Da das örtliche Lichtspielhaus Hero schon abgesetzt hat, bevor ich ihn mir ansehen konnte (grummel, grummel - na dann eben auf DVD), ich aber schon unter akutem Kino-Entzug leide, bin ich eben ausgewichen, und zwar auf "The Hulk". Man könnte ferner liegen, denn immerhin kommt man von Hero noch in drei Schritten zum grünen Wüterich: Hero ist genreverwandt mit Crouching Tiger, Hidden Dragon, Tiger&Dragon ist von Ang Lee und Ang Lee hat auch bei Hulk Regie geführt.
Hören damit die Gemeinsamkeiten auf? Auf den ersten Blick vielleicht, auf den zweiten dann doch nicht. Tatsächlich können die Action-Szenen eine stilistische Verwandtschaft mit Tiger&Dragon kaum verleugnen. Bevor jetzt jemand hastig zum nächsten Kino rennt, hier meine Warnung: Sie funktionieren trotzdem nur mäßig. Denn wenn statt Menschen ein riesiger grüner Klops wie ein überdimensionaler Laubfrosch durch die Gegend hüpft... nun ja, vielleicht liegt's an mir, aber irgendwie kam mir das Wort "lächerlich" doch immer mal wieder in den Sinn.
Überhaupt konnte mich die Darstellung von Mr. Green nicht gänzlich überzeugen. Obwohl er ohne Zweifel brilliant animiert ist und sich exzellent in die Umgebung einfügt, sieht er bei Tageslicht etwas sehr plastikartig aus - das hat ILM schon einmal besser hinbekommen. Ein Lob erhalten die Grafiker aber dafür, wie gut sie die Mimik von Hauptdarsteller Eric Bana auf den Hulk übertragen haben: Man erkennt ihn wirklich wieder. Auch die Emotionen wirken nicht aufgesetzt, sondern werden durchaus gelungen vermittelt.
Womit ich auch bei der großen Stärke von The Hulk wäre: Die Charakterszenen - für Comicverfilmungen ein klarer Fall von verkehrter Welt - stehlen den Actionsequenzen ganz klar die Show. Das liegt zum einen an der sehr guten Besetzung: Eric Bana, Jennifer Connelly und Nick Nolte verleihen ihren Figuren in den von Ang Lee gewohnt sorgfältig inszenierten Dialogen bemerkenswert viel Tiefe. Daß dies überhaupt möglich ist, verdankt sich auch der wohltuend gelungenen Story, die ein griechisches, analystisches Drama alá König Ödipus mit der bekannten Jeckyll&Hyde -Story verwebt - und es funktioniert.
Zu dieser ungwöhnlichen Mischung gesellt sich eine ebenso ungewöhnliche Mischung aus Bildkomposition und Schnitt. Während sich Bryan Singer mit seinen X-Men-Filmen und ihrem "Casual-Look" so weit wie möglich von typischer Comic-Ästhetik distanziert, stellt Ang Lee sie auf faszinierende Weise in den Vordergrund: Mit ineinander überblendenden Einstellungen, Flash-Cuts, Wischblenden und dem exzessiven Gebrauch von Bildteilung, der auf der Kinoleinwand die Kastenstruktur der Comicseite spiegelt - fehlen nur noch die Sprechblasen.
Insgesamt hat mir The Hulk gut gefallen, aber der überdrehte Riesenlaubfrosch, der durch den Grand Canyon hoppelt, nimmt der Dramatik leider immer wieder den Wind aus den Segeln, besonders da die Gelegenheit, das Geschehen ein wenig zu ironisieren, leider kaum genutzt wurde. Aber die Geschichte und die faszinierende Bildästhetik haben mich überzeugt. Ein massentauglicher Film ist The Hulk bestimmt nicht, was mich zu der Frage führt, ob das Absicht war: Entweder wollte Ang Lee einen Mainstream-Sommerblockbuster produzieren und es ist ihm nicht richtig gelungen, oder er hat ganz einfach mal so eben das amerikanische Studiosystem unterlaufen und einen 100-Mio.-Dollar-Film mit Ecken und Kanten produziert. Sollte letzterer Fall zutreffen - mein Kompliment. Und wenn nicht, dann war's eben ein Glückstreffer - soll mir auch recht sein.
Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001
Abdiel