Hardbern hat geschrieben:Es sind mit Sicherheit von der damaligen Naziregierung Leute ohne fairen Prozess hingerichtet worden.
...
Ich habe den Israelis jedenfalls nicht verallgemeinernd Massenmord unterstellt. Ich habe nur gesagt, dass die israelische Regierung genau das gleiche macht, was auch damals die deutsche Regierung (auch Hitler und andere Diktatoren) getan hat.
Genau das ist ja der Punkt - auch andere Diktatoren machen sowas. Es ist also eine Sache, so etwas als "eines demokratischen Staates unangemessen" zu bezeichnen, oder es zu kritisieren als "nicht rechtsstaatliches Vorgehen" (gerne auch in schärferer Wortwahl). Einverstanden. Wer aber den Nazi-Prügel herausholt, beschwört ganz bewußt Assoziationen von Genozid unf Holocaust hervor, denn das ist es, was nun speziell die Nazis von anderen schlimmen Diktaturen unterscheidet.
Und dann bricht man das Völkerrecht und führt einen feigen Schlag mit einer überlegenen Luftwaffe?
Das Konzept von "feige/nicht feige" in bewaffneten konflikten ist mir unverständlich. Selbstverständlich wird man, wenn man sich zu einem bewaffneten Schlag entscheidet, auch dafür sorgen wollen, daß er gelingt. Das hat doch nichts mit Feigheit zu tun, sondern mit planerischer Vernunft aus dem Wunsch heraus, sowohl die eigenen Verluste klein zu halten (alles andere wäre ja auch unverantwortlich den eigenen Soldaten gegenüber), aber auch durch einen schnellen und präzisen Schlag den Schaden beim Feind auf das zu beschränken, was Einsatzziel ist. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel wie der politischen Vernunft, durch Vermeidung unnötiger Zerstörung die Eskalation des Konflikts nach Möglichkeit zu begrenzen.
Da ist es dann, wie wenn man bei einer Millioneninvestition an zwo fuffzig für das Einschreiben spart und hinterher eine Totalabschreibung vornehmen muß, weil der Brief verloren gegangen ist. Besser man legt noch einen Brikett nach und geht sicher, daß das Vorhaben gelingt, als daß es scheitert. Man denke an die versuchte Geiselbefreiung der USA im Iran anno 1978 - da ist zuwenig gewagt worden, und am Ende wurde außer Kosten von Menschenleben und politischem Schaden gar nichts erreicht.
Kampf und Krieg sind kein Sport, sondern eine Sache von Leben und Tod. Fairness ist da ein verfehltes Konzept. Man greift an, wenn man den Feind überrascht und idealerweise so überlegen ist, daß es nicht zu einer wirksamen Gegenwehr kommt, sonst läßt man es besser bleiben.
Das Völkerrecht kann imho nicht einfach so ausgelegt und gebrochen werden wie es einem gerade passt.
Einverstanden. Völkerrecht ist aber auch kein fixierter Kodex, sondern Veränderungen unterworfen, die sich nicht nur durch Vertragsschlüsse, sondern eben auch durch die gelebte Praxis ergeben. Hat Israels Besitz von Nuklearwaffen den Nahen Osten nun unsicherer gemacht? Jedenfalls hat es die Serie von Kriegen, die die arabischen Nachbarn Israel 1949, '56, '67 und '73 aufzwangen, unterbrochen. Israels Einmarsch im Libanon war gewiß ein Fehler und Unrecht - und ist mittlerweile korrigiert worden.
Nukleare Gleichgewichte sind nur dann wünschenswert, wenn die sich gegenüberstehenden Parteien rational und berechenbar handeln. Das läßt sich außer von Israel gerade noch von Ägypten und Jordanien behaupten, soweit man die unmittelbare Nachbarschaft betrachtet (und soweit es Ägypten betrifft, auch erst, seit es Herrn Nasser los ist).
Sind Präventivschläge eine gute Idee?
Zweifellos ein sehr scharfes und zweischneidiges Schwert. Im Fall von Massenvernichtungswaffen muß man sich allerdings fragen, ob man wirklich darauf warten muß, bis sich der Pilz über, sagen wir mal Hamburg, erhebt. Im Falle einer gegenwärtigen und existenzbedrohenden Gefahr - wie dem ägyptischen Truppenaufmarsch 1967 - erübrigt sich die Frage sowieso, weil keine Staatsführung der Welt in so einer Situation tatenlos zusehen kann; glücklicherweise sind die meisten Staaten so groß, daß ein Truppenaufmarsch an der Grenze diese unmittelbare Existenzgefährdung nicht mit sich bringt. Ich möchte aber daran erinnern, daß wir in dieser Hinsicht auf einer Insel der Seligen leben - von befreundeten Staaten umzingelt. Von Gil'adi nach Elat sind es ja gerade mal 400 Kilometer, und das ist die längste Ausdehnung, die sich in Israel überhaupt finden läßt. Israel kann sich keinerlei militärische Niederlage leisten - sie wäre unweigerlich mit der Vernichtung des Staates als solchem, und höchstwahrscheinlich mit einem zweiten Genozid verbunden.
Wer fünfzig Jahre lang mit dem Rücken zum Meer steht, wird wohl zwangsläufig etwas hemdsärmeligere Auffassungen vom Nutzen des Völkerrechts bekommen. Vor allem aus diesem Grund maße ich mir nicht an, über Israel zu Gericht zu sitzen.
Und es ist noch nicht gesagt, dass Saddam wenn er die A-Waffe gehabt hätte, sie auch eingesetzt hätte.
Also bitte... als Gesprächsthema im obersten Zimmer des Elfenbeinturms ist das vielleicht geeignet, ansonsten verbietet sich jeder verantworlich handelnden Regierung in derselben Situation wie Israel, hier nach dem Prinzip Hoffnung zu verfahren. Israel agiert für die umliegenden Staaten zwar nicht freundlich, aber doch in weiten Bereichen vorhersehbar. Es steht für keinen arabischen Nachbarn zu befürchten, daß Israel außer im Falle einer existenzbedrohenden Lage seine Nuklearwaffen zum Einsatz brächte. Gleichermaßen ist offenkundig, daß Israel Nuklearwaffen in den Händen seiner Nachbarn nicht dulden kann - denn während Israel keinem Staat der Welt prinzipiell das Existenzrecht abspricht, tun das nahezu alle arabischen Staaten gegenüber Israel. Kurioserweise wird das Völkerrecht immer gegen Israel in Stellung gebracht, obwohl die Verweigerung der Anerkennung eines Existenzrechts dem Prinzip des Gewaltverzichts im Völkerrecht mindestens ebenso kraß zuwiderläuft.
Die Beschaffung von Nuklearwaffen hat Israel zumindest den Vorteil gebracht, daß konventionelle Kriege von seinen Nachbarn nicht mehr vom Zaun gebrochen wurden. Durch das ungeschickte Handeln Israels in den 80er Jahren hat man aber die erste Chance verspielt, mit den Plästinensern zu einer Lösung zu kommen. Die zweite Chance verspielten die Palästinenser, als sie die Wahl zwischen Netanjahu und Peres Anfang der 90er boykottierten, obwohl ihre Stimmen leicht den Ausschlag zugunsten von Peres hätten bringen können. Die dritte Chance wurde von einem israelischen Fanatiker vertan, als er Premier Rabin ermordete. Die vierte Chance vertat Arafat mit seiner ewigen Taktiererei gegenüber Ehud Barak.
Seitdem steht Israel in einem asymmetrischen Konflikt - des Kampfes einer organisierten Staatsmacht gegen dezentrale Terrorgruppen. Während die Terrorgruppen unterschiedslos gegen alle Israelis Bomben legen, beschränkt sich die israelische Führung erkennbar darauf, die Anführer der Terroristen zu töten. Das zwar ohne rechtsstaatlichen Prozeß (aber vergessen wir nicht, daß Israel eben
nicht "keine Gefangenen" macht, sondern durchaus reichlich Palästinenser inhaftiert, wenn es denn möglich ist.
Ich sehe nicht, daß Israels Verhalten dem Ziel eines Friedens dienlich ist, ja. Aber ich sehe auch nicht, wie Israel anders handeln könnte unter Beibehaltung eines Schutzanspruchs für die eigene Bevölkerung. Wir alle sehen nur, was uns das Fernsehen zeigt, und naturgemäß sind die offenen Aktionen einer Armee leichter zu beobachten als die im Verborgenen agierenden Terroristen. Allein schon deswegen muß die Berichterstattung einseitig israelische Soldaten bei der Gewaltausübung zeigen während die explodierenden Linienbusse immer erst hinterher zu sehen sind. Es tut mir leid, ich kann unter diesem Umständen nicht mit dem Finger auf eine Partei zeigen und sagen: "Die da sind schuld!"
Im Gegenteil, ich erkenne eine einseitige Stimmung gegen Israel die meiner Ansicht nach ungerechtfertigt ist, so daß ich in so einer Runde zwangsläufig für die Israelis Stellung beziehe. Das bedeutet nicht, daß ich alles gut finde, was sie anstellen. Es wird hierzulande aber auch selten Thematisiert, daß es auch in Israel eine starke Opposition gegen das Regierungshandeln gibt, was Israel tatsächlich als einzige Demokratie im Nahen Osten heraushebt. Die Tragik dieses Konflikts ist ja nun, daß es eben keine einfachen Antworten gibt.