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So, 7. Nov 2004, 15:29

ButtSeriously hat geschrieben:
Dirty Harry hat geschrieben:
Leider sind beide Alternativen für den Rest der Welt nicht sonderlich gut.


Auch bei unseren eigenen Politikern (Waffenverkäufe an China *hust*).



+Eifrig Händeschütteln mit Putin (Pressefreiheit *hust*, Tschetschenien *hust*)
+Panzer an Türkei (Kurden-Problem *hust*)
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...naja, die Panzergeschichte mit der Türkei ist ja nun auch nicht gerade so eindeutig, wie es häufig dargestellt wird. Panzer hat die Türkei nämlich reichlich, und die Kurden kann man auch mit alten Modellen "prima unterdrücken". Ein auf zehn Jahre Laufzeit angelegtes Modernisierungprogramm hat also mit der Kurdengeschichte eigentlich recht wenig zu tun. Die Frage ist vielmehr, will man einem islamischen Land das Know-how zum Aufbau einer eigenen, leistungsfähigen Panzerindustrie geben, das dann vielleicht in den Iran exportiert, oder Libyen, oder andere Länder, die wir selbst nicht beliefern würden. Da sind die Kurden natürlich ein prima Vorwand, warum das mit dem Export - "leider, leider" - nicht klappt.

Andererseits: Wenn man es ernst meint mit der Integration der Türkei in Europa, wenn man das Wertesystem europäischer Demokratien tatsächlich in den Nahen Osten erfolgreich exportieren will - dann wird man nicht um die Beantwortung der Frage herumkommen, wie man es denn mit der Unterstützung der türkischen Rüstungsindustrie hält.
Parallel dazu ist natürlich auch die Frage zu beantworten, was man denn mit den noch vorhandenen mageren Resten der deutschen Rüstungsindustrie anfangen will. Wenn die letzten Betriebe da wegsterben - und mit ihnen das notwendige Know-how - und sich dann plötzlich die sicherheitspolitische Lage ändert (man konnte vor ein paar Jahren im September ja gut beobachten, wie drastisch das im Verlaufe nur eines halben Vormittags passieren kann), dann steht man mit runtergelassenen Hosen ziemlich doof da. Andererseits will man ja selbst kein Geld für neue Projekte zu Lande ausgeben, und im nahen Ausland ist der Bedarf auch nicht gerade üppig. Will man also aus Gründen allgemeiner Vorsicht solche Konzerne wie Krauss-Maffei und Rheinmetall am Leben erhalten, muß man auch dafür sorgen, daß sie irgendwo Geld verdienen können. Darüber spricht natürlich keiner gerne in der Öffentlichkeit, aber dennoch: So isses halt.
 
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So, 7. Nov 2004, 17:00

Ssnake hat geschrieben:
...naja, die Panzergeschichte mit der Türkei ist ja nun auch nicht gerade so eindeutig, wie es häufig dargestellt wird. Panzer hat die Türkei nämlich reichlich, und die Kurden kann man auch mit alten Modellen "prima unterdrücken". Ein auf zehn Jahre Laufzeit angelegtes Modernisierungprogramm hat also mit der Kurdengeschichte eigentlich recht wenig zu tun. Die Frage ist vielmehr, will man einem islamischen Land das Know-how zum Aufbau einer eigenen, leistungsfähigen Panzerindustrie geben, das dann vielleicht in den Iran exportiert, oder Libyen, oder andere Länder, die wir selbst nicht beliefern würden. Da sind die Kurden natürlich ein prima Vorwand, warum das mit dem Export - "leider, leider" - nicht klappt.

Andererseits: Wenn man es ernst meint mit der Integration der Türkei in Europa, wenn man das Wertesystem europäischer Demokratien tatsächlich in den Nahen Osten erfolgreich exportieren will - dann wird man nicht um die Beantwortung der Frage herumkommen, wie man es denn mit der Unterstützung der türkischen Rüstungsindustrie hält.
Parallel dazu ist natürlich auch die Frage zu beantworten, was man denn mit den noch vorhandenen mageren Resten der deutschen Rüstungsindustrie anfangen will. Wenn die letzten Betriebe da wegsterben - und mit ihnen das notwendige Know-how - und sich dann plötzlich die sicherheitspolitische Lage ändert (man konnte vor ein paar Jahren im September ja gut beobachten, wie drastisch das im Verlaufe nur eines halben Vormittags passieren kann), dann steht man mit runtergelassenen Hosen ziemlich doof da. Andererseits will man ja selbst kein Geld für neue Projekte zu Lande ausgeben, und im nahen Ausland ist der Bedarf auch nicht gerade üppig. Will man also aus Gründen allgemeiner Vorsicht solche Konzerne wie Krauss-Maffei und Rheinmetall am Leben erhalten, muß man auch dafür sorgen, daß sie irgendwo Geld verdienen können. Darüber spricht natürlich keiner gerne in der Öffentlichkeit, aber dennoch: So isses halt.


Blöde Frage, aber willst du mit vorgefahrenen Panzern einen Terroranschlag verhindern? Klar müssen dieses Konzerne Geld verdienen - tun sie ja auch, auch deutsche Rüstungsfirmen haben am Irakkrieg ordentlich profitiert - aber ich opfere meine Moralvorstellungen nicht dem Überleben eines mir höchst suspekten Wirtschaftszweigs.
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Natürlich ist es Quatsch, mit Panzern herkömmliche Terrorismusabwehr bewerkstelligen zu wollen. Aber es muß ja nicht immer beim bloßen Terrorismus bleiben, was die Feinde der Demokratie aufzufahren gedenken. Und auch wenn ich mich nicht unbedingt als Werber für die Rüstungsindustrie betätigen will, stellt sich mir doch die Frage, ob es nicht vielleicht ein wenig bequem und selbstgerecht ist, diesen Industriezweig pauschal als "suspekt" abzuwerten.
Denn letztlich legitimiert sich dieser Industriezweig aus der (zumindest hierzulande demokratisch begründeten) Entscheidung von Staaten, eine Armee haben zu wollen. Wenn man bejaht, daß eine Armee notwendig ist, um einem Staat nach außen Handlungsspielräume zu eröffnen (und ich meine damit nicht Kriegführung, sondern die Freiheit von Erpressung durch andere Staaten), dann muß man so eine Armee auch ausrüsten und ausbilden. Man kann also das eine nicht ohne das andere bekommen.

Die Frage ist also letztlich, ob man Armeen will. Da kann man grundsätzliche oder pragmatische Positionen vertreten. Natürlich wäre eine Welt ohne Gewalt und Anwälte schön - ich bezweifle nur, daß sie möglich ist. Denn in einer Welt ohne Armeen ist der eine Staat, der eine hat, seinen Nachbarn überlegen und kann ihnen seinen Willen aufzwingen. Das allgemeine Vorsichtsprinzip gebietet also, eine Armee vorzuhalten, und diese dann folgerichtig auszurüsten und auszubilden. Ob und wie eine solche Armee dann eingesetzt wird, ist Sache der Regierung - und damit mittelbar Sache der Völker, die Regierungen einsetzen oder entmachten.
 
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Da kann man nur einen antiken römischen Staatsmann zitieren: Wenn Du in Frieden leben willst bereite den Krieg vor.

Den gänzlichen Verzicht auf Waffen halte ich auch für äußerst gefährlich, vor allem für ein reiches Land das wir ja immer noch sind. Und wer weiß wie schnell die Lage z.b. auch in den russischen Staaten kippen könnte. Müssen ja nicht immer die Moslems sein.

@Butt:

Ich glaube nicht daß die Amerikaner das mit dem "verschluckt" so sehen. Für die Ziele der Regierung lief das doch einigermaßen gut. Verschluckt wäre es gewesen wenn Saddam sie wieder ins Meer zurückgetrieben hätte.
Daß da jetzt eine Menge Amerikaner sterben ist für die amerikanische Führung nur schlechte Presse. Meinst Du wirklich die juckt es wenn Kids aus den Ghettos im Irak erschossen werden? Immer noch besser als im eigenen Land, weil da muß sich dann womöglich ja noch die Polizei darum kümmern.
Sorry wenn das jetzt sehr zynisch klingt, aber ich denke nicht daß in der amerikanischen Regierung anders gedacht wird.
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Mo, 8. Nov 2004, 19:18

Mein Argument ist keineswegs, daß die "Falken" in Washington ganz plötzlich ihre menschliche Ader entdecken, wobei ich Bush selbst für einen Sonderfall halte. Der glaubt halt, auf der richtigen und unbedingt notwendigen Mission zu sein. Was ich vielmehr meinte ist, daß keine Regierung eines demokratischen Landes sich diesen Imageschaden auf Dauer leisten kann.
Zumal sich ja sogar in den Reihen der Republikaner längst Widerstand erhebt, weil die Bush-Administration auch die moderateren Parteimitglieder wissentlich getäuscht hat. Die liberalen Republikaner finden so etwas bereit jetzt nicht mehr wirklich lustig...

Grüße von
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Mo, 8. Nov 2004, 19:46

Ssnake hat geschrieben:
Natürlich ist es Quatsch, mit Panzern herkömmliche Terrorismusabwehr bewerkstelligen zu wollen. Aber es muß ja nicht immer beim bloßen Terrorismus bleiben, was die Feinde der Demokratie aufzufahren gedenken. Und auch wenn ich mich nicht unbedingt als Werber für die Rüstungsindustrie betätigen will, stellt sich mir doch die Frage, ob es nicht vielleicht ein wenig bequem und selbstgerecht ist, diesen Industriezweig pauschal als "suspekt" abzuwerten.
Denn letztlich legitimiert sich dieser Industriezweig aus der (zumindest hierzulande demokratisch begründeten) Entscheidung von Staaten, eine Armee haben zu wollen. Wenn man bejaht, daß eine Armee notwendig ist, um einem Staat nach außen Handlungsspielräume zu eröffnen (und ich meine damit nicht Kriegführung, sondern die Freiheit von Erpressung durch andere Staaten), dann muß man so eine Armee auch ausrüsten und ausbilden. Man kann also das eine nicht ohne das andere bekommen.

Die Frage ist also letztlich, ob man Armeen will. Da kann man grundsätzliche oder pragmatische Positionen vertreten. Natürlich wäre eine Welt ohne Gewalt und Anwälte schön - ich bezweifle nur, daß sie möglich ist. Denn in einer Welt ohne Armeen ist der eine Staat, der eine hat, seinen Nachbarn überlegen und kann ihnen seinen Willen aufzwingen. Das allgemeine Vorsichtsprinzip gebietet also, eine Armee vorzuhalten, und diese dann folgerichtig auszurüsten und auszubilden. Ob und wie eine solche Armee dann eingesetzt wird, ist Sache der Regierung - und damit mittelbar Sache der Völker, die Regierungen einsetzen oder entmachten.


Ich habe nirgends erwähnt, dass ich für Abschaffung der Bundeswehr bin. Um Gottes Willen, nein! Evtl. Umformung zur Berufsarmee, verkleinern, einsparen, reformieren etc. aber nicht abschaffen - das ist mir dann doch etwas weltfremd. Trotzdem sollte man weiterhin die Aufgaben der Polizei und der Bundeswehr strikt trennen, manche Innenminister (auf Länderebene) hatten da ja abstruse Visionen.

Trotzdem: Nur weil man einem Land keine Panzer verkäuft, weil man befürchten muss, dass diese zu Handlungen benutzt werden, die moralisch nicht vertretbar sind (Türkei / Kurdenproblem / deutsche Panzer), heißt das noch lange nicht, dass ich keine Armee will. Und aus dieser Aussage hast du einen schönen Strick gedreht, nur eben erheblich zu weit.

Und allzu schnell wird uns auch niemand angreifen - wir sind bis auf die Schweiz von EU-Mitgliedern umgeben, wir sind wie viele unserer Nachbarn in der Nato und falls wir uns nicht als Weltpolizist aufspielen werden Terrorangriffe in größerem Ausmaß auch ausbleiben - was nicht heißt, dass es sie nicht geben muss (siehe Spanien).

Weiterhin darf man der Türkei die Hoffnung auf EU-Beitrittsverhandlungen nicht nehmen. Das Unterschriftenbetteln der Union war ja mal ein einzigartiger Griff ins Klo. Soviel Engstirnigkeit habe ich auch schon lange nicht mehr gesehen.
Nur damit mir nicht gleich wieder jemand etwas unterstellt: Die derzeitige Türkei gehört nicht in die EU. Aber wer ihr jetzt jegliche Verhandlungen verwehrt wirft die Türkei wieder Jahre zurück. In zwanzig Jahren werden dort Kurden vielleicht nicht mehr unterdrückt, Frauen nicht mehr wie Sklaven gehalten und die Justiz ist vielleicht weniger von Korruption zerfressen.

Wenn dann wieder solche Knospel kommen, die Angst vor der Unterwanderung unserer abendländischen Kultur haben, dann schlägt die Populismusuhr aber zwölf!
Als ob sich ein Großteil der Deutschen besonders auf ihre Kultur besinnen. Haha. Wir selbst treten unsere Sprache, unsere Kultur doch mit Füßen, seichte MTViva Popmusik, Anglizismen und Handy-Denglisch. Haha. Wenn, dann wird ein kultureller Austausch stattfinden, dieser beinhaltet aber nicht die Verdrängung einer Kultur.
Davon abgesehen - ob Deutschland in 20 Jahren noch so ein lukratives Einwanderungsland ist...?

Aber wenn es denn so weit kommen sollte, ja dann, dann können wir auch wieder Panzer an die Türkei verkaufen :)
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Di, 9. Nov 2004, 00:10

Fraggy hat geschrieben:
Ssnake hat geschrieben:
Natürlich ist es Quatsch, mit Panzern herkömmliche Terrorismusabwehr bewerkstelligen zu wollen. Aber es muß ja nicht immer beim bloßen Terrorismus bleiben, was die Feinde der Demokratie aufzufahren gedenken. Und auch wenn ich mich nicht unbedingt als Werber für die Rüstungsindustrie betätigen will, stellt sich mir doch die Frage, ob es nicht vielleicht ein wenig bequem und selbstgerecht ist, diesen Industriezweig pauschal als "suspekt" abzuwerten.
...

Ich habe nirgends erwähnt, dass ich für Abschaffung der Bundeswehr bin.

Ich kann Dich beruhigen: So habe ich Dich auch nicht verstanden, so wollte ich Dich auch nicht auslegen.
Trotzdem sollte man weiterhin die Aufgaben der Polizei und der Bundeswehr strikt trennen, manche Innenminister (auf Länderebene) hatten da ja abstruse Visionen.

Volle Zustimmung.
...und falls wir uns nicht als Weltpolizist aufspielen werden Terrorangriffe in größerem Ausmaß auch ausbleiben - was nicht heißt, dass es sie nicht geben muss (siehe Spanien).

Hier bin ich anderer Ansicht. Den Islamisten paßt die ganze Richtung der westlichen Demokratien nicht. Natürlich sind die USA gegenwärtig der attraktivste Gegner, weil sie sich mit ihrer Art nicht überall Freunde machen - jedoch sollten wir uns nicht täuschen, was ihre langfristigen Ziele angeht. Zur Mehrung von Allahs Ruhm und Ehre kommt für sie letztlich nur die politische und religiöse Weltherrschaft des Islam in Frage. Drunter machen sie's nicht, und damit sind sie unsere erklärten Feinde.
Wohlgemerkt, ich spreche von Islamisten, nicht allgemein von Moslems. Staatskunst wird darin bestehen, die Islamisten zu bekämpfen, ohne die Mehrheit der Moslems auf deren Seite zu treiben. Wenn man die Ideale von Freiheit und Demokratie konsequent verfolgt, dann liegt mit dem Islamismus ein unauflöslicher Fundamentalkonflikt vor, der nur durch die Niederlage einer Seite beendet werden kann.
Weiterhin darf man der Türkei die Hoffnung auf EU-Beitrittsverhandlungen nicht nehmen.

Ich nehme an, Du meinst den Beitritt - den Beginn der Verhandlungen stellt ja niemand mehr ernsthaft in Frage.

Jedoch - warum sollte man der Türkei die Beitrittshoffnung nicht nehmen dürfen?
Es kann ja wohl nicht sein, daß Regierungen ausschließlich aus persönlicher Überzeugung heraus und ohne sich einer demokratische Legitimierung zu unterziehen mal eben festlegen, daß der Beitritt, sobald die Verhandlungen erst mal begonnen haben, lediglich Formsache sei. Wenn die Regierung tatsächlich so gute Gründe hat wie sie denkt, dann soll sie sie darlegen. Führung heißt in Demokratien, ggf. auch ein störrisches Wahlvolk zu überzeugen, statt mit autoritärem Gestus festzulegen, daß das Volk eben zu dumm sei, die Tragweite dieser Entscheidung zu überblicken, und daher auch kein Stimmrecht habe.
Wenn dann wieder solche Knospel kommen, die Angst vor der Unterwanderung unserer abendländischen Kultur haben, dann schlägt die Populismusuhr aber zwölf!
Als ob sich ein Großteil der Deutschen besonders auf ihre Kultur besinnen.

Vielleicht unterschätzt Du da Deine Mitbürger ein wenig. Ich glaube auch nicht, daß jemand ernsthaft um den Programmplatz des Mutantenstadls zittert, falls es zu einem EU-Beitritt der Türkei käme. Aber es gibt einfach haarsträubende kulturelle Differenzen. Daß die Ehre einer Familie durch die Ermordung einer Tochter wiederhergestellt werden könne. Daß Männer nur dann Männer sind, wenn sie im Stehen pinkeln. Daß Krankenschwestern, auf die man angewiesen ist, pauschal alle Huren sind und auch so behandelt werden dürfen (ich weiß in diesem Fall sehr genau, wovon ich rede). Die haarsträubenden Einstellungen zu Nepotismus und Korruption im Geschäftsleben - was ich da bislang im benachbarten Griechenland erlebt habe, lassen mir die Zehennägel aufrollen. Da tun sich Abgründe auf... - und die Griechen sind ja noch halbwegs "normal", will sagen Christlich orientiert, seit 20 Jahren demokratisch und in der EU, gemeinsame Währung, Wiege der westlichen Philosophien (Sokrates, Archimedes, ...) usw.

So gern ich an eine von Toleranz beseelte Welt glauben möchte, stelle ich doch fest, daß wir im Fall der Türkei davon noch mehr also nur 15 Jahre entfernt sind. Wir haben noch nicht mal angefangen, die Osterweiterung mit Polen und den alten k.u.k-Ländern zu verdauen, die Gespräche mit Rumänien und Bulgarien sind schon im Gange, das Magengeschwür Balkan und Albanien ist weiter offen, da wird schon vom Türkei-Beitritt als beschlossener Sache geredet, und die Ukraine klopft auch schon an die Tür. Wir haben da noch ein paar Hausaufgaben mit den neuen Mitgliedern zu erledigen. Weißrußland, mit ihrer fast vergessenen, aber fies totalitären Regierung, ...
Die Türkei brächte mehr Bürger in die EU ein als alle zehn neuen Staaten. Wir hätten eine gemeinsame Außengrenze mit Libanon, Iran und Syrien sowie dem ganzen Kaukasus-Schlamassel.
Ich will damit nicht sagen, daß wir es sein lassen sollten. Aber man soll bitteschön nicht so tun, als wär' das alles ein Selbstgänger, und alle vorgebrachten Bedenken nur der blanke Populismus. Es gibt gewichtige, wohlbegründete Argumente dagegen. Eine verantwortungsvolle Politik wird Pro und Contra sorgfältiger abwägen müssen, als es die gegenwärtige Regierung zu erkennen gibt.
 
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Di, 9. Nov 2004, 07:35

ButtSeriously hat geschrieben:
..., wobei ich Bush selbst für einen Sonderfall halte. Der glaubt halt, auf der richtigen und unbedingt notwendigen Mission zu sein. ...

Grüße von
ButtSeriously
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Das hat Hitler wahrscheinlich auch gedacht....

Zum Rest: Volle Zustimmung. Allerdings glaube ich nicht daß die Amerikaner der Imageschaden nach draußen sonderlich stört, sie sind doch die besten und die größten, was kümmert da Kritik aus der alten Welt?
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Di, 9. Nov 2004, 08:21

Dirty Harry hat geschrieben:
Das hat Hitler wahrscheinlich auch gedacht....


Das habe ich jetzt mal nicht gesehen...

Zum Rest: Volle Zustimmung. Allerdings glaube ich nicht daß die Amerikaner der Imageschaden nach draußen sonderlich stört, sie sind doch die besten und die größten, was kümmert da Kritik aus der alten Welt?


Es geht nicht darum, wen das im Rest der Welt stört, sondern wen das in Amerika selbst stört. Steigen die Todesopfer über ein gewisses Maß, weht jeder demokratischen Regierung irgendwann ein ausgesprochen unangenehmer Wind entgegen.

Grüße von
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ButtSeriously hat geschrieben:
Dirty Harry hat geschrieben:
Das hat Hitler wahrscheinlich auch gedacht....

Das habe ich jetzt mal nicht gesehen...

Ich aber und so schlecht fand ich den gar nicht... :green:
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Ich bin fest davon überzeugt, daß Hitler wirklich an seinen Schwachsinn geglaubt hat. Das beweist ja nur, wie verrückt er wirklich war. Wahnsinn äußert sich ja nicht nur durch Geifern und Raserei (wobei bei Hitler daran ja nun auch kein Mangel war). Hitler und Stalin waren ganz gewiß psychotisch, klinisch geistesgestört, und dazu mit einem Mangel an Empathie gesegnet. Klassische Fälle von Psychopathie halt.

Den implizierten Vergleich mit Bush halte ich aber für ebenso absurd wie den zwischen einem Traktor und einem Ferrari Testa rossa. Beide mögen rot lackiert sein und einen Verbrennungsmotor haben - aber damit hat es sich dann auch.
 
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Di, 9. Nov 2004, 17:33

Mich stört an dem ewigen Bush-Hitler-Gerede vor allem, daß es nur ein weiterer in einer langen Reihe von unpassenden historischen Vergleichen ist, die uns zur Zeit regelrecht überschwemmen. Besonders beliebt sind dabei - als Totschlagsargument - Hitler und die Nazis, bei denen "das ja so ähnlich" gewesen sein. In der Regel sind die Analogien aber, wie Ssnake ja auch bereits gesagt hat, an den Haaren herbeigezogen. Und dann wird Hitler plötzlich zu einem Springteufel mit Rotzfänger, der nur um des Effektes Willen an bestimmen Punkten hochhüpft, um sein immer effektives, weil hochbekanntes "Buh!" in die Runde zu schleudern.

Wie hieß es in einem kleinen Krümelchen Weisheit an anderer Stelle: "You couldn't make a single argument if there had been no Nazis." ;)

Grüße von
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Di, 9. Nov 2004, 18:00

Der Unterschied zwischen dem damaligen und dem heutigen Faschismus/Imperialismus ist m.E. nur einer der Methoden und des öffentlichen Auftretens, damals in Uniform, den merkwürdigen Terminus "Sozialismus" im Parteinamen führend, heute in Krawatte und von "Demokratie" und "Freiheit" faselnd. Das Ziel, die wenn notwendig gewaltsame Umverteilung des Kapitals und Aneignung der Resourcen, ist dasselbe geblieben. Damals waren es die Juden, heute sind die Araber die Untermenschen, die zur Abschlachtung freigegeben sind.
 
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Di, 9. Nov 2004, 19:22

ButtSeriously hat geschrieben:
Mich stört an dem ewigen Bush-Hitler-Gerede vor allem, daß es nur ein weiterer in einer langen Reihe von unpassenden historischen Vergleichen ist, die uns zur Zeit regelrecht überschwemmen.

Ich füge mal einen neuen hinzu: Bush und Bin Laden. Ich meine das in Bezug auf den Personenkult, der um diese Leute veranstaltet wird. Das ist nämlich das was mich am meisten stört.

Wie kann man die amerikanische Außenpolitik nur auf eine einzige Person zurückführen wollen? Als hätte Bush Amerika "böse" gemacht und Kerry (oder Clinton, wenn er zur Wahl stünde) hätte alles heilen können. Diese ganzen Geschichten vom texanischen Öl-Cowboy, der vollenden will, was sein Vater angefangen hat. Das dämliche Gewäsch dieses Michael Moore... bäh! ICH KANN DAS NICHT MEHR HÖREN!!!

Mal ehrlich: Irgendetwas sagt mir, dass es so einfach wohl nicht sein kann. Und angesichts dessen wie primitiv das öffentliche Meinungsbild hierzulande gestrickt ist, sind wir die letzten, die auf die dummen Amerikaner zeigen dürfen, die ihren Präsidenten wählen, weil er, wie sie selbst auch, gern mit seinen Hunden spielt.

Ciao,

Doc SoLo
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