wulfman hat geschrieben:das bezweifle ich. ein römer hätte genausowenig aufs land ziehen können und wieder friedlich seinen bauernhof bewirtschaften wie du heute. er hätte seine sklaven mitgenommen, sein geld, seine ideen und seine wertvorstellungen - all das, was die römische kultur geprägt hat.
So hatte ich das nicht gemeint, nicht auf einen Einzelnen bezogen. Als es mit der römischen Kultur zu Ende ging, blieben halt so manche Ruinen stehen, die überwuchert wurden. Wenn es mit unserer Kultur zu Ende gehen sollte, fliegen allenthalben die Kernkraftwerke in die Luft, usw.
ButtSeriously hat geschrieben:Natürlich ist das auch eine Entscheidung, aber halte eine, dich nicht selten von der Mehrheit so angenommen wird. Mir ist davon auch nicht immer alles geheuer, aber dennoch akzeptiere ich es, wenn die anderen die Veränderung wollen.
Siehst Du, aber zu Anfang ging es um eine Gruppe von Leuten die mehrheitlich die Veränderung nicht wollten. Und diese wurden deshalb als "Fortschrittsverweigerer" abgestempelt. Ich frage weiterhin, was daran schlimm sein soll, Fortschritt zu verweigern.
Und trotz allen Pessimismus von Deiner Seite kann ich mir nicht helfen: Das meiste, was sich verändert hat, hat sich für meine Begriffe eher zum Besseren denn zum schlechteren verändert. Ich mag mein warmes Wohnzimmer jedenfalls mehr, als eine zugige Höhle. Wenn jemand das anders sieht, bitte. Vermutlich wird er es in einer Gesellschaft, die warme Wohnzimmer bevorzugt, schwer haben, nach seinen Vorstellungen zu leben, aber das ist immer so. Eine gewisse Anpassungfähigkeit an die Umstände ist halt immer gefragt.
Wärst Du auch bereit, dich anzupassen, wenn die Gesellschaft von dir verlangen würde, in einer "zugigen Höhle" zu leben? Es ist immer leicht, von anderen die Anpassung an Umstände zu verlangen, die einem selbst genehm sind.
ButtSeriously hat geschrieben:Nein, das gebe ich damit ganz und gar nicht zu - das wäre nämlich auch Unsinn. Ich wollte lediglich den normativen Ballast über Bord werfen.
Moment, wenn Du das "normativ" schon so wiederholst, mußt du mir erklären was du mit normativem Ballast meinst. Ich dachte ich hätte klargemacht, daß ich das Wort Fortschritt erst mal von positiven wie negativen Konnotationen befreien will. (Vielleicht verstehe ich auch nur normativ nicht.)
ButtSeriously hat geschrieben:Veränderung ist ein Teil der Natur, und zwar für jede Lebensform. Die Umwelt verändert sich auch ohne menschliches Zutun ständig, und ebenso ständig sind sämtliche Lebensformen in ihr damit beschäftigt, dennoch ihren Weg zu finden. Das bedingt ständige Veränderung auf ihrer Seite. Veränderung, die ihrerseits wieder die Natur verändert. Der Mensch macht das stärker, als andere Tiere, aber er ist beibleibe kein Einzelfall.
Ich habe nie bestritten, daß Veränderung ein Teil der Natur ist. Aber was hat das bitte mit Fortschritt zu tun? Veränderung ist *nicht* gleich Fortschritt, da kannst du mir noch so oft mit normativ kommen.
ButtSeriously hat geschrieben:"Rückschritt" lehne ich als Begriff der Beobachtung genauso ab, wie "Fortschritt", denn er ist genauso normativ aufgeladen.
Wenn Dir manche Begriffe zur Beobachtung nicht recht sind, ist es trotzdem nicht korrekt, sie durch einen anderen Begriff mit anderer Bedeutung zu ersetzen. Das ist nichts weiter als ein argumentatorischer Trick.
ButtSeriously hat geschrieben:Veränderung ist immermöglich, fordert aber natürlich den Willen dazu, und wie wulfman so treffend bemerkte: Es muß oft Fünf for Zwölf sein, damit etwas geschieht. Aber das ist schon seit Jahrtausenden so und betraf den Menschen in jeder seiner Entwicklungsphasen - ebenso wie viele andere Arten. Daher sehe ich nicht die gewaltige Dramatik und bestimmt nicht den Weltuntergang.
Moment, gerade hast Du noch gemeint, daß Veränderung zur Natur gehört, jetzt auf einmal setzt sie einen Willen voraus. Gerade noch verwendest Du das Wort zur Beschreibung des Fortschritts vergangener Jahrhunderte, bei dem es nicht gerade fünf vor zwölf war, jetzt verwendest du ihn für die von mir beschriebene potentielle Entwicklung, die die Fehlentwicklung korrigieren soll. Seltsam, daß die negativen Entwicklungen ohne Druck stattfanden, die positiven aber erst kommen sollen, wenn es fünf vor zwölf ist.
ButtSeriously hat geschrieben:Und natürlich gehört Technik zur Natur. Die blödsinnige Trennung zwischen Natur und Nicht-Natur ist doch nichts weiter als ein (ebenfalls normatives) Gedankenspiel, das halt irgendjemand mal eingeführt hat (wie so viele Dinge - man bedenke nur, wie selbstverständlich wegen ein paar Sätzen, die ein Herr Descartes im 17. Jh. losgelassen hat, heute bar jeder rationalen Begründung Körper und Geist getrennt werden).
Es tut mir Leid, das ist wohl eine Stelle an der wir einfach grundverschiedene Ansichten haben. Das was Du treibst kann ich genauso: Natur und Technik sind zwei verschiedene Dinge, die irgendjemand (ich weiß sogar wer) blödsinnigerweise in einen Topf wirft, was ein rein normatives Gedankenspiel ist.
So kommt man doch nicht weiter.
ButtSeriously hat geschrieben:Flash hat geschrieben:Das, was Du über Regisseure schreibst, trifft auf Softwaretechniker ebenso zu. (Ich halte mich aber durchaus für verzichtbar.)
Siehst Du, das ist mein Problem. Ich habe nämlich in diesem Zusammenhang das natürlichste aller Bestreben: Selbsterhaltung. Egoistisch, aber unverzichtbar, denn ohne die gäbe es wohl kein tierisches Leben. Und daher werde ich den Teufel tun, mich für verzichtbar zu erklären oder eine Ordnung anzustreben, in der ich verzichtbar werde.
Und daß Du nicht an Fortschritt glaubst - fein. Ich tue es grundsätzlich schon (in dem Sinne, das für mich persönlich Veränderung positive Auswirkungen haben kann), wenngleich das nicht bedeutet, daß ich alles blind assimiliere. Aber wenn es nur um diesen Gegensatz geht, dann ist da einfach nicht viel, worüber man diskutieren könnte, wie das schöne Wörtchen "glauben" signifiziert.
OK, Rückschwung zu den Samurai. Selbsterhaltung. Sie wollten keine Ordnung in der sie verzichtbar werden. "Fortschrittsverweigerer". Wo ist der Unterschied?
Nehmen wir an, ich proklamiere es zum Fortschritt, alle modernen Errungenschaften niederzureißen und in Höhlen zu leben, was nach Deiner Semantik ja kein Problem ist, da Veränderung und Fortschritt gleichzusetzen sind. Du würdest dich dagegen stellen, weil Du verzichtbar wirst, also bist du ein Fortschrittsverweigerer. Du glaubst nicht an meine Art von Fortschritt.
Ich erkläre mich deswegen für verzichtbar, weil erst das es mir erlaubt, eine neutrale Sicht auf die Dinge einzunehmen. Erst wenn man zwei Schritte zurück geht, kann man die Dinge überblicken.