Sa, 10. Nov 2018, 11:09
Nun denn, Cixin Lius Trisolaris-Trilogie: Ich war sehr gespannt darauf, schließlich gehen die Meinungen dazu doch extrem auseinander. Für manche ist es die beste SF, die sie jemals gelesen haben, für andere wiederum die schlechteste. Grundsätzlich ist es sehr simpel geschrieben und lässt sich entsprechend flott lesen, auch auf englisch. Wer nicht auf die deutsche Übersetzung warten will, kann also bedenkenlos zugreifen.
Band 1 ist ein etwas seltsames Ding, da er nicht mehr als eine Einleitung darstellt, es dauert auch ein paar Hundert Seiten bis der SF-Aspekt überhaupt zu tragen kommt. Ich schätze mal, dass deswegen einige schon frühzeitig ausgestiegen sind. Ich fand es trotzdem sehr interessant, weil es hier ausführlich um den chinesischen Hintergrund (die Kulturrevolution etc) geht. Für mich zwar der schwächste Teil, aber dennoch ein gutes Buch.
Mit Band 2 fängt es dann richtig an. Auch wenn die grundlegende Thematik so ziemlich die gewöhnlichste und platteste der SF ist, war das doch etwas, das ich so noch nie gelesen hatte. Liu hat eine ganze Reihe von ungewöhnlichen und großartigen Ideen, da kann ich wirklich nur den Hut ziehen. Es ist sehr wissenschaftliche SF, Liu beschreibt alles bis ins kleinste Detail. Wirklich sehr, sehr toll!
ABER: So sehr sich Liu für die wissenschaftlichen Aspekte interessiert, so wenig kümmert er sich um seine eigene Geschichte. Er gibt sich Null Komma Null Mühe seine Handlungsstränge, Twists o.ä. irgendwie plausibel zu erklären. Wenn etwas passieren muss, dann passiert es halt und sei es durch unglaubliche Zufälle, oder dadurch dass sich das Militär auf eine Art und Weise verhält, wie es das in einer Million Jahre niemals machen würde.
Ein Beispiel aus dem letzten Drittel von Band 3, der mir davon abgesehen ähnlich gut wie der zweite gefallen hat (Achtung, kleiner Spoiler): Da baut Liu über 100 Seiten (darunter ein 50 Seiten langes Märchen) ein großes Mysterium auf, das scheinbar keine Lösung hat, aber natürlich eine haben muss. Mann, war ich gespannt, wie er das lösen wird! Und wie macht er es? Zum einen natürlich mittels einer Verkettung unfassbarer Zufälle. Zum anderen mit einem lapidar in den Raum geworfenen Satz von wegen zu dieser Zeit (zweihundert Jahre in der Zukunft) wären die Werke vieler klassischer Autoren verloren gegangen (i.d.f. Poe - zum Glück kann sich eine per Kälteschlaf in die Zukunft gelangte Person noch an einen Ortsnamen aus einem Werk Poes erinnern, puuuuh, Schwein gehabt!). Ähm, was? Und die ganzen Bücher sind verloren gegangen, weil...? Und es gibt davon auch keine ekooks mehr, weil...? (ein paar Seiten zuvor liest übrigens jemand ein ebook) Niemand, keine Person, Institution, Bibliothek hat sich die Mühe gemacht irgendwelche Bücher zu bewahren, weil...? Wer soll denn diesen Schwachsinn glauben? 100 Seiten und 60 Jahre später: Wir befinden uns auf einer Raumstation, auf der 6 Millionen Arbeitslose, Penner, Kriminelle leben. Es wird ein Markt beschrieben, in dem unter anderem antiquarische Bücher verkauft werden. Ja, nee, is klar.