Doc SoLo hat geschrieben:Gerade als Techniker fühle ich mich verpflichtet, diesen Mist zu hinterfragen, wo immer er mir begegnet und notfalls auch mal laut "Buh!" zu rufen.
Das verstehe ich vollkommen und finde es auch absolut in Ordnung. Nur ein wenig muß ich RED hier halt in Schutz nehmen, und zwar aus folgenden Gründen:
1. Die Homepage war so informationsarm eigentlich nicht geplant. Anscheinend hatte RED Ärger mit der Webdesign-Firma, die ihre Homepage erstellen sollte, und stand kurz vor der NAB, auf die man als Termin für die große Enthüllung aller Details so lange hingearbeitet hatte, plötzlich ohne Seite da und mußte schnell etwas mit der heißen Nadel stricken. Das Ergebnis ist in der Tat nicht gerade toll, soll aber in den kommenden Wochen mit besseren Angaben gefüllt werden. In Interviews äußern sich Jannard&Co. ja auch in einem etwas gemäßigteren Ton.
2. Zum Glück sehe ich bei RED nicht den Versuch, den Kunden wirklich zu bescheißen - trotz allen Marketinggefasels. Tatsächlich ist die RED One von Konzept und Preisgestaltung kundenorientierter als das meiste, was mir in der Branche bislang untergekommen ist. Man merkt einfach, daß hier wirklich mal die DPs und Kameraleute gefragt wurden, wie eine Kamera von einem ergonomischen Standpunkt her aussehen sollte. Man nehme etwa RED-Cage: ein Rods-Support-System, das von der Ebene nach oben erweitert wurde, wodurch man viel mehr Platz und Flexibilität hat. Einfach, aber genial.
Mir liegt es eigentlich relativ fern, das Marketinggesamtkonzept von RED als ganz toll und prima darzustellen. Es ging mir eher um die Frage, ob es die RED in der angekündigten Form TROTZ des seltsamen Marketings geben wird. Ich selbst bin auch nicht gerade allergisch gegen Fakten. Diese dürfen dann von mir aus ruhig mit etwas Style und Show präsentiert werden, aber das sollte den Inhalt nicht ersetzen, wie es bei der sehr unglücklichen ersten RED-Homepage passiert ist - siehe oben.
Das statistisch zufällige Farbrauschen reduziert sich, wenn man einen realen Pixel aus mehreren tatsächlich gemessenen zusammensetzt, oder? Also hat man entweder ein brillianteres Bild oder kann die Lichtempfindlichkeit des Sensors höher spezifizieren - je nach Anwendungsfall eins von beiden.
Richtig, wobei es noch weitere, nicht zu unterschätzende Vorteile gibt, von denen der wichtigste vielleicht folgender ist: Kostenloses Anti-Aliasing durch Scaling. Viele aktuelle Digital-Cinema-Kameras neigen noch zu gewissen Treppeneffekten an Kanten, die sich durch Oversampling und Konvertierung in ein niedriger aufgelöstes Format komplett eliminieren lassen.
Dazu braucht man allerdings nicht unbedingt eine so hohe Auflösung. Wenn sich durch einen größeren Sensor die tatsächlich zur Verfügung stehende Fläche für ein Pixel erhöht, tritt derselbe Effekt auch so schon ein. Und man spart sich die ganzen Signalleitungen und insgesamt einen Haufen Aufwand. Wenn man also von vorneherein gar nicht im Sinn hat, die hohe Auflösung auszunutzen, wird man sie nicht nur wegen dem dann möglichen Oversampling auf den Chip bringen. Also muss der Chip schon auch in 4K eine (wenigstens) brauchbare optische Leistung haben, um den Aufwand zu rechtfertigen.
Da haben wir schon einen potentiellen Nachteil der RED, wenn du sagst, dass die 4K Auflösung für den gesamten Workflow der nächsten Zeit eher unrealistisch ist. Eine ähnliche Kamera mit einem 2K-Chip könnte billiger sein und/oder das bessere Bild liefern.
Jedes Konzept hat natürlich so seine potentiellen Vor- und Nachteile, aber ich sehe RED momentan auf einem guten Weg. Das Ziel ist ja durchaus, einen 4K+-Sensor mit wirklich brauchbaren optischen Eigenschaften bei voller Auflösung zu entwickeln, denn wie bereits erwähnt ist Zukunftsicherheit ja ebenfalls ein Gedanke, der zur Wahl eines so großen und hochauflösenden CMOS-Chips geführt hat.
Ein weiterer Vorteil dieser Entscheidung ist auch nicht ganz zu unterschätzen: "Lead-in". Zur Erklärung: 35mm-Kameras haben relativ umfangreiche Lead-in-Zonen, d.h. man sieht im Sucher deutlich mehr als hinterher aufgezeichnet wird, wobei der Aufzeichnungsbereich markiert ist. Dies hilft den Kameraleuten - gerade bei komplizierten Bewegungsabläufen - sehr bei der vorausschauendenen Kameraführung. Genau dazu dient der große CMOS-Sensor auch: Bei 2K-Auflösung soll man laut Jannard extrem großes Lead-in haben. Das gibt's bei der CineAlta und der Genesis gar nicht und wird bei der Arri D20 nur durch eine sehr teure optische Sucherkonstruktion ermöglicht. Die RED One soll einfach einen Teil des Sensor für Lead-in benutzen, um dieses Feature auf kostengünstigem Wege über den eingebauten Monitor bereitzustellen.
In solchen Details liegt für mich eine der ganz großen Stärken des RED-Konzepts: Man merkt einfach, daß das gesamte Design ganz auf realen, handfesten Drehalltag zugeschnitten ist und nicht primär von der Tüftellust von Leuten bestimmt wird, die zwar großartige Ingenieure sind, aber nicht unbedingt wissen, was wichtig ist, wenn man Tag für Tag mit einer Kamera arbeiten muß und sich auch nicht genug Mühe geben, es herauszufinden.
PC im Schlafzimmer aufgestellt - der klassische Fehler. Von mir jedenfalls nochmal "Danke" an dich und "Sorry" an deine Freundin!
Null Problemo, denn es macht ja auch irgendwo Spaß. Wenn ich über Kameras schreibe/spreche, wird mir nämlich eins immer wieder bewußt: Ich liebe diese Dinger! Das ist etwas, was mich mit Jim Jannard verbindet, und vielleicht ist das auch der Grund, warum RED als Konzept so vielversprechend erscheint: Sony und Panasonic haben natürlich auch genug Ingenieure mit so viel Stolz, daß sie gute Produkte abliefern wollen, aber das Management ist halt doch sehr auf Gewinnmaximierung hin strukturiert, und dieses Ziel ist halt nicht unbedingt immer mit dem Ehrgeiz vereinbar, dem Kunden das bestmögliche Produkt zu liefern. Jannard will sicherlich auch ein paar Dollar an der RED One verdienen, doch erweckt er eben auch den Eindruck, daß er wirklich absolut begeistert vom RED-Projekt ist - und ehrlich bemüht, gemeinsam mit seinen Partnern die beste Kamera zu entwickeln, die für dieses Geld gebaut werden kann. Vermutlich nicht zuletzt, weil er eben selbst schon immer so eine Kamera haben wollte. Und genau dieses aufrichtige Bemühen rechne ich ihm hoch an.
Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001