Der Sträääß! Der Sträääß!
Ich würde gern auf einen Punkt zurückkommen, der bislang wenig Beachtung gefunden zu haben scheint - die Frage des rechten Zeitpunkts für einen Wechsel von Technologien.
Skrihnschott hat geschrieben:Solange aber international keiner mitzieht, hat unser Engagement nicht einmal tatsächliche Auswirkungen auf das Weltklima. Es komme mir jetzt keiner damit, wir müssten mit gutem Beispiel vorangehen.
Müssen wir insofern, als dass in absehbarer Zukunft die Energieressourcen erschöpft sein werden. Ob das einen Tag früher oder später passiert, spielt keine Rolle, es wird so sein.
Wenn der Unterschied tatsächlich in Tagen sinnvoll zu bemessen wäre, hättest Du recht. Wenn aber ungewiß ist, ob ein Energieträger noch 40 oder 200 Jahre reicht, ist das sehr wohl ein so bedeutender Unterschied, daß er Investitionen in eine alternative Technologie unrentabel macht.
Der Witz ist ja, daß schon vor 80 Jahren das Öl "nur noch für 20 Jahre" vorrätig war. Es ist immer nur für 40 Jahre vorrätig, weil die Suche nach Ölvorkommen außerordentlich kostspielig ist. Ein Unternehmen wird also nur dann nach neuen Ölquellen suchen, wenn absehbar ist, daß für diese neuen Quellen ein bedarf besteht, der aus den bestehenden nicht gedeckt werden kann. Es ergibt ja gar keinen Sinn, über dieses Maß hinaus Vorräte nachzuweisen.
Seit der Club of Rome Anfang der 70er "Die Grenzen des Wachstums" beschworen hat, sind die Preise für alle "endlichen" Rohstoffe bis auf fünf gesunken, trotz eines steigenden Weltverbrauchs. (Die fünf Ausnahmen sind gewisse seltene Erden, die nur schwer zu substituieren sind).
Die Wahrheit ist doch, daß der technische Fortschritt die Rohstofförderung günstiger macht, daß durch technischen Fortschritt die Güterproduktion immer weniger Rohstoffe verbraucht, und daß es sehr viel weitergehende Wiederverwertungskreisläufe gibt, als gemeinhin angenommen wird. Kaum eine Schrotthalde ist Endlager, sondern ergiebige Rohstoffquelle. Damit nimmt der Gesamtvorrat an geförderten Rohstoffen insgesamt zu. Wir müssen nicht jedes Gramm Stahl für ein neues Auto aus dem Erz pulen, sondern schmelzen alte Bleche wieder ein, weil das billiger ist als vollständige Neuförderung bei gleichzeitiger Versenkung allen "Mülls" in einer kontinentalen Subduktionszone.
Auch der eigentlich so einleuchtende Herr Malthus liegt falsch, ganz einfach weil er den technischen Fortschritt außer acht gelassen hat. Die Intensivierung der Landwirtschaft hat seit 1870 die Erträge weit stärker anwachsen lassen als die Weltbevölkerung. Im Ergebnis geht der Anteil der Menschen, die Hunger leiden, zurück, während zugleich erkennbar ist, daß die Wachstumsgeschwindigkeit der Erdbevölkerung abnimmt. Die Erde ist nicht "übervölkert" - Europa beispielsweise könnte sich als Kontinent mit der weltweit höchsten Bevölkerungsdichte ohne weiteres selbst mit Nahrungsmitteln versorgen. Länder mit weniger günstigen Klimaverhältnissen können in Summe vielleicht nicht dieselben Bevölkerungsdichten erreichen, haben aber typischerweise noch nicht mal annähernd hiesige Werte erreicht.
Vielleicht wäre es sinnvoll, Alternativen für die Bewahrung unseres Lebensstandards zu einem Zeitpunkt zu erforschen, an dem wir es uns noch erlauben können.
Um den Bogen zurück zum Öl zu schlagen: In meinen Augen hat sich das Weltuntergangsgeschwafel von Ökoaktivisten in den letzten vierzig Jahren als unhaltbar erwiesen. Warum sollte ich jetzt ihrer Versicherung, daß das Öl nun aber ganz gewiß demnächst zu Neige gehen werde, Glauben schenken?
Hätte man 1970, "zu einem Zeitpunkt, als wir es uns noch erlauben konnten", auf die Ölapokalyptiker gehört, hätte man konsequent vom Öl wegsteuern müssen und die deutsche Volkswirtschaft "ölfrei" machen müssen. Und tatsächlich, der Versuch wurde unternommen: Atomstrom. Wollten die Berufsnörgler aber auch nicht - lieber Atomstrom aus Frankreich und Polen importieren und keine Fragen stellen.
Ich bin sicher, mit einer rein auf Biomasse, Windrädchen und Solarzellen basierenden Energiewirtschaft wären wir heute ein wohlhabendes Industrieland. Und wenn wir nur ein paar Milliarden mehr in die Kernfusionsforschung gesteckt hätten, könnten wir heute vielleicht auch dem staunenden Ausland auch funktionstüchtige Fusionsreaktoren vorweisen, die nur viermal so teuren Strom produzieren als auf dem Weltmarkt üblich.
Vorzeitige Investition in Alternativtechnologien ist wohlstandsvernichtend, weil Subventionen höhere Steuern mit sich bringen, sogenannte "steuerliche Anreize" Investitionsgeldströme in unwirtschaftliche Kanäle lenkt, und am Ende Produkte ohne Marktchance liefert. Es kommt nicht nur darauf an, das richtige zu tun, sondern dies auch zum richtigen Zeitpunkt. Die Grünen behaupten, der richtige Zeitpunkt wäre heute, weil uns das Öl morgen ausgeht. Ich glaube hingegen, daß das Öl noch sehr viel länger reichen wird (z.B. Ölschiefer- und Ölsandvorkommen), daß der Förderpreis jedoch immer weiter ansteigen wird. Zu irgendeinem Zeitpunkt in der (ferneren) Zukunft - vielleicht, wenn unsere Kinder in Rente gehen - wird die Ölförderung so teuer, daß alternative Energieerzeugungsverfahren konkurrenzfähig werden. Zu diesem Zeitpunkt wird sich die Welt von selbst vom Öl verabschieden, und auch das nur allmählich (der steigende Anteil von alternativen Energiequellen wird die Nachfrage reduzieren, und daher die dann bekannten Ölvorräte länger ergiebig sein lassen).
Der Umstieg auf Alternativen wird sich von ganz allein ergeben, der muß gar nicht durch kostenträchtige Subventionen künstlich angeschoben werden. Guter Wille und entschiedenes Bemühen sind nur notwendige, aber nicht hinreichende Kriterien für zukunftsweisende Politik. Ideologie ist kein Ersatz fürs Nachdenken.