Von:
spam.eater@gmx.de [mailto:spam.eater@gmx.de]
Gesendet: Donnerstag, 14. November 2002 16:21
An: info-emi(at)emimusic.de
Betreff: Öffentlichkeitsarbeit
Sehr geehrte EMI,
Im Heise-Forum habe ich den netten Brief gelesen, den Sie auf eine Kundenbeschwerde hinsichtlich technisch unzulänglichem Kopierschutz
geschrieben haben:
http://www.heise.de/newsticker/foren/go ... m_id=34995
Ich erlaube mir mal, daraus zu zitieren und den Brief absatzweise in Normaldeutsch zu übersetzen. Mag ja sein, daß Ihnen dann aufgeht, welche ungeheurliche Arroganz aus der Antwort eines Ihrer Mitarbeiter spricht. Ich kann nicht glauben, daß dies die Haltung Ihres ganzen Hauses ist:
EMI> wir ersparen es uns, auf diejenigen Bemerkungen aus Ihrem Mail
EMI> einzugehen, die offensichtlich unqualifiziert sind.
"Sie sind unfähig."
EMI> Wir möchten Sie auch nicht mit einer ausführlichen Erklärung
EMI> langweilen, warum die Musikindustrie gezwungenermaßen
EMI> Kopierschutz einsetzt, obwohl wir auch lieber etwas anderes
EMI> täten.
"Wir haben keine Lust, mit Ihnen zu diskutieren."
EMI> Wir fürchten nur, alle diese Fakten werden Sie überhaupt nicht
EMI> interessieren, weil mit diesen Maßnahmen das Ende der kostenlosen
EMI> Verfügbarkeit von Musik auf CDs eingeläutet wird, was Ihnen
EMI> überhaupt nicht gefallen dürfte.
"Sie sind ignorant, und ein Schmarotzer."
EMI> Sollten Sie tatsächlich ein Abspielproblem mit der reklamierten
EMI> CD haben, würden wir Sie bitten, uns den genauen Playertyp zu
EMI> nennen. Wir können dann diesen Typ vergleichen mit der
EMI> vorliegenden Liste derjenigen Player, auf denen unsere CDs
EMI> problemlos laufen. Daraus ergibt sich, ob das Problem wirklich am
EMI> Kopierschutz liegt oder aber ganz andere Gründe dafür
EMI> verantwortlich sind.
"Beweisen Sie erstmal Ihre Unschuld."
EMI> Der von Ihnen vorgetragene Fall, dass gleich mehrere verschiedene
EMI> Player nicht abspielen, kann nach unseren Erfahrungen nur aus dem
EMI> Bereich der Märchen stammen.
"Sie lügen."
EMI> Die von uns verwendete Kopierschutz-Technologie ist
EMI> State-Of-The-Art, d.h. es gibt zurzeit nichts Besseres.
"Weil es nichts Besseres gibt, muß unsere Lösung perfekt sein."
EMI> Wenn es etwas Besseres geben sollte, werden wir dies auch
EMI> einsetzen. Die Abspielbarkeitsprobleme bei herkömmlichen
EMI> CD-Playern sind minimal, aber hin- und wieder kommt es vor, dass
EMI> kopiergeschützte CDs auf einem Player nicht laufen.
"Naja, unsere Lösung ist quasi-perfekt. Wir arbeiten dran."
EMI> Wir geben diese Fälle unverzüglich an unseren Kopierschutz-Provi-
EMI> der weiter, der auch bemüht ist, die Technologie entsprechend
EMI> anzupassen und die Probleme zu beheben.
"Eigentlich ist unsere Lösung ein glatter Verstoß gegen die Red-
Book-Standards, und wir dürften das von Philips lizensierte CD-
Audio eigentlich gar nicht auf unsere Musikträger aufdrucken. Wir
tun es aber trotzdem und hoffen, daß Ihnen nichts auffällt. Dazu
werden unsere Techniker auch in Zukunft an den unfertigen Lösun-
gen von heute herumfrickeln, bis sich hoffentlich bald niemand
mehr beschwert."
EMI> Falls Sie vorhaben, Kopierschutzmaßnahmen zu knacken und sich die
EMI> CDs anderweitig zu brennen, müssen wir Sie darauf hinweisen, dass
EMI> dies in Kürze mit der Umsetzung der Europäischen
EMI> Urheberrechtsnovelle in Deutsches Recht strafbar ist.
"Sie sind ja ein ganz krimineller. Vermuten wir mal. Sie haben in
Ihrem Brief zwar nichts davon geschrieben, was darauf hindeuten
könnte, daß sie vorhaben, etwas zu tun, was heute noch nicht,
demnächst dann aber kriminell sein wird, aber wir behalten Sie im
Auge."
EMI> Solcherart Verletzungen des Urheberrechts werden dann auch
EMI> strafrechtlich verfolgt werden.
"Sollten Sie es also wagen, in Zukunft auch weiterhin nicht bei
uns Musik zu kaufen, werden wir Sie vor Gericht zerren, wo Sie
ohnehin schon lange hingehören."
EMI> Die Verantwortlichen des Verbraucherschutz-Ministeriums werden
EMI> Ihnen nichts anderes sagen - es waren gerade die Politiker, die
EMI> uns dazu aufgefordert haben, endlich Kopierschutzmaßnahmen auch
EMI> einzusetzen.
"Wir sind gar nicht schuld! Das waren alles die bösen Politiker,
die uns das befohlen haben, wir hatten ja gar keine Wahl!"
EMI> Falls Sie vorhaben, gegen zukünftige CD-Veröffentlichungen mit
EMI> Kopierschutz weiterhin zu protestieren, so können wir Sie
EMI> beruhigen: Kopierschutz Ja oder Nein ist längst beantwortet, und
EMI> es ist eine Frage von Monaten, bis weltweit mehr oder weniger
EMI> alle CDs kopiergeschützt veröffentlicht werden.
"Hören Sie endlich auf zu jammern! Seien Sie wieder gute Konsu-
menten, und kaufen Sie, egal ob's funktioniert oder nicht. Uns
ist schließlich egal, ob Sie die Musik auch hören, solange Sie
für unsere Datenträger bezahlen."
EMI> Und das ist auch gut so, damit die Musik nicht auf der Strecke
EMI> bleibt. Dafür werden wir alles tun, was uns möglich ist - ob es
EMI> Ihnen gefällt oder nicht.
"Wir leben zwar davon, daß Sie unsere Waren kaufen. Dafür ver-
achten wir Sie aber. Wir hassen uns dafür, daß wir auf Sie ange-
wiesen sind, kompensieren es aber mal durch die Illusion, daß es
genau andersherum ist. Und weil unsere Chefs unsinnige Entschei-
dungen treffen und wir uns deswegen das Genörgel der Kunden bie-
ten lassen müssen, schreiben wir als Rache fiese Briefe.
Überhaupt: Das Geschäft könnte so prima laufen, wenn es die
Kunden nicht gäbe!"
Nun denn, es ist Ihre Entscheidung, statt mit kundenorientiertem Verhalten und Freundlichkeit für sich zu werben, stattdessen lieber Aufmerksamkeit durch Verhöhnung, Bedrohung und Arroganz gegenüber dem Bezahlvieh auf sich ziehen. Angeblich gibt es ja keine schlechte PR.
Abschließend möchte ich noch auf ein paar Argumente eingehen, die sich in Ihren unverschämten Zeilen versteckt hatten:
EMI> Nur soviel: in diesem Jahr werden über 250 Millionen Blank-Discs
EMI> und -Tapes für Musiküberspielungen neu gekauft und verwendet
EMI> gegenüber 213 Millionen vorbespielten Tonträgern.
Eine nette Theorie, zudem manipulativ vorgetragen. Sie unterstellen, daß jeder CD-Rohling für Musik-Bespielung vorgesehen ist. Hierzu ist anzumerken, daß ich persönlich im Jahr etwa 100 bis 200 Rohlinge verbrauche: Als Datensicherungsmedium für meine Softwareentwicklung. (Ja, auch ich verdiene mein Geld mit "Geistigem Eigentum", die Kopierschutzproblematik ist mir also durchaus auch geläufig)
Ich habe in meinem Leben etwa fünf CDs mit Musik von verschiedenen Quellen bespielt, die ich dann meiner Mutter zum Geburtstag oder zu Weihnachten geschenkt habe.
Hätte ich ein Auto mit CD-Spieler, würde ich angesichts der in der Vergangenheit bei mir und in meinem Bekanntenkreis aufgetretenen Autoaufbrüche auch nur Kopien meiner CDs verwenden wollen, die ansonsten besser in meinem Wohnzimmer im Musikschrank aufgehoben sind. Auch dies halte ich für ein absolut legitimes Anliegen.
Tatsächlich kaufe ich seit einigen Jahren überhaupt keine CDs mehr, allerdings ohne deswegen zu Napstern. Was die Musik-Industrie anbietet, trifft meinen Geschmack einfach nicht mehr. Ihre Produkte sind auch schlechter geworden, nicht nur die Sitten des Publikums.
Aber auch andere Faktoren - Konkurrenzmedien etwa - werden von Ihnen argumentativ unterschlagen oder als irrelevant erklärt.
EMI> Dem massenhaften Klonen vorbespielter Tonträger durch Brennen von
EMI> CD-Rs kann nur eines entgegengesetzt werden, nämlich Kopier-
EMI> schutz. Das ist auch der Grund, warum Record Companies vermehrt
EMI> ihre CDs schützen müssen. Eine Alternative zum Stopp dieses Miss-
EMI> brauchs ist leider nicht in Sicht.
Die Unterstellung, daß es ÜBERHAUPT keine Alternative gäbe, ist manipulativ. Sie könnten ja auch ihre Geschäftsmodelle umstellen. Aber es ist natürlich bequemer, mit Kopierschutz zu mauern und sich in Bunker-Mentalität den Blick auf veränderte Realitäten selbst zu versperren.
Nichts spräche dagegen, über die Etablierung eines Micro-Payment-Standards und eines gemeinsamen Fundus' von Musikstücken gerade die Raritäten dem Publikum anzubieten, die man nirgendwo mehr bekommt, weil für die absetzbaren Stückzahlen die Plattenpressung und das Retail-Geschäft zu hohe Fixkosten verursachen. Das Internet und die Digitalisierung der Musik eröffnen Ihnen einen neuen Vertriebsweg, aber Sie haben nichts besseres zu tun, als "Satan!" zu rufen und sich passende Gesetze schneidern zu lassen.
Diese Strategie ist eine rein defensive ohne langfristige Perspektive. Sie werden damit scheitern, weil unsere Wirtschaft in einem Transformationsprozeß steckt, der alle Lebensbereiche betrifft. Sie stemmen sich damit gegen eine Flut, die sie nicht aufhalten können, und nur diejenigen Musikverlage, die die Weitsicht aufbringen, dies zu erkennen UND sich durch ihre Handlungen darauf einzustellen, werden Überleben. Angesichts solcher Briefe werde ich mich zurücklehnen und mit Genuß das Untergangsspektakel betrachten. Jedes Bedauern mit Ihnen ist mir fremd.
Ihre Angebote sind unattraktiv: Man soll mehr bezahlen, weniger dürfen, und unbequem ist es noch dazu. Kein vernünftiger Kunde ist bereit, so etwas hinzunehmen, und genau deswegen laufen Ihnen den Kunden ja auch weg. Das wollen Sie ja offenbar auch, damit Sie den Beweis antreten können, daß es nicht funktionieren kann, wie Sie es ja schon immer gesagt haben.
Bittesehr: Frönen Sie Ihrer Lust am Untergang, ich mach' derweil was anderes. Die 250 CDs in meinem Schrank halten noch 'ne Weile - ganz legal, in prima Qualität, vermutlich bis ich hinüber bin. Ja, als Kunden habt Ihr mich verloren - aber aus ganz anderen Gründen.
Mit freundlichem Gruß,
Nils Hinrichsen
Hannover