Verfasst: Fr, 11. Apr 2003, 15:17
Hardbern hat geschrieben:Nur mal so unter Freunden: Das geht Dich eigentlich nichts an, aber: Nein. Ich habe überhaupt kein Parteibuch, und würde mir, wenn überhaupt, keines der CDU anschaffen, mit der ich in vielen Frage über Kreuz liege.@Ssnake: Nur mal so aus Neugierde, bist Du Besitzer eines CDU Parteibuches?
Deine unzutreffende Wahrnehmung kann ich nur damit erklären, daß ich aus beruflichen Gründen vielleicht länger und intensiver über diese Fragen nachgedacht habe, als Du, und daß ich -möglicherweise aufgrund eines anderen Menschenbildes, anderer Lebenserfahrungen und einer umfassenderen Kenntnis der Fakten- zu anderen Schlußfolgerungen komme als Du.Ich denke mal dass kommt jetzt auch davon, dass Du beruflich damit zu tun hast, aber ich frage mich trotzdem wie man nur so versessen auf Krieg sein kann?
Ich bin deswegen relativ ausführlich in meinen Beiträgen, weil es eine ernste Frage ist, der man mit empathischer Wohlfühl-Rhetorik nicht gerecht wird. Ich hätte es hier einfacher, wenn ich im Strom schwimmend mit den Wölfen heulen würde, die in diesem Land gegenwärtig den Ton angeben (selbst in der CDU, auch wenn Frau Merkel versucht, eine andere Richtung vorzugeben).
Als denkender Mensch bin ich jedoch zu anderen Ergebnissen gekommen. Heuchelei ist nicht meine Art, und eine klare Sprache empfinde ich als wohltuend. In englischen Foren werde ich von den besonders patriotischen US-Boys als weichlicher "Liberal" (das ist dort ein Schimpfwort für Leute an der Grenze zum Sozialismus) bezeichnet, weil ich dort ebenso wie hier die Meinung vertrete, daß nur weil es Saddam Hussein gibt, Irakis deswegen immer noch Menschen sind, deren Leid man zu respektieren hat, und denen ich versuche klarzumachen, daß die "Right or wrong, my country"-Haltung in Deutschland begreiflicherweise nicht so populär ist. Saddam Hussein ist nicht der Irak, ebensowenig wie "Bush the Lesser" identisch mit den USA als Nation ist.
Als jemand, der Michael Moore in vielen Bereichen von Herzen zustimmt, bin ich vielen "aufrechten US-Bürgern" in höchstem Maße suspekt. Ich tu' mir das an, weil ich glaube, daß wenn ich nur einen Mitleser zu einem ernsthafteren Nachdenken über das Thema bringen kann, sich der Aufwand schon gelohnt hat.
Ich finde Demokratie hervorragend, aber sie erfordert auch, daß man der eigenen Verantwortung als Staatsbürger gerecht wird und sich über die wichtigen Themen unserer Zeit auf dem Laufenden hält, wenn man doch gelegentlich die Aufgabe hat, die alte Regierung abzuwählen under ggf. zu bestätigen. Wie kann ich über das Für und Wider von Atomkraftwerken abstimmen, wenn ich mich nur durch die Bild-Zeitung ("Gemein! Er tat ihr Atom in den Tee!") über das Thema informiere?
Wie kann ich eine eigene Meinung zu überhaupt irgendetwas bilden, wenn ich mich nicht aus wahrhaft unterschiedlichen Quellen informiere, was ggf. auch ausländische Fernsehsender und das Internet mit einschließt? Es beschämt mich, daß Deutschland als Nation die Demokratie nicht aus freien Stücken gewählt hat, sondern von Amerika und Großbritannien 'reingewürgt bekam. Es beschämt mich zutiefst, daß die technisch und wissenschaftlich fortschrittlichste, kulturell beeindruckendste Zivilisation des frühen 20 Jahrhunderts -Deutschland!- in die finsterste Barbarei des Genozid fallen konnte. Als Deutscher und als Demokrat kann es für mich daher nur eine einzige Konsequenz geben, nämlich sich eine unabhängige Meinung zu bilden (auch wenn das unbequem ist) und diese im öffentlichen Diskurs zu vertreten (auch wenn das noch unbequemer ist), damit meine Mitbürger im Wettstreit um die besten Ideen bei der nächsten Wahl das Kreuz dort machen, wo es nach ihrer wohl begründeten Meinung hingehört.
Ich weigere mich, Meinungen anzuhängen, weil das bequem wäre und mir eigenes Nachdenken erspart, oder Meinungen zu vertreten, von denen ich glaube, daß andere sie hören wollen. Ja, Lisa Simpson ist mein Ideal, auch wenn sie anderen mit ihrer Art auf die Nerven fällt. Hier stehe ich, ich kann nicht anders.
Und jetzt Sie!