
Ich verrate von der Handlung weniger als die meisten anderen Kritiken im Netz, lege aber die Ausganssituation der Story doch kurz dar. Wer also völlig ungespoilert ins Kino gehen will (ich denke da an Cloud, der ja etwas in der Richtung gesagt hat, sollte besser nicht weiterlesen!
Star Trek - Nemesis
Trekkies aller Welt, vereinigt Euch! Und zwar in den Kinos, denn am 23. Januar startet “Nemesis”, das vierte Abenteuer der Crew aus der bekannten TV-Serie “Star Trek - The Next Generation”, auch in deutschen Kinos.
Unter Cineasten gibt es schon länger einen Grundsatz: Star Trek-Filme mit geraden Nummern sind immer besser als solche mit ungeraden. Diese leicht abergläubisch anmutende Weisheit ist alles andere als unumstritten, scheint aber, wenn man die Meinung der Mehrheit zu Grunde legt, erstaunlicherweise nicht einer gewissen Wahrheit zu entbehren. So galt “Generations” (Nummer Sieben), der erste post-Kirk Auftritt der Mattscheiben-Raumfahrer, 1995 als durchwachsen, wenngleich nicht schlecht. Der Ende 1996 in die Kinos gekommene Nachfolger “First Contact” (Nummer Acht) hat hingegen den Ruf, eines der besten Star Trek-Abenteuer überhaupt zu sein - wenn nicht sogar das beste überhaupt. Nummer Neun, “Insurrection”, wurde dann schon wieder um einiges kontroverser diskutiert.
So waren die Erwartungen, die an “Nemesis” gerichtet wurden, schon über ein Jahr im Vorraus enorm. Als dann noch bekannt wurde, daß John Logan, seines Zeichens Oskar-nominierter “Gladiator”-Autor, hoffnungsloser “Next Generation”-Fan und nach Meinung vieler Kritiker einer der talentiertesten Nachwuchsautoren Hollywoods, das Drehbuch schrieb, steigerte sich die Vorfreude ins schier Unermeßliche.
Das stellt den Film vor keine sonderlich einfach Aufgabe. Noch dazu hat “Nemesis” das Problem, in einem nicht gerade Trek-freundlichen Kritikerklima vom Stapel gelassen zu werden: Das Franchise steht bei den selbsternannten Kulturwächtern Amerikas schon seit dem Tod seines Erfinders Gene Roddenberry im Jahre 1991 auf der Abschußliste - alles, was von dessen Nachfolger Rick Berman aus der Taufe gehoben wurde, hat den Ruf, nicht mehr als ein armseliger Abklatsch uralter Ideen zu sein, der sich im Glanz längst vergangener Geniestreiche Roddenberrys sonnt. Zugegebenermaßen trug der mit schwachen Quoten dahindümpelnde TV-Rohrkrepierer “Star Trek - Voyager” nicht gerade viel dazu bei, dies zu widerlegen. Aber auch generell scheint vielen auf die Bush-Ideologie gleichgeschalteten Zeitungsredakteuren die warhmherzige Moral, die in jeder Folge und jedem Film mitschwingt, nicht mehr so recht in den Kram zu passen.
Wenn es nach Berman geht, soll “Nemesis” diesem Dilemma endlich ein Ende bereiten und allen Schandmäulern beweisen, daß Star Trek noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Seine zweite Wunderwaffe zu diesem Zwecke neben Autor Logan ist Stuart Baird. Als Cutter oskarprämiert und unumstritten einer der Besten seiner Zunft, steht er als Regisseur eher im Ruf, ein technischer Routinier mit wenig originellen Einfällen zu sein. Da diese ohnehin Logan liefern soll, muß das nicht unbedingt ein Nachteil sein. Die Mischung aus kreativem Skript und handwerklich perfektem Szenen-Dirigenten ging schon bei den Star Wars-Abenteuern “The Empire strikes back” und “Return of the Jedi” auf. Des weiteren bildet er ein gutes Gegengewicht zum Fan Logan, denn nach eigenem Bekunden kannte er, bevor er den “Nemesis”-Job übernahm, nicht eine einzige Folge der Fernsehserie.
“Nemesis” stellt erstmals eine Alien-Spzies in den Vordergrund, der bislang eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde: Die Romulaner. Diese entfernten Verwandten der wohlbekannten, durch und durch logischen Vulkanier, sind weit weniger friedliebend als ihre Vettern aus der Föderation. Statt dessen gehören Verschlagenheit und Tücke im Umgang mit ihren Feinden zum Tagesgeschäft. Doch diesmal wird der romulanische Sentat selbst Opfer einer Intrige: In einem hinterhältigen Attentat wird er kurzerhand komplett ausgelöscht. Der geheimnisvolle Shinzon (einfach fantastisch: Der Newcomer Tom Hardy) übernimmt die Macht. Unterstützt wird er dabei von den Remanern, furchterregenden Wesen, die auf Romulus‘ Schwesterplanet Remus in ewiger Dunkelheit leben und von den Romulanern über Jahrhunderte hinweg gnadenlos zu mörderischer Arbeit in tiefen Bergwerken angetrieben wurden. Jetzt scheint die Zeit der Rache nahe - scheinbar aber nur an ihren spitzohrigen Unterdrückern, denn der Vereinten Föderation der Planeten bietet Shinzon überraschend Frieden an. Doch wie ehrlich ist das Angebot? Die Enterprise unter dem Kommando von Captain Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) soll der Sache auf den Grund gehen. Doch um die Ausgangssituation noch einen Tick komplizierter zu gestalten, empfängt die Enterprise zuvor erstmal ein positronisches Signal von einem Planeten nahe der neutralen Zone, die das romulanische Reich von der Föderation trennt - sollte es dort womöglich einen weiteren Androiden vom Typ Datas (Brent Spiner) geben?
“Nemesis” hat, für eine moderne Hollywood-Produktion des SF-Genres, einen eher ungewöhnlichen Rhythmus: Er beginnt langsam und ruhig, mit wenig Schießerei und vielen Charakterszenen, nur um die aufgestaute Spannung dann in der zweiten Hälfte in Non-Stop-Action zu entladen. Dank der exzellenten Arbeit des Effektstudios Digital Domain sieht das Spektakel dabei besser aus, als je zuvor in einem Star Trek-Film.
Doch “Nemesis” würde wohl den Geist Gene Roddenberrys gründlich untergraben, wenn tolle Optik in den Mittelpunkt des Streifens gestellt worden wäre. Für den Trek-Erfinder waren immer die Charaktere zentral - und so folgt auch der Film pflichtschuldigst diesem Grundsatz. Sogar nach Fan-Maßstäben, denn als eine der ersten Amsthandlungen gibt Logan dem Affen Zucker, und zwar in Form eines von vielen Trekkies schon lange herbeigesehnten Ereignisses, in dessen Rahmen es zahlreiche Mini-Cameos von mehr oder weniger beliebeten Serien-Figuren gibt (wie z.B. Guinan, Dr. Pulaski und Wesley Crusher). Die Dialoge sind dabei von schwankender Qualität: Meistens sind sie pointiert und intelligent, manchmal werden aber schon fast Dümmlichkeiten verzapft, und das auch noch in einem Ton, als wären es weltbewegende Weisheiten. Bei den meisten Figuren geht sowas in die Hose, Patrick Stewart und Tom Hardy schaffen es aber sogar, diese Zeilen mit solcher Überzeugungskraft zu überstehen, daß sie kaum negativ auffallen.
Überhaupt gehören die schauspielerischen Leistungen zu den Highlights von “Nemesis”. Stewart spielt gut wie eh und je, wenngleich er gelegentlich ein wenig müde wirkt, was aber angesichts der Situationen, in die er kommt, durchaus paßt. Trotzdem vermißt man hin und wieder das Feuer, mit dem er noch in “First Contact” zu Werke ging. Brent Spiner meistert eine schwierige (Doppel-)Rolle mit Bravour, und führt dem Zuschauer damit mal wieder lebhaft die Ungerechtigkeit der Traumfabrik vor Augen: Daß dieser hochtalentierte Mime keine nennenswerte Karriere jenseits von Star Trek gemacht hat, während Backfische mit dem Charisma eines Käse-Crackers weltberühmt werden, ist mehr als bedauerlich. Die Entdeckung des Films ist aber zweifellos der junge Brite Tom Hardy, der als Gegenspieler Picards in den gemeinsamen Szenen mit Stewart zu beeindruckender Form aufläuft und eine Aura verbreitet, die wohl jedem eine wohlige Gänsehaut bescheren wird. Von diesem Mann wird man wohl noch öfter hören. Der Rest der bekannten Darstellerriege spielt so, wie man es erwarten würde: Mit traumwandlerischer Sicherheit streifen alle ihre vertrauten Rollen über wie einen alten Anzug und machen routiniert das beste aus dem, was Logan ihren Charakteren an Zeit gewährt.
Insgesamt verbreitet “Nemesis” die wohl bedrückendste Atmosphäre aller Filme der Reihe. Manche Einstellungen muten durch Beleuchtung und dezente musikalische Untermalung geradezu apokalyptisch an, als lauere der Tod in jeder Ecke. Dieser ganzen Düsternis setzt Logan zur Auflockerung den Trek-typischen Humor entgegen - ganz in der Tradition seiner drei Vorgänger, aber erheblich maßvoller eingesetzt als noch in “Insurrection”, der zeitweise wie eine halbe Komödie anmutete.
Wenngleich die Ironie zusammen mit den dunklen Tönen und der üblichen Moralbotschaft eine höchst gelungene Balance hervorbringt, vermag sie einen aufgeweckten Zuschauer nicht ganz davon abzulenken, daß die Enterprise auf ihrem jüngsten Flug doch ein paar wenig plausible Handlungselemente zu umschiffen hat, die jedoch nicht wirklich ins Gewicht fallen - es sei denn, man ist Hardcore-Trekkie, denn dann könnte man bei einer Szene, die nicht wirklich im Einklang mit der “obersten Direktive” steht, doch etwas irritiert sein. Allgemein etwas negativer fällt die inkonsistente Charakterzeichnung von Shinzon auf. Ist er die meiste Zeit über noch der mit Abstand vielschichtigste und interessanteste Bösewicht, den Star Trek je hervorgebracht hat, verflacht er später leider zunehmends.
Die Action-Szenen sind tadellos inszeniert; vor allem eine spektakuläre Raumschlacht, die ein fabelhaftes Gefühl für die Größe der involvierten Schiffe vermittelt. Die Kameraarbeit wiederum ist routiniert und gelungen, erreicht aber leider nur selten die Brillianz der Bilder, die Regisseur Jonathan Frakes und sein Kameramann Mathew Leonetti in “First Contact” auf die Leinwand zauberten. Dafür weiß Jerry Goldsmiths Soundtrack mit einer beeindruckenden Mischung aus Gefühl, Düsternis und harter Action-Musik uneingeschränkt zu begeistern - seine beste Arbeit seit langer Zeit.
Was bleibt unterm Strich übrig? Auf jedenfall ein sehr guter Film, der auch, oder vielleicht sogar besonders Nicht-Trekkies mit Faible für Science Fiction gefallen dürfte. Falls “Nemesis” wirklich, wie die “Tagline” andeutet, der letzte Film der TNG-Crew wird, ist er darüber hinaus auch ein würdiger Abschluß mit höchst emotionalem Ende und eine Bestätigung der Regel von den besseren “geraden” Trek-Filmen. Doch wird er dem Hype gerecht? Kaum, wenn man bedenkt, daß viele Fans angesichts der Verpflichtung von John Logan schon von einem Meisterwerk mit Oskarchancen in den Hauptkategorien fabulierten. Wer jedoch nicht mit überhöhten Erwartungen ins Kino geht, wird auch nicht enttäuscht wieder herauskommen.
Bleibt noch die Frage, wie der Film im Verhältnis zu seinen Vorgänern abschneidet. “Generations” und “Insurrection” sind definitv weit abgeschlagen. “First Contact” erscheint qualitativ etwas ausgeglichener als “Nemesis”. Dafür läßt letzterer das Borg-Abenteuer in seinen besten Momenten sogar noch deutlich hinter sich.
8/10 Punkten
Anmerkung: Das ist jetzt eine "harte" Wertung. Mein Spaßfaktor als Trek-Fan war bei diesem Streifen enorm und eher im 10er-Bereich.

Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001