die Chance ist da: Sie könnten alle die MLPD oder andere Sektierer wählen, die gelegentlich auf dem Stimmzettel stehen. Komischwerweise machen sie's nicht. Sind sie
...zu dumm?
...zu eingeschüchtert?
...zu frieden?

Könnte es vielleicht sein, daß nur Du glaubst, daß die Mehrheit in vorrevolutionärer Stimmung brodelt, während sie tatsächlich nur desinteressiert ist?
Und zu deinem Menschenbild: Einseitige Lebenserfahrung!

Hast du gerade 'nen Spiegel zur Hand?
 
Benutzeravatar
Abdiel
Angry Angel
Goldfieber?
Goldfieber?
Beiträge: 8574
Registriert: Mo, 8. Apr 2002, 15:39
Wohnort: Sachsen

So, 23. Okt 2005, 13:28

Zum Thema aggresive Indoktrination kann ich Dich nur als Beispiel anführen Ssnake. Klar, Dein Wissen und Deine Lebenserfahrung sind unbestreitbar, jedoch ist das Wort "Kommunismus" oder alles was im Entferntesten auch nur danach riecht für Dich ein, sprichwörtlich, rotes Tuch. Und das ist es nicht, weil Du jetzt abertausend berechtigte dagegen Gründe vorzuweisen hast oder selber unter diesem System gelitten hättest. Die Ursache, warum Du bei diesem Thema Deine sonstige Gelassenheit schnell mal verlierst, liegt meiner Meinung nach schon in unterschiedlicher Ideologie begründet, welche uns vom jeweiligen "System" vermittelt wurde.

Ansonsten kann ich mir schlecht erklären, wie man die von Dir zitierten Passagen in den falschen Hals bekommen kann, denn ich traue Dir sehr wohl zu, Selbstironie und Zynismus aus Texten herauslesen zu können. Für mich bestätigt sich damit auch meine Annahme, dass nach dem Krieg in beiden Teilen Deutschlands eine Indoktrination betrieben wurde (und auch heute noch wird), nur halt auf unterschiedliche Art und Weise. Das es auf unterschiedliche Art und Weise vonstatten ging und Du es vielleicht auch anders bezeichnest und erklärst, macht es deshalb nicht ungeschehen.

Irgendwie geht die ganze Diskussion aber mittlerweile etwas an der Sache vorbei. Wie ButtS schon sagte, sind die Meinungen mittlerweile viel zu breit gefächert, als dass man auch wirklich auf alle Argumente eingehen könnte. Und leider bleiben wir auch wieder bei den alten Streitigkeiten hängen...
People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing. (Florence Foster Jenkins)
 
Benutzeravatar
wulfman
Leitwolf
Licht des Forums
Licht des Forums
Thema Autor
Beiträge: 3063
Registriert: So, 7. Apr 2002, 17:28
Wohnort: Tansania

So, 23. Okt 2005, 16:03

Abdiel hat geschrieben:
Ich bezweifel den Zusammenhang zwar stark, aber könntest Du wenigstens ein paar passende Links dazu posten, damit man sich mal ein wenig darin belesen kann? Weder weiss ich genau wie die jeweiligen Musterungszahlen (in % der Gesamtbevölkerung) aussehen, noch wie genau die Körpergrösse als Marker angesehen wird (leider hatten wir das im Bio-LK in keinster Weise behandelt). Von daher halte ich mich auch mit Mutmassungen zurück (davon fallen mir gleich ein halbes Dutzend ein), bis ich darüber ein wenig mehr weiss.

in kurzen texten muss man vereinfachen - der zusammenhang zwischen wirtschaftlicher situation (nahrung, medizinische versorgung) ist aber allgemein anerkannt. die erwähnten daten dürften von einem gewissen dr. john komlos, münchen stammen. grobe zusammenfassung findet sich hier, weitere texte sollten sich mit etwas engagment selbst finden lassen.

mfg
wulfman
______________________________

Vorläufig letzte Worte, heute:



der Exstudent auf der Insel
 
Benutzeravatar
Abdiel
Angry Angel
Goldfieber?
Goldfieber?
Beiträge: 8574
Registriert: Mo, 8. Apr 2002, 15:39
Wohnort: Sachsen

So, 23. Okt 2005, 16:41

Das ist aber mehr als dünn, was Du da ausgegraben hast. Immerhin bringt der Autor im Text auch noch negative Beispiele aus der weiten Welt der Marktwirtschaft, wo die Ostdeutschen nun wieder gut dastehen. Als Schluss bleibt nur stehen, dass es einen Zusammenhang zwischen Wohlstand und Körpergrösse gibt, man das aber sehr differenziert betrachten und und eine Menge Faktoren berücksichtigen muss.

Lustig ist auch, dass derlei Forschungen in der DDR nicht betrieben wurden, jedoch immer noch genug entsprechende Daten vorliegen, der Autor widerspricht sich da zwar gleich am Anfang aber das lassen wir mal aussen vor, um eine entsprechende Studie zu erstellen. Ich weiss nicht so recht, wie ich das alles einordnen soll, das Ganze klingt für mich nach einer typischen Statistik, mit der man alles Mögliche aussagen könnte...
People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing. (Florence Foster Jenkins)
 
Benutzeravatar
Doc SoLo
Ghost Doc
Hauptmann
Hauptmann
Beiträge: 2111
Registriert: Mo, 8. Apr 2002, 11:19
Wohnort: Mittweida

So, 23. Okt 2005, 17:29

Ssnake hat geschrieben:
Also, ich nehme an, DU meintest diesen Beitrag, den ich nochmal lesen soll. Na schön.

Den nun grad weniger, wenn es um die Alternativen gehen soll. Der war ja offensichtlich zum Provozieren da, inkl. entsprechender Wortwahl. Das "häßlich" steht übrigens ganz bewusst mit drin, es hat seine Bedeutung in diesem Zusammenhang.
Ich habe zuviel Respekt vor Armen, um sie als häßliche Arschlocher zu kategorisieren.

Nicht ich bin es, der keinen Respekt vor diesen Leuten hat - ich habe lediglich einen zynischen Text über deren Lage geschrieben. Das Wirtschaftssystem und der Staat sind es, die diese Leute ausgrenzen. Ersterem sind sie zu dumm für dessen hochrationalisierte Produktionstechnik, letzterer erklärt sie pauschal zu den "Schwächeren", für die andere sorgen müssen. Aber das erkennst du ja immerhin als "gesellschaftliches Problem" an.

Das setzt neben einer Reduktion der Attraktivität der Sozialhilfe vor allem voraus, daß die wirtschaftspolitischen und wirtschaftsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, die für die Bildung neuer Arbeitsplätze förderlich sind.

Noch etwas, wo wir übereinstimmen. Die Gelehrten sagen aber, dass ohne Wirtschaftswachstum gar keine neuen Arbeitsplätze entstehen. Bei unserem generellen Wohlstand und sich rapide verteuernder Energie werden Wachstumsraten wie in den 70ern aber nicht mehr zu erreichen sein. Es gibt auch keinen rechten Grund mehr, warum wir überhaupt noch Wachstum brauchen. Wir müssen also ohne Wirtschaftswachstum neue Arbeitsplätze schaffen. Das ist nicht möglich u.a. durch den aus dem Zins enstehenden Ertragssteigerungsdruck. Wenn du nicht mehr verkaufen kannst, musst du das was du verkaufst billiger produzieren, um die Rendite zu steigern.

Die Welt ist längst aufgeteilt und ihre Ressourcen werden vererbt.

Gibt's dazu auch 'ne Herleitung, oder muß man das bei objektiver Betrachtung der Weltlage einfach anerkennen, weil es selbsterklärend ist?

Das kannst du leicht selbst herausfinden: Nimm doch mal irgendwo die 4300m² deutschen Boden in Besitz, die dir eigentlich zustehen, wenn er nicht bereits verteilt wäre. Würde mich nicht wundern, wenn die Staatsgewalt dich ganz schnell von dort "entfernt". Oder im anderen Maßstab: Beanspruche doch mal einen Teil von Abramowitschs Öl für dich! Schließlich ist es vor Millionen Jahren für dich genauso entstanden, wie für jeden anderen Menschen auf dieser Erde.
Die Stelle muß ich überlesen haben - könntest Du das bitte noch mal erläutern?
Ich schlage vor, da nicht nur den reinen Verfassungstext zu Rate zu ziehen, sondern vielleicht eine aktuelle, kommentierte Ausgabe. Das mag den Sinn der einen oder anderen Passage und ihre Auslegung durch das Verfassungsgericht etwas erhellen, wenn er sich beim ersten Überfliegen nicht unmittelbar erschließt.
Auf Deine Argumentation bin ich jetzt echt gespannt.

Gerne. In GG Art. 14 heißt es lapidar "Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt." Kommentierte Ausgabe habe ich leider keine. Vielleicht kannst du aushelfen, falls ich diesen Satz so falsch interpretiere, dass er nicht im Zusammenhang mit der "aufgeteilten Welt" steht. Vielleicht steht in einem Kommentar auch, wie ich die beiden anderen Absätze des Artikels ausnutzen kann, um zu "meinem" Anteil zu kommen.

Schon mal eine durch Mieter buchstäblich zerstörte Wohnung gesehen, die nur durch Investition in fünfstelliger Höhe wieder in einen Zustand versetzt werden kann, daß sie am Markt anzubieten ist?

Willst du mit deinen Ausführungen tatsächlich behaupten, die Miete in deutschen Ballungsgebieten sei gerademal aufwandsentschädigend für die empfangene Leistung? Willst du behaupten, Immobilieninhaber nutzen ihren Besitz nicht, um sich arbeitsfreie Einkommen zu verschaffen?

Einkommen muß nicht immer nur durch Muskelschmalz erwirtschaftet werden, um gerechtfertigt zu sein. Es kann auch durch eine Dienstleistung oder die Bereitstellung einer Unterkunft mit dem damit verbundenen Kapitalaufwand erwirtschaftet werden. Daran kann ich überhaupt nichts anstößiges finden.
Seh ich genauso - bis auf die Entschädigung des Kapitalaufwandes. Denn genau das zwingt die, die kein Kapital haben, zu Mehrarbeit, die Unternehmen zu Rendite usw. mit all seinen schädlichen Auswirkungen auf das Wirtschaftsgeschehen und der prinzipiellen Ungerechtigkeit.

Du tätest Dir selbst einen Gefallen, wenn Du von dieser absurden Revolutionslyrik Abstand nehmen würdest, die macht Dich nur angreifbar.

Och, gegenüber jemandem, der anderen erstmal Nörgelpolemik, blanken Neid, Gesabbel und "Jehova! Jehova!"-Gejohle vorwirft, bevor er selber auch nur den Hauch eines Arguments bringt, brauch ich mir wohl keine Sorgen machen, deswegen allzusehr ins Hintertertreffen zu geraten! :twisted:;)

Ich hätte z.B. doch gerne einen konkreten Beleg dafür, daß diese Gesellschaft bei jeder sich bietenden Gelegenheit aggresive Indoktrination betreibt.

Die Indoktrination besteht aus dem Vorenthalten von Informationen. Bestimmte Dinge erfährst du ganz leicht in dieser Gesellschaft, du wirst geradezu bombardiert damit. Andere dagegen nicht. Warum wissen die meisten nicht, dass sie auch dann Zinsen an Kapitalbesitzer zahlen, wenn sie keine Kredite haben? Ich unterstelle da gar keine Absicht oder Kalkül. Das scheint sich so aus der Auflagegebundenheit der Medien zu ergeben. Stichhaltig belegen kann ich es nicht, es ist in der Tat ein Empfinden, ein Eindruck. Und selbstverständlich kannst du jetzt einfachen behaupten, es wäre nicht so. Dann sind wir auch schon durch mit dem Thema.

Hmmm... Gewissensforschung... schwierige Sache, das. Ich gehe demzufolge davon aus, daß Du auch die PDS (oder wie auch immer sich die SED jetzt gerade nennen mag) als zum Establishment gehörig betrachtest?

Die PDS ist gewissermassen das schlimmste, was diesem Staat passieren konnte. Sie macht sich verfassungskonform, obwohl sie es nicht sein kann. Sie transferiert das Schöne des ehemaligen Realsozialismus (und nur das) in die Welt aus Kapitalismus und Globalisierung. Damit fängt sie Leute ein mit nicht realisierbaren Versprechen. Und wenn ich Lafontaine sehe, nimmt sich diese Partei scheinbar nichtmal selbst ernst. Damit ist sie für mich nicht wählbar.

Im Gegensatz zu Dir sehe ich die Sache so, daß Politiker jeden Trend aufgreifen, der verspricht, daß er ihnen mehr Wählerstimmen zutreibt als sie durch diesen Trend enttäuschte Stammkunden verlieren.

Wenn ein Politiker etwas nicht verfassungskonformes fordert, wird er sich ganz schnell nicht mehr nur mit seinen Wählern auseinanderzusetzen haben. Dasselbe gilt, wenn es auch nur unkonventionell und nicht der Lehrmeinung entsprechend ist. Deshalb greifen "meinen" Trend so wenige auf, dass es nichtmal für eine ernsthafte Partei reicht.

Aber wahrscheinlich bin ich nur hoffnungslos naiv, daß ich nicht erkenne, daß bürgerliche Demokratie kapitalgelenkt und nur einen Schritt vom repressiven Faschismus enfernt ist, der nach seiner Überwindung durch das revolutionäre Proletariat über den Umweg des Sozialismus zum Kommunismus führen wird, hurra! Ist es das?

Nö. Hättest dir diese albernen Zeilen auch sparen können. Ich habe eingangs geschrieben, dass unser politisches System die Realitäten nicht mehr bestimmt, nicht dass es vom Kapital gesteuert wäre. Die Demokratie steht gewissermassen hilflos daneben und schaut zu, wie der Kapitalismus zunehmend wieder dieselbe hässliche Fratze zeigt wie schon vor hundert Jahren. Dabei hatte man das Problem mit Hilfe nationalstaatlicher Sozialpolitik zwischenzeitlich (fast) im Griff. Durch neue technische Gegebenheiten zwingt der Kapitalismus die internationale Staatenwelt nun in einen Konkurrenzkampf untereinander, dem das demokratische System eines Einzelstaates nicht gewachsen ist.

Nach den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit scheint mir ein Selbsterhaltungsgebot der Verfassung ziemlich einsichtig. Aber da habe ich wohl etwas mißverstanden - die Verfassung wurde also von Krupp- und Siemens-Agenten diktiert, richtig?

Nicht doch Ssnake! Diesmal gibts nur ein einfaches "Nö." Jetzt zwingst du mich, deine "Argumente" nicht mit einer Gegenrede zu würdigen.

Wenn Du also auf die Kraft des Arguments setzt, dann ist es wohl legitim, wenn ich von Dir verlange, mich zu überzeugen. Schaffst Du es, schließe ich mich Dir an.

Ich werde mein Bestes geben (obwohl eigentlich auch mir der Masochismus fehlt für den Zeiteinsatz, solche Posts schüttele ich nicht gerade in Minuten aus dem Ärmel).

Das ist ja zunächst einmal eine Behauptung. Glaubst Du einfach nur an diese Umverteilung, oder ist sie zu belegen?

Kennst du diese Statistiken über die Vermögensverteilung mit den zwei progressiven Kurven? Die obere für die oberen 10% der Vermögenden, die untere für die unteren 50%. Das ist der Beleg, denn einen höheren Anteil an der Wirtschaftsleistung im selben Zeitraum haben wohl die unteren 50% Prozent erbracht. Trotzdem werden sie weniger am Vermögenszuwachs beteiligt. Für die letzten Jahre sieht das so aus: http://www.einblick.dgb.de/archiv/0506/gf050607.htm

Dafür müsste man unter anderem Grundbesitzer enteignen, den Zins abschaffen und die Spekulation in der Finanzwelt verbieten.

O, wie schön! Ein Patentrezept!
Von denen kann es gar nicht genug geben!

:roll: Na, das fängt ja gut an mit dir... Unbegrenzt viele dieser schnippischen Kommentare vertrage ich jedenfalls nicht. Dachte mir gleich, dass es mit deiner Unvoreingenommenheit nicht allzuweit her ist.

Zu deiner Überraschung: Ich habe kein Konzept in der Schublade, das einen kompletten freiwirtschaftlichen Staat in allen Einzelheiten beschreibt. Es wird dir deshalb leicht fallen, Lücken zu finden und damit die Idee an sich zu diskreditieren. Und nein, du bist nicht der erste, der das mit diesem Mittel tut. Sag mir aber bitte gleich Bescheid, wenn das deine Absicht ist, damit ich dich zum Sieger küren kann, ohne sinnlos Zeit verschwendet zu haben.

Hm. Also, Grundbesitz enteignen hilft, weil...?

Abschaffung arbeitsfreier Einkommen, Verhinderung von Kapitalflucht in Boden.
Und die Eigentumsrechte am Grund fallen dann an... wen? Den Staat?

Richtig.
Und der macht dann damit... was?

Er verpachtet ihn an den Meistbietenden. Daneben sind noch Ausnahmen für bestimmte Verwendungszwecke denkbar.

Wer lenkt diesen Staat? Und wie?

Na der Diktator von nebenan. Der nette natürlich, nicht der gemeine. ;) Okay, vielleicht auch dein geliebtes parlamentarisches System.

Und die gegenwärtigen Eigentümer überzeugen wir mit welchen Mitteln davon, daß es nicht zur zum Besten aller, sondern auch ihrer ist?

Ein bisschen Druck wird da wohl nötig sein, schließlich verlieren sie tatsächlich etwas. Prinzipiell können sie auch entschädigt werden, Gesell schlug das sogar vor iirc. Denn die Ungleichverteilung von Vermögen muss nicht unbedingt beseitigt werden.

Wie soll der Übergang gestaltet werden?

Das ist die Frage. Hängt sehr von den Umständen und dem Zeitraum, innerhalb dessen der Übergang stattfinden soll, ab.

Den Zins... schaffen wir dann in Deutschland ab. Und sonst bleibt die Welt, wie sie ist? Oder muß das dann doch weltweit geschehen. Aber wie?

Wenn unsere Wirtschaft funktioniert, sind unsere Produkte gefragt und damit auch unser Geld - unabhängig davon ob es Zinsen gibt darauf oder nicht. Also können auch wir weiterhin im Ausland einkaufen. Aber ich bin kein Volkswirt, um dir das im Detail zu erklären.

Und Spekulation erkennen wir... woran genau? Was ist Spekulation eigentlich? Wann wird sie zur Investition? Ist Arbitrage böse, oder notwendig? Beteiligungsgesellschaften sind Heuschrecken... oder hilfreich? Kommt's auf die Absichten an? Wie erkennen wir sie? Welche Absichten - welche Gedanken - sind dann erlaubt, welche unerwünscht? Und was machen wir dann?

Da die Umlaufsicherung zu Konsum und Investition zwingt, wird man mit Geldspekulationen nicht mehr viel verdienen können. Es wird erheblich leichter für Unternehmer, an Geld zu kommen, da sie keine Rendite garantieren müssen. Es reicht im Grunde, wenn sie den Kapitalbesitzer vor der Umlaufgebühr bewahren, um ihn zu motivieren, sein Geld herauszurücken.

Könnte es vielleicht sein, daß nur Du glaubst, daß die Mehrheit in vorrevolutionärer Stimmung brodelt, während sie tatsächlich nur desinteressiert ist?

Genauso ist es, mit dem Zusatz, dass ich es nichtmal selber glaube. Wie könnte ich auch, gerade nach einigen Äußerungen in diesem Thread. Halte mich nicht für weltfremd, nur weil ich manche gesellschaftliche Utopien nicht mit derselben dogmatischen Verachtung strafe wie du!

Ich sage dir auch, was ich statt der vorrevolutionären Stimmung sehe: Ich sehe einen Haufen hilfloser Leute, die angesichts von Globalisierung, demografischem Problem und Wirtschaftsmisere nach Orientierung und Sicherheit suchen. Und ich sehe einen Haufen ebenso hilfloser Politiker, die diesen Leuten nichts von dem gewünschten geben können. Sie drehen an Stellschrauben, die nicht mehr funktionieren und haben keine Konzepte für die Zukunft, weil sie - selbst wenn sie sie erkennen - die wahren Probleme als unbeeinflussbar hinnehmen. Mir wäre vorrevolutionären Stimmung unter den Leuten jedenfalls lieber, als die trostlose Politikverdrossenheit, die sie stattdessen zeigen.

Und zu deinem Menschenbild: Einseitige Lebenserfahrung!

Hast du gerade 'nen Spiegel zur Hand?
Ah, noch eine billige Retourkutsche zum Schluß. Nur habe ich eben den "anderen" Staat - recht kurz, aber lang genug - erlebt und um mich herum täglich Menschen, die ihr ganzes Leben in ihm verbracht haben. Das eröffnet mir einige Ansichten, zu denen du scheinbar nicht kommen kannst.

Aber ich gebe zu, dass meine Erfahrung in Bezug auf den jetzigen Staat tatsächlich sehr einseitig ist, verglichen mit deiner. Mir fehlt das Erlebnis seines Erfolges. Ich sehe seit knapp 10 Jahren in komprimierter Form seine Unzulänglichkeiten und seine Unfähigkeit, sie wirkungsvoll zu bekämpfen.

Ciao,

Doc SoLo
 
Benutzeravatar
wulfman
Leitwolf
Licht des Forums
Licht des Forums
Thema Autor
Beiträge: 3063
Registriert: So, 7. Apr 2002, 17:28
Wohnort: Tansania

Mo, 24. Okt 2005, 00:35

Abdiel hat geschrieben:
Lustig ist auch, dass derlei Forschungen in der DDR nicht betrieben wurden, jedoch immer noch genug entsprechende Daten vorliegen, der Autor widerspricht sich da zwar gleich am Anfang aber das lassen wir mal aussen vor, um eine entsprechende Studie zu erstellen.

nunja - die musterung ist mEn für quasi jeden männlichen deutschen verpflichtend, oder? die daten, die ich kenne, beziehen sich auf die musterungsmessungen zwischen 1989 - 200*. dazu brauchte es keine forschung in der DDR - und anscheinend geht der trend in richtung "angleichung der körpergröße". deine "zahlreichen faktoren" werden durch die beschreibung einer sehr eng eingegrenzten bevölkerungsgruppe schnell eingeengt - der genetische background sollte sich zb. in den zehn jahren nicht sehr stark verändert haben.

mfg
wulfman
Zuletzt geändert von wulfman am Mo, 24. Okt 2005, 00:36, insgesamt 1-mal geändert.
______________________________

Vorläufig letzte Worte, heute:



der Exstudent auf der Insel
 
Benutzeravatar
Abdiel
Angry Angel
Goldfieber?
Goldfieber?
Beiträge: 8574
Registriert: Mo, 8. Apr 2002, 15:39
Wohnort: Sachsen

Mo, 24. Okt 2005, 01:34

Komisch nur, dass man noch zwischen Land- und Stadtbevölkerung unterscheidet, ebenso noch innerhalb Westeuropas und zwischen Frauen und Männern. Und genau darauf bezogen sich meine Zweifel, was eine verwertbare Menge an eindeutig erfassten Daten betrifft. Für Deine Aussage sind diese Faktoren nicht unbedingt von Belang, aber insgesamt macht die Studie gerade deswegen nicht den besten Eindruck auf mich. Dafür, dass man diesen Faktoren in der DDR keine Beachtung schenkte, sind sie imho ziemlich gut dokumentiert.

Und wenn es um den schnöden Vergleich zwischen Kapitalismus und "Sozialismus" (oder wie man das bezeichnen mag) geht, sorgt ja Amerika wieder dafür, dass das westliche System auch nicht unbedingt dem Ostblock überlegen ist. Laut dem Beitrag ist dies aber nicht nur mit den Ernährungsgewohnheiten verbunden, sondern auch dem gesamten Sozialsystem.

Unterm Strich bleibt eigentlich nur die Erkenntnis, dass es, rein auf die Körpergrösse bezogen, Unterschiede zwischen Ost und West gab, wofür man die unterschiedlichen Gesellschaftsformen verantwortlich macht, wozu aber nicht nur die Versorgung mit Nahrungsmitteln zählt. Aber genau das hast Du als Argument benutzt! Ich behaupte einfach mal, dass sich der Unterschied eher aus weniger hochwertigen Medikamenten in der DDR begründet, was ich persönlich sogar für wahrscheinlicher halte.

Ausserdem wundert mich, dass es nach der Wende so schnell zu einer Anpassung kam. Das müsste ja im Umkerhschluss bedeuten, dass wir Ostdeutsche überdurchschnittlich schnell gewachsen sein müssen, um den Vorsprung wettzumachen. Womit erklärst Du Dir das?
People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing. (Florence Foster Jenkins)
 
Benutzeravatar
Ssnake
Think Tank
Hauptmann
Hauptmann
Beiträge: 2232
Registriert: Do, 5. Sep 2002, 23:18
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Mo, 24. Okt 2005, 01:45

Schön, sparen wir uns die gegenseitige Abwatscherei.

Hinsichtlich meines Anspruchs auf Herrn Abramowitschens Öl:
Beanspruchen kann jeder. Kritisch ist doch die Nutzbarmachung durch Förderung. Die erfordert einen gewaltigen Aufwand. Wer ihn betreibt, soll auch ruhig den Nutzen haben - letztlich profitiere ich ja schon reichlich von der bloßen Verfügbarkeit von Mineralölprodukten im Wirtschaftskreislauf in vielfältiger Weise.
Zweitens ist es nicht "sein" Öl; einerseits, weil es seiner Firma und nicht ihm persönlich zuzuordnen ist, andererseits deswegen, weil seine Firma Förderlizenzen und Lizenzen zum Erschließen der Lagerstätten erworben hat, und zwar vom russischen Staat. Der Staat - und damit seine Bürger - profitieren also durch die Lizenzvergabe und durch die mit der Ölproduktion verbundenen Steuereinnahmen in erheblichem Maße; von einer Übervorteilung der Bürger kann also nur insoweit die Rede sein, wie es die bekannte Ineffizienz und Korruption der russischen Verwaltung betrifft. Abramowitschens Firma wiederum ist eine offen gehandelte Aktiengesellschaft, an der sich jedermann beteiligen kann, der die Aktien kaufen darf. Insofern ist auch hier kein prinzipieller Ausschluß der Öffentlichkeit gegeben.

Soweit es die Schaffung neuer Arbeitsplätze betrifft, müssen die ja nicht zwangsläufig in den bestehenden Sektoren entstehen. Insofern ist dort ein Wirtschaftswachstum zwar wünschenswert, aber nicht zwingend erforderlich, sofern an anderer Stelle beschäftigungswirksames Wachstum entsteht. Natürlich kann ich nicht konkret benennen, wo was wann wie entstehen würde, falls... deswegen setze ich ja auf den Markt. Wenn viele Leute nachdenken, kommen sie zu vielen Lösungen, von denen einige sich bewähren werden. Wünschenswert ist daher ein Gesellschaftsklima, das möglichst viele Leute zum Nachdenken in dieser Richtung anregt.
Mag aber sein, daß wir allein schon deswegen zum Untergang verurteilt sind, weil Europa durch einen zunehmend beschleunigten Wissenstransfer in andere Erdteile den jahrhundertelangen Technologie- und Wissensvorsprung mit den darin begründeten wirtschaftlichen Vorteilen nun verliert und damit weltwirtschaftliche Normalität entsteht, der relative Wohlstandsverlust hierzulande also schlichtweg unaufhaltsam ist. Das könnte eine der fundamentalen Ursachen sein, warum trotz aller (wenn auch halbherzigen) Bemühungen unserer Gesellschaft seit den frühen 1980er Jahren keine Trendwende erreicht werden konnte. In 100, 200 Jahren mag dann der Ausgleich vollzogen sein - die Frage ist ja nur, was machen wir bis dahin. Die Menschen wollen sicher nicht solange warten.


Soweit es den Art. 14 betrifft, halte ich Deine Grundannahme, daß mir von Geburt an ein sechsmilliardstel Kugelsegment des Globus zustehe, für zu weit hergeholt. Entscheidend scheint mir die Nutzbarmachung zu sein, nicht eine Gleichverteilung aller planetaren Ressourcen. Zumal der Besitz von einer Milliarde Tonne Eisenerz im Erdkern zwar einen gewissen Charme, aber doch wenig konkrete Nützlichkeit besitzt. Ich wette, wenn Du ein paar Kubikkilometer Erdmantel unter den Südatlantischen Rücken für Dich beanspruchst, wird Dich niemand daran hindern. Die Frage ist doch, was fängst Du damit an?
Wenn Du wiederum an die bereits erschlossenen, leicht zugänglichen Ressourcen scharf bist: Sorry, aber da hat schon jemand anderes viel Geld und Mühe in die Erschließung gesteckt, deswegen kann man's nicht einfach wegnehmen. Das wäre nämlich reine Trittbrettfahrerei - ach was, im Grunde Diebstahl aus dem simplen Motiv heraus "Der hat was, ich will's, also nehme ich's mir."


Hinsichtlich Miete: Lies bitte genau, und zitiere bitte vollständig. Es ging darum, daß der Mietzins einschließlich des mit ihm verbundenen Ausfallrisikos mit anderen Anlageformen konkurriert, und daher von den Investoren zumindest als gleichwertig wahrgenommen werden muß. Andernfalls unterbleiben schlichtweg die Investitionen in Wohnraum. Dann kann jeder seine 4300m² beanspruchen und sich eigenhändig eine zugige Blockhütte bauen oder ein Erdloch graben. Ich für meinen Teil zahle lieber Miete und wohne bequem.


Soweit es die prinzipielle Ungerechtigkeit des Zinses an sich geht, halte ich dagegen, daß in einer Marktwirtschaft alle konvertiblen Güter einen Preis haben sollten, weil nur über den Preis der Weg zu einem sparsamen und effizienten Ressourceneinsatz gefunden wird. Gerade beispielsweise in jenen mediterranen Ländern, in denen der Wasserpreis subventioniert oder sogar kostenlos zur Verfügung gestellt wird, ist die Wasserverschwendung besonders hoch. In jenen Fällen, in denen dann ein Preis erhoben wurde, verbesserte sich nahezu zeitgleich auch die Versorgungslage, weil der (unnötige) Verbrauch zurückging. Man dreht den Hahn häufiger zu.
Ebenso ist es mit dem Geld. Zins ist letztlich der Preis für Kapital. In einer Marktwirtschaft ist ja das schöne, daß Geld zu denjenigen wandert und dort akkumuliert wird, die damit umgehen können, die also wirtschaftlich arbeiten können. Wohingegen diejenigen, die mit ihrem Geld nicht weise umgehen, es schnell verlieren. Die Frage ist also, ob man nicht durch die Abschaffung des Zinses den verantwortlichen Umgang mit Kapital fahren läßt. Wer sich anschaut, wie kurzfristig verantwortliche Gesellschaftsmanager (unsere Politiker) gerade wegen des mangels langfristiger Verantwortlichkeit die Milliarden in schwachsinnigen Projekten wie Lausitzring, Cargolifter usw. versenken, muß doch zu dem Schluß kommen, daß so etwas vor allem dadurch zustande kommt, weil es an der langfristigen Verantwortlichkeit mangelt. Für Politiker ist Kapital ein Wirtschaftsgut ohne Preis (oder zumindest mit einem sehr geringen Preis), und dementsprechend verschwenderisch wird damit umgegangen bzw. dementsprechend hemmungslos fällt die Verschuldung aus, verbunden mit dem Unvermögen, an anderer Stelle einzusparen.

Um Dich zu beruhigen: Gläubiger des Staates sind vor allem diejenigen 10% der Bevölkerung, die 50% des Vermögens besitzen. Denn ginge der deutsche Staat pleite, würde er einfach seinen Gläubigern einen Vergleich aufzwingen, den sie nicht ablehnen können. Mit anderen Worten: Über einen Währungsschnitt werden die Sparer enteignet und Schuldner entsprechend begünstigt. Der von Dir vermißte Ausgleich findet also gelegentlich statt. :twisted:


Hinsichtlich der Frage, warum die meisten nicht wissen, daß sie auch im Falle der Nichtverschuldung Zinsen zahlen ... solange nur 20% der Bevölkerung auf die einfache Frage "Wer schafft Arbeitsplätze" korrkt mit "Die Unternehmen" antworten können, erübrigen sich weitergehende Fragen zum Wirtschaftsverständnis. Es mangelt schlichtweg an den Grundlagen. Deswegen dürfen Spinner wie Lafontaine und Engelen-Keifer ja auch seit Jahrzehnten ungestraft ihren Schwachsinn verbreiten.


Hinsichtlich "geliebtes parlamentarisches System": Liebe ist da nicht unbedingt im Spiel, ich kenne nur kein überzeugendes Konzept, das besser wäre. Eine anarchische Gesellschaft altruistischer Kantianer, das wär's - wenn wir schon bei Utopien sind. Ich fürchte nur, der Idee ist kein Erfolg beschieden.

Ein bisschen Druck wird da wohl nötig sein, schließlich verlieren sie tatsächlich etwas.

Owei. Auf diesen Weg mag ich Dir nicht folgen. Der Weg in die Hölle ist gepflastert mit guten Absichten, und das hier scheint mir doch ein gutes Beispiel dafür zu sein, wie aus den besten Wünschen heraus alles eine alptraumhafte Wendung nimmt. "Ein bißchen Druck" führte in der Praxis des 20. Jahrhunderts zu oft in Massengräber. Ich will nicht damit sagen, daß Du persönlich so etwas befürwortest, aber, mal ganz unter uns Revolutionären: Da gibt es immer Scharfmacher, die Gruppen in Psychosen lenken, nach denen der Zweck die Mittel heiligt. Das ist schon oft probiert worden und funktioniert recht zuverlässig.
Entschädigungen klingen schon besser, aber da hängt sehr viel am Detail. Zu viel, in der Praxis, als daß damit ein wahrhaft gerechter Übergang bewerkstelligt werden könnte. Man hat ja schon bei der Alteigentümer-Regelung hierzulande gesehen, wie wenig überzeugend das gelaufen ist - egal, aus welchem Blickwinkel man das betrachtet. Der Staat hat sich genommen, was er kriegen konnte, und das mit allen zweifelhaften Methoden, die so zur Verfügung standen. Man mag das begrüßen (muß dann aber zur Kenntnis nehmen, daß viele andere Entschädigungszahlungen "abgezockt" bzw. sogar vollständig restituiert wurden), oder es ablehnen (dann wird man sich daran stören, daß eine spezielle Gruppe ohne überzeugenden Grund entschädigungslos enteignet wurde während andere durchaus geld und Immobilien erhielten). In jedem Fall war die Handlungsweise der Finanzminister geprägt von Gier, nicht unbedingt aber von Verantwortung vor den Bürgern. Oder geprägt vom Kuschen vor den Mächtigen, je nach Standpunkt.


Vielleicht wäre ja so ein gelehrtes Buch über diese "Freiwirtschaft" eine geeignete Advendtslektüre für mich. Hättest Du da einen konkreten Literaturtipp? Selbst wenn es notwendigerweise Utopie bleiben muß weil ein befriedigend sanfter Übergang nicht zustandekommen wird, scheint es ja doch zumindest ein interessantes Gedankenexperiment zu sein.

Ich sage dir auch, was ich statt der vorrevolutionären Stimmung sehe: Ich sehe einen Haufen hilfloser Leute, die angesichts von Globalisierung, demografischem Problem und Wirtschaftsmisere nach Orientierung und Sicherheit suchen. Und ich sehe einen Haufen ebenso hilfloser Politiker, die diesen Leuten nichts von dem gewünschten geben können. Sie drehen an Stellschrauben, die nicht mehr funktionieren und haben keine Konzepte für die Zukunft, weil sie - selbst wenn sie sie erkennen - die wahren Probleme als unbeeinflussbar hinnehmen. Mir wäre vorrevolutionären Stimmung unter den Leuten jedenfalls lieber, als die trostlose Politikverdrossenheit, die sie stattdessen zeigen.

Zumindest was unsere Lagefeststellung angeht, scheinen wir konform zu gehen (und in einigen anderen Punkten ja offenbar auch). Ich teile halt Deine Schlußfolgerungen nicht und versuche es eben lieber mit Zuversicht und Aktivierung meiner Umwelt, wo ich es denn kann.
 
Benutzeravatar
Hattori Hanso
180 Grad
$ Dagobert $
$ Dagobert $
Beiträge: 9683
Registriert: Fr, 28. Jun 2002, 07:19
Wohnort: Provinz Tao Shan, zeitweise Stuttgart

Mo, 24. Okt 2005, 10:28

Ich muß noch kurz was zur Miete anmerken. Ich kann hier nur für Stuttgart sprechen, aber hier kostet eine zwei bis Dreizimmerwohnung 500-1000 Euro Miete - kalt!

Das ist etwa ein Drittel des Einkommens was man hier normal verdienen kann. Ich glaube nicht daß Mieten im Osten so hoch sind. Und das macht dann mal gleich einen beträchtlichen Teil der Lebenshaltungskosten aus.

Im übrigen muß ich da Ssnake recht geben. Klar, wer eine Mietwohnung hat bekommt Geld dafür und muß dafür nichts arbeiten, aber die Mietwohnung selbst muß erstmal erarbeitet werden, und auch die Instandsetzungsarbeiten kosten Geld und im Zweifelsfall Zeit. Üblicherweise wird ein Teil davon an den Mieter abgeladen, der bei Auszug renovieren muß. Aber die Gefahr ist auch hoch daß man mal einen Mieter erwischt der einfach die Miete nicht zahlt, und die rechtlichen Mittel an sein Geld zu kommen sind sehr begrenzt. Ein Freund von mir hat gerade das Problem, und es ist erschreckend wie lange es dauert einen zahlungsunwilligen Mieter aus dem Haus zu bekommen. In Docs Sinne ist das sozusagen die Rache des Proletariats.
Blöd nur daß mein Kumpel auch nicht reich ist und die Wohnung über Schulden finanziert hat die er auch abzahlen muß. Ganz so traumhaft schön ist die Welt der Besitzenden also leider auch nicht.
--------------------------------------------------------
1+1 ist ungefähr 3

http://card.mygamercard.net/DeadlyEngineer.png

http://avatar.xboxlive.com/avatar/Deadl ... r-body.png
 
Benutzeravatar
Hardbern
Known as The Gun
Licht des Forums
Licht des Forums
Beiträge: 2997
Registriert: So, 7. Apr 2002, 14:57

Mo, 24. Okt 2005, 11:45

Dirty Harry hat geschrieben:
Im übrigen muß ich da Ssnake recht geben. Klar, wer eine Mietwohnung hat bekommt Geld dafür und muß dafür nichts arbeiten, aber die Mietwohnung selbst muß erstmal erarbeitet werden, und auch die Instandsetzungsarbeiten kosten Geld und im Zweifelsfall Zeit. Üblicherweise wird ein Teil davon an den Mieter abgeladen, der bei Auszug renovieren muß. Aber die Gefahr ist auch hoch daß man mal einen Mieter erwischt der einfach die Miete nicht zahlt, und die rechtlichen Mittel an sein Geld zu kommen sind sehr begrenzt. Ein Freund von mir hat gerade das Problem, und es ist erschreckend wie lange es dauert einen zahlungsunwilligen Mieter aus dem Haus zu bekommen. In Docs Sinne ist das sozusagen die Rache des Proletariats.
Blöd nur daß mein Kumpel auch nicht reich ist und die Wohnung über Schulden finanziert hat die er auch abzahlen muß. Ganz so traumhaft schön ist die Welt der Besitzenden also leider auch nicht.


Zufälligerweise arbeite ich in diesem Bereich. Es dauert (hier in Berlin) zwischen 1 und 1 1/2 Jahre bis man ein Räumungsurteil erwirkt hat. D.h. im schlimmsten Fall sind erstmal 18 Mieten nicht gezahlt. Dann kommen die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten dazu, die sich nach der Höhe der Mietforderung richten. Dann muss ein Gerichtsvollzieher beauftragt werden. Der bestellt dann Möbelpacker uns Schlüsseldienst und erwartet erstmal einen Räumungskostenvorschuss zwischen 1000 und 3000 EUR. Dann kann die Hütte aber noch lange nicht weitervermietet werden, weil man erstmal Firmen reinschicken muss (Kammerjäger, Maler usw.). Also ich habe hier nicht selten Forderungen zwischen 10.000 und 20.000. Das sich das private bzw. kleine Vermieter nicht oft leisten können, ist auch klar. Die Kosten bekommt man auch meist nicht rein. Die Leute heben die Hand und gut ist. Gut die Forderungen werden an Inkassobüros verkauft aber die zahlen noch nicht mal die Hälfte zurück und das auch nur im Erfolgsfall.

Ich persönlich (als Mitarbeiter einer Wohnungsbaugesellschaft) finde, dass Mieter viel zu viel Schutz genießen hier in D. Niemand hier in D. muss in die Lage kommen, geräumt zu werden (Hartz4 Power), man muss sich nur darum kümmern. Wie sage ich immer zu meinen Mietern, Arbeitslosikeit ist auch ein Tätigkeit, man muss sich nämlich um die Leistungen kümmern indem man z. B. da stundenlang beim AA hockt. Viele sind zu faul oder zu stolz zum AA zu rennen, hatte ich alles schon. Außerdem betätigen sich die Richter hier in Berlin, meist auch als verlängerter Arm der Mietervereine.

Ich jedenfalls möchte privat gar kein Immobilienbesitz haben, man muss nur einen Drecksmieter dabeihaben und schon wird man arm, siehe oben.


Hardbern
Zuletzt geändert von Hardbern am Mo, 24. Okt 2005, 11:48, insgesamt 1-mal geändert.
______________________________________
Es könnte schlimmer sein.
Es ist schlimmer.
 
Benutzeravatar
Hattori Hanso
180 Grad
$ Dagobert $
$ Dagobert $
Beiträge: 9683
Registriert: Fr, 28. Jun 2002, 07:19
Wohnort: Provinz Tao Shan, zeitweise Stuttgart

Mo, 24. Okt 2005, 12:04

Das ist auch so etwas was ich nicht verstehe: Warum bekommt man einen Zahlungsunwilligen Mieter nicht schneller aus der Wohnung? Drei Mieten nicht gezahlt und dann holt ihn die Polizei ab. Kann doch nicht so schwer sein? Aber das was Du erzählst berichtet mein Kumpel auch immer, zum Glück wird er nicht gleich arm davon, aber super ärgerlich ist das allemal.
Und da wundern sich dann manche Leute wenn sie keine Wohnung bekommen. Also wenn ich Wohnraum zu vermieten hätte würde ich mir die potentiellen Mieter auch SEHR genau anschauen.
--------------------------------------------------------

1+1 ist ungefähr 3



http://card.mygamercard.net/DeadlyEngineer.png



http://avatar.xboxlive.com/avatar/Deadl ... r-body.png

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 162 Gäste