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Hardbern
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Fr, 27. Feb 2004, 13:06

Dirty Harry hat geschrieben:
Ja, aber kann man Rolf belangen wenn die Frau auch verkehrswidrig gefahren ist? Das ist doch die Frage. Sie zu belangen macht in der Tat nicht allzuviel Sinn. Oder müßten dann -rein theoretisch- die Erben das Bußgeld zahlen?


Hi !

Sowas geht glaube ich nur wenn die Forderung schon zu Lebzeiten besteht. Dann geht sie auf den Erben über. Und das auch nur, wenn der Erbe das Erbe nicht ausschlägt.

Hardbern
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Nackter Onkel
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Fr, 27. Feb 2004, 13:21

Zunächst sollte man Strafrecht und Zivilrecht auseinanderhalten.
Strafmaßnahmen des Staates werden nicht auf den Erben übertragen. Du musst also nicht für einen Mord, begangen durch deinen Großvater im dritten Reich, bei Anfall der Erbschaft Freiheitsstrafe verbüßen. ;)
Nichts anderes gilt bei Geldstrafen.

Im Zivilrecht hat Hardbern im Grundsatz recht. Allerdings gibt §844 BGB Dritten uU direkt einen Schadensersatzanspruch. Bei Schmerzensgeldansprüchen wird die Sache noch einmal komplizierter, weil es da um die Frage geht, ob ein solcher Anspruch dem Getöteten vor seinem Tod überhaupt entstehen konnte (relevant ist hier die Dauer zwischen Verletzung und Todeseintritt und ob der Verletzte zwischendurch zu Bewusstsein kam oder nicht (frei nach dem Motto: Der letzte Sensenschlag ist schmerzlos, nur voher tut's in der Regel weh :D)) und dieser somit überhaupt auf die Erben übergehen konnte.

Ja, aber kann man Rolf belangen wenn die Frau auch verkehrswidrig gefahren ist? Das ist doch die Frage. Sie zu belangen macht in der Tat nicht allzuviel Sinn. Oder müßten dann -rein theoretisch- die Erben das Bußgeld zahlen?

Nochmal: Bei Rolfs Strafbarkeit kommt es nur darauf an, ob ER verkehrswidrig gefahren ist. Eine, wie von DocSolo angesprochene, "Teilschuld" gibt es im Strafrecht nicht, bzw. nur in den von mir oben genannten, engen Grenzen. Sorry. Ist einfach so. :)

Um es vielleicht noch einmal an einem verwandten Sachverhalt deutlicher zu machen: Haben zwei Pflichtverletzungen verschiedener Person zum Tod eines Dritten geführt, können beide wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden (auch wenn beide Pflichtverletzungen nur kumulativ den Erfolg herbeigeführt haben).

Wenn nun aber (wie in unserem Fall) eine von beiden Pflichtverletzungen aus einem Fehlverhalten des Opfers resultiert, darf das Ergebnis billigerweise kein anderes sein ...
Cheers,
Nackter Onkel

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Doc SoLo
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Sa, 28. Feb 2004, 15:02

@Skrihnschott: Sorry für meine Teilnahmslosigkeit. Ich hatte die letzten Tage viel um die Ohren, konnte geradeso mitlesen, zum Schreiben hats nicht mehr gereicht.
Skrihnschott hat geschrieben:
Ich habe versucht, dir ein Prinzip klarzumachen und deine Aussage zu widerlegen, dass "durchschnittliche Reaktionsweise" und "Vorhersehbarkeit" gleichzusetzen sind. Scheinbar ohne Erfolg. ;)

Doch, das ist dir gelungen, wenn auch nicht gerade mit diesem Beispiel. Ich weiß jetzt, dass die juristische Bedeutung von "Vorhersehbarkeit" eine andere ist, als die im allgemeinen Sprachgebrauch (zumindest in meinem). Nochmal mit meinen Worten: Damit ein Ereignis im juristischen Sinne als "vorhersehbar" gilt, genügt es, dass dessen Eintreten für den durchschnittlichen Menschen denkbar ist. Hohe Wahrscheinlichkeit des Eintretens ist nicht erforderlich.

Damit dürfte es so gut wie ausgeschlossen sein, dass einen das Verneinen der objektiven Vorhersehbarkeit vor Strafe schützt. Sprich: Wenn man sich rechtswidrig verhält und ein anderer dadurch zu Schaden kommt, ist man für den Schaden voll verantwortlich - egal wie hoch der Schaden ausfällt und wie gering der Rechtsbruch im Vergleich zu ihm erscheinen mag.
Sonst müssten wir alle zuhause bleiben, weil wir uns das finanzielle Risiko, auf der Straße unabsichtlich einen Irren zu erschrecken, der sich daraufhin vor ein Auto stürzt, gar nicht eingehen könnten.

Wir sprechen hier über Strafrecht...

Naja, dann mach halt aus dem finanziellen Risiko ein "Knastrisiko". Unabhängig davon war das Beispiel Unsinn, wie ich mir jetzt denken kann. Eine solche Sache würde als allgemeiner Lebensunfall gelten, solange ich im Moment des Verursachens kein geltendes Recht verletzt hätte.
3) Objektive Pflichtverletzung (+)

Nochmal zum Affenbeispiel, rein interessehalber: Wie nennt man die Pflicht, die der Typ verletzt hätte?
Wenn du davon redest, dass etwas auf Grund von Naturgesetzen zwingend passieren muss, spielst du vermutlich auf die Ursächlichkeit an. Deren Vorliegen wird nach der conditio sine qua non Formel geprüft (=ursächlich ist jede Bedingung die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Form entfiele). ... Seine Pflichtverletzung war damit kausal zum Todeserfolg.

Verstanden, macht auch Sinn.
Deswegen reden wir wohl teilweise aneinander vorbei: Die von dir angesprochene "Teilschuld" gibt es im Strafrecht in diesem Sinne nicht. Mit "Teilschuld" (eher Mitverschulden) kannst du bei der Berechnung von Schadensersatzansprüchen im Zivilrecht kommen ...

Nein, nur ich rede an der bei diesem Fall vorliegenden Rechtslage vorbei. :wink: Das liegt daran, dass ich gar keine Ahnung davon habe, sondern nur nach meinem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden argumentiere.
Interessant. Und was ist, wenn der Bluter die Gewaltaktion provoziert hat?

Dann hast du eine komplett andere Fallkonstellation, die sich Notwehrprovokation nennt und mit unserem Thema nix mehr zu tun hat. Wenn's dich interessiert, kann ich aber trotzdem was zu sagen. :D
Gerne, aber nur wenns dir auch Spass macht. Ich meinte aber keine Notwehr, sondern eine, ich nenne es mal "dümmliche Dorfdisko-Pöbelei", also eine dumme Anmache seitens des Bluters, die normalerweise keine Gewaltaktion des Gegenübers rechtfertigen würde.
Haben zwei Pflichtverletzungen verschiedener Person zum Tod eines Dritten geführt, können beide wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden (auch wenn beide Pflichtverletzungen nur kumulativ den Erfolg herbeigeführt haben).
Dann hat Turbo-Rolf auch in der Berufung kaum eine Chance. Sein Verteidiger kann also nur versuchen, das Vorliegen einer Pflichtverletzung seinerseits zu widerlegen - z.B. mit Harrys Notbremstheorie nach Fehleinschätzung der Geschwindigkeit des ohne offensichtlichen Überholmanövers auf der "linkesten" Spur fahrenden PKW. Richtig? Wie würdest du den Raser verteidigen?

Dass in der deutschen Rechtsprechung ein solcher Grundsatz gilt, wusste ich nicht. Und das macht mir jetzt wirklich Angst. Dann sind wir nämlich rein gesetzmässig gar nicht weit entfernt von der Opfer-fixierten amerikanischen Rechtsprechung, nur die praktische Ausgestaltung ist bei uns (noch) etwas anders. 8O

An dieser Stelle einmal vielen Dank für die geduldigen und zumindest für mich sehr aufschlussreichen Erläuterungen an Skrihnschott. Mir ist jetzt klar, warum der Mann verurteilt werden musste. Das ist für mich der interessanteste Thread seit langem. :)

Ciao,

Doc SoLo
 
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Nackter Onkel
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Sa, 28. Feb 2004, 17:23

Das ist für mich der interessanteste Thread seit langem.

Das freut mich. Normalerweise reagieren die Leute mit einem Gähnen, bei dem ich immer befürchten muss, dass ihnen der Kopf vom Hals fällt. Dann mal weiter im Text:

Doch, das ist dir gelungen, wenn auch nicht gerade mit diesem Beispiel. Ich weiß jetzt, dass die juristische Bedeutung von "Vorhersehbarkeit" eine andere ist, als die im allgemeinen Sprachgebrauch (zumindest in meinem). Nochmal mit meinen Worten: Damit ein Ereignis im juristischen Sinne als "vorhersehbar" gilt, genügt es, dass dessen Eintreten für den durchschnittlichen Menschen denkbar ist. Hohe Wahrscheinlichkeit des Eintretens ist nicht erforderlich.

Jawoll. :)

Nochmal zum Affenbeispiel, rein interessehalber: Wie nennt man die Pflicht, die der Typ verletzt hätte?

*lol* Sehr gute Frage (was ja bekannterweise heisst: "Mann, jetzt bin ich echt in Schwierigkeiten" ;))
Die Pflicht kann nicht immer im Sinne einer Normierung benannt werden. Gefordert ist für eine objektive Pflichverletzung:
Das Außerachtlassen der Sorgfaltspflichten, zu welchen ein besonnener und gewissenhafter Mensch nach den Umständen verpflichtet wäre.
1) Gefährlichkeit des Verhaltens muss das erlaubte Risiko überschreiten
2) Ob dieses Maß überschritten ist, richtet sich nach:
a.Speziellen Rechtsnormen oder Verhaltensmaßstäben des entsprechenden
Verkehrskreises
b. Falls diese nicht vorhanden sind: Je höher das Risiko und größer der zu erwartende
Schaden, desto größere Anforderungen sind an die Sorgfaltsanforderungen zu stellen.
Es ist hierbei insbesondere an Übernahmepflichten, Organisationspflichten,
Überwachungspflichten, Informationspflichten und Instruktionspflichten zu denken.

Dass in der deutschen Rechtsprechung ein solcher Grundsatz gilt, wusste ich nicht. Und das macht mir jetzt wirklich Angst.

Es ist weniger ein Grundsatz als ein Teil der Fahrlässigkeitsprüfung. Wenn man alle Schritte zusammennimmt, findet sich in der Regel immer ein Korrektiv.

Dann hat Turbo-Rolf auch in der Berufung kaum eine Chance. Sein Verteidiger kann also nur versuchen, das Vorliegen einer Pflichtverletzung seinerseits zu widerlegen - z.B. mit Harrys Notbremstheorie nach Fehleinschätzung der Geschwindigkeit des ohne offensichtlichen Überholmanövers auf der "linkesten" Spur fahrenden PKW. Richtig? Wie würdest du den Raser verteidigen?

Auch da hast du mich, bin eben auch noch kein Praktiker. Außerdem ist Kritisiern bekanntlichermaßen immer einfacher als "selbst machen". ;)
Aber im Prinzip würde ich mich weniger an der (meiner Ansicht nach relativ eindeutigen Rechtslage) festbeißen als eher den zu Grunde gelegten Sachverhalt (also hier im Prinzip die Zeugenaussagen) in Frage stellen.

Gerne, aber nur wenns dir auch Spass macht. Ich meinte aber keine Notwehr, sondern eine, ich nenne es mal "dümmliche Dorfdisko-Pöbelei", also eine dumme Anmache seitens des Bluters, die normalerweise keine Gewaltaktion des Gegenübers rechtfertigen würde.

Oh je, das gibt jetzt einen Roman (und ich garantiere nicht für die Richtigkeit). ;)
Also los:
Notwerprovokation bei Absichtsprovokation (Fälle, in denen der Täter eine Person provoziert um sie unter dem Deckmantel der Notwehr anzugreifen):
Eine Ansicht: Der Provozierende soll sein Notwehrrecht haben. Das Rechtsbewahrungsprinzip muss erhalten bleiben. Gegen rechtswidrige Taten muss man sich wehren dürfen, egal ob eine vorherige Provokation erfolgte.
Eine andere Ansicht stimmt insofern zu, als dass die Rechtsordnung es nicht zulassen könne, dass rechtswidrige Angriffe (der des Provozierten) geduldet werden müssen und sich überdies niemand provozieren lassen muss. Allerdings sei die provozierende Handlung derart zu berücksichtigen, dass nur ein beschränktes Notwehrrecht bestünde (also Ausschluss der Trutzwehr).
Mit unterschiedlicher Begründung geht dagegen die hM davon aus, dass ein Notwehrrecht gänzlich entfällt. Manche sagen, der Provozierende habe keinen Verteidigungswille sondern Angriffswille, andere meinen, dass die Ausübung des Notwehrrechts rechtsmissbräuchlich wäre. Eine weitere Möglichkeit ist im provozierenden Verhalten eine konkludente Einwilligung in die Verletzung des Rechtsgut des Provozierenden zu sehen (allerdings hinsichtlich §228 abzulehnen). Die Rechtsprechung verknüpft die Argumente der Rechtsmissbräuchlichkeit und des fehlenden Verteidigungswillens. Dem ist (meiner Ansicht nach) zu folgen.

Und für die Fahrlässigkeitsprovokation (der Provozierende hat die Notwehrsituation fahrlässig herbeigeführt):
Eine Ansicht: Der Provozierende soll sein Notwehrrecht haben. Das Rechtsbewahrungsprinzip muss erhalten bleiben. Gegen rechtswidrige Taten muss man sich wehren dürfen, egal ob eine vorherige Provokation erfolgte.
Eine andere Ansicht: Der Täter hat eine Garantenpflicht aus vorhergegangenem pflichtwidrigem Tun und darf daher dem Angriff nur mit schonenden Mitteln entgegnen.
Die herrschende Meinung: Es besteht ein beschränktes Notwehrrecht. Der Angegriffene muss aber in folgender Reihenfolge vorgehen:
a. Dem Angriff ausweichen,
b. dann Schutzwehr
c. dann erst als ultima ratio Trutzwehr
Innerhalb der Trutzwehr sind zunächst die milderen Mittel auszuschöpfen und ggf. kleinere Beeinträchtigungen hinzunehmen.

Darüberhinaus stellt sich noch folgende Frage (gleich fertig, versprochen ;)):
Welche Qualität muss das Vorverhalten bei der Fahrl-Prov. erreichen?
eine Ansicht : Sozialethisch zu missbilligendes Verhalten reicht aus, wenn es seinem Gewicht einer schweren Beleidigung gleichkommt (vermutlich Disko-Fressen-Fall).
herrschende Meinung: Das Verhalten muss rechtswidrig sein. Denn nur derjenige darf sich nicht auf das Rechtsbewährungsprinzip berufen, der den Boden des Rechts verlässt.
Häufig muss dies aber nicht entschieden werden, weil §§185ff vorliegen wird, also eine Beleidigung oÄ.

So. Reicht jetzt.

Rechtschraibfähla dürft ihr, bei diesem "Aufsatz" noch mehr als sonst, liebend gerne behalten. ;)
Cheers,

Nackter Onkel



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Wohnort: Magdeburg

Sa, 28. Feb 2004, 20:14

Meiner Meinung nach recht passend zum Thema

http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,15 ... 56,00.html

Spinner gibts

ciao
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Hattori Hanso
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Wohnort: Provinz Tao Shan, zeitweise Stuttgart

Mo, 1. Mär 2004, 07:43

Jetzt nochmal eine Frage zu Rolfs Fall an die Experten:

Ist es schon rechtswidrig kurzzeitig zu dicht aufzufahren? Weil man z.B. die Geschwindigkeit des vorrausfahrenden überschätzt und zu spät gebremst hat?
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1+1 ist ungefähr 3

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