Das widerspricht sich selbst. Wenn der objektive Durchschnittsmensch in der Lage sein soll, mit einer bestimmten Reaktion zu rechnen, dann muss der Durchschnittsmensch diese Reaktion auch an den Tag legen. Von jemandem zu verlangen, dass er mit etwas "rechnet", dessen Auftreten völlig unwahrscheinlich ist, ist doch absurd.
Menschen spielen Lotto, weil sie einen Gewinn als möglich vorhersehen, oder?
Sie wissen, dass der Durchschnittsmensch nicht gewinnen wird und spielen trotzdem, weil sie davon ausgehen, dass trotz aller Unwahrscheinlichkeit ein Gewinn eintreten
kann. Wolltest du das Verneinen, würde das ganze Glückspielsystem keinen Sinn ergeben.
Also: Auch mit dem Unwahrscheinlichen kann man rechnen. Aber eben nur solange es nicht völlig außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt.
Dass Schreckreaktionen völlig außerhalb der Lebenserfahrung liegen, kann man schon damit abbügeln, dass ca. 10% (!) der Bundesbürger an Angstkrankheiten leiden, also mit Panikreaktionen auf objektiv
ungefährliche Situationen reagieren. Wieviele Menschen also
tatsächlichen Gefahrensituationen mit Überforderung begegnen, mag der Phantasie des einzelnen überlassen sein. Aber für einen objektiven Beobachter unvorhersehbar sind solche Reaktionen jedenfalls
nicht .
Ein hoffentlich eingängigeres Beispiel: Wenn ich 240 km/h fahre, ist es *sehr* unwahrscheinlich, dass mich jemand überholen wollen wird. Wenn ich dann einfach links rausziehe ohne zu blinken und zur Folge einen Ferrari im Heck stecken habe, wird es wohl kaum Bauchschmerzen bereiten, von Folgendem auzugehen:
Es kommt einzig und allein darauf an, ob ich in der Lage war damit zu rechnen, dass auch schnellere Autos als meins existieren und diese mich gerade in diesem Augenblick überholen wollen. Nicht relevant ist dagegen, ob der Durchschnittsmensch mich überholen *konnte*, da sich diese Tatsache ausschließlich auf den Grad der Wahrscheinlichkeit auswirkt. Der hat aber nur mittelbar mit der objektiven Vorhersehbarkeit zu tun, nämlich in Extremfällen, wenn der Grad
so gering ist, dass es eben auch für den idealisierten Beobachter als nicht vorhersehbar erscheint.
Es gibt andere Fälle, in denen es nicht (oder zumindest nicht nur) um die objektive Vorhersehbarkeit geht, die in eine ähnliche Richtung weisen. Ich meine die "Bluter"- oder "Glaskinn"-Problematik. Übrigens nicht nur im deutschen Recht (im Englischen heißen die wohl "Thin Skull"-Fälle, hat mir gestern erst ein Bekannter erzählt
).
Dort ist es so, dass du bei Verletzung eines übersensiblen Menschens, auch wenn diese Verletzung ausschließlich auf Grund seiner Disposition zum Tode führt, schlicht und einfach "Pech gehabt" hast. Wer einen Bluter verletzt, darf eben nicht so gestellt werden, wie derjenige, der einen "gesunden" Menschen verletzt. Selbst in diesen extremen Fällen (die wesentlich abwegiger sind, als die Fälle der Schreckreaktion) wird in Fahrlässigkeitskonstruktionen die objektive Vorhersehbarkeit ganz überwiegend bejaht. Immerhin geht es um den objektiven, also einen idealisierten Betrachter.
diese sollte dann aber auch von sich heraus die linken Spuren auf solchen Raser-Strecken so gut wie möglich meiden.
Ich weiss was du meinst. Aber da würde ich dann doch entgegenhalten wollen, dass bei einer Richtgeschwindigkeit von 130 km/h nicht ernsthaft gefordert werden kann, die linke Spur für uns 200+ Raser zu räumen (auch wenn ich mir selbst sowas schon oft gewünscht habe). So lange du dich im Rahmen der rechtlichen Regeln hältst, darf dir das nicht zum Nachteil gereichen.
Oder pathetischer: Recht (zulässige Geschwindigkeit) braucht Unrecht (Unterschreitung des Sicherheitsabstandes) nicht zu weichen.