Dirty Harry hat geschrieben:-Wo sind die Konzentrationslager?
-> Guantanamo Bay? (Es ist ein ganz andere Dimension, aber es geht in diese Richtung, von Achtung der Menschenrechte kann man dort auch nicht gerade sprechen.)
Zu sagen, der Vergleich hinke, wäre ein Euphemismus. Der hat gar keine Beine.
Was wir in Guantanamo haben, ist eine Mißachtung von einer Reihe rechtsstaatlicher Grundsätze bei einer kleinen Zahl von Terrorverdächtigen. Daß dies falsch ist, die kleine Zahl der Leute keine Rolle spielt und der Mist besser gestern als heute abgeschafft gehört, sagt der kleine Captain Picard in mir auch. Aber das ist schon im Prinzip nicht vergleichbar mit der systematischen Einkerkerung und Vernichtung einer Mischung aus politischen Gegnern, Behinderten und jeder Menge Leuten, bei denen es selbst auf einer rein intelektuellen Ebene keinen Grund mehr gibt, ihnen etwas anzutun. Wenn Du Michael Moore in Guantanamo sichtest, sag mir Bescheid. Dann haben wir einen Grund, richtig beunruhigt (statt ein wenig empört) zu sein.
Wie Amerika fadenscheinige Gründe anbringt um souveräne Staaten mit Krieg zu überziehen hat auch gewisse Parallelen zum deutschen Überfall auf Polen, nur wird das ganze heutzutage etwas geschickter verpackt.
Solche Fälle gibt es tausende, ohne gleich Hitler heranzuziehen - der eben dann mit noch so viel mehr aufgeladen ist, was den Vergleich so erschreckend macht. Nebenbei sollte man bei aller Kritik an den fadenscheinigen Kriegsgründen nicht vergessen, daß dieser "souveräne Staat" schließlich ein systematisches Unrechtsregime eines brutalen, massenmordenden Diktators war, den man am besten schon 1991 vom Thron gestoßen hätte - und der Hitler sicher um einiges ähnlicher ist als Bush es je sein könnte.
Damals ging es um "Lebensraum im Osten", heute geht es um den Zugang zu billigem Öl um dem amerikanischen Volk seine Energieverschwenderische Lebensweise erhalten zu können. Ob die Begründung heute eine bessere ist lasse ich mal dahingestellt.
In beiden Fällen ging es um mehr, und genau da müßte ich jetzt einen riesigen Katalog aufmachen, habe aber keine drei Jahre Zeit.
Ich kann nur empfehlen, einmal einen der vielen Artikel zu den bereits seit Jahren zirkulierenden Strategiepapieren der "Falken" zu lesen, und danach Hitlers "Mein Kampf". Da wird jeder die auseinanderstrebenden Endzielvorstellungen sehen, die auf Seite der Amerikaner keineswegs etwas mit Weltherrschaft zu tun haben.
Folterungen irakischer Kriegsgefangener sollte es wenn es um die Befreiung eines Volkes geht auch nicht unbedingt geben. Als die Deutschen Russland überfallen haben hatten viele Russen übrigens erstmal auch das Gefühl befreit zu werden.
Auch hier gilt: Keine Beine.
Im Irak handelte es sich um erschreckende, aber quantativ geringe Vorfälle. Die US-Führung hat ohne Zweifel gravierende Fehler gemacht - nicht zuletzt durch die Aussendung von dümmlichen Signalen, daß sie Folter womöglich billigen werde. (Ähnlich bescheuertes wurde hier ja auch bereits von einigen unverantwortlichen Gesellen dikutiert!) Aber trotzdem handelt es sich um isolierte Vorfälle, nicht um ein systematischens, akzeptiertes, ja sogar gewolltes Mittel der Kriegsführung wie während des Russland-Feldzugs.
Hitler hatte den Drang andere Völker mit seiner Vision eines großdeutschen Reiches zu "beglücken", die Amerikaner wollen allen Völkern die Segnungen der Demokratie bringen. Ich will damit nicht sagen daß Demokratie etwas schlechtes ist, wir sind in einer aufgewachsen und finden es damit natürlich auch gut, aber die Deutschen dachten teilweise vielleicht auch daß die Menschheit in einer unter deutscher Fahne vereinten Welt am glücklichsten sein müßte.
Und auch hier muß man ja wohl wieder darauf hinweisen, daß gerade die Tatsache, daß Bush Demokratie verbreiten will, einen riesigen, sogar prinzipiellen Unterschied bedingt. Es ist schließlich etwas anderes, wenn ich es mir in den Kopf setzte, jedem etwas möglichst gutes zu tun, als einen riesigen Haufen Menschen zu vernichten oder versklaven, um Platz für mein eigenes Volk zu schaffen...
Eines was definitiv damals wie heute sehr ähnlich ist und wahrscheinlich heutzutage noch weitaus besser funktioniert ist die Manipulation durch die Medien. Das wurde im Dritten Reich zum ersten Mal richtig eingesetzt.
Ja, genau. Die Kontrolle ist so toll, daß ein Michael Moore frei herumlaufen und seine Filme und Bücher fabrizieren darf. Die ist so toll, daß mit ABC einer der größten US-Sender zur Hauptsendezeit vor einen Millionenpublikum Bilder vom o.g. Folterskandal zeigen darf. Die ist so toll, daß Conan O'Brien jeden Abend pünktlich Bush als debilen Volltrottel verhöhnen darf. Die ist so toll... you get the picture, wie der Amerikaner sagen würde.
Wenn ich in den vergangenen vier Jahren etwas festgestellt habe, dann daß trotz allen berechtigten Mißtrauens der Mediendiskurs in den USA erheblich vielschichtiger war, als der in Deutschland. Daß dabei genug pro-Bush-Stimmen verbleiben, ist nun einmal Teil der Meinungsfreiheit, ob's uns nun paßt oder nicht.
Die NSDAP hat seinerzeit schwächen im demokratischen System Deutschlands ausgenutzt um an die Macht zu kommen. Wie ist Bush vor 4 Jahren an die Macht gekommen?
Durch Gores Feigheit.
Scherz beiseite, aber die Tatsache, daß Al Gore sich so schnell zurückgezogen hat, erfüllt mich heute noch mit Unglauben. Es braucht halt nicht nur Rechte, sondern auch Leute, die von ihnen Gebrauch machen. Das ist vor vier Jahren kaum geschehen. Somit würde ich viel weniger von einer Schwäche des Systems sprechen, als von einem gewissen Unwillen einiger in ihm lebenden, seine Mittel auch zu nutzen - ein Problem, vor dem kein Staat gefeit ist.
Bei Hitler war die Lage aber auch noch etwas komplizierter...
Einen grundlegenden Unterschied gibt es allerdings: Hitler hat seinerzeit die Wirtschaft benutzt um seine Ziele zu verwiklichen, in Amerika dürfte es eher so sein daß Bush eine Marionette der Großkonzerne ist.
Einmal mehr warne ich deutlich vor extremen Vereinfachungen von komplexen Zusammenhängen - die bereits bei den o.g. Fällen zur Konstruktion von mitunter mehr als absurden Parallelen geführt haben.
Aber konnten die Leute das vor 39´ schon wissen wie das mal enden würde?
Hätte sich jemand mal die Mühe gemacht, "Mein Kampf" zu lesen, hätte man das in der Tat wissen können, und zwar schon viel früher als 1939. Aber in der ganzen Stalin-Panik wurde Hitler zu wenig Beachtung geschenkt, ja sogar als potenzieller Verbündeter gesehen.
Man vergleiche die ausdrücklichen Zielsetzungen Hitlers einmal mehr mit den seit Jahren bekannten Strategiepapieren der Neocons, und man stellt fest, daß es praktische keine Ähnlichkeiten gibt, die der Rede wert wären. Was dort drin steht, hat man zu rund 90 Prozent schon gesehen. Daß so ein Vorgehen im Angesicht von Fällen wie dem Iran und Nordkorea auch mal gefährlich werden könnte, sei unbestritten. Deshalb hätte ich ja lieber Kerry gehabt. Na gut, nur einer von vielen Gründen, warum mir das lieber gewesen wäre.
Aber mit Hitler und seiner braunen Truppe des konzentrierten Schwachsinns haben die "Falken" trotzdem wenig gemein.
Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001