Animal hat geschrieben:Sonst noch keiner den Film gesehen?
Doch, mittlerweile schon.
Mit Empfehlungen, "ob es sich lohnt", tue ich mich immer etwas schwer, aber ich kann's ja versuchen...
Neues bekommt man, wenn man versucht, halbwegs informiert zu bleiben, in Fahrenheit 9/11 sicherlich nicht geboten - nur die Art der Präsentation ist mal wieder sehr interessant. Wie immer betreibt Michael Moore seine Propagandaschlacht mit Witz und Esprit, die anderen Kreuzzügen fehlen, doch ich muß eben leider auch erneut ganz klar zum Ausdruck bringen, daß der Film meiner Meinung nach genau das ist: Propaganda, und nur teilweise eine Dokumentation im klassischen Sinne, wenngleich ich Fahrenheit zugestehen muß, daß dieses Genre bei politischen Themen schon immer stark zum Agitprop tendierte. Mit dem unmißverständlichen Ziel dieses Films - der Abwahl von Georgie-boy - kann ich mich hundertprozentig indentifizieren, doch mit der Art, wie Moore dies zu erreichen sucht, nur eingeschränkt. Manche Informationen werden gebogen, bis sie passen, andere gar gebrochen und einige Implikationen, mit denen der Kommentar das Material unterlegt, sind von ähnlichem Kaliber, wie jene, die Moore der Bush-Administration vorwirft.
Das soll jetzt keineswegs den ganzen Film entwerten: der Anfang ist - sogar inhaltlich - hervorragend und das Ende fand ich sehr kraftvoll, zumal Moore weiß, sehr präzise zwischen Bush & Co. und "den Amerikanern" zu unterscheiden - eine Trennung, bei der natürlich leider zu befürchten steht, daß sie hin und wieder von einigen Leuten selektiv übersehen wird.
Das mittlere Segment über den Irakkrieg hat jedoch eine sehr seltsame Mischung aus Mist und Meriten, da viele Bilder zwar sehr beeindruckend sind, die Bild-Ton-Schere aber manchmal ziemlich weit geöffnet wird. Besonders die Sequenz mit den spielenden, lachenden Kindern im Irak vermittelt durch Kommentar und Musikwahl ein wenig den Eindruck, in dem Land sei vor dem Krieg alles ganz lustig gewesen, was erst durch den Angriff der Koalitionstruppen beendet worden wäre - was ich jetzt mal vorsichtig als eine abenteuerliche Behauptung bezeichnen möchte.
Michael Moore bleibt halt Michael Moore: zu seinen Stärken gehört ein Herz am rechten Fleck, eine aus meiner Perspektive durchaus unterstützenswerte Agenda und ein Talent für Witz und Stil. Eine nicht ganz von der Hand zu weisende Schwäche ist jedoch die Art, wie er mit Biegen und hin und wieder auch mal Brechen von Fakten ein klein wenig seine eigene Arbeit entwertet. Würde man die gleichen Wahrheitskriterien auf Bush und Moore anwenden, würde letzterer zwar immer noch mit ein paar Lichtjahren Vorsprung gewinnen, doch ein leicht schaler Beigeschmack bleibt - wie schon bei Bowling for Columbine mit seinem zerschnippelten Charlton-Heston-Interview.
Mein Fazit: Ein sehr gekonnt gemachtes, aber mit etwas Vorsicht zu genießendes Stück satirischen Agitprops. Wer BfC mochte, wird auch hier zumindest gut unterhalten werden, wenngleich ich Roger & Me und The Big One deutlich höher einschätze. Kann man sich ansehen, man verpaßt aber nicht wirklich viel, wenn man auf eine spätere Ausstrahlung oder den DVD-Verleih wartet. Wem es ohnehin nur um den Inhalt geht, tut besser daran, sich den 9/11 Commission Report - oder zumindest dessen 30-seitige Zusammenfassung - zur Brust zu nehmen, denn da erfährt man Ähnliches, aber das wesentlich detaillierter und mit genauen Quellenangaben.
Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001