Ich wollte ja eigentlich nicht, aber irgendwie juckt es mich bei diesem Thema jedesmal doch wieder in den Fingern.
Flash hat geschrieben:- Auftrag der ÖR: Ich weiß nicht, wie das in Österreich ist, aber in Deutschland ist der Auftrag nicht nur Information, sondern Information, Unterhaltung und Kultur.
Das ist richtig, aber mit dem Zusatz, in diesen Bereichen die sog. "Grundversorgung" sicherzustellen. Hier wird es schon reichlich problemtatisch, gibt es doch keinerlei irgendwie zufriedenstellende Definition, was darunter zu verstehen ist. Und so schießen ARD und ZDF weiterhin ungehemmt solche Leckerbissen wie "Traumhotel auf Mauritzius", "Unser Charly" oder "Verbotene Liebe" ins Programm. Ich würde jetzt argumentieren, daß die privaten Eigenproduktionen die Grundversorgung mit grenzdebiler Unterhaltung mehr als ausreichend übernehmen, aber die ÖR sehen das anscheinend anders. Da folgen sie ganz der Marschrichtung, die unser aktueller ARD-Indendant vor rund einem Jahr vorgegeben hat: "Wir müssen nichts Anderes machen, als die Privaten. Wir müssen das Gleiche nur anders machen." Spitze. Damit kann man nun jede Programmentscheidung begründen...
Flash hat geschrieben:- Man muß mal sehen, was von den Gebühren alles finanziert wird. 15€ im Monat sind weniger als für eine Tageszeitung. Dafür gibt es etliche Fernsehsender (arte, 3Sat, Kika, Phönix), z.T. ganz ohne Werbung, unzählige Radiosender, und fast alle sind qualitativ deutlich hochwertiger als die Privaten. Webseiten der ÖR, wie tagesschau.de sind werbefrei. Dazu kommt, daß kulturelle Veranstaltungen finanziert werden, Rundfunkorchester bezahlt, usw. Mein Bruder z.B. spielt z.Zt. in einem Orchester des Bayrischen Rundfunks, das wohl bald geschlossen wird, wenn die nächste Gebührenerhöhung nicht genehmigt wird. Die Musiker werden dann arbeitslos. Und es ist nicht so, daß das Geld da mit vollen Händen ausgegeben wird, die Ausstattung stammt größtenteils aus den 60ern und 70ern, da die Gebührenerhöhungen meist nicht mal Inflationsausgleichend waren, während gleichzeitig das Angebot der Sender, usw immer erhöht wurde.
Bei der Breite des Angebots ist der springende Punkt nicht zuletzt, daß mich niemand jemals gefragt hat, ob ich den ganzen Kram überhaupt will. Arte ist ja noch hin und wieder mal ganz nett, aber 3Sat ist in weiten Zügen nichts weiter als die Müllhalde des ZDF. Phönix hat alle Jubeljahre mal was ganz interessantes, doch auch nur in einer Frequenz, daß man es problemlos bei ARD und ZDF unterbringen könnte, wenn man unnötigen Müll (siehe oben) auf die Kippe schmeißen würde (und diesmal meine ich nicht 3Sat
). Und den Kika als Vorwand dafür zu nehmen, das Kinderprogramm aus den Hauptsendern des ÖR zu werfen, ist auch ziemlich anrüchig. Bei einem nicht unerheblichen Teil des Senderangebots handelt es sich lediglich um billige Entschuldigungen, die die Gebührenerhöhungen rechtfertigen sollen, aber auf die Bedürfnisse der Gebührenzahler keinerlei Rücksicht nehmen.
Das Eingehen besagten Orchesters der ausbleibenden Gebührenerhöhung zuzuschreiben, ist auch recht abenteuerlich, wenn man sieht, was für einen absurden Verwaltungswasserkopf die ÖR haben. Natürlich mangelt es solchen - absolut sinnvollen - Kulturangeboten an Geld, wenn die Indendanten-Kammrilla das Geld für neue Firmenparkplätze herausballert. Wenn Du mal das gewaltige Hauptquartier des Hessischen Rundfunks, seines Zeichens kleinste deutsche Rundfunkanstalt, gesehen hast (neben dem die Firmenzentrale von NBC wie eine billige Kaschemme wirkt), weißt Du, was ich meine. Um kleine Kultur-Biotope zu retten, braucht es weniger eine Gebührenerhöhung, sondern vielmehr eine Entschlackungskur auf der Verwaltungsebene, die der dortigen Korruption und Verschwendung endlich mal den Hahn zudreht. Davon, was die Herren Gottschalk, Kerner und Beckmann verdienen, will ich jetzt gar nicht anfangen.
Flash hat geschrieben:- Werbung: Das argument, daß die ÖR Werbung zeigen, also keine Gebühren nötig sind, ist nicht sonderlich stichhaltig. ÖR dürfen pro Tag insgesamt 25 Minuten Werbung zeigen, nach 20 Uhr, sowie Sonn- und Feiertags gar keine. Private dürfen 15% ihrer täglichen Sendezeit Werbung bringen, macht 216 Minuten, da die Privaten den Sendeschluß deswegen abgeschafft haben (Wobei die ÖR hier nachgezogen haben, ohne Gebührenerhöhung, und ohne deswegen mehr Werbung zeigen zu dürfen). Die alternative lautet also entweder keine Werbung und horrende Gebühren, oder ein rein werbefinanziertes Fernsehen, und das ist wohl wirklich nicht wünschenswert, da es die Sender vollkommen in die Hände der Industrie gibt. Wer soll den Skandale in der Industrie publik machen, wenn die Sender von dieser abhängig sind? Und wer kontrolliert den Einfluß der Industrie auf die Politik? Seit in Italien auch das Staatsfernsehen gleichgeschaltet ist, ist Kritik an Berlusconi nicht mehr im Fernsehen zu sehen. Und darauf habe ich keine Lust.
Zum Thema Werbung paßt das obenstehende: Es gibt genug ungenutzte Wege, die Kosten zu reduzieren. Dabei verlange ich noch nicht einmal, daß die ÖR ihre Werbung abschaffen, sondern nur, das bisherige Maß nicht zu überschreiten. Wenn es nämlich nach dem aktuellen Führungskader ginge, wäre die 20-Uhr-Grenze (die durch zweifelhaftes Sponsoring und Schleichwerbung ohnehin schon mehr als labberig ist) längst gefallen - und die Ausdehnung der Sendezeit wird entweder mit Uralt-Wiederholungen oder der Verbannung von qualitativ hochwertigen Programmen, die in die Primetime gehören, bestritten.
Die Kontrollfunktion der ÖR ist - trotz einiger unbestrittener Schätzchen wie Frontal 21, die auch ich unbedingt erhalten sehen will - ebenfalls schon lange kompromittiert, denn wie die Führungsposten unter den Parteien ausgekungelt werden, ist schon nicht mehr feierlich. Nicht umsonst gleicht das politische Programm des BR mehr einer Hofberichterstattung vom Königshofe Stoiber, während der WDR sich den Branchen-Spitznamen "Westdeutscher Rotfunk" redlich verdient hat.
Ich bin nicht gegen ÖR-Fernsehen. Ich bin nur gegen die Art und Weise, wie es momentan praktiziert wird. Für ÖR in der Klasse der britischen BBC würde ich jeden Monat ohne zu murren meine 15 Euro abdrücken und auch einer weiteren, moderaten Gebührenerhöhung nicht im Wege stehen. Aber Fakt bleibt: Mit einem Etat, der z.B. die ARD 2002 zum drittreichsten Medienkonzern der Welt machte (!!!), schaffen die ÖR im Moment erschreckend wenig, um bösartige Phrasen wie "völlige Inkompetenz" oder "Betrug am Rundfunkstaatsvertrag" zu vermeiden.
Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001