KylRoy hat geschrieben:aktuell aber kommt die wirtschaft wunderbar ohne einen grossen teil der bevoelkerung aus und wird das immer weiter treiben. man kann diese "ausgestossenen" jetzt an den rand draengen und in armut leben lassen (aktuelle situation) oder sie werden anstaendig versorgt und bekommen die unbuerokratische moeglichkeit einer selbstgewaehlten beschaeftigung nachzugehen, wovon alle profitieren.
ich bin eindeutig fuer letzteres...
Junge, Du hast echt keine Ahnung, was Armut wirklich heißt.
Nebenbemerkung: Ich übrigens auch nicht. Ich bin groß geworden mit einem Haushaltseinkommen von auch in den 1970ern unter Sozialhilfesatz, und mir ist meine relative Armut gar nicht mal so sehr aufgefallen. Das lag vor allem natürlich an einem intakten familiären Umfeld und einer Nachbarschaft, in der ich mich ohne große Beschränkungen frei bewegen konnte. Ich weiß, daß es viele nicht so gut treffen, aber zumindest ist mir bewußt, daß es mir damals wie heute materiell blendend ging. Habe ich heute Millionen? Nein, und wer weiß denn schon, was morgen kommt.
Ja, ich habe viel Glück gehabt in meinem Leben und bin zudem nicht dumm und auch nicht faul. Ich wäre der letzte, der behaupten würde, daß man sein ganzes Leben voll im Griff habe - ganz bestimmt nicht, Glück gehört auch dazu. Ich denke aber auch, daß das Glück mit den Tüchtigen ist. Nicht immer, Garantien gibt es nicht, aber nach dem Gesetz der großen Zahl denke ich schon, daß Wahrheit im Spruch liegt "Sich regen bring Segen".
Weiter im Text. Der relative Armutsbegriff in Deutschland ist eine der Kernursachen, mit der ausufernden Sozialausgaben rechtfertigt werden. Wenn Armut immer "weniger als die Hälfte dessen, was dem Durchschnitt zur Verfügung steht" bedeutet, dann gibt es immer Bedürftigkeit, egal wie gut es allen geht.
Solidarität ist keine Einbahnstraße, die immer nur einzufordern ist, sondern es muß auch berücksichtigt werden, was denjenigen, die sie leisten sollen, zuzumuten ist. Zudem ist Deutschland keine geschlossene Volkswirtschaft - worauf ein Großteil unseres Wohlstandes beruht - so daß die praktische Erwägung hinzukommen muß, wie hinreichend attraktive Rahmenbedingungen geschaffen werden können, um keine Kapitalflucht zu motivieren.
Mich nervt diese Handaufhalte-Mentalität. "Mir geht's schlecht, gebt mir was."
Viele von denen, die dauerhaft arbeitslos sind, kommen ja nicht mal auf den Gedanken, sich ehrenamtlich irgendwo zu betätigen - im Sportverein beispielsweise, um attraktivere Freizeitangebote für Heranwachsende zu schaffen, damit die nicht den Glatzen von der NPD in die Arme laufen.
Ja, zweifellos, die Zeiten sind schwierig. Relativ gesehen. Wenn man vernachlässigt, daß es einen flächendeckenden Wohlstand gibt, der atemberaubend ist. Einige wandern aus Deutschland aus - in die österreichische Gastronomie, in die dänische Bauwirtschaft, nach Schweden in die Krankenpflege. Das sind die aktiveren unter den Arbeitssuchenden. Es muß ja auch nicht für immer sein, Freizügigkeit in Europa sei Dank. Wir alle genießen Freiheiten und Möglichkeiten, wie sie selten einer Generation in Europa zuteil wurden. Es muß doch mal deutlich gesagt werden, daß wir nicht das Jammertal der Welt sind. Das findet sich in Dafur, Nordkorea, Bangladesch. Ich will auch nicht sagen, daß keiner sich beschweren dürfe, solange er nicht auf das Niveau dort herabgesunken ist und Rinde von Bäumen knabbern muß, um am Leben zu bleiben. Aber diese totale Sicherheitsdenke, daß niemand je einen Verlust zu ertragen habe, daß es immer stets allen besser gehen werde, diese Vollkaskomentalität, daß die Gesellschaft alle Risiken zu übernehmen habe - das regt mich echt auf.
Und genau diese Mentalität steht auch hinterm Bürgergeld. Da kann mir jeder noch so viel erzählen von den vielen Bürokraten, die wir angeblich aus dem Staatsdienst entlassen werden, sobald erstmal alle Bedürftigkeitsprüfungen abgeschafft sind. Muahaha - wie weltfremd muß man sein um zu glauben, daß die tatsächlich alle nach Hause geschickt würden?
Das ist mit dem Dienstrecht nicht vereinbar, und das Fundament des Dienstrechts zu kippen, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Wer im Staatsdienst steht, bleibt da auch, solange er nicht freiwillig geht. Wenn er keine ALG-Anträge prüft, dann prüft er eben Bauantragsausnahmegenehmigungsverfahrensakten oder irgendwas anderes mehr oder minder Sinniges.
Was also höre ich von den Befürwortern des Bürgergelds zu den Argumenten, die ich im letzten Beitrag vorgebracht habe? Bislang gar nichts. Nur noch mal kurz zur Erinnerung:
Ein weiteres Problem ist das politökonomische Fundamentalproblem, daß jeder Wahlkampf zum Wettbewerb über das Versprechen höheren Bürgergelds würde. Der Widerstand wird im Allgemeinen gering ausfallen (schließlich bekommt ja auch jeder was zurück, nicht wahr? ...nutzt also allen!), die Tendenz zur stärkeren Besteuerung der Arbeitseinkommen oder des Konsums wäre kaum zu bremsen. In einer idealen Welt ließe sich das vielleicht lösen, aber nicht in unserer. Was ist mit Migration im Grenzgebiet? Schaffen wir einen Anreiz für europäische Mitbürger angrenzender Nationen, sich über einen (angeblichen) Erstwohnsitz in Deutschland Bezugsrechte für das Bürgergeld zu beschaffen?