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thwidra
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Munich

Mi, 1. Feb 2006, 14:33

Leute wie ich, die Spielberg bislang für den Meister des simplen, aber perfekten Unterhaltungskinos hielten, und dies auch nach Schindlers Liste, Amistad und Der Soldat James Ryan weiterhin taten, dürfen sich nun eines besseren belehren lassen. Munich ist ein wirklich anspruchsvolles Werk über Ideale und Werte, über das Gewaltmonopol eines Staates, Kampf und Terrorismus und über eine ganze Anzahl von komplexen moralischen Fragen über Handlungslegitimationen und Konsequenzen von Entscheidungen und Taten, die zu Gewalt und Gegengewalt führen. Der Film enthält soviel komplexe Fragestellung über die moralischen Hintergründe der Terroristenjagd, über die es interessant ist, nachzudenken, dass er in meinen Augen zum anspruchsvollsten Film wird, den ich seit langem gesehen habe.
Dürfen die Guten überhaupt böse sein? Sind die Bösen gar gute Menschen? Tun die Guten das Richtige? Oder müssen sie an ihren eigenen Idealen zweifeln? Ist es in Ordnung, mit den terroristischen Methoden seiner Feinde gegen selbige zu kämpfen? Und ist es richtig, für sein Land aus einem Ehrgefühl heraus ohne Kritik dieser Aufgabe nachzukommen? Legitimiert ein freiheitlicher, souveräner Staat mit dem Kampf gegen Terroristen durch eigens eingesetzte Kommandos nur eine andere Form von Gerichtsbarkeit, oder werden die Kommandos selbst zu Terroristen und stehen damit außerhalb der Rechtsstaatlichkeit? Kann eine Regierung das tun? Dürfen die das? Und: wieso gibt es in dem Film diese Stereotypen von Gut und Böse, Richtig und Falsch nicht? Warum existieren stattdessen so viele ineinander übergehende Zwischenstufen, welche die Problematik so komplex gestalten, gleichzeitig diese Stereotypen negieren? Das ist nur ein Teil der Fragen, der sich mir nach dem Film aufwirft. In dieser Hinsicht wird der Film für mich bisweilen auch sehr schwer verständlich, den die Akteure schlagen sich nicht gerade selten mit den moralischen Problemen herum, obwohl das ganze wie ein hintergründiges Puzzle aufgebaut wird, denn nicht in jedem Dialog und jeder Handlung werden diese Probleme direkt angesprochen. Viel mehr entwickeln sich diese Stück für Stück bis hin zu einer selbstkritischen Haltung Avners am Ende des Films.
Munich gelingt es sehr gut, die politische Tragödie zu veranschaulichen. Gleichzeitig wird die Tragödie mit den fünf Kommando-Mitgliedern auf persönlicher Ebene verknüpft, die mit fortschreitendem Verlauf alles andere als kritiklose Befehlsempfänger sind, die sogar gegen ihre eigenen Überzeugungen ankämpfen müssen. Und am Ende weiß Avner tatsächlich nicht mehr, ob es richtig war, was er für sein Land Israel getan hat.
Den Film kann ich hiermit nur allen empfehlen, die ein kritisches und anspruchsvolles Werk über ein problematisches Thema sehen wollen, das heutzutage nicht minder aktuell ist. Für die Enttäuschung von Krieg der Welten bin ich jedenfalls allemal entschädigt. Mr. Spielberg, well done.
 
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Hardbern
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Mi, 1. Feb 2006, 14:59

Nur mal so nebenbei:

In Deutschland heißt der Film und auch die Stadt München.

Ansonsten will ich mich erstmal nicht einmischen bevor ich den Film gesehen habe. :-)

Hardbern
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