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@Ssnake:

Natürlich hast Du größtenteils recht, und viele Entwicklungsländer sind arm weil sie es schon immer waren und nicht weil sie ausgebeutet werden bzw wurden, aber nichtsdestotrotz werden diese teilweise zusätzlich ausgebeutet und ein teil unseres Wohlostandes kommt auch daher. Würden wir für Kaffee (um bei einem genannten Beispiel zu bleiben) das zahlen was die Herstellung in unserem Land kosten würde wäre dieser hier unbezahlbar. (Was natürlich auch an unserem zu hohen Lohnniveau liegt.


@alle
Im übrigen finde ich es nicht gut zu behaupten bei uns gäbe es keinen Sozialstaat mehr. Sinn des Sozialstaates kann es nicht sein allen Leuten ein Leben im relativen Luxus zu finanzieren, das ist einfach nicht bezahlbar. Das einzige was ein Sozialstaat leisten kann und muß ist es das alle Leute zu essen, medizinische Versorgung und ein Dach über dem Kopf haben, und das ist immer noch gewährleistet.
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Mo, 14. Feb 2005, 09:28

Dirty Harry hat geschrieben:
@Ssnake:

Natürlich hast Du größtenteils recht, und viele Entwicklungsländer sind arm weil sie es schon immer waren und nicht weil sie ausgebeutet werden bzw wurden, aber nichtsdestotrotz werden diese teilweise zusätzlich ausgebeutet und ein teil unseres Wohlostandes kommt auch daher. Würden wir für Kaffee (um bei einem genannten Beispiel zu bleiben) das zahlen was die Herstellung in unserem Land kosten würde wäre dieser hier unbezahlbar. (Was natürlich auch an unserem zu hohen Lohnniveau liegt.


Andererseits wäre wohl unser Wohlstand ebenfalls noch größer wenn es den Entwicklungsländern besser gehen würde. Schließlich wären diese dann wiederum Absatzmärkte für unsere Produkte - damit wären dann die höheren Preise für Kaffee usw. ebenfalls kein Problem mehr.


Dirty Harry hat geschrieben:
@alle
Im übrigen finde ich es nicht gut zu behaupten bei uns gäbe es keinen Sozialstaat mehr. Sinn des Sozialstaates kann es nicht sein allen Leuten ein Leben im relativen Luxus zu finanzieren, das ist einfach nicht bezahlbar. Das einzige was ein Sozialstaat leisten kann und muß ist es das alle Leute zu essen, medizinische Versorgung und ein Dach über dem Kopf haben, und das ist immer noch gewährleistet.


Da kann ich nur vollends zustimmen.
CU Early
 
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Mo, 14. Feb 2005, 10:44

Ich denke das würde nicht funktionieren.

Ein Mensch alleine müßte alles was er selber braucht auch selber herstellen. In einer Gemeinschaft produziert man für andere Menschen mit und bekommt dafür andere Güter von denen. Im Idealfall hat dann jeder die gleiche Arbeitsleistung und die gleiche Menge Güter. Ich denke aber daß die Arbeitsleistung in der dritten Welt wesentlich höher liegt - zu unseren Gunsten.
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Mo, 14. Feb 2005, 18:14

Nein. Hauptursache des Wohlstandsunterschieds ist die enorm hohe Produktivität in den Industrieländern. Da lohnt es sich, sich vor allem auf jene Güter zu konzentrieren, bei denen einerseits eine hohe Wertschöpfung betrieben wird, und für die auch ein hoher Automatisierungsgrad nötig ist - Automobilproduktion beispielsweise, Luft- und Raumfahrtindustrie, die Produktion von Computerchips.

Der Sinn der global arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung liegt darin, daß jede Region das herstellt, was bei ihr im Vergleich zu anderen Regionen am günstigsten produziert werden kann.

Komplizierte Industriegüter benötigen Facharbeitskräfte, deren Ausbildung eine Menge Zeit und Geld kostet. Statt mit 16 Jahren in die Produktion zu wechseln, lungern unsere Studenten noch bis zum 28. Lebensjahr an der Uni 'rum, und gehen dann auch noch mit 60 in Rente, obwohl das Lebensalter grundsätzlich noch zehn weitere produktive Jahre erlauben würde. Damit werden 22 von 54 möglichen Jahren erwerbstätiger Lebenszeit in Ausbildung investiert, oder in Rente konsumiert; selbst wenn wir mal die Rentenzeit weglassen, werden 12 von 44 möglichen Erwerbsjahren in die Ausbildung investiert (=27%) - einem Arbeiter ohne diese Ausbildung hat also mehr Zeit, um Güter (=Wohlstand) zu produzieren (von Unterschieden in der Jahresarbeitsleistung (Urlaub, Feiertage, Arbeitswochenstunden) mal ganz abgesehen).

Trotz dieses erheblichen Vorteils ist das Wohlstandsniveau dort geringer, und warum?
Weil die Produktivität so sehr viel niedriger liegt. Das wird dadurch ausgeglichen, daß die Löhne niedriger ausfallen, daß die Arbeitszeiten länger sind, und daß weniger aufwendig zu produzierende Güter hergestellt werden; leider begrenzt das auch die Wertschöpfung, d.h. das Verhältnis von Gewinn zu Herstellungskosten. Für Güter, die letztlich überall auf der Welt hergestellt werden könnten, kann man keine hohen Preise verlangen (sonst lohnt sich die Produktion anderswo, und es gibt mehr Konkurrenz).

"Ausbeutung" der Dritten Welt findet im engeren Sinne also primär dort statt, wo der Freihandel durch Schutzzölle und nichttarifäre Handelshemmnisse verhindert wird.
 
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Di, 15. Feb 2005, 07:21

Das ist alles schon richtig, aber warum haben wir eine viel höhere Produktivität? Auch (nicht nur, aber auch) weil zu Kolonialzeiten viele der heute ärmeren Länder von den Industrienationen ausgebeutet wurden.
Als Beispiel könnte man mal Indien nennen die von den Briten systematisch ausgebeutet wurden. wer weiß wie sich dieses Land entwickelt hätte wenn diese Ausbeutung nicht stattgefunden hätte.
Zuletzt geändert von Hattori Hanso am Di, 15. Feb 2005, 07:22, insgesamt 1-mal geändert.
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Die Auswirkungen der Kolonialzeit sind weit drastischer, als es man glaubt. Anstatt den Völkern eine Art Lehrmeister zu sein, wurden diese systematisch unterdrückt und konsequent ausgebautet. Nach der Aufgabe der Kolonien überliess man diese Länder mit einer Menge an Problemen, viele davon erst durch die Kolonialherren selber geschaffen, wieder sich selbst. Imho hat das zu einer irreparablen Unterbrechung der Entwicklung geführt, was heute meist noch allzu deutlich ist. Es ist daher äusserst zynisch den Ländern der Dritten Welt die Fähigkeit abzuerkennen, sich weiterentwickeln zu können, wo man dies doch selber nachhaltig verhindert hat...
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Di, 15. Feb 2005, 17:21

Das Kolonialargument wird aber auch immer wieder vorgekramt, weil es eine bequeme Ausrede ist. Sonst müßte man sich vor Ort eingestehen, daß die Eliten in den Entwicklungsländern über Jahrzehnte hinweg nahezu vollständig versagt haben. Kleptokratien haben sich mit Militärdiktaturen abgewechselt, und ansonsten hat man häufig lieber Krieg geführt statt aufzubauen. Durch Verschweigen, beschönigen und durch absurde Theorien der führenden Politiker dort ist beispielsweise die AIDS-Epidemie überhaupt erst in die vernichtenden Dimensionen angewachsen, die sie heute hat.

Dem stehen ja durchaus gelungene Beispiele von Entwicklung gegenüber. Hongkong und Singapur sind Kolonien gewesen. Malaysia macht große Fortschritte. Südkorea und Taiwan hatten nicht gerade optimale Ausgangsvoraussetzungen, ebensowenig Libyen oder Ägypten. Auch Indien gibt in den letzten Jahren ordentlich Gas.
Nachdem sich die dortigen Regierungen endlich von den verschiedenen absurden Ideologien verabschiedet haben, und sich darauf konzentrieren, die Ausbildung der Bevölkerung voranzubringen, wächst dort auch die Wirtschaft beachtlich an. Gerade das wird hierzulande doch von einigen beklagt - daß Jobs abwandern in Billigohnländer. Das ist aber direkte Konsequenz einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik vor Ort. Es ist also möglich, trotz kolonialem Erbe. Und ehrlich gesagt, ich bezweifle, daß Kolonialpolitik mehr volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet hat als 80 Jahre kommunistischer Experimente im Osten. Diese Länder kommen zusehends wieder auf die Beine, und auch anderen Ländern wird es möglich sein, wenn sie ihre Hausaufgaben machen - und die Industrieländer ihren diskriminierenden Protektionismus aufgeben.
 
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Di, 15. Feb 2005, 21:25

Ssnake hat geschrieben:
Und ehrlich gesagt, ich bezweifle, daß Kolonialpolitik mehr volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet hat als 80 Jahre kommunistischer Experimente im Osten.
Kein Kommentar, das ist mir ehrlich gesagt zu billig...

edit: Dann leg mir doch mal ein paar Zahlen vor oder wenigstens grobe Schätzungen). OK, eine einfache Begründung würde mir am Ende auch reichen.

Diese Länder kommen zusehends wieder auf die Beine, und auch anderen Ländern wird es möglich sein, wenn sie ihre Hausaufgaben machen - und die Industrieländer ihren diskriminierenden Protektionismus aufgeben.
Und das hätte man nicht schon zum Ende der Kolonialzeit anschieben können? Die Staaten hatten doch schon Erfahrungen damit und hätten sicher verhindern können, dass bestimmte Fehler gemacht wurden. Das ist für mich "sozial", nämlich die Hilfe der Starken für die Schwachen. Ich rede nicht davon, dass man alles geschenkt bekommt, ich meine einen Umgang miteinander und Hilfe in Form von Erfahrungsaustausch.

Da haben wir uns aber jahrelang immer schön zurückgelehnt, nur um jetzt mit weit mehr Arbeit konfrontiert zu werden, als es eigentlich nötog gewesen wäre. Wenn ein Land wie Indien erst in den letzten Jahren "ordentlich Gas gibt" frage ich mich was die Engländer anderes gemacht haben sollen, als dieses Land auszubeuten. Keineswegs schiebe ich da irgendetwas auf eine Ausrede, die mir gerade zur hand kommt oder willst Du behaupten, dass die Regierung des unabhängigen Indien all die guten Werte der ehemaligen Kolonialherren über Bord warf und eine Rückentwicklung durchsetzte? Das meinte ich eben mit dem Zynismus...

btw: Ein Land das für mich richtig Gas gibt ist immer noch China und das trotz "kommunistischer Experimente". Allein die Lösung, wie man ausländische Investoren (und deren gibt es ja Viele) zum Wohl der inländischen Produktion einbindet, ist bemerkenswert und wird sich imho auszahlen. Dann werden wir ja sehen, ob eine gewisse Planwirtschaft (bleiben wir mal nur bei den Marktformen, in der Politik wird die Diskussion immer so schnell hässlich) wirklich dermaßen unterlegen ist. :)
Zuletzt geändert von Abdiel am Di, 15. Feb 2005, 21:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Mi, 16. Feb 2005, 11:37

Alles auf die Ausbeutung der Kolonialzeit zu schieben greift natürlich zu kurz, aber es hat sicher mit dazu beigetragen.
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Mi, 16. Feb 2005, 20:23

War ja klar, dass Ssnake mal wieder die Kommunisten-Keule auspackt. :D
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Mi, 16. Feb 2005, 21:37

Abdiel hat geschrieben:
Ssnake hat geschrieben:
Und ehrlich gesagt, ich bezweifle, daß Kolonialpolitik mehr volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet hat als 80 Jahre kommunistischer Experimente im Osten.
Kein Kommentar, das ist mir ehrlich gesagt zu billig...

edit: Dann leg mir doch mal ein paar Zahlen vor oder wenigstens grobe Schätzungen). OK, eine einfache Begründung würde mir am Ende auch reichen.

Ich versuch's mal mit einer Beispielrechnung. Ausgehend vom Jahr 1890 habe ich in Excel einfache Zinsrechnungen durchgeführt mit unterschiedlichen Annahmen. Für eine "typische Industrienation" habe ich ein konstantes Wirtschaftswachstum von 3% unterstellt. Für Rußland als Vertreter des ehemaligen Ostblocks habe ich unterstellt, daß vor der kommunistischen Revolution und nach 1990 jeweils das gleiche Wachstum möglich gewesen wäre wie in der Industrienation, zwischen 1918 und 1990 jedoch nur 1% Wirtschaftswachstum angesetzt. Für eine "typische Kolonie" habe ich hingegen bis zum Jahr 1960 nur 1% Wirtschaftswachstum angesetzt, danach dann mögliche 3%.

Dieses Modell ließe sich sicherlich verfeinern. Natürlich hat es Phasen mit stärkerem und schwächerem Wachstum gegeben, und zudem stelle ich darauf ab, was möglich gewesen wäre im Vergleich zu "der" Industrienation. Daß es anders gekommen ist, bestreite ich nicht - aber wir diskutieren ja auch die Frage, ob koloniale Ausbeutung der bestimmende Faktor für die heutige wirtschaftliche Schwäche der 3. Welt gewesen ist.

Setzt man nun zum Vergleich die Wirtschaftsleistung der drei Modelle im Jahr 1890 gleich 100, ergibt sich aus den genannten Wachstumsphasen für 2005 das Ergebnis, daß die Industrienation ihre Wirtschaftsleistung gegenüber 1890 nahezu verdreißigfacht hat, für Rußland ergibt sich der Wachstumsfaktor 7,16, für die ehemalige Kolonie der Faktor 7,59.

Insoweit sehe ich meine Vermutung in erster Näherung bestätigt.
 
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Mi, 16. Feb 2005, 22:56

Ssnake hat geschrieben:
aber wir diskutieren ja auch die Frage, ob koloniale Ausbeutung der bestimmende Faktor für die heutige wirtschaftliche Schwäche der 3. Welt gewesen ist.
Also ich tu das zumindest nicht. Es ging um die Frage, wie sich die Kolonialzeit und daraus erwachsene Problem nach deren Ende, auf die Weiterentwicklung der Länder ausgewirkt hat. Daraus resultieren dann am Ende ja auch die wirtschaftlichen Aufstiegschancen oder irre ich mich da jetzt?

Die Rechnung an sich ist interessant, wobei ich mich frage, ob die Wachstumsraten jetzt nur geschätzt sind oder tatsächlich im Mittel so lagen. Was auch keinerlei Beachtung findet ist dann noch die Verschuldung der Staaten. Wachstum ist zwar schön und gut, nur wird immer wieder verschwiegen, zu welchem Preis das immer wieder geschieht.

Zum Abschluss stellt sich auch noch die Frage, ob wir denn überhaupt die 30fache Wirtschaftskraft komplett benötigen. Jeder ist immer nur begierig auf weiteres Wachstum, nur um sich dann später einfach mit Überkapazitäten herumzuplagen.
Imho sieht man das zur Zeit mal wieder ganz gut bei uns in Deutschland. Mittlerweile decken sich einfach die Erwartungen an die Konsumenten, keineswegs mehr mit deren Bedarf. Diese massive Fehleinschätzung in vielen wachstumsverwöhntwen Branchen sorgt ja teilweise schon für viel Jammerei. Ein "kluges" Wachstum hätte da sicher Einiges verhindert, auch wenn man dann halt nur eine 15fache Steigerung hat...
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Do, 17. Feb 2005, 07:55

Ssnake unser Milchmädchen :wink:

Ich denke das ist alles rein hypothetisch, da können wir jetzt ewig darüber philosophieren was richtig und gut ist, da sind aber wahrscheinlich schon klügere Köpfe daran gescheitert.

Ich sehe das Scheitern des Kommunismus in Russland und der Erfolg des Kapitalismus in den USA und den beteiligten Ländern auch nicht als unbedingten Beweis für die Richtigkeit eines Systems. Die Vorraussetzungen waren in beiden Ländern ja völlig andere, vielleicht hätte ein kommunistisches Amerika auch funktioniert und ein kapitalistisches Russlandd wäre ebenfalls gescheitert?
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Do, 17. Feb 2005, 10:02

Mir juckt es in den Fingern, meinen Senf hier reinzuschmieren. Insbesondere Ssnakes Aussagen lassen doch ne Menge unter den Tisch fallen. In den letzten 100 und mehr Jahren sind es die großen Konzerne, Profitmaximierung ihre oberste und letztendlich einzige Maxime, die unsere Mutter Erde sowie ihre Bevölkerung ohne moralische Bedenken ausbeuten und uns glauben lassen, dies sei ganz natürlich und würde darüber hinaus natürlich dem Wohle aller dienen.

Natürlich freuen wir uns als Volk der Schnäppchenjäger, zu dem wir uns entwickelt haben, über die Fülle an preiswerten Produkten, aber wir beschäftigen uns nur selten damit, welchen versteckten Preis wir dafür zahlen.

Zum einen die moderne Form der Sklavenhaltung, die "Sweat Shops", wie die US-Amerikaner die Fabriken in der Dritten Welt bezeichnen. 7-Tage-Wochen, 16-Stunden-Schichten, Kinderarbeit, usw - und ob dies nachhaltigen Wohlstand für solche Staaten bringt, sei dahingestellt. Denn um ein paar Brotkrumen abzubekommen, unterbieten sich die Nationen mit ihren Angeboten gegenseitig, mit noch niedrigeren Löhnen, mit noch weniger Auflagen, mit militärischer Absicherung der Fabriken. Der Lohnanteil an den Produktionskosten ist auf ein Minimum abgesackt.

Dann könnte man noch den Abbau der Ressourcen an sich kritisieren - ohne Nachhaltigkeit, ohne Rücksicht auf die Natur. Wenn man sich nicht den Konzernen stellt, werden sie auch den letzten Baum abhacken und nebenbei durch die Weiterverarbeitung unsere Lebenselixiere Wasser und Luft hemmungslos verschmutzen. In der Betriebswirtschaftslehre spricht man von "externen Kosten" - und im Sinen der Profitmaximierung ist es natürlich nur wünschenswert, so viele Kosten wie möglich klammheimlich abzuschieben.

Und worauf wir auch nicht viel achten, ist dass Konzerne sich wirklich alles unter den Nagel reißen. Als die Wasserversorgung in einer kolumbianischen Stadt privatisiert wurde (und an ein US-amerikanisches Unternehmen ging), wurde es per Gesetz sogar verboten, Regenwasser zu sammeln. Jeder Einwohner musste sich an das nun teure Wassernetz anschließen lassen, sonst wurde ihm der Zugang zu öffentlichen Gebäuden (Krankenhäusern, Schulen, etc) verweigert. Für das beliebte Lied "Happy Birthday" hat sich jemand (genauer: die Clayton F. Summy Company) das Copyright gesichert - $ 10.000 sind nun eigentlich fällig, wenn man es in der Öffentlichkeit singt (zB wenn die Geburtstagsfeier nicht in einer kleinen, geschlossenen Gesellschaft stattfindet). Auch die Bausteine, aus denen sich Leben entwickelt, unsere Gene, werden nach und nach patentiert.

Die versteckten Kosten für unseren Wohlstand sind nicht zu unterschätzen - jeder zweite Mann, jede dritte Frau wird heutzutage früher oder später an Krebs leider, und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Industrialisierung daran schuld ist. Wir glauben natürlich, dass der technologische Fortschritt, die Masse an Produkten, die wir uns leisten können, ein Segen sei. Aber selbst das, könnte man argumentieren, wurde uns nur von den profitsüchtigen Konzernen eingeredet. Schließlich produzieren sie diese Güter und wollen sie auch an uns verkaufen - und spätestens dank der Massenmedien haben sie es geschafft, in uns Wünsche für immer mehr Produkte zu wecken, die wir eigentlich nicht brauchen.
 
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Do, 17. Feb 2005, 10:54

Alex hat geschrieben:
Die versteckten Kosten für unseren Wohlstand sind nicht zu unterschätzen - jeder zweite Mann, jede dritte Frau wird heutzutage früher oder später an Krebs leider, und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Industrialisierung daran schuld ist.


Ohne Industralisierung war die Lebenserwartung allerdings eine ganz andere als derzeit. Krebs & Co. der Industrialisierung in die Schuhe zu schieben, empfinde ich dann doch als etwas unfair und zu kurz gedacht.

Alex hat geschrieben:
Wir glauben natürlich, dass der technologische Fortschritt, die Masse an Produkten, die wir uns leisten können, ein Segen sei. Aber selbst das, könnte man argumentieren, wurde uns nur von den profitsüchtigen Konzernen eingeredet. Schließlich produzieren sie diese Güter und wollen sie auch an uns verkaufen - und spätestens dank der Massenmedien haben sie es geschafft, in uns Wünsche für immer mehr Produkte zu wecken, die wir eigentlich nicht brauchen.


Es steht ja jedem frei, sich von materiellen Werten zu entsagen und auf eine einsame Almhütte ohne technologischen Fortschritt zu verschwinden. Jeder wie er will.

Ich würde aber mal behaupten, dass unsere derzeitige Gesellschaft um einiges glücklicher als vor 100 oder 200 Jahren ist. Alleine schon deshalb weil uns der große Wohlstand erwiesenerweise in den letzten Jahren auch eine friedliche Zeit ohne Kriege bescherte.
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