Skrihnschott hat geschrieben:Eine fahrlässige Tötung würde vorliegen wenn zweifelsfrei bewiesen werden könnte daß das dichte Auffahren den Fahrfehler der Frau verursacht hat, was schwierig sein dürfte.
Jein. Kausalität ist notwendig, richtig. Allerdings
hat die Vorsitzende diese bejaht. Wenn auch nicht "zweifelsfrei". Was aber auch gar keine Voraussetzung ist, weil dies faktisch nie möglich ist. Aus dem Grunde gibt es die freie richterliche Beweiswürdigung (Entscheidend ist die persönliche Überzeugung des Richters von der Schuld des Angeklagten. Der Tatrichter muss ohne Bindung an Beweisregeln die Überzeugung von einer bestimmten Tatsache gewonnen haben. Diese persönliche Gewissheit ist für eine Verurteilung notwendig, aber auch genügend.). Und die widerspricht dem in dubio pro reo Grundsatz nicht.
Danke für die detaillierte und (scheinbar) sehr sachkundige Erklärung. Jetzt kann ich immerhin verstehen, wie es überhaupt zu diesem Urteil kommen konnte. Schön, dass wir jetzt auch einen Juristen hier im Forum haben. Ich hoffe, du bleibst uns erhalten.
Außerdem sollte man einfach mal überlegen, dass die Unterschreitung des Sicherheitsabstandes um den Vordermann zum Verlassen der linken Spur zu bewegen durchaus als Nötigung strafbar wäre. Damit allein hätte man das Strafmaß unter Umständen begründen können ...
Dafür allein eine Knaststrafe?!
Und das am besten auch noch ohne dass die überholte Person nachweisen müsste, dass sie nicht durch ungerechtfertigtes Linksfahren ihrerseits eine Nötigung begangen hätte?
Zunächst unterstellst du hier eine Menge. Dass er den Unfall nicht bemerkt haben soll? Wenn ein Wagen von der Bahn geschleudert wird? Vor allem, nachdem er diesen Wagen versucht hat wegzudrängeln und sich somit eine recht lange Zeit darauf konzentriert haben muss. Hmmm....
Du unterstellst ebenso eine Menge - allerdings zu Lasten des Angeklagten, was nicht zulässig ist. Der Kleinwagen ist hinter dem Angeklagten von der Bahn geschleudert. Dass er sich "recht lange" auf ihn konzentriert haben muss, ist ebenfalls eine Annahme. Imho müsste man Harrys Notbremstheorie schon schlüssig widerlegen können, um den Angeklagten zu verurteilen.
Und: Wie erklärst du dir, dass er einfach behauptet nicht am Tatort gewesen zu sein, obwohl das Gegenteil zu beweisen war? Wenn man unschuldig ist, sollte man nicht lügen müssen ...
Wenn man davon ausgeht, dass der Angeklagte den Unfall tatsächlich nicht mitbekommen hat, konnte er auch nicht wissen, ob er zur Tatzeit am Unfallort war. Er hat anhand eigener Fahrtzeitberechnungen glaubhaft machen wollen, dass er es nicht war. Das Gericht hat sich entschieden, der Gutachterversion zu glauben, weswegen man aber nicht automatisch Lüge unterstellen kann.
Ist doch egal ob die sich berührt haben.
Nein, das ist nicht egal. Wenn es keinen Kontakt gab, liegt nämlich auch ein Fahrfehler auf Seite der jungen Frau vor - oder willst du behaupten, es sei eine völlig normale Reaktion, bei einem sich schnell von hinten nähernden Fahrzeug die Kontrolle über das eigene zu verlieren? Der Angeklagte wäre dann nicht der alleinige Verursacher des Unfalls, weswegen man nicht von "fahrlässiger Tötung" sprechen könnte.
Ich möchte auch nochmal sagen, wie unendlich tragisch ich die ganze Sache finde. Es ist makaber, der Verunglückten im nachinein noch eine Teilschuld zu unterstellen. Aber bevor man jemandem vorwirft, zwei Menschen auf dem Gewissen zu haben, muss man es tun.
Es passieren Unfälle aus menschlichem Versagen, welches oftmals nicht allein auf einer Seite liegt. Dass der Schaden durch die heutige Technik und die damit einhergehenden Geschwindigkeiten potenziert wird, akzeptieren wir schließlich alle. Deshalb kann man nicht einfach in Anbetracht der Auswirkungen den schadlos Davongekommenen verurteilen, sondern muss schon genau hinschauen, was derjenige im Moment des Unfalls wirklich falsch gemacht hat.
Ciao,
Doc SoLo
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