Das ist für mich der interessanteste Thread seit langem.
Das freut mich. Normalerweise reagieren die Leute mit einem Gähnen, bei dem ich immer befürchten muss, dass ihnen der Kopf vom Hals fällt. Dann mal weiter im Text:
Doch, das ist dir gelungen, wenn auch nicht gerade mit diesem Beispiel. Ich weiß jetzt, dass die juristische Bedeutung von "Vorhersehbarkeit" eine andere ist, als die im allgemeinen Sprachgebrauch (zumindest in meinem). Nochmal mit meinen Worten: Damit ein Ereignis im juristischen Sinne als "vorhersehbar" gilt, genügt es, dass dessen Eintreten für den durchschnittlichen Menschen denkbar ist. Hohe Wahrscheinlichkeit des Eintretens ist nicht erforderlich.
Jawoll.
Nochmal zum Affenbeispiel, rein interessehalber: Wie nennt man die Pflicht, die der Typ verletzt hätte?
*lol* Sehr gute Frage (was ja bekannterweise heisst: "Mann, jetzt bin ich echt in Schwierigkeiten"
)
Die Pflicht kann nicht immer im Sinne einer Normierung benannt werden. Gefordert ist für eine objektive Pflichverletzung:
Das Außerachtlassen der Sorgfaltspflichten, zu welchen ein besonnener und gewissenhafter Mensch nach den Umständen verpflichtet wäre.
1) Gefährlichkeit des Verhaltens muss das erlaubte Risiko überschreiten
2) Ob dieses Maß überschritten ist, richtet sich nach:
a.Speziellen Rechtsnormen oder Verhaltensmaßstäben des entsprechenden
Verkehrskreises
b. Falls diese nicht vorhanden sind: Je höher das Risiko und größer der zu erwartende
Schaden, desto größere Anforderungen sind an die Sorgfaltsanforderungen zu stellen.
Es ist hierbei insbesondere an Übernahmepflichten, Organisationspflichten,
Überwachungspflichten, Informationspflichten und Instruktionspflichten zu denken.
Dass in der deutschen Rechtsprechung ein solcher Grundsatz gilt, wusste ich nicht. Und das macht mir jetzt wirklich Angst.
Es ist weniger ein Grundsatz als ein Teil der Fahrlässigkeitsprüfung. Wenn man alle Schritte zusammennimmt, findet sich in der Regel immer ein Korrektiv.
Dann hat Turbo-Rolf auch in der Berufung kaum eine Chance. Sein Verteidiger kann also nur versuchen, das Vorliegen einer Pflichtverletzung seinerseits zu widerlegen - z.B. mit Harrys Notbremstheorie nach Fehleinschätzung der Geschwindigkeit des ohne offensichtlichen Überholmanövers auf der "linkesten" Spur fahrenden PKW. Richtig? Wie würdest du den Raser verteidigen?
Auch da hast du mich, bin eben auch noch kein Praktiker. Außerdem ist Kritisiern bekanntlichermaßen immer einfacher als "selbst machen".
Aber im Prinzip würde ich mich weniger an der (meiner Ansicht nach relativ eindeutigen Rechtslage) festbeißen als eher den zu Grunde gelegten Sachverhalt (also hier im Prinzip die Zeugenaussagen) in Frage stellen.
Gerne, aber nur wenns dir auch Spass macht. Ich meinte aber keine Notwehr, sondern eine, ich nenne es mal "dümmliche Dorfdisko-Pöbelei", also eine dumme Anmache seitens des Bluters, die normalerweise keine Gewaltaktion des Gegenübers rechtfertigen würde.
Oh je, das gibt jetzt einen Roman (und ich garantiere nicht für die Richtigkeit).
Also los:
Notwerprovokation bei Absichtsprovokation (Fälle, in denen der Täter eine Person provoziert
um sie unter dem Deckmantel der Notwehr anzugreifen):
Eine Ansicht: Der Provozierende soll sein Notwehrrecht haben. Das Rechtsbewahrungsprinzip muss erhalten bleiben. Gegen rechtswidrige Taten muss man sich wehren dürfen, egal ob eine vorherige Provokation erfolgte.
Eine andere Ansicht stimmt insofern zu, als dass die Rechtsordnung es nicht zulassen könne, dass rechtswidrige Angriffe (der des Provozierten) geduldet werden müssen und sich überdies niemand provozieren lassen muss. Allerdings sei die provozierende Handlung derart zu berücksichtigen, dass nur ein beschränktes Notwehrrecht bestünde (also Ausschluss der Trutzwehr).
Mit unterschiedlicher Begründung geht dagegen die hM davon aus, dass ein Notwehrrecht gänzlich entfällt. Manche sagen, der Provozierende habe keinen Verteidigungswille sondern Angriffswille, andere meinen, dass die Ausübung des Notwehrrechts rechtsmissbräuchlich wäre. Eine weitere Möglichkeit ist im provozierenden Verhalten eine konkludente Einwilligung in die Verletzung des Rechtsgut des Provozierenden zu sehen (allerdings hinsichtlich §228 abzulehnen). Die Rechtsprechung verknüpft die Argumente der Rechtsmissbräuchlichkeit und des fehlenden Verteidigungswillens. Dem ist (meiner Ansicht nach) zu folgen.
Und für die Fahrlässigkeitsprovokation (der Provozierende hat die Notwehrsituation fahrlässig herbeigeführt):
Eine Ansicht: Der Provozierende soll sein Notwehrrecht haben. Das Rechtsbewahrungsprinzip muss erhalten bleiben. Gegen rechtswidrige Taten muss man sich wehren dürfen, egal ob eine vorherige Provokation erfolgte.
Eine andere Ansicht: Der Täter hat eine Garantenpflicht aus vorhergegangenem pflichtwidrigem Tun und darf daher dem Angriff nur mit schonenden Mitteln entgegnen.
Die herrschende Meinung: Es besteht ein beschränktes Notwehrrecht. Der Angegriffene muss aber in folgender Reihenfolge vorgehen:
a. Dem Angriff ausweichen,
b. dann Schutzwehr
c. dann erst als ultima ratio Trutzwehr
Innerhalb der Trutzwehr sind zunächst die milderen Mittel auszuschöpfen und ggf. kleinere Beeinträchtigungen hinzunehmen.
Darüberhinaus stellt sich noch folgende Frage (gleich fertig, versprochen
):
Welche Qualität muss das Vorverhalten bei der Fahrl-Prov. erreichen?
eine Ansicht : Sozialethisch zu missbilligendes Verhalten reicht aus, wenn es seinem Gewicht einer schweren Beleidigung gleichkommt (vermutlich Disko-Fressen-Fall).
herrschende Meinung: Das Verhalten muss rechtswidrig sein. Denn nur derjenige darf sich nicht auf das Rechtsbewährungsprinzip berufen, der den Boden des Rechts verlässt.
Häufig muss dies aber nicht entschieden werden, weil §§185ff vorliegen wird, also eine Beleidigung oÄ.
So. Reicht jetzt.
Rechtschraibfähla dürft ihr, bei diesem "Aufsatz" noch mehr als sonst, liebend gerne behalten.