Hardbern hat geschrieben:Bei schwarzgelb hat man ja durch (den von der FDP heftigst gefeierten) Kirchhoff mitbekommen , wo das alles geendet wäre im nächsten Jahrzehnt, also in fünf Jahren.
Man reiche mir eine Schaufel, damit ich endlich mal die Mär vom bösen Onkel Kirchhof beerdigen kann.
Die angebliche, nicht zu überbietende Ungerechtigkeit des Kirchhof-Systems ist ja gerade die Dreistigkeit, deretwegen ich so sauer auf die Wahlkampfmasche der SPD bin. Wenn man es nämlich mal richtig durchrechnet, merkt man, daß die pauschalisierenden Aussagen Blödsinn im Quadrat sind. Ja, einige alleinstehende Angestellte aus niedrigeren Einkommensklassen haben hinterher tatsächlich ein paar Euro weniger in der Tasche - eben aufgrund des Wegfalls der Vergünstigungen. Aber das steht in keinem Verhältnis zu den vielen Menschen aus niedrigen Einkommenklassen, denen dieses System zugute kommen könnte.
8000 Euro sind schon einmal generell steuerfrei. Dazu eine Pauschale, die an die Stelle der bisherigen, haarklein auszurechnenden Vergünstigungen tritt, von 2000 Euro. Macht schon einmal 10.000 Euro pro Jahr steuerfrei.
Dazu kommt aber noch mehr: die folgenden 5000 Euro müssen nur zu 60 Prozent versteuert werden, darauf nochmal 5000 Euro nur zu 80 Prozent. Macht faktisch über den Freibetrag hinaus zwei weitere Stufen von 15 Prozent und 20 Prozent, die also jemand mit 20.000 Euro Einkommen zahlen würde. Erst ab 20.001 Euro zahlt man die 25 Prozent.
So, doch damit nicht genug, denn es gibt ja noch Ehegattensplitting: Nach einer Heirat sind erst ab 40.001 Euro 25 Prozent zu zahlen. "Flat-Tax" sollte man nicht so wörtlich nehmen wie "Flatrate" beim Internet-Anschluß (und da eigentlich auch nicht immer

).
Wer Kinder hat, spart weiter: für jedes weitere Familienmitglied gibt's noch mal 8000 Euro Freibetrag, der nicht versteuert werden muß. Da ist endlich mal die "Besserstellung von Familien", die das BVerfG schon seit Ewigzeiten fordert und von allen fröhlich ignoriert wird.
Dann ist noch zu bedenken, daß viele Leute hoher Einkommensstufen bislang den nominellen Steuersatz dank geschickter Absetztaktiken gar nicht gezahlt haben. Ich kenne persönlich Leute mit über 100.000 Euro Jahreseinkommen, die mir breit grinsend eröffneten, daß sie ganze 18 Prozent Einkommensteuer zahlen - Schiffsbeteiligung und ähnlichem Hokuspokus sei dank. So etwas erreicht man nur mit perfekten Rechenkünsten oder Steuerberatern. Beide Phänomene sind unter Spitzenverdienern deutlich stärker verbreitet als im Arbeitermilieu.
Von den ganzen Vorteilen für den Wirtschaftsstandort fange ich jetzt nicht an, das kann nun wirklich jeder selbst nachlesen.
Natürlich wird es Reiche geben, die weniger bezahlen und mäßig Verdienende, die mehr bezahlen - aber die sind in der Unterzahl, jedenfalls hört man das von Wirtschafts- und Steuerexperten zur Zeit gebetsmühlenartig, und mehr, als mich auf Expertenwissen zu verlassen, kann ich an irgend einem Punkt auch nicht mehr machen. Doch KEINE Steuerreform wird ohne Verlierer dastehen, denn das geht nun mal bei der angespannten Finanzlage nicht anders.
Wenn ich der Union etwas vorwerfen wollte, dann daß sie das Kirchhof-System vermutlich auch nie umgesetzt hätte. Aber vieleicht die Modifikation nach Merzer Art, und die ist mit einer weiteren Stufe noch mal eine Ecke "reichenunfreundlicher". Da kann nun wirklich kaum noch einer meckern. Es sei denn, er hat Spaß daran, seine Wochenenden mit der Steuererklärung zu verbraten...
EDIT: Hoppla, der Doc war schneller. Naja, etwas detaillierter schadet ja auch nicht...
Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001