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Di, 12. Okt 2004, 00:07

Es geht aber um jährlich 8 Milliarden, politischen Einfluß und die Trägheit des quasi-öffentlichen Dienstes. Vergiß es also - zwischen dem was ist, und dem was sein sollte, gibt es ja immer ein Delta.

Das ist übrigens so ein Punkt, wo man sich gegenüber Amis nur schlecht verteidigen kann: Was ist das für eine unabhängige Berichterstattung, wenn die Medien dem massiven Einfluß des Parteienstaates unterworfen sind? Mit welchem Recht behaupten wir, unabhängig und detailliert informiert zu sein?
Das ist ja so eine europaweite Seuche mit den (halb)staatlichen Rundfunksendern. Das Konzept, daß sich Regierungen bei denen raushalten sollten, die über sie berichten, ist ja generell auf diesem Kontinent nicht so dolle erfolgreich.
 
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Alex
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Di, 12. Okt 2004, 09:14

Ssnake hat geschrieben:
Das ist übrigens so ein Punkt, wo man sich gegenüber Amis nur schlecht verteidigen kann: Was ist das für eine unabhängige Berichterstattung, wenn die Medien dem massiven Einfluß des Parteienstaates unterworfen sind? Mit welchem Recht behaupten wir, unabhängig und detailliert informiert zu sein?
Das ist ja so eine europaweite Seuche mit den (halb)staatlichen Rundfunksendern. Das Konzept, daß sich Regierungen bei denen raushalten sollten, die über sie berichten, ist ja generell auf diesem Kontinent nicht so dolle erfolgreich.


Es wäre auf jeden Fall gefährlich zu glauben, dass US-amerikanische Sender unparteiisch wären, nur weil sie unabhängig sind. Ich hab zwar leider noch nicht den Film "Outfoxed" gesehen, aber ein Spiegel-Artikel hat mich vor einer Weile darauf aufmerksam gemacht. Fox-Chef Rupert Murdoch ist wohl glühender Anhänger von Ronald Reagan (gewesen) und lässt wohl über seinen (äußerst populären) Newssender "Fox News" unverhohlen Werbung für George W. Bush betreiben. Dagegen sind unsere ÖR brav. Nur in Italien, wo Politik und Medien in einen Hand sitzen, sehe ich wirklich Probleme in Europa.
 
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Di, 12. Okt 2004, 11:16

Alex hat geschrieben:
Es wäre auf jeden Fall gefährlich zu glauben, dass US-amerikanische Sender unparteiisch wären, nur weil sie unabhängig sind. Ich hab zwar leider noch nicht den Film "Outfoxed" gesehen, aber ein Spiegel-Artikel hat mich vor einer Weile darauf aufmerksam gemacht.


Sehe ich auch so. Die gesamte Newscorp-Gruppe ist seit ihrer Konzipierung ein Sprachrohr der Neocons, während NBC unter der derzeitigen Senderführung sehr liberal geworden und damit ein klarer Demokraten-Sender geworden ist, auf dem Serien wie "West Wing" die Bush-Agenda anprangern und Conan O'Brien einen fiesen Bush-Witz nach dem anderen reißt.
Darüber hinaus stehen ja auch die Networks über den Umweg der FCC ja ohnehin auch ein wenig unter der Staatsfuchtel - schließlich hat der Präsident direkten Einfluß auf die Zusammensetzung dieser Behörde. Grundsätzlich sehe ich in Punkto Unabhängigkeit keinen entscheidenden Vor- oder Nachteil bei einem der beiden Systeme.

Den Film "Outfoxed" würde ich allerdings mit Vorsicht genießen. Wenn es auch überfällig sein mag, daß Fox News endlich mal einen über die Rübe gezogen bekommt, tut sich Regisseur Robert Greenwald keinen Gefallen mit seinem sehr freien Umgang mit Fakten - das schadet hier nämlich leider der Validität seiner eigenen (eigentlich wichtigen) Aussage. Aber das kennt man ja leider auch schon von Michael Moore...

Grüße von
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Di, 12. Okt 2004, 11:37

Das Fox nicht gerade "fair and unbalanced" ist, kann man ja schon den Simpsons entnehmen: "Hier ist Fox. Die Stimme des Bösen!" ;)

Aber ich glaube doch, daß amerikanische Sender und Zeitungen im Grundsatz weitaus weniger der Gefahr unterliegen, einen vermeintlichen gesellschaftlichen Konsens mit ihrer Berichterstattung zu zementieren.
Beispielsweise fand ich vor eineinhalb Jahren die Berichterstattung im deutschen Fernsehen zum Irak-Krieg vollkommen unerträglich, und habe mich stattdessen an die BBC World News gehalten. Egal ob es sich um den angeblichen Schwarzfunk aus Mainz gehandelt hat oder WDR-Beiträge, unisono wurden Fakten über den Kriegsverlauf durch Spekulation und Hörensagen ersetzt, dafür aber die Banalität, das Krieg für die Bevölkerung schrecklich ist, um so stärker ausgewalzt. Im Gegensatz dazu hat die BBC durchaus kein einseitiges Hurrageschrei angestimmt, aber doch durchaus zutreffend berichtet, daß die Koalitionstruppen keineswegs kurz vor der Niederlage stünden oder im Sandsturm versänken, wie das ja schon beinahe hoffnungsvoll von einigen Medien hierzulande kolportiert wurde.

Die Tatsache, daß auch die Berichterstattung von BBC und CNN von vielen Amerikanern als ziemlich linkslastig und einseitig empfunden wird, sollte uns doch gelegentlich mal nachdenklich machen, ob man sich nicht schon so sehr an die hiesige Berichterstattung gewöhnt hat, daß man fundamental andere Sichtweisen und Deutungen der Ereignisse gar nicht mehr wahrnimmt, sie quasi in einem spezifisch deutschen/europäischen Tunnelblick ausgeblendet werden.

Ich finde das in vielen typischen Aufregerthemen, sei es nun "Israel", "Irak", "Tschetschenien", "Atomkraft", "Windenergie" usw.
Es gibt Ansichten, die werden in Deutschland praktisch gar nicht mehr vertreten/publiziert, weil sie mit unausgesprochenen Denkverboten belegt sind, und jedes Auftreten eines Dissidenten unweigerlich skandalisiert wird. Das erleichtert übrigens auch den Nazi-Spackos der "nationalen Kameradschaften", sich als Opfer von Denkverboten in der Republik zu gerieren. Das ist für mich eine Verarmung der Debatten- und Denkkultur, und unsere öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten arbeiten fleißig daran mit. :motz:
 
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Di, 12. Okt 2004, 11:54

Ssnake hat geschrieben:
Es gibt Ansichten, die werden in Deutschland praktisch gar nicht mehr vertreten/publiziert, weil sie mit unausgesprochenen Denkverboten belegt sind, und jedes Auftreten eines Dissidenten unweigerlich skandalisiert wird. Das erleichtert übrigens auch den Nazi-Spackos der "nationalen Kameradschaften", sich als Opfer von Denkverboten in der Republik zu gerieren. Das ist für mich eine Verarmung der Debatten- und Denkkultur, und unsere öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten arbeiten fleißig daran mit. :motz:


Das sei unbestritten, doch leider ist es in den USA im Moment nicht viel anders - jedenfalls auf den großen Networks, wo auch hauptsächlich "Konsens" verkauft wird. CNN sehe ich ebenfalls als wesentlich besser an, und bin - gemeinsam mit BBC World - mit der Irakkriegs-Berichterstattung dieses Senders erheblich zufriedener gewesen als mit dem Betroffenheits-Müll, der hierzulande häufig verkauft wurde.
Das Problem ist aber da leider eben, daß CNN de facto immer noch Sparten-TV ist. Fox News wird erheblich mehr gesehen, und mit den Networks sind die Ratings sämtlicher Nachrichtsender schon einmal gar nicht zu vergleichen.
Daß Ö-R inhaltlich auch besser geht, zeigen die USA mit PBS (wie die Briten mit der BBC) sicherlich - aber qualitativ gutes Ö-R, das seinen Auftrag ernst nimmt, ist häufig gleichzeitig zu einem Randdasein in der Medienlandschaft verdammt. Ein 1.0-Rating ist für PBS leider schon ein gewaltiger Erfolg. Schade: Wenn ich da an die Vietnamkriegs- oder Civil-War-Dokus des Senders denke... da kann sich ein Guido Knopp mit seinem Hitler-Fixierungssyndrom nur noch schamvoll ins nächste Mauseloch verkriechen. ;)

Grüße von
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Di, 12. Okt 2004, 20:43

Das erleichtert übrigens auch den Nazi-Spackos der "nationalen Kameradschaften", sich als Opfer von Denkverboten in der Republik zu gerieren. Das ist für mich eine Verarmung der Debatten- und Denkkultur, und unsere öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten arbeiten fleißig daran mit.

Völlig richtig. Ganz deutlich war das für mich am Wahlabend der Landtagswahl hier in Sachsen. Im Interview nach der Wahl sollte der NPD-Vertreter (NPD - 9,2%) scheinbar vorgeführt werden, jedenfalls fiel der Reporter ihm dauernd ins Wort und schrie ihn am Ende regelrecht an, er solle endlich konkret auf seine Fragen antworten - das alles wohlgemerkt nachdem die Vertreter der großen Parteien ihr allgemeines Nach-Wahl-Gebabbel von sich geben durften. Mag man zur NPD stehen wie man will, das war peinliches Schmierentheater und einem ÖR unwürdig. So leistet man den Rechten eher noch Vorschub, als dass man sie wieder los wird.

Ciao,

Doc SoLo
 
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Mi, 13. Okt 2004, 09:28

Das Problem ist aber da leider eben, daß CNN de facto immer noch Sparten-TV ist. Fox News wird erheblich mehr gesehen, und mit den Networks sind die Ratings sämtlicher Nachrichtsender schon einmal gar nicht zu vergleichen.


Ja, das zeigte auch dieser Spiegelbericht. Fox News ist wie die Nachrichtenshows der privaten Sender hierzulande (ich will nicht sagen wie die "RTL II News"), hat ein Zehntel des Budgets und Mitarbeiter von CNN, hat aber trotzdem so was wie die fünffache Einschaltquote.

Das erleichtert übrigens auch den Nazi-Spackos der "nationalen Kameradschaften", sich als Opfer von Denkverboten in der Republik zu gerieren.


Auch hierzu hab ich mal vor einem Jahr oder so einen interessanten Bericht gelesen - die Medien haben eine schwere Entscheidung zu treffen, gerade vor Wahlen: Parteien wie die NPD entweder totschweigen oder defamieren. Man entscheidet sich gern für ersteres, überhaupt keine Berichterstattung um gar nicht potentielle Wähler für diese "alternative Partei" aufzuwecken. Letztere Option hat halt ihre tausend Tücken und ekelt nur diejenigen an, die sowieso nie im Traum eine solche "Partei" wählen würden.
 
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Nackter Onkel
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Mi, 13. Okt 2004, 17:55

@ssnake:
Was deine Kritik an der Objektivität der deutschen Medien angeht, sehe ich das recht ähnlich.
Aber bei der Aussage
Aber ich glaube doch, daß amerikanische Sender und Zeitungen im Grundsatz weitaus weniger der Gefahr unterliegen, einen vermeintlichen gesellschaftlichen Konsens mit ihrer Berichterstattung zu zementieren.

musste ich schon grinsen. Habe nämlich gerade in einem Spiegel-Interview mit Mark Hertsgaard Folgendes gelesen:
"Und kein einziger Sender hat sich dafür entschuldigt, vor und während des Irakkrieges die Bevölkerung irregeführt zu haben. Der konservative Sender Fox News verbreitet bis heute die Lüge, dass Saddam Hussein etwas mit den Terroranschlägen vom 11. September zu tun hatte."
http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 48,00.html
(wobei es mit hier weniger um Fox ging ... das war ja schon oben angesprochen)

"Private Sender" und Objektivität haben miteinander in etwa soviel zu tun wie "katholische Priester" mit Heterosexualität ... Bild

Und gerade die BBC World News als Beispiel für amerikanische Neutralität anzuführen ... nuja ... Murdoch ist höchstens im Herzen Ami. Bild
Cheers,
Nackter Onkel

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"Erst wenn die letzte Ölplattform versenkt, die letzte Tankstelle geschlossen ist, werdet Ihr merken, daß man bei Greenpeace nachts kein Bier kaufen kann"
 
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Mi, 13. Okt 2004, 22:55

Nee, auf die BBC bezog ich mich, weil die bei mir im Kabelnetz zu empfangen ist und die meisten US-Sender eben nicht - mit Ausnahme von CNN, das ich aber bestenfalls für 45 Minuten am Stück ertragen kann. Der Rest is eh' alles Wiederholung, und der Werbeanteil ist ja wirklich grausam.


Volle Zustimmung übrigens bei der NPD-Geschichte. Ich hab das erbärmliche Trauerspiel im ZDF-Wahlstudio mitverfolgt:
Bei uns Im Studio jetzt Herr Apfel von der NPD.
Herr Apfel, wann sagen Sie eigentlich ihren Wählern, daß sie Neonazis sind?

(Hui... das ist aber geschickt-investigativ...)

Zunächst einmal ist das ein stolzer Tag für alle Doitschen, die noch doitsch wählen...
(Protestgemurmel der anderen Parteienvertreter, sie ziehen ab. Umschalten auf andere Kamera, anderen Sprecher, im Hintergrund hört man Apfel krakeelen.


Tja. Wenn man denen keine Bühne bereiten will, dann soll man sie halt gar nicht erst einladen ins Studio. Totschweigen hat jahrelang geholfen, nun aber nicht mehr. Da zeigt sich mal, wie hilflos sowohl die Politikerhanseln wie auch die Journalisten sind. Statt den Kulturkampf aufzunehmen, wird der Ton abgedreht. Wäre ich jemand, der der NPD auf den Leim ginge, würde ich jetzt vermuten, daß die ja unheimlich Recht haben müssen, wenn sie so massiv unterdrückt werden - offenkundig Dissidenten, vielleicht im Besitz einer geheimen Wahrheit.
Mit so einer verfehlten Taktik kann man nur fortgesetzt gegen die Bräunlinge verlieren. :arg:

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