Radau-Roland hat wieder zugeschlagen: Der Pate des krachenden Action-Kinos wurde nicht von ungefähr vor einigen Jahren vom Branchenblatt Variety bereits zum "Master of Disaster" ernannt. So erscheint The Day After Tomorrow dann in vielerlei Hinsicht auch wie die konsequente Fortsetzung seines bisherigen Schaffens, schickt er doch diesmal gleich das ganze Weltklima zum Teufel. Von Emmerich selbst zum politischen Werk erkoren, bleibt der Film die meiste Zeit über doch klassisches Popcorn-Kino, wie man es vom "Spielbergle aus Sindelfingen" kennt: Viel Krawumm trifft auf viel Gefühl. Das ganze wird dann noch mit ein paar Charakteren aus Emmerichs privater Bibliothek für unendlich recycelbare Filmfiguren gewürzt. So ist z.B. der unvermeidliche Wissenschaftler wieder dabei, der schon früh vor der Katastrophe warnt, dessen Flehen aber nicht erhört wird, woraufhin er den Karren wieder aus dem Dreck ziehen muß – hatten wir das nicht schon ein paar Mal?
Nach der ersten Stunde war ich mir nicht mehr ganz sicher, ob die gut gemeinte Umweltschutz-Botschaft denn nun in den riesigen Flutwellen ersäuft, die auf New York niedergehen, oder ob Emmerich einfach nur weiß, welche Knöpfe er beim Massenpublikum drücken muß, um erhört zu werden. Diese Frage einmal außen vor gelassen macht die Verkürzung von auf Jahrhunderte angelegten Klimatheorien auf kaum mehr als eine Woche natürlich dramaturgisch durchaus Sinn – alles andere wäre wohl wenig aufregend gewesen. Und das ist der Film zum Glück durchaus geworden, weshalb man vielleicht den etwas zu negativ klingenden Anfangsteil dieses Textes nicht zu ernst nehmen sollte. Wie Emmerichs vorherige Werke ist auch The Day After Tomorrow sehr gekonnt in Szene gesetzt und besticht durch eine gelungen bedrohliche Stimmung. Obendrein hat der gute Mann ansonsten einiges dazugelernt: So sind viele Bildkompositionen erste Sahne, es gibt einen kräftigen Schuß gelungener Ironie, überzogen pathetische Szenen sind klar auf dem Rückzug und der penetrante Patriotismus hat sich praktisch komplett verdünnisiert, was den Streifen sogar für eingeschworene Feinde von Explosions-Emmerich halbwegs erträglich machen sollte. An die Stelle der angewandten Flaggen-Verehrung ist tatsächlich die unverblümteste Kritik an klassischen Konsumwerten und US-amerikanischer Politik getreten, die ich seit vielen Jahren in einem 100-Millionen-Dollar-Blockbuster erspäht habe – wenngleich das alles natürlich immer, wie bereits erwähnt, in einer doch sehr "popkornigen" Art geschieht.
Ein paar typische Emmerich-Mängel bleiben: So verzettelt sich die Handlung abermals in einigen etwas bemüht wirkenden Nebenschauplätzen, die der Story etwas den Drive nehmen, der andere Naturkatastrophen-Epen wie Twister oder The Perfect Storm vorantreibt, und am Ende wird doch noch einmal die Schmalztube ausgepackt, wenngleich es diesmal nicht annähernd so enervierend wie in Independence Day geschieht.
Was unterm Stricht bleibt, ist spannendes, visuell brillantes Krawall-Kino, das zwei Stunden lang gut unterhält und zu den stärksten Filmen über die Zerstörungskraft des Wetters gehört. Wer die anderen Emmerich-Streifen mochte, wird hier mit Sicherheit seinen Spaß haben, und wer sie nicht ausstehen konnte, sollte auch The Day After Tomorrow mit Vorsicht begegnen. Dennoch schlägt der Exil-Deutsche mit diesem Film einen etwas stilsichereren Weg ein, mit dem er vielleicht sogar noch ein paar Freunde hinzugewinnen wird.
Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001