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Do, 20. Jan 2005, 08:28

Man sollte bei dieser Diskussion meiner Meinung nach aber auch nicht ganz aus den Augen verlieren, von was für einem Regime wir hier im Falle des Iran sprechen, nämlich von religiösen Führern, die sich allesamt in einem Bereich zwischen Hardliner im besten und Fanatiker im schlimmsten Falle bewegen. Das sind keine Personen, bei denen man sich darauf verlassen kann, dass sie dem "tu Du mir nichts, dann tu ich Dir auch nichts"-Prinzip folgen werden - und genau dieser Punkt macht sie als Atommacht so inakzeptabel. Es handelt sich mindestens um Antisemiten, deren brennender Judenhass schon existierte, bevor es Israel überhaupt gab, und die an die Existenz der zionistischen Weltverschwörung glauben. Und das ist nur aus der Sicht des Judenstaates gedacht - auch Deine und meine bloße Existenz als Ungläubige ist für viele Mullahs nicht weniger als eine Beleidigung der göttlichen Ordnung, die besser heute als morgen vom Angesicht der Erde getilgt werden sollte.
Ich denke also nicht, daß wir hier von einer bloßen Phantom-Bedrohung wie beim Irak und dem ewigen Gefasel von den "Weaponsch of Masch Deschtrukschn" ausgehen können, und schon gar nicht handelt es sich so ganz harmlos um ein Land, das einfach nur nicht auf unserer politischen Linie liegt. Die momentane "Good-Cop-Bad-Cop"-Nummer, bei der jemand verhandelt, während im Hintergrund mit dem großen Stock gedroht wird, halte ich grundsätzlich für gar nicht so schlecht, aber sie wäre zweifellos besser, wenn sie abgestimmt wäre. Da sehe ich aber Versaumnisse auf beiden Seiten: die Europäer haben sich viel zu früh auf unbedingten Gewaltverzicht festgelegt, während die Bush-Regierung leider den Verdacht zuläßt, daß sie längst das Gegenteil getan hat. Man sollte sich in der Mitte treffen, bevor es zu spät ist.

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Do, 20. Jan 2005, 08:42

Daß der Iran eine fanatische Regierung hat ist unbestritten, ich finde es trotzdem seltsam daß man das immer gleich mit bedingungsloser Gewaltbereitschaft gleichsetzt. Das ist die Horrorvorstellung die wie immer und immer wieder in den Medien präsentiert bekommen, ich bezweifle daß die so richtig ist. Das ist wie damals mit Rußland. Die Sowjetunion waren die BBösen und die Amerikaner die guten. Und den Russen hat man auch grundsätzlich jede Schandtat zugetraut.
Und selbst wenn Sie es gerne täten bin ich mir doch sicher daß sie sich der Folgen bewußt wären die ein Atomangriff auf ein anderes Land zur Folge hätte.

Im Falle von Israel hingegen sieht man das ganz entspannt, obwohl die Israelis ihre Gewaltbereitschaft schon des öfteren bewiesen haben. Und auch schon öfters bewiesen haben daß sie Krieg als probates Mittel der Politik sehen. Das finde ich auch durchaus bedenklich, auch wenn sich die Gewalt natürlich nur gegen Islamische Staaten richtet.
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Do, 20. Jan 2005, 09:12

Hi !

Ich sehe das ähnlich. Die sind zwar fanatisch aber nicht dumm. Das sind auch keine Ausgeburten der Hölle. Das sind alles auch nur Menschen, die ihre Kinder lieben. Ich denke selbst dem fanatischsten Islamisten ist klar was geschieht, wenn ein atomarer Erstschlag geführt wird.

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Do, 20. Jan 2005, 14:23

Da hat man mal wieder das Gefühl daß die Medienbeeinflußung "Moslem = Terrorist" hier hervorragend funktioniert.
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Do, 20. Jan 2005, 14:54

In all den Jahren seiner Existenz hat Israel in meinen Augen nicht den geringsten Anlaß zu der Befürchtung gegeben, es sei auf Eroberung aus und würde zu diesem Zweck auch Nuklearwaffen einsetzen. Wer sowas behauptet, hat die Ratio hinter Israels Außenpolitik nicht verstanden.

Der Gründungskrieg '49 wurde von den Arabern angekündigt und angefangen, am Ende stand die Bestätigung der durch UN-Beschluß ohnehin festgelegten Staatsgrenzen.

Der zweite Krieg '54 wurde durch die ägyptische Besetzung der Suez-Kanalzone ausgelöst und weitete sich zum Krieg mit Israel aus - am Ende stand beinahe die Besetzung der Sinai-Halbinsel, die Israel aber wieder an Ägypten zurückgab im Tausch gegen die Demilitarisierung des Sinai.

Im Sechs-Tage-Krieg ließ Ägypten wieder seine Divisionen in den Sinai rücken, und Staatspräsident Nasser wurde zum Opfer seiner eigenen aggressiven Rhetorik gegenüber Israel, so daß er sich außerstande sah, die unnötig begonnene Eskalation ohne Gesichtsverlust zu beenden. Israel wiederum konnte die faktische Möglichkeit eines gemeinsamen Angriffs der umgebenden Staaten nicht ausschließen und mußte handeln - in diesem Fall durch Präventivschlag. Wiederum verloren die arabischen Staaten haushoch, und Israel besetzte den Sinai und das Westjordanland mit dem Ziel, Verhandlungsmasse für eine abschließende Friedensregelung zu gewinnen.

Keine fünf Jahre später kam es 1973 zum Yom Kippur-Krieg, hierzulande besser bekannt als "Ölkrise". Wiederum griffen die arabischen Staaten an, und gemessen an der Bevölkerungszahl erlitt Israel Verluste vergleichbar Deutschlands im ersten Weltkrieg. Und Israel wurde tatsächlich so sehr in Bedrängnis gebracht, daß der Einsatz von Nuklearwaffen tatsächlich erwogen, dann aber durch die einsetzende Luftbrücke von den USA unnötig gemacht wurde. Wiederum blieb Israel am Ende siegreich und in der Hoffnung, die andauernde Serie militärischer Nierderlagen würde die umgebenden arabischen Staaten zu der Einsicht bringen, daß der Verhandlungsweg aussichtsreicher sei.

Ägypten kam denn ja auch zu dieser Erkenntnis, und hat dafür nach 1979 den Sinai auch zurückerhalten. Andere arabische Staaten brauchen offenbar länger.

Der durch Syrien und die PLO betriebene Zerfall des Libanon brachte Israel in die Situation entscheiden zu müssen, ob man dem Umsturz auf Raten zuschauen oder mitmischen wollte. Man entschied sich für's mitmischen. Es ist leicht, aus der Rückschau zu sagen, daß das eine falsche Entscheidung war und Israel den Ruf gekostet hat, eine defensive Militärmacht zu sein. Tatsächlich war aber der innenpolitische Druck, nun endlich etwas gegen den fortdauernden Terrorismus zu unternehmen, der seine Basis im Südlibanon hatte (ebenso wie die Artilleriegeschütze, die ständig in israelische Siedlungen hineinfeuerten), außerordentlich hoch.
Man macht es sich etwas einfach wenn man sagt, Israel hätte sich ohne weiteres aus der Libanon-Geschichte heraushalten können. Nach der Vertreibung der PLO aus dem Libanon (was aus heutiger Sicht ein Segen für die libanesische Bevölkerung war), hat sich Israel einige Zeit später aus dem Libanon zurückgezogen - im Gegensatz zu den Syrern, denen man aber komischerweise bis heute nicht vorwirft, ein aggressiver Staat zu sein. :roll:

Nach dem Ende der Besetzung des Südlibanons haben die Palästinenser dann ihre erste Intifada ausgerufen. Nach drei Jahren Steinewerfens und Bombenlegens war man keinen Schritt weiter. Dann kam es zu den ersten Annäherungsversuchen (man erinnert sich vielleicht noch an die Verleihung des Friedensnobelpreises, aus heutiger Sicht wohl eher als Signal der Ermutigung und Wechsel auf die Zukunft zu verstehen, aber was soll's). Nach der Ermordung Rabins sah sich Arafat wie üblich nicht zu einer realistischen Verhandlungsführung in der Lage, die Chancen wurden vertan, man hat die Kinder wieder Steine werfen lassen und dann zu Bombenträgern umgeschult.
(Ehrlich gesagt, mit derartig perversen Typen würde ich mich auch nicht an einen Tisch setzen wollen).


Es nimmt nicht wunder, daß ein Teil der israelischen Öffentlichkeit der Meinung ist, daß die Araber und Palästinenser unfähig seien, überhaupt zu einer verständigen Lösung zu kommen. Nach fünfundfünfzig Jahren Bombenterror fällt es wohl nur leicht, zu solchen Schlußfolgerungen zu kommen, je mehr räumlichen Abstand und je weniger Detailkenntnis in die Debatte gebracht werden.
Ich stelle für mich fest, das Israel seit seiner Existenz klar erkennbar um Selbstbehauptung und Anerkennung seines Existenzrechts gekämpft hat - ein Ziel von bestürzender Selbstverständlichkeit. Gewiß, der Kampf wurde nicht immer sauber geführt. Das ist auch nicht zu erwarten in einem derartig lang andauernden bewaffneten Konflikt, der von gelegentlichen Ruhephasen unterbrochen wird. Wie man aus dieser Geschichte ableiten will, daß für den Iran der Besitz von Nuklearwaffen quasi naturgesetzliche Selbstverständlichkeit sei und es schon allein eine Frage der "Gerechtigkeit" sei, den Mullahs zum Ausgleich für Israels Besitz von Nuklearwaffen selbige zuzugestehen, ist mir unverständlich.

Hier geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern um das Streben nach Macht. Das muß einmal klar ausgesprochen werden. Und daraus folgt dann unweigerlich die Frage, ob es in unserem Interesse liegt, daß sich die Machtverhältnisse zugunsten des Iran verschieben. Die Antwort steht für mich fest: Ganz klar Nein.
Mit Israel gibt es wenigstens in Ansätzen so etwas wie Wertegemeinschaft - sei es aufgrund der Tatsache, daß Israel eine Demokratie ist, daß uns das Judentum näher steht als der Islam, daß es so etwas wie religiös motivierter Terror mit Anspruch auf Weltgeltung zur Zeit nur dem Islamismus entspringt. Seit seiner Gründung wird Israel systematisch durch UN-Resolutionen benachteiligt und aggressives Verhalten der Araber durch Unterlassung von Seiten der UNO begünstigt. Wenn es die Unterstützung durch die USA nicht gäbe, hätten die Araber vollendet, was deutsche Nazis begonnen haben. Ich habe regelmäßig den Eindruck, daß es genau das ist, was viele in Deutschland insgeheim hoffen, aber nicht offen auszusprechen wagen. Wenn es etwas gibt, wofür sich Deutschland heutzutage schämen müßte, dann das. Ich finde das widerwärtig, feige und geschichtsvergessen, und die vorgeschobenen Argumente, warum vor allem Israel schuld an allem sein soll, bigott.
Zuletzt geändert von Ssnake am Do, 20. Jan 2005, 15:18, insgesamt 1-mal geändert.
 
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Do, 20. Jan 2005, 14:57

Es geht mir weder um simple gut/böse-Schemata, noch um die Aufrechnung, wer das Recht hat, Atomwaffen zu besitzen (für mein Empfinden sollte niemand die Macht haben, ganze Städte auf Knopfdruck wegzuzappen - aber das ist ein ganz anderes Thema).

Es geht hier um die Einschätzung eines Risikopotenzials. Und genau jenes ist mir angesichts des Pools, aus dem sich die iranische Führung rekrutiert, etwas hoch. Ein Fanatiker zeichnet sich gerade dadurch aus, daß er nicht mehr so ganz alle beisammen hat - sonst wird der Begriff ziemlich überflüssig oder er wird hier jetzt plötzlich einfach entgegen dem originären Wortsinn gebraucht. Sollte das der Fall sein, bitte ich dies zum Audruck zu bringen (und verweise in diesem Zusammenhang auf die Ungleichheit von Fanatiker und einem bloßen Hardliner). Der rücksichtslose Kampf für die eigene Überzeugung gehört beim Fanatiker sozusagen zum "Berufsbild". Genau hier liegt bei einem religiös derart ausgetickten Regime ein hoher Unsicherheitsfaktor, wieviel "gesunder Menschenverstand" da noch mitspielt.
Davon abgesehen muß ich auch ganz pragmatisch und ohne jede Scham egoistisch sagen, daß es mir einfach nicht gefällt, wenn jemand, der mehrfach offen ausgesprochen hat, daß meine Existenz vernichtet gehört, seine gierigen Finger nach der ganz dicken Berta ausstreckt. Das Risiko ist mir zu groß, und deshalb bin ich nicht dafür, einfach "böse Jungs" zu sagen und ansonsten untätig zuzusehen, wie diese Leute sich Atomwaffen zulegen. Genau das hat eben nichts mit Moslem, sondern etwas mit Fanatismus per se zu tun, egal welcher Prägung (vielen christlichen Fanatikern sind Leute wie ich auch ein Dorn im Auge, und die sollte man genauso wenig mit Streichhölzern spielen lassen). Vor dem iranischen Volk habe ich überhaupt keine Angst. Schließlich befindet sich die dortige Gesellschaft schon seit geraumer Zeit auf dem besten Wege zu einer deutlichen Liberalisierung. Nur leider hat das Volk nichts zu sagen und die Mullahs - tut mir leid, denen traue ich etwa so weit, wie ich sie werfen kann.

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Do, 20. Jan 2005, 16:09

Wie immer hat Ssnake sehr fundiert die Fakten aufgezählt.

Was allerdings noch zu ergänzen wäre ist daß die Israelische Siedlungspolitik in Palästina, bei der ganz gezielt den Palästinezern der Zugang zu den Wasserquellen abgeschnitten wird, auch zu dem Dilema beigetragen hat. Erwähnenswert ist auch noch daß es in Israel ebenfalls religiöse Fanatiker gibt die ihren Machtanspruch auf das Gebiet aus den in der Bibel beschriebenen Grenzen des Reichs des Königs David ableiten. (Eine Figur der Existenz geschichtlich nicht belegt ist.)

Die ganze Misere fing wohl damit an, daß man nach dem zweiten Weltkrieg den Palästinensern ihr Land weggenommen hat um einen jüdischen Staat zu ermöglichen, letztendlich ist indirekt also Nazi-Deutschland mit Schuld an der momentanen Situation.

Es gab wohl auch Pläne diesen Staat in Südamerika zu etablieren, vielleicht wäre das besser gewesen.

Ich bin eigentlich auch strikt dagegen daß der Iran Atomwaffen hat, aber eigentlich bin ich der Meinung niemand auf dieser Welt sollte Atomwaffen haben, auch die Amerikaner nicht, und vor allem auch die Israelis nicht. Die haben wie Ssnake schon richtig geschrieben hat den Einsatz zumindest schonmal ernsthaft in Betracht gezogen, und wer weiß ob sie es nicht tun wenn sie genügend in die Ecke gedrängt werden. An der aktuellen Politik kann man ja auch sehen daß eine generelle Gewaltbereitschaft seitens der Israelis durchaus vorhanden ist.
Angesichts dieser latenten Bedrohung kann ich also nachvollziehen wenn es im Iran den Wunsch nach Atomwaffen gibt um hier ebenfalls ein Abschreckungspotential zu haben. Daraus den Wunsch diese auch wirklich einzusetzen abzuleiten halte ich allerdings für etwas weit gegriffen. Und natürlich sollte man aus Sicht von Europa und Amerika versuchen dies zu verhindern, aber dazu sollte man als erstes einmal gemeinsame politische Anstrengungen unternehmen, und dazu gehören dann eben eventuell auch Zugeständnisse an den Iran, die vielleicht so aussehen könnten daß man die atomare bedrohung die von Israel ausgeht beseitigt. (Schwierig, ich weiß)
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Selbstverständlich gibt's auch religiöse Fanatiker bei den Juden - nicht zuletzt wurde Premier Rabin von einem erschossen. Selbstverständlich gibt es Ungerechtigkeiten im Zusammenleben der Juden mit den Palästinensern, und manche unüberlegte Aktion der Israelis, die zur Entspannung nicht förderlich war.
Dennoch ist Israel nicht von den Fanatikern dominiert, den Palästinensern steht der Rechtsweg im Grundsatz offen (und gelegentlich gewinnen sie auch vor israelischen Gerichten). Und bei all' diesen Geschichten kennen wir weder konkrete Fälle noch vollständige Vorgeschichten. Das sind dann immer Umstände, bei denen ich ganz vorsichtig werde, damit zu argumentieren, weil sich vieles bei näherer Betrachtung - dort, wo es möglich ist - in heißen Dampf auflöst. Bei journalistischer Berichterstattung bin ich generell skeptisch, weil ich in den Fällen, wo ich mit dem Sachverhalt vertraut bin, haarsträubenden Unsinn aus Journalistenfeder gelesen habe (und nicht mal unbedingt böswillig, nur eben ungenau), oder daß Journalisten gefragt haben, was sie denn jetzt noch berichten sollen, nachdem sie ihre ersten fünf Pflichtminuten im Kasten haben. Dann gibt's die Gruppe der Journalisten, die Stimmungsmache betreiben - sei es, weil ihre Weltsicht durch eigene Überzeugungen getrübt ist, sei es, weil sich Herzschmerz und Katastrophen besser vermarkten lassen als sachliche Schilderung (die häufig genug einfach nur langweilig ist). Gelegentlich lassen sich also Journalisten instrumentalisieren, und die Israelis haben schon lange aufgegeben, PR in eigener Sache zu machen (zumindest in Europa). Die Palästinenser, das muß man ihnen lassen, verstehen es vorzüglich, die Propaganda-Klaviatur zu bedienen - ich sag' nur "Massaker in Jenin".


Die "Misere Israel" fand im Übrigen nicht erst 1947 ihren Anfang, sondern im Grunde schon mit Theodor Herzl. Seit den 1890ern sind Juden nach Palästina emigriert, und ab den 20er-Jahren kam es zu gegenseitigem Terror, der sich letztlich vor allem aus einer unglücklich agierenden britischen Kolonialverwaltung motivierte. Mit dem Ende des 2. Weltkriegs beendete Großbritannien die Kolonialherrschaft, und es ging einher mit der UNO-Proklamation des Staates Israel.


Wenn Du mit "Südamerika" Madagaskar meinst (da, wo u.a. auch der Pfeffer wächst), so sollte man doch hoffen, daß dieser geschmacklose Goebbels-Propagandamist nun endlich begraben wäre, aber dieser Historien-Zombie kraucht ja immer wieder hervor. Und selbst wenn es ernstgemeint gewesen wäre, kann man als Humanist und Demokrat doch nicht ernsthaft Deportation als Lösung vertreten. Und ob nun Palästina oder Südamerika (wenn es dazu jemals einen ernsthaften Plan gegeben haben sollte, der mir jetzt völlig unbekannt wäre), bleibt sich letztlich gleich - dann hätten wir heute ein Problem vertriebener Indios, insofern vermag ich da den prinzipiellen Unterschied dieses Plans nicht zu erkennen, so es ihn denn je gegeben hat.


In puncto Nuklearwaffen bin ich Pragmatiker. Eine atomwaffenfreie Welt ist schlichtweg nicht mehr erreichbar, und eine, in der jeder Staat welche hat, nicht wünschenswert. Man kann es sich wünschen, daß Israel keine Atomwaffen hätte und auch nicht die USA, aber zur Grundlage einer Außenpolitik darf man solche Utopien auf gar keinen Fall machen, weil alle diese Überlegungen die Verwendung des conjunctivus irrealis erzwingen.

Man kann dem Iran allein schon deswegen nicht das Zugeständnis eines nuklearwaffenfreien Israels machen, weil Israel ein souveränder Staat ist und so eine Entscheidung selber treffen müßte (was Israel niemals tun würde, und das aus wohlerwogenen Gründen), es sich also der Verfügungsgewalt unserer Außenpolitik entzieht.
Man beschränke sich daher auf das, was der Iran zur Begründung für sein Atomprogramm angegeben hat - Energiegewinnung für zivile Zwecke. Nun denn, dafür braucht's aber keine Urananreicherung und keine Plutoniumwirtschaft. Da sich die Mullahs hier sträuben, kann als gesichert gelten, daß sie in Wahrheit nach der Bombe streben, und da gibt's den Nichtverbreitungsvertrag, und der ist eindeutig. Die Frage stellt sich also, ob es der US-Regierung gelingt, sowohl eine glaubhafte militärische Drohung aufzubauen als auch den Eindruck zu vermeiden, daß der krieg schon beschlossen und unvermeidbar sei - - - als auch, ob es die Europäer ernst meinen mit ihrer Absicht, dem Iran den Zugriff auf Nuklearwaffen zu verweigern und dafür gegebenenfalls auch an der Seite der USA zu kämpfen. Für eine friedliche Lösung dieses wichtigen Konflikts ist das Erreichen beider Bedingungen zwingende Voraussetzung.
 
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Fr, 21. Jan 2005, 01:22

Ssnake hat geschrieben:
Und ob nun Palästina oder Südamerika (wenn es dazu jemals einen ernsthaften Plan gegeben haben sollte, der mir jetzt völlig unbekannt wäre), ...

Herzl selbst nannte in "Der Judenstaat" Argentinien als Alternative zu Palästina.

Ciao,

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Fr, 21. Jan 2005, 02:07

Ah... Danke!

Hätte an der Situation im Grundsatz ja aber letztlich gar nix geändert.
 
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Fr, 21. Jan 2005, 07:41

@Ssnake:

Zum Thema Judenstaat in Südafrika:

War in der letzten National Geographic erwähnt daß es da wohl Überlegungen gab, wie ernsthaft die waren kann ich nicht beurteilen. Auf alle Fälle meinte ich NICHT die Deportation nach Madagskar, so zynisch bin ich dann auch wieder nicht.

Es hätte -möglicherweise- insofern etwas geändert als das es in SA vielleicht nicht diese Konfliktpotential wie es es im mittleren Osten gibt gegeben hätte. Das ist letztendlich natürlich egal, dieses Rad ist nicht mehr zurückzudrehen.

Man könnte für den Iran die Bedrohung vielleicht auch dadurch erträglicher machen indem man ihm im Falle eines Verzichts Sicherheit vor Israel garantiert.

Zum Thema daß man sich die Fälle in Israel sehr genau ansehen muß gebe ich Dir Recht, aber genauso sehe ich es im Falle des Iran. Hetzkampagnen gegen Islamische Regime glaube ich nämlich genausowenig.

Zu den Atomwaffen: Natürlich läßt sich auch hier die Uhr nicht zurückdrehen, ich denke auch daß die Amerikaner zumindest mit dieser Macht sehr vernünftig umgehen, im Falle von Israel bin ich mir da aber schon wieder nicht mehr so sicher.
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Fr, 21. Jan 2005, 18:56

Also, ich kann beim besten Willen nicht erkennen, daß Israel auch nur ansatzweise ein Interesse hätte, neue Ländereien zu erobern. Die Besetzung des Westjordanlandes nimmt die Armee und die Volkswirtschaft bereits so sehr in Anspruch, daß der Premier den Rückzug aus Gaza für dermaßen wichtig hält, daß er daran sogar seine Koalition zerbrechen ließ, was ja nun ein ziemliches va banque-Spiel war. Sowas macht man nicht aus einer Laune heraus.
Es gibt ja nicht mal eine gemeinsame Grenze zwischen Iran und Israel. Tatsächlich hat man vor der schiitischen Revolution sogar recht intensive Handelsbeziehungen gehabt. Insofern überzeugt mich eine Argumentation, die auf einer von Israel ausgehenden Bedrohung fußt, überhaupt nicht. Die israelische Führung mag vielleicht wenig Hemmungen haben, das eigene Militär einzusetzen (allein schon, weil praktisch jeder bedeutende Politiker zuvor hochrangiger Offizier gewesen ist), doch handelt sie durchaus rational. Ein Nuklearwaffeneinsatz käme ausschließlich in Frage, um die Vernichtung der Nation abzuwenden. Unter dieser Prämisse ist israelischer Nuklearwaffenbesitz für die Nachbarn unproblematisch. Erst, wenn diese das Existenzrecht Israels nicht nur prinzipiell in Frage stellen, sondern auch noch konkret versuchen, diese Einsellung in praktisches handeln zu überführen, müssen sie sich Sorgen machen. Und das ist auch gut so.


Ganz im Gegenteil sehe ich den israelischen Nuklearwaffenbesitz weitaus entspannter als den der USA - nur aus den Vereinigten Staaten höre ich Überlegungen, Atomwaffen im Bereich unter 1kT zukünftig zur Bekämpfung von Befehlsständen einsetzen zu wollen, also letztlich das Gefechtsfeld der Zukunft ohne größere Not zu nuklearisieren. Kern der Äußerungen, die vor zwei Jahren zu hören waren, war, daß durch das Kleinhalten der Explosionswirkung und das tiefe Eindringen der Rakete in den Erdboden/Bunkerkomplex vor der Detonation das darüberliegende Erdreich den Übergang in die Atmosphäre mit einiger Wahrscheinlichkeit unterbinden werde, mit radioaktivem Fallout also angeblich nicht zu rechnen sei. Dieses fahrlässige Gerede macht mir weitaus mehr Sorgen.
Zuletzt geändert von Ssnake am Fr, 21. Jan 2005, 19:01, insgesamt 1-mal geändert.
 
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Mo, 24. Jan 2005, 08:49

rational betrachtet hast Du sicher recht, aber ob das die Iraner auch so sehen wage ich zu bezweifeln.
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