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Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Mo, 28. Nov 2016, 08:30

Wer noch immer an die Unabhängigkeit von Spielejournalisten glauben will, sollte jetzt vielleicht nicht weiterlesen. Aber wer tut das überhaupt noch? ;)

Die beiden von Auf ein Bier haben in ihren Podcasts jedenfalls sehr offen über ihre Vergangenheit gesprochen und dabei so ziemlich alle Vorurteile bestätigt, die man nur haben kann. Die beiden, das sind Jochen Gebauer, der bei PC Powerplay, PC Games und Chefredakteur der Gamestar war sowie Andre Peschke, der Chefredakteur bei Krawall und der Gamestar war.

Gebauer sagt z.B., dass ihm Fälle von gekauften Wertungen bei deutschen Magazinen bekannt sind. Beide erzählen außerdem, dass es durchaus der Normalfall ist, dass man mit Entwicklern und PR-Leuten gut bekannt oder gar befreundet ist und dennoch ihre Spiele bewertet, was natürlich grundsätzlich bedenklich ist. Gebauers Freundschaft mit einem PR-Mann ging z.B. durch eine schlechte Bewertung dessen Spiels zu Bruch. Da überlegt man doch zweimal, ob man eine Freundschaft wegen ein paar Prozent mehr oder weniger riskiert, oder nicht? Peschke wiederum erzählt, wie er ins Gespräch mit einem befreundeten Entwickler mit einer niedrigeren Wertung hereingegangen ist, als er eigentlich geben wollte und sich dann von diesem auf seine eigentlich angedachte Wertung hat hochhandeln lassen. Das mag im ersten Moment lustig klingen, bedeutet aber nichts weiter, als dass im Vorfeld mit dem Entwickler über die Wertung verhandelt wurde.

Ein anderer Aspekt sind die Dienstreisen. Die sahen des öfteren so aus: ein Arbeitstag, gefolgt von vier vom Publisher bezahlten Urlaubstagen mit Bespaßungsprogramm. David Copperfield in Las Vegas, ein NHL-Spiel, oder Besuche in Stripclubs und Bordellen. Alles organisiert und bezahlt von den Publishern. Und wenn, wie im Fall von Peschke, im Anschluss unverschämterweise ein kritischer Artikel folgte, wurde man halt nicht mehr zu den nächsten Events eingeladen. Wer drückt da nicht gerne ein Auge zu?
 
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Freakkiller
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Re: Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Mo, 28. Nov 2016, 15:12

Wow, das klingt übel. Ich werde mir auf jeden Fall die Folge des Podcastes anhören.

bye Freakkiller
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Re: Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Mo, 28. Nov 2016, 15:43

Das ist aus mehreren alten Folgen, wobei das meiste davon in "Runde #40: Dienstlich in den Stripclub" erzählt wurde.

In einer anderen Folge erzählt Gebauer z.B., dass er zu "Irgendwas London" eine Hype-Titelstory geschrieben hat, obwohl er das Spiel stinklangweilig fand. Heute würde er das nicht mehr machen, aber damals war er ja jung und brauchte das Geld.

Ich lese den ganzen deutschen Kram zum Glück eh nicht mehr. Grad vor kurzem habe ich mein PC Games Hardware-Abo gekündigt, nachdem mir aufgefallen war, dass irgendwie immer genau die Produkte getestet bzw. in News vorgestellt wurden, zu denen es im Heft Anzeigen gab. Das hat mit unabhängiger Berichterstattung auch nicht sonderlich viel zu tun.
 
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Ganon
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Re: Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Mo, 28. Nov 2016, 17:55

Hm ja, das klingt insgesamt bedenklich. Wobei ich nicht alles davon so eng sehe.
Dass ein Redakteur und ein PR-Mensch befreundet sind, finde ich nicht ungewöhnlich, viele PR-Leute in der Spielebranche sind ja ehemalige Redakteure. Eine echte Freundschaft ein gewisses Maß an Professionalität sollten aber eine schlechte Wertung überstehen können. Wenn nicht, braucht man einen solchen Freund vielleicht auch nicht...
Die Story mit der diskutierten Wertung klingt für mich nach Verarschung des Herstellers, ihn glauben lassen, man wäre beeinflussbar und ihn trotz einer vielleicht gar nicht so hohen Wertung milde stimmen. Wenn das immer so klappt doch gar nicht so schlecht. ;-)
Aber ich will das nicht zu sehr verharmlosen. Ein junger, unerfahrener Redakteur lässt sich bestimmt mal leicht beeinflussen, wenn dann auch noch Ausflüge in Etablissements aufgefahren werden. Aber das gibt es doch in allen Branchen, meint ihr nicht?

Cloud hat geschrieben:
Ich lese den ganzen deutschen Kram zum Glück eh nicht mehr.

Woher weißt du denn, dass es in der englischsprachigen Presse, oder gar YouTube-Szene, besser läuft?
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Re: Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Mo, 28. Nov 2016, 19:41

Ganon hat geschrieben:
Dass ein Redakteur und ein PR-Mensch befreundet sind, finde ich nicht ungewöhnlich, viele PR-Leute in der Spielebranche sind ja ehemalige Redakteure.

Klar, aber dann sollte dieser Redakteur das entsprechende Spiel nicht besprechen. Was z.B. Rock Paper Shotgun so handhabt. So gab es zu einem Spiel, an dem ein ehemaliger Redakteur der Seite beteiligt war, aus diesem Grund einfach gar keinen Test. Und selbst bei News steht ggf ein Disclaimer dabei.

Die Story mit der diskutierten Wertung klingt für mich nach Verarschung des Herstellers, ihn glauben lassen, man wäre beeinflussbar und ihn trotz einer vielleicht gar nicht so hohen Wertung milde stimmen. Wenn das immer so klappt doch gar nicht so schlecht. ;-)

I.d.F. ging das sicher in diese Richtung. Bei anderen wird das aber nicht der Fall sein.

Ein junger, unerfahrener Redakteur lässt sich bestimmt mal leicht beeinflussen, wenn dann auch noch Ausflüge in Etablissements aufgefahren werden. Aber das gibt es doch in allen Branchen, meint ihr nicht?

Natürlich. Aber gerade bei Journalisten gibts normalerweise einen Verhaltenskodex, der derartige Sachen verbietet. Gebauer erwähnt selbst, dass z.B. bei der Süddeutschen Zeitung die Redakteure/Verlage auf Dienstreisen alles selbst bezahlen müssen, bis hin zum Essen.

Woher weißt du denn, dass es in der englischsprachigen Presse, oder gar YouTube-Szene, besser läuft?

S.o. Auch ein TotalBiscuit trennt sowas strikt und nimmt an keinerlei derartiger Events teil. Das sind ziemlich sicher nur Ausnahmen, aber wenigstens gibt es sie im englischsprachigen Bereich, in Deutschland sehe ich da überhaupt keine (außer jetzt Auf ein Bier, die ein wirklich unabhängiges Audio-Spielemagazin machen wollen). Und klar, heutzutage sind eher Youtuber die Hauptzielgruppe solcher Aktionen, statt den Spieleredakteuren, da deren Magazine massiv an Bedeutung verloren haben.

Ich sage damit natürlich nicht, dass alle Redakteure bestechlich sind ö.ä. Aber beeinflusst werden sicherlich viele von ihnen, sei es nun bewusst oder unbewusst. Mit unabhängigem Journalismus hat das jedenfalls nichts zu tun.
 
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Fraggy
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Re: Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Di, 29. Nov 2016, 00:30

Ich fürchte, das gilt für so ziemlich alle journalistischen Produkte im Special Interest-Bereich, egal ob es nun um PC-Spiele, Rennräder, Musikinstrumente, HiFi oder Angeln geht. Bei diesen Magazinen ist einfach der kritische Punk an Auflagen nicht erreicht, der ihnen eine wirkliche wirtschaftliche Unabhängigkeit böte. Noch dazu bestehen die meisten dieser Magazine ja größtenteils darin, das zu paraphrasieren, was die Hersteller in ihre Pressemitteilung schreiben.

Aber ich glaube die Deutungshoheit von Magazinen ist heute sowieso passé. Um ein Let's Play o.ä. auf youtube hochzuladen braucht man keinen großen Verlag, und im Zweifelsfall erfahre ich da auch mehr als in einer GameStar, die jeden Schachtelsatz vermeidet, um ja nicht die Leserschaft zu überfordern.
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Re: Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Di, 29. Nov 2016, 08:35

Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist aber leider auch kein Punkt, der inhaltliche Unabhängigkeit garantiert. Das beste Beispiel dafür sind Youtuber, die im Geld nur so schwimmen und dennoch jeden Deal eingehen. Wenn ein Youtuber 10.000$ dafür bekommt, dass er ein Video zu einem Spiel macht, ganz ohne Nebenbedingungen, dann weiß er natürlich, dass er den nächsten Deal nur dann erhält, wenn er das Spiel in einem positiven Licht präsentiert. Dazu kommt erschwerend hinzu, dass ein guter Teil der Youtuber ihre gesponsorten Videos nach wie vor nicht kennzeichnet.

Auf der anderen Seite stimmt es natürlich, dass es sich Leute wie TotalBiscuit oder Jim Sterling aufgrund ihrer finanziellen Unabhängigkeit problemlos leisten können, auch tatsächlich unabhängig über Spiele zu berichten. Einen TB kümmert es kein bisschen, dass er von EA keine Rezensionsexemplare mehr bekommt, weil er Dragon Age Inquisition nicht jubelnd bewertet hat. Und einen JS auch nicht, dass er auf zahlreichen schwarzen Listen steht. Wer auf Werbeanzeigen etc angewiesen ist, oder gerne auf Events eingeladen wird, der macht sich da sicherlich ganz andere Gedanken. Und wenn es nur ein "wir empfehlen bevorzugt Produkte von Werbekunden" wie im Falle der PCGH ist.
 
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Ganon
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Re: Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Di, 29. Nov 2016, 09:34

Fraggy hat geschrieben:
Ich fürchte, das gilt für so ziemlich alle journalistischen Produkte im Special Interest-Bereich, egal ob es nun um PC-Spiele, Rennräder, Musikinstrumente, HiFi oder Angeln geht. Bei diesen Magazinen ist einfach der kritische Punk an Auflagen nicht erreicht, der ihnen eine wirkliche wirtschaftliche Unabhängigkeit böte. Noch dazu bestehen die meisten dieser Magazine ja größtenteils darin, das zu paraphrasieren, was die Hersteller in ihre Pressemitteilung schreiben.

Aber ich glaube die Deutungshoheit von Magazinen ist heute sowieso passé. Um ein Let's Play o.ä. auf youtube hochzuladen braucht man keinen großen Verlag, und im Zweifelsfall erfahre ich da auch mehr als in einer GameStar, die jeden Schachtelsatz vermeidet, um ja nicht die Leserschaft zu überfordern.

Dem ersten Absatz stimme ich voll zu. Es sind ja auch nicht wirklich lebenswichtige Bereiche, so dass man für eine gute Party vielleicht eher mal ein Auge zudrückt. Sorgen würde ich mir da im Bereich Autos machen, wo ich mir so was auch gut vorstellen kann. Nur geht es da nicht nur um Unterhaltung, sondern auch um Sicherheit.

Dem zweiten Absatz möchte ich aber insofern widersprechen, dass LetsPlayer bei Weitem nicht immer unabhängig sind, auch wenn sie gern so tun und wahrgenommen werden. Sollte mittlerweile bekannt sein, dass die auch sehr gerne Deals eingehen und dabei alles andere als transparent sind, wie Cloud schon schrieb.
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Re: Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Di, 29. Nov 2016, 09:53

Ganon hat geschrieben:
Sorgen würde ich mir da im Bereich Autos machen, wo ich mir so was auch gut vorstellen kann. Nur geht es da nicht nur um Unterhaltung, sondern auch um Sicherheit.

Jochen Gebauer hat in mehreren Podcasts erzählt, dass es in der Automobil-Presse am schlimmsten überhaupt zugeht.
 
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Re: Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Mi, 30. Nov 2016, 09:01

Noch ein Beispiel für unabhängigen Journalismus: Danny O'Dwyer, der vor kurzem Gamespot verlassen hat, da er nicht mehr von Werbung und Clickbait abhängig sein wollte. Jetzt bekommt er auf Patreon 20.000$ im Monat und erstellt damit Dokumentationen:
https://www.youtube.com/channel/UC0fDG3 ... /playlists
Im Moment gibts nur eine zu Rocket League, demnächst dann zu Doom, auf die ich schon sehr gespannt bin.
 
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Fraggy
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Re: Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Sa, 5. Okt 2019, 02:51

Ganon hat geschrieben:
Fraggy hat geschrieben:
Dem zweiten Absatz möchte ich aber insofern widersprechen, dass LetsPlayer bei Weitem nicht immer unabhängig sind, auch wenn sie gern so tun und wahrgenommen werden. Sollte mittlerweile bekannt sein, dass die auch sehr gerne Deals eingehen und dabei alles andere als transparent sind, wie Cloud schon schrieb.


Es ging im zweiten Absatz nicht um die wirtschaftliche Unabhängigkeit, sondern um die "Gatekeeper"-Funktion, die Printmedien früher hatten, und mittlerweile durch social media, youtube & co. komplett verloren haben.
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Re: Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Sa, 5. Okt 2019, 10:24

Ja, ich weiß auch nicht mehr, warum ich damals so auf diesen Absatz geantwortet habe. ;-)
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Re: Unabhängigkeit von Spielejournalisten

Sa, 5. Okt 2019, 16:19

Gut Ding will Weile haben ;)

Mich wundert es ja, dass die PC Games noch existiert. Das ganze Auftreten, die Homepage, die Videos, es wirkt vieles so hemdsärmelig und unprofessionell, ich kann kaum glauben, dass im Print-Markt noch für mehr als die GameStar Platz ist.
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