Early hat geschrieben:ButtSeriously hat geschrieben: Man darf auch nicht den Fehler machen, die USA als kulturell-gesellschaftliche Einheit zu sehen. Der Graben zwischen dem liberalen Kalifornien und den erzkonservativen Öl-Texanern ist so tief, das wird man in der gesamten EU kaum so wiederfinden.
Haben die Amerikaner wirklich so unterschiedliche gesellschafts-politische Unterschiede in den verschiedenen Staaten?
In Kalifornien haben sie doch dieses strenge Raucher-Gesetz, oder? So liberal kann's dort also auch nicht zugehen.
Oder hast du liberal nur im Vergleich mit den anderen Bundesstaaten gemeint und nicht zB mit Holland oder anderen europäischen Länder verglichen?
Ich habe das schon im Vergleich zu den Europäern gemeint. Die Kalifornier sind im Großen und Ganzen ziemliche Linksliberale. Etwa so, als würde man die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der FDP mit dem Rest der Grünen kreuzen. Das Raucherregelungen (von denen ich manche gar nicht so übel finde

) sind halt so eine Art extrem-grüner Auswuchs - wenn's um Umwelt- und Gesundheitsthemen geht, hat der linke Flügel der Grünen ja auch schon mal so seine faschistoiden Tendenzen.
Und nochmal allgemein zum Reformstau unter Kohl: Ich kann ehrlich gesagt nicht so ganz verstehen, wie man einerseits die Blockade der SPD im Bundestag als positiv werten kann, gleichzeitig aber bemängelt, die CDU unter Kohl habe zuwenig verändert. Das ist, mit Verlaub, lächerlich, und ich kann auch ganz genau sagen, warum. Man muß nämlich nur einmal die von der CDU in der Legislaturperiode 90-94 propagierten Steuer- und Rentenreformen mit denen der Regierung Schröder vergleichen. Interessanterweise sind sie in den zentralen Punkten praktisch identisch - das einzige, was Rot/Grün hier besser gemacht hat, ist die Durchsetzung im Bundesrat zu bewerkstelligen, wobei Schröder und Eichel dabei aber ganz klar von einer (zum Glück!) damals so zerstrittenen CDU profitiert hat, die sich auf Landesebene gegen die Blockade-Order aus der Parteizentrale gestellt hat.
Was hat Rot/Grün an sinnvollen Dingen zustande gebracht, die auch auf ihrem Mist gewachsen sind? Vor allem den Atomausstieg/die allg. Umweltpolitik (abzüglich Ökosteuer) und einen zaghaften Reformbeginn im Landwirtschaftssektor (letzteres auch erst, als die BSE-Krise sich zuspitzte - aber das ist mir egal, Hauptsache es ist durch). Auch die grundsätzliche Balancevorstellung aus sozialer und marktwirtschaftlicher Komponente. Und v.a. hebt die SPD nicht in so übertriebenem Maße wie die Union Sicherheitspolitik über Rechtsstaat, Freiheit und Bürgerrechte - da hat vor allem die CSU schweren Nachholbedarf mit ihren reaktionären Vorstellungen. Wo hat Rot/Grün versagt? Bei der Justizreform (eine Katastrophe) und bei dem Punkt Körperschaftssteuer (ein kleines Detail, das im ursprünlichen Steuerreformentwurf der Kohl-Union besser war, da gab es nicht solche bescheuerten Schlupflöcher) - zuviele Zugeständnisse an die Großkonzerne auf Kosten des Mittelstandes.
Auch nicht alles, was die CDU/CSU propagiert hat ist schlecht - so z.B. die Aufforderung zum Abbau des Verwaltungsapperates durch Vereinfachung des Verordnungsgewirrs. Es ist nicht einzusehen, daß von 65.000 "Arbeitsvermittlern" nur 10.000 wirklich mit Arbeitsvermittlung beschäftigt sind (während die anderen die Arbeitslosenhilfe berechnen und sich selbst verwalten

), oder das Amt für Wasserstraßen 35.000 Mitarbeiter beschäftigt, die über neue Flußbegradigungen beratschlagen, während Städte im Hochwasser versinken.
Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001