Es ist vollbracht. 19 Jahre später ... endlich ...
DAIKATANA durchgespielt!
Jawohlja. Das von John Romero. Angeblich eines der übelsten Spiele aller Zeiten. Und ich selbst war ja damals im Jahr 2000 auch nicht grad begeistert, so hat es sogar ein ätzender Kommentar meiner Wenigkeit ins Daikatana-"Nachspiel" der PC Player 12/2000 geschafft, wobei die Grundlage für meine "Meinung" ja damals nur die Demo war, und die startete mit den wirklich üblen ersten Levels. Jetzt, 19 Jahre später und nach 16 Stunden Spielzeit und gerade durchgeflimmertem Abspann, muss ich doch eine kleine Lanze für das Spiel brechen. Zuerst aber zur Klarstellung: Ich habe die GOG-Version samt neuestem 1.3-Community-Patch (Achtung: der ist bei der GOG-Version nicht automatisch mit dabei) gespielt, und angeblich hat dieser extrem viele haarige Probleme behoben. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass eine Meinung anno 2000 doch um einiges schlechter ausgefallen wäre ...
Also wie anfangen? Naja, leider mit den ersten Levels im sumpfigen Tokyo des Jahres Zweitausendzweihunderirgendwas oder so. Die sind wirklich mies, obwohl man schon erahnen kann, was die Entwickler damit bezwecken wollten, nämlich eine dreckige, dystopische Stimmung. Leider kämpft man stattdessen halt gegen Roboterfrösche, Robotermoskitos und Roboteralligatoren, alle mitsamt kaum zu erkennen vor der grau-braun-grünen Levelarchitektur, mit wenigen Details und wirklich horrenden Soundeffekten. Es macht echt null Spaß sich anfangs da durchzuschießen. Dann kommen die ersten humanioden Gegner, aber auch die sind von der Modellierung, den Animationen und den Soundeffekten her leider weit weg von dem, was die Concept-Artists damals wohl eigentlich im Geiste hatten. Und das Schlimmste der ersten paar Levels: Die ersten Waffen im Spiel sind leider ein Graus, fühlen sich seltsam unkronkret an. Bei keinem Treffer will ein Gefühl von Impact aufkommen, so wie man es z. B. von Doom oder Quake her kennt. Ich weiß nicht wirklich woran es liegt. Sind es die Soundeffekte, die Latenz zwischen Mausklick und Abschuss oder die eher mauen Trefferanimationen und Soundeffekte? Hier kommt alles wirklich sehr unglücklich zusammen. Man schüttelt eigentlich ständig nur den Kopf und will gar nicht glauben, was man da sieht. Das soll ein Spiel von DEM John Romero sein?
Wie dem auch sei, im Laufe der ersten Episode wird das alles etwas besser. Die Levelarchitektur wird komplexer und abwechslungsreicher. Und so kommt doch bald so etwas wie Atmosphäre auf. Außerdem sammelt man im Laufe der Episode seine zwei MitstreiterInnen auf: Superfly und Mikio. Dazu später noch mehr ... Die zweite Episode, also das zweite Viertel des Spiels, spielt dann im antiken Griechenland. Die Grafik ist dort für heutige Verhältnisse lachhaft simpel, aber ist zumindest zweckdienlich und das ganze Design ist etwas stimmiger. Und was am wichtigsten ist: Die Waffen werden endlich besser! Mit dem Discus gegen Riesenspinnen anzutreten, das macht doch gleich viel mehr Spaß. Höhepunkte sind für mich schließlich die dritte und die vierte Episode -- erstere im mittelalterlichen Norwegen, letztere im San Francisco des Jahres 2030. Dort kommt endlich alles zusammen: Leveldesign, Waffen, Atmosphäre, und sogar die cheesige Story zieht dann noch etwas an.
So weit zum Generalüberblick. Nun die Details: Was macht Daikatana gut, was macht es schlecht und verdient es seinen Ruf?
1.) Was macht Daikatana schlecht?
Ganz salopp: Die ersten Levels. Sie liefern einen miesen Ersteindruck, der für das Spiel nicht repräsentabel ist. Außerdem: Superfly und Mikiko. Selbst in der gepatchen 1.3er-Version gab es besonders in der dritten und vierten Episode kaum einen Level, wo ich nicht mindestens einmal einen Showstopper-Bug hatte. Die zwei MitstreiterInnen müssen nämlich immer durch das Level mitgeführt werden, sonst kann der jeweils nächste Abschnitt nicht betreten werden. Leider kann die KI mit den teils ausgefuchsten Leveldesigns (Türen, Schächte, Lifte, getimte Sprungpassagen) überhaupt nicht gut umgehen. Ständig verliert man eine(n) der beiden auf dem Weg durch die Levels, im schlimmsten Fall sogar wegen diverser Bugs permanent. Dann heißt es: neu laden. Da man im ursprünglichen Spiel aber nur begrenzte Speichermöglichkeit hat, gibt es aber vielleicht keinen passenden Spielstand, der nicht eine dreiviertel Stunde in der Vergangenheit liegt. Das macht das Spiel unglaublich frustig, weil immerzu die Möglichkeit besteht, dass man seinen Fortschritt verliert, weil die Begleiter wieder mal zu doof sind, um den vielen möglichen Bugs auszuweichen. Abhilfe bietet dabei der neue Community-Patch: Nicht nur kann man unbegrenztes Speichern ermöglichen, auch die Begleiter können generell abgeschaltet werden. Ich habe das Spiel freiwillig mit begrenzter Speicherung und mit Begleitern gespielt, würde das aber nicht unbedingt empfehlen. Am besten ist wohl, die Begleiter wirklich auszuschalten, so verpasst man zwar den einen oder anderen Unterhaltungsschnipsel während der Mission, spart sich aber wohl eine Menge an unnötigem Frust. Die begrenzte Speicherfunktion würde ich aber beibelassen. Das Spiel ist bis auf wenige Stellen eigentlich ziemlich gut auf dieses Sytem ausbalanciert.
2.) Was macht Daikatana gut? Zumindest ab Episode 2 haben wir es hier mit einem gut designten Oldschool-Shooter zu tun. Das Spiel ist schnell, durchaus fordernd, hat viele (!) Secrets, schön verzweigte Levels, bei denen man auch etwas mitdenken muss. Die Atmosphäre der verschiedenen Zeitepochen kommt gut rüber, die Musik zieht im Laufe des Spiels stark an und erinnert gegen Ende sogar an Spiele wie Unreal oder Deus Ex. Und wenn die Waffenauswahl nicht so ein Komplettausfall wie zu Beginn der ersten Episode ist, funktioniert das alles ganz gut. Außerdem hat Daikatana viel Herz: Man merkt wirklich, dass John Romero hier groß geträumt hat, auch wenn er und sein Team vieles davon nicht gut genug umzusetzen vermochten. Jedenfalls ist es aber ein Spiel von der Sorte, die es heute einfach nicht mehr gibt. Keine regenerierende Gesundheit, keine schlauchigen Levels, kein ödes Hinter-der-Kiste-Hocken-und-Nachladen-und-mit-Kimme-und-Korn-Zielen-und-Gesundheit-Wiederherstellen-bis-alle-tot-sind und kaum gescriptete Events. Dafür ein herausfordernder Schiwerigkeitsgrad, massig Gegner und viele versteckte Bonus-Items. Kurz: man hat in den Levels eigentlich immer was zu tun.
3.) Hat Daikatana seinen Ruf verdient?
Imho nein. Der Ruf entsand vor allem durch die üblen ersten Levels, die man nach etwa 2 Stunden hinter sich gebracht hat, sowie durch Bugs und Probleme, die durch den Community-Patch heute großteils behoben sind oder umgangen werden können.
Es spielt sich im Jahr 2019 jedenfalls erstaunlich erfrischend. Ich hab die 16 Stunden im Spiel innerhalb von 10 Tagen über die Bühne gebracht. Sowas passiert mir heute eigentlich nur selten. Mit aufgesetzter Nostalgiebrille gebe ich daher eine 8/10. Genrefans von damals mit Hang zu trashigen B-Movie-Erlebnissen greifen zu.
EDIT: PS: Die Credits nach dem Abspann sind der Hammer. Super-coole Idee, die man so auch nur irgendwann zwischen 1998 und 2000 haben konnte.