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Ssnake
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Mo, 30. Dez 2002, 06:46

Zweifellos - sie können einem Angst machen. Aber: Wenn sie gar zu dreist werden wie vor ein paar Monaten beim Irak, und sich ihnen dann buchstäblich ALLE Staaten mit Ausnahme Großbritanniens entgegenstellen, beeindruckt das auch die gegenwärtige Führung der USA. Vielleicht bekommt Herr Bush junior ja noch seinen Krieg, wenn der Irak einen dummen Fehler macht, aber hinsichtlich der Unterstützung ihrer Außenpolitik (die auch innerhalb der USA weit weniger unumstritten ist, als es nach außen den Anschein hat) haben sich Bush, Cheney und Rumsfeld doch verschätzt.

Bislang hat sich das Recht durchgesetzt, und nicht die Macht - für mich ist das das entscheidende Signal.
 
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Abdiel
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Do, 2. Jan 2003, 16:36

Holla!

Gut, werden wir eben konkret...

Mal das Letzte zuerst: Denkst Du wirklich Bush hat den Krieg nicht angezettelt, nur weil sich Dutzende Staaten dagegen ausgesprochen haben? Ich jedenfalls nicht, auf politische Statements anderer Staaten hat Washington schon viel zu oft keinen Pfifferling gegeben. Das einzige Argument, das einem Krieg im Wege stand und weshalb selbst der Präsident der USA (die "Weltpolizei" schlechthin) zögerte ist schlicht und ergreifend das finanzielle Risiko, welches in dem Falle die USA ganz allein tragen müsste. Nichts anderes würde mir einfallen, was diesem Texaner Einhalt geboten hätte!

Zum zweiten Punkt: Du sagst Europa sei ein ziemlich ruhgies Pflaster, bei Deiner Aufzählung wird aber schnell klar, dass hier die Situation ganz anders ist. Nirgendwo sonst auf dieser Welt liegen so viele Staaten auf engen Raum beieinander. Da bekommen selbst kleinste Konflikte und dazu zähle ich Jugoslawien nun einmal eine viel grössere Bedeutung, als zum Beispiel in den Weiten des asiatischen Raumes. Sehr wohl haben wir eine Vielzahl an politisch stabilen Staaten hier und auch der Extremismus auf Regierunsebene hält sich in Grenzen. Nur leider nützt dies nichts, wenn selbst kleinere Krisen eine ganze Region destabilisieren können. Das haben wir hier in Europa ja schon des öfteren erlebt und nur weil es heute seltener passiert ist es für mich keinesfalls der Beweis für die gestiegene Sicherheit. Wie Du selbst sagst, war Europa in den letzten Jahrhunderten häufigster Kriegsschauplatz (zählt man Konflikte aufgrund von Kolonialpolitik dazu ist Europa fast der einzige Grund für Konflikte) und auch vor hunderten von Jahren gab es Frieden, Wohlstand (sogar teilweise mehr als heute) und Glückseligkeit, das Argument greift also nicht so ganz...

Du beschreibst, dass die Aussenpolitik unseres Landes auf ethischen Grundlagen fusst und das stimmt sicher auch. Nun haben wir ein Wirtschaftssystem in dem Ethik eher fehl am Platze ist und ein Staat repräsentiert mit seiner Politik nun mal seine Einwohner und damit auch deren wirtschaftlichen Interessen. Nun stellt sich die Frage, wie dies zu vereinbaren ist. Wo zieht man da die Linie zwischen ethischer Verpflichtung und wirtschaftlichen Interessen? Wer entscheidet überhaupt welcher Konflikt uns nun etwas angeht und wo wir uns heraushalten sollen?
Ein Teil dieser Entscheidungen fällt uns sicher leichter, da wir Mitglied eines Militärbündnisses sind. Aber selbst dort treten Interessenskonflikte und auch ethische Fragwürdigkeiten (Kosovo?) auf. Und was tut man in dieser Situation?
Schliesslich haben wir auch noch die UNO, die eigentlich am Besten geeignet wäre eine objektive Einschätzung zu Konflikten zu geben und auch angemessene Massnahmen in Gang setzen könnte. Nur passiert das auch?

Wenn Du uns, also die Menschheit oder zumindest eine kleinen Teil davon, als halbwegs gebildet und mit ethischen Grundsätzen behaftet ansiehst und dann einen Blick in die Welt wirfst um die Situation, sowohl von der Ordnung als auch beim Umgang mit Konflikten, zu beurteilen, hast Du dann das Gefühkl wir hätten grosse Fortschritte gemacht? Du willst das ernsthaft behaupten?

Noch ein paar kleine Zitate:
Ssnake hat geschrieben:
Die Frage stellt sich jedoch, ob man auf eigenes Handeln verzichten sollte (oder gar darf), weil man die moralische Integrität bedroht sieht

Es stellt sich als erstes die Frage, ob die Handlung, also das Eingreifen, moralisch unbedenklich ist und das nicht nur vom eigenen Standpunkt her. Und ausserdem müsste man dann immer eingreifen, wenn diese Situation gegeben ist! Machen wir das oder "differenzieren" wir? Und nach welchen Kriterien geschieht das dann?
Ssnake hat geschrieben:
Darf man Hilfe unterlassen, nur weil der schlechte Ruf eines Mithelfers auf einen abfärben könnte?

Lass mich anders fragen: Darf man mithelfen, wenn ein Mithelfer fragwürdige Motive verfolgt? Soll man seinen Bündnisverpflichtungen nachkommen, selbst wenn man gegen eine "Weltordnung" verstösst?

Du sprichst ausserdem die positven Aspekte der politischen "Globalisierung" an, verweigerts aber anscheinend den Blick für die offensichtlichen Nachteile. Ein schönes Beispiel gibt da der Ostblock, insbesondere aber die ehemalige UdSSR ab. Wie dort regionale "Unstimmigkeiten" geregelt werden ist doch keineswegs die Lösung! Stell ich mir diese Situation nun einmal in Europa oder den USA vor, wird das Ergebnis dennoch nicht anders ausfallen. Natürlich kann man ausreichend diskutieren wessen Schuld das nun ist und ob nun der Urheber mit seinen Extremen eben Extreme der Obhut ausübenden Obrigkeit provoziert oder aber die Obrigkeit nicht in der Lage ist auf Konflikte anderweitig zu reagieren (zum Streit gehören nunmal Zwei!). Eine adequate Lösung solcher Probleme, die auch ethisch und moralisch vertretbar sind sehe ich derzeit noch nicht und das ist eigentlich eine grosse Enttaüschung, wo wir doch so zivilisiert sind...

mfg
:borg: Abdiel

PS: Ich wollte eigentlich auch eher theoretisch an das Thema gehen, da es bei konkreten Beispielen oftmals keinen objektiven Standpunkt gibt!
People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing. (Florence Foster Jenkins)
 
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Do, 2. Jan 2003, 23:37

Gut, daß wir konkret geworden sind - weil es offenkundig einige vollkommen gegensätzliche Weltwahrnehmungen bei uns gibt, was ich schon vermutet habe. Wir gehen in ein paar Dingen einfach grundsätzlich auseinander, was es uns nicht erlaubt, über die konkrete Frage sinnvoll zu diskutieren, bevor wir nicht eine gemeinsame Basis gefunden haben.

Im Einzelnen:
Abdiel hat geschrieben:

Mal das Letzte zuerst: Denkst Du wirklich Bush hat den Krieg nicht angezettelt, nur weil sich Dutzende Staaten dagegen ausgesprochen haben?
Ich glaube, daß es eine Vielzahl von Gründen gab, die bislang von der Eröffnung der bewaffneten Auseinandersetzung abgehalten haben
  1. Propaganda
    Zunächst muß es eine grundlegende Bereitschaft der Bevölkerung in den USA geben, einen Waffengang zu unterstützen. Vor dem 11. September 2001 fehlte dieser Wille - zumindest im Falle des Irak.
  2. Praktische Gründe
    Obwohl die USA bis zum Sommer 2002 nach wie vor starke Luftstreitkräfte über die Flugzeugträger und nahegelegenen Basen in der Golfregion hatten, war dies unzureichend, um mit Erfolgsaussicht die militärische Durchsetzung des angestrebten Regimewechsels zu erzwingen. Man findet Saddam nicht aus der Luft, man muß schon ein paar Grenadiere hinschicken, und das ist sehr, sehr aufwendig.
  3. Politischer Widerstand
    Sicherlich ist die mangelnde Bereitschaft der Verbündeten, einen Krieg gegen den Irak zu unterstützen, nicht der einzige, womöglich nicht mal ausschlaggebende Grund, aber es beeinflußt die Entscheidung sehr wohl. Einerseits, weil Politik die Kunst des Machbaren ist - und es durch die Mitarbeit von Verbündeten natürlich einfacher, also "machbarer" wird - andererseits weil anhaltender Widerstand auch Rückwirkungen auf den ersten Punkt hat, also die Überzeugung der eigenen Bevölkerung von der Notwendigkeit eines Krieges.
Das von Dir angesprochene "finanzielle Risiko" sehe ich nicht. Allerdings könnte, wenn sich die Verbündeten frecherweise weigern sollten, Friedenstruppen zum Aufräumen zu schicken, die Besetzung des Irak eine Menge Kräfte binden, die dann an anderer Stelle fehlen. Die USA stehen ja vor dem Problem einer imperialen Überdehnung, auch wenn der gegenwärtige US-Präsident möglicherweise nicht die intellektuelle Kapazität hat, die konsequenzen dieser Tatsache zu überblicken (das hat er dann aber wiederum mit seinem Volk gemein).
Zum zweiten Punkt: Du sagst Europa sei ein ziemlich ruhgies Pflaster, bei Deiner Aufzählung wird aber schnell klar, dass hier die Situation ganz anders ist. Nirgendwo sonst auf dieser Welt liegen so viele Staaten auf engen Raum beieinander. Da bekommen selbst kleinste Konflikte und dazu zähle ich Jugoslawien nun einmal eine viel grössere Bedeutung, als zum Beispiel in den Weiten des asiatischen Raumes.
Europa ist also unruhiger als die Kaukasus-Region, die sich ja nach Deinem geografischen Verständnis in der Weite asiatischer Steppe verliert...?
Oder als Pakistan/Indien, Tibet/China, Afghanistan, Sri Lanka, Nord- und Südkorea, und die indonesische Inselwelt mit ihren Piraten und marxistischen oder moslemischen Rebellen?
Wie Du selbst sagst, war Europa in den letzten Jahrhunderten häufigster Kriegsschauplatz (zählt man Konflikte aufgrund von Kolonialpolitik dazu ist Europa fast der einzige Grund für Konflikte) und auch vor hunderten von Jahren gab es Frieden, Wohlstand (sogar teilweise mehr als heute) und Glückseligkeit, das Argument greift also nicht so ganz...
Eine ziemlich eurozentristische Sichtweise... in anderen Gebieten der Welt hat es auch reichlich gekracht, ist ja nicht so als wären die Europäer von Natur aus feindseliger und kriegerischer als andere Völker. Und der absolute Wohlstand von heute ist unvergleichbar. Natürlich hat es zu Zeiten der alten Römer schon Leute gegeben, die einen dem heutigen Lebensstandard vergleichbaren Luxus genießen konnten - aber das waren die seltenen Ausnahmen, nicht die Regel.
Auch hat es Zeiten gegeben, in denen der relative Wohlstand - also die Streuung des Reichtums über die Gesamtbevölkerung - in einzelnen Regionen ähnlich war wie heutzutage. Jedoch hat es niemal zuvor soviel absoluten Reichtum für so viele Menschen über einen so langen Zeitraum gegeben wie heutzutage in Europa. Es ist wichtig, sich das vor Augen zu halten - der wirtschaftliche Erfolg Europas seit dem Ende des 2. Weltkriegs ist grandios und ohne jedes Beispiel in der Geschichte der Menschheit. Niemals zuvor in der gesamten Menschheitsgeschichte ging es so vielen Menschen so gut wie uns heute!
Du beschreibst, dass die Aussenpolitik unseres Landes auf ethischen Grundlagen fusst und das stimmt sicher auch. Nun haben wir ein Wirtschaftssystem in dem Ethik eher fehl am Platze ist
Hier offenbart sich ein Fundamentalkonflikt zwischen uns beiden, der vermutlich unaufhebbar ist. Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, wie Du zu diesem Unwerturteil über unsere Wirtschaftsordnung kommst. Ich will da auch keine Vermutungen über Bildung, Geisteszustand, politische Grundorientierung o.ä. äußern, damit kann ich mich ja nur in die Nesseln setzen. :roll:
Wo zieht man da die Linie zwischen ethischer Verpflichtung und wirtschaftlichen Interessen?
Wie angedeutet, ich sehe da keinen Konflikt. Da mußt Du mir schon erklären, was an marktwirtschaftlichem Handeln an sich "unethisch" sein soll.
Wer entscheidet überhaupt welcher Konflikt uns nun etwas angeht und wo wir uns heraushalten sollen?
Das läßt sich relativ leicht entscheiden. Berührt der Konflikt fundamentale Werte unserer Gesellschaftsordnung wie den in der UNO-Menschenrechtscharta niedergelegten Grundsätzen? Falls ja, haben wir die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mittel, um einzugreifen? Falls ja, so soll man es tun. Falls die wirtschaftlichen und militärischen Mittel fehlen - wie kann man diese Mittel erwirtschaften, damit man beim nächsten mal nicht wieder mit runtergelassenen Hosen erwischt wird?
Ein Teil dieser Entscheidungen fällt uns sicher leichter, da wir Mitglied eines Militärbündnisses sind.
Die Frage der Mitgliedschaft in einem System kollektiver Selbstverteidigung ist doch absolut zweitrangig, soweit man sich auf die grundsätzlichen Fragestellungen konzentriert, deren Beantwortung ergibt, ob man eingreifen soll oder nicht. Erst wenn es um die praktischen Fragen der eigentlichen Umsetzung geht, kann ein solches Bündnis Auswirkungen aus die Ausformung des Handelns haben.
Übrigens ist Deutschland Mitglied in mehreren Militärbündnissen, mir fallen auf Anhieb die NATO und die WEU ein.
Aber selbst dort treten Interessenskonflikte und auch ethische Fragwürdigkeiten (Kosovo?) auf.
Die angedeuteten "ethischen Fragwürdigkeiten" müßtest Du mir nochmal näher erläutern, bevor ich darauf eingehen kann.
Schliesslich haben wir auch noch die UNO, die eigentlich am Besten geeignet wäre eine objektive Einschätzung zu Konflikten zu geben und auch angemessene Massnahmen in Gang setzen könnte. Nur passiert das auch?
Der Konjunktiv in Deiner Bemerkung deutet an, daß Du nicht dieser Meinung bist und voraussetzt, daß alle Deiner Meinung sind. Ich würde es hingegen begrüßen, wenn Du Deine Ansichten ohne Konjunktiv einfach aussagen würdest, und sie womöglich noch begründen könntest. Denn nur anhand konkreter Argumentation kann man auch zu konkreten Diskussionsergebnissen kommen.
Wenn Du uns, also die Menschheit oder zumindest eine kleinen Teil davon, als halbwegs gebildet und mit ethischen Grundsätzen behaftet ansiehst und dann einen Blick in die Welt wirfst um die Situation, sowohl von der Ordnung als auch beim Umgang mit Konflikten, zu beurteilen, hast Du dann das Gefühkl wir hätten grosse Fortschritte gemacht? Du willst das ernsthaft behaupten?
s.o.
Du deutest wieder bedeutungsschwanger große Einsichten an, ohne sie konkret zu formulieren und zu begründen. Ich habe in meinen Beiträgen zuvor deutlich gemacht, warum ich gute Gründe sehe, daß die Zukunft eher besser als die Gegenwart und Vergangenheit ausfallen wird, daß die Verrechtlichung von Konflikten langfristig an Bedeutung gewinnt und wir mit der Schaffung des internationalen Gerichtshofs für völkerrechtliche Fragen einem Meilenstein der Geschichtsschreibung beiwohnen.

Für mich sind das eindeutige Fortschritte in der Organisation der globalen Gesellschaftsordnung. Ich glaube zwar nicht, daß die Menschen als solche besser geworden sind, wohl aber, daß eine gute Bildung die Einsichtsfähigkeit der Völker erhöht und damit den Widerstand stärkt, mittels bewaffneter Konflikten die Käfte mit den Nachbarn messen zu wollen. Auch das sei gänzlich ironiefrei ein "Fortschritt" genannt.
Ssnake hat geschrieben:
Die Frage stellt sich jedoch, ob man auf eigenes Handeln verzichten sollte (oder gar darf), weil man die moralische Integrität bedroht sieht

Es stellt sich als erstes die Frage, ob die Handlung, also das Eingreifen, moralisch unbedenklich ist und das nicht nur vom eigenen Standpunkt her.
Vielleicht sollten wir erstmal klären, welchen Vorstellungen von Moral und Ethik wir beide angehören. Ich könnte mir vorstellen, daß wir schon allein deswegen nicht einer Meinung sind, weil wir unterschiedlichen Vorstellungen darüber anhängen.
Um den Rahmen dieser Diskussion nicht zu sprengen schlage ich vor, dafür einen neuen Thread zu öffnen. Wenn Du magst.
Ich kann schon mal andeuten, daß ich den Vorstellungen von Kurt Baier (1958) zuneige.
Und ausserdem müsste man dann immer eingreifen, wenn diese Situation gegeben ist!
Das klassische Killerargument. Weil wir nicht überall eingreifen können seien wir lieber konsequent und legen die Hände gleich in den Schoß, um anschließend mit reiner Weste und in Unschuld gewaschenen Händen lauthals das Unrecht der Welt zu beklagen. Ich glaube, ich habe schon zuvor hinreichend deutlich gemacht, was ich davon halte.
Machen wir das oder "differenzieren" wir?
Da ich wiederum nicht Vermutungen anstellen will, was Du damit bezweckst, den Terminus "differenzieren" in Anführungsstriche zu setzen, will ich vorerst nicht darauf eingehen. Ich halte eine aus Insinuation basierende Argumentationsform für unzweckmäßig weil nicht zielführend. Da kann sich der Autor/Redner hinterher stets damit rausreden, der andere habe ihn falsch interpretiert und so denjenigen, der eine konkrete Position bezieht, stets ins rhetorisch Leere laufen lassen. Ich glaube nicht, daß das Deine Absicht ist.
Ssnake hat geschrieben:
Darf man Hilfe unterlassen, nur weil der schlechte Ruf eines Mithelfers auf einen abfärben könnte?

Lass mich anders fragen: Darf man mithelfen, wenn ein Mithelfer fragwürdige Motive verfolgt?
Aber ja! Denn egal, ob der andere aus Eigennutz oder aus den "besseren" rein altruistischen Motiven heraus Gutes tut - solange er Gutes tut, soll man ihn dabei unterstützen, denn dagegen ist ja wohl kaum etwas einzuwenden.
Soll man seinen Bündnisverpflichtungen nachkommen, selbst wenn man gegen eine "Weltordnung" verstösst?
Worauf beziehst Du Dich? Das real existierende Geflecht völkerrechtlicher Vereinbarungen, daß sich in der Form supranationaler Organisationen und multilateraler Verträge manifestiert?
Oder die "New World Order" des älteren Präsidenten Bush?
Oder die "Neue Weltordnung" im Sinne grenzparanoider Internet-Schizos?
Oder etwas ganz anderes?

Wenn Du etwas in Anführungszeichen setzt, signalisierst Du eine Fragwürdigkeit eines Begriffs. Es ist aber nicht hilfreich, in einer quasischriftlichen Diskussion wie dieser zu solchen Stilmitteln der Polemik zu greifen, weil es vom Thema ablenkt.
Du sprichst ausserdem die positven Aspekte der politischen "Globalisierung" an, ...
Da ich das Wort Globalisierung niemals verwendet habe, weil es sich heutzutage um einen inhaltsleeren Kampfbegriff handelt, in den jeder alles hineininterpretieren kann, wie es seiner persönlichen Ideologie entspricht, sehe ich mich auch hier außerstande, eine qualifizierte Antwort zu geben.
... verweigerst aber anscheinend den Blick für die offensichtlichen Nachteile. Ein schönes Beispiel gibt da der Ostblock, insbesondere aber die ehemalige UdSSR ab.
Eigentlich nur die ehemalige Sowjetunion, denn alle anderen Staaten des Warschauer Pakts haben ja einen weitgehend reibungslosen Übergang zur Demokratie bewerkstelligt. Jugoslawien war ja kein Mitglied des Warschauer Pakts (das wirst Du mir wahrscheinlich als Sophisterei ankreiden).
Wie dort regionale "Unstimmigkeiten" geregelt werden ist doch keineswegs die Lösung!
Auch da lohnt die Einzelfallbetrachtung und die Analyse der ahdelnden Personen. Ins Baltikum ist man ja mal einmarschiert, hat dann aber schnell wieder aufgegeben. Georgien und einige Nachbarrepubliken haben eine Position relativer Stabilität unter gleichzeitiger Ablösung von der Sowjetunion erreicht, in anderen ehemaligen Sowjetrepubliken ist es zu gewaltsamen Bürgerkriegen oder regionalen Konflikten gekommen, von denen der in Tschtschenien der bekannteste und blutigste ist.

Kennzeichnend hierfür sind einerseits die Wurzeln in der stalinistischen Unterdrückungs- und Umsiedlungspolitik, andererseits aber auch die konsequente Nichtbefolgung etablierter völkerrechtlicher Standards. Ist das nun der Fehler des Völkerrechts, oder der Fehler der Verantwortlichen vor Ort?
PS: Ich wollte eigentlich auch eher theoretisch an das Thema gehen, da es bei konkreten Beispielen oftmals keinen objektiven Standpunkt gibt!
Ganz im Gegenteil!
Erst am konkreten Beispiel wird deutlich, auf welchen Grundannahmen eine bestimmte These fußt. Und es ist gute (!) europäische Tradition, die Stringenz einer Argumentationskette zu überprüfen, bevor man der resultierenden These zustimmt - oder eben auch nicht.
Das erfordert natürlich auch ein Minimum an Sachkenntnis, aber die sollte man ja ohnehin erwarten Dürfen, wenn es um die Frage geht, ob die Anwendung militärischer Gewalt gerechtfertigt sein kann, und falls ja, unter welchen Umständen. Es ist schließlich die Frage nach Krieg und Frieden, auf die es weder einfache Antworten gibt, die aber dennoch von jedem Bürger demokratischer Staaten nach sorgfältiger Prüfung beantwortet können werden sollte, da sie ja mindestens am Wahltag über die grundlegende Richtung der Politik ihrer Regierung abstimmen.
 
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Fr, 3. Jan 2003, 17:53

@Ssnake:

Verdammt, ich wollte auch was dazu schreiben, jetzt steht schon alles was ich sagen wollte bei Dir drin. Allerdings ist es zehnmal besser formuliert, als ich es je gekonnt hätte - deswegen sei Dir verziehen. :wink:

Gottseidank habe ich in dieser Sache die gleiche Meinung wie Du, im Umkehrschluss graust es mich aber davor, einmal eine andere Meinung Dir gegenüber vertreten zu müssen.

Meine Lieblingsstellen:
Du deutest wieder bedeutungsschwanger große Einsichten an, ohne sie konkret zu formulieren und zu begründen.

Leider ist das heutzutage in politischen Diskussionen eine beliebte Taktik.

Ich halte eine aus Insinuation basierende Argumentationsform für unzweckmäßig weil nicht zielführend. Da kann sich der Autor/Redner hinterher stets damit rausreden, der andere habe ihn falsch interpretiert und so denjenigen, der eine konkrete Position bezieht, stets ins rhetorisch Leere laufen lassen.

Die Diskussionsfaulheit vieler Leute liegt in praktischen Erfahrungen des oben beschriebenem Zusammenhangs begründet. Sie durchschauen ihn nicht und merken deshalb nicht, wenn sie von ihrem Diskussionspartner gelinkt werden. Das Resümee lautet dann: Wozu rumdiskutieren, ist doch sinnlos. - Obwohl eigentlich nur falsch diskutiert wurde.

PS: Was machst Du eigentlich beruflich?
 
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Fr, 3. Jan 2003, 18:10

Wenn du auf sein Profil klickst Doc wirst du herausfinden dass er Spieleentwickler ist ;)

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Wir haben so lange so viel mit so wenig getan, dass wir inzwischen in der Lage sind, mit nichts alles zu tun.
 
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Sa, 4. Jan 2003, 16:10

Doc SoLo hat geschrieben:
Gottseidank habe ich in dieser Sache die gleiche Meinung wie Du, im Umkehrschluss graust es mich aber davor, einmal eine andere Meinung Dir gegenüber vertreten zu müssen.

Och, wenn man mit guten Argumenten kommt, dann laß' ich mich schon zur Meinungsänderung bewegen. "Der denkende Mensch ändert seine Meinung" - allerdings nicht täglich... ;)
Die Diskussionsfaulheit vieler Leute liegt in praktischen Erfahrungen des oben beschriebenem Zusammenhangs begründet. Sie durchschauen ihn nicht und merken deshalb nicht, wenn sie von ihrem Diskussionspartner gelinkt werden.

Um Mistverständnissen vorzubeugen: Ich unterstelle Abdiel nicht, diese Taktik bewußt anzuschlagen. Dazu haben wir uns alle viel zu lieb! Bild
Obwohl eigentlich nur falsch diskutiert wurde.

Ja, in der Tat. "Gutes" Argumentieren (statt hartleibigem Beharren auf eigenen Positionen) wird nur selten praktiziert. (Ob's früher besser war?)
Allerdings sehe ich auch einen Trend zur wiederkehrenden Verschriftlichung unseres Gesellschaftslebens. Vor der Verbreitung von Telefon, Rundfunk und Fernsehen als flüchtigen, synchronen Medien, hat sich die zivilisierte Menschheit vor allem durch Briefverkehr und ähnlich dauerhafte Medien Ausdruck verschafft. Das Internet mit seinen quasischriftlichen Diskussionsforen kann uns eine Rückkehr zu diesen bewährten Methoden ermöglichen. Bezeichnenderweise sind es gerade die heute 50-70jährigen sowie die schlecht ausgebildeten Bevölkerungsschichten allgemein, die zu den größten Internet-Skeptikern gehören. Nicht zuletzt deswegen, weil ihre kulturelle Lebenserfahrung vor allem auf flüchtigen Medien mit synchroner Kommunikation beruht (also mit dem Zwang, zur selben Zeit Zeit haben zu müssen wie die Gegenstelle).
PS: Was machst Du eigentlich beruflich?
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