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thwidra
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Game Studies: Gefangen im Flow?

Sa, 7. Feb 2009, 12:04

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Das hier mag etwas schamlose Werbung sein, aber ich bin doch recht stolz auf die geleistete Arbeit. Denn ich habe im September letzten Jahres einen wissenschaftlichen Aufsatz zum Thema Computerspiele geschrieben. Seit zehn Jahren werden vor allem im englischsprachigen Raum immer mehr Game Studies durchgeführt, vor drei bis vier Jahren ist die Welle auch zu uns geschwappt und nun beackern vor allem junge Nachwuchswissenschaftler, die mit dem Medium aufgewachsen sind, dieses Thema. Seit gestern halte ich nun den Sammelband mit mehreren einzelnen Aufsätzen über Computerspiele in den Händen, praktisch frisch aus dem Druck. Ich möchte jetzt nicht jeden Aufsatz vorstellen, das kann einfach im Inhaltsverzeichnis [PDF] auf der Buchseite des Verlages nachgelesen werden.

Ich sage einfach mein Thema kurz auf. Und zwar habe ich mich um den Begriff “agency” in Computerspielen gekümmert und mir dafür die Beispiele Biohock, EVE Online und The Witcher herausgepickt. Agency lässt sich in diesem Falle am besten mit “Einfluss” übersetzen, ein Spieler erfährt Einfluss auf ein Spiel, wenn er eine Entscheidung trifft und diese tatsächlich Auswirkungen und Konsequenzen hat, welche den Handlungsverlauf verändern. Es sind also dramatische Entscheidungen. Sei dies im unmittelbaren, kleinen Rahmen (local agency) oder im großen, übergeordneten, und langfristigen Rahmen (global agency). Wobei “wahre” agency ein Idealzustand ist, der aufgrund der Strukturen interaktiver Geschichten wohl nicht so schnell erreicht werden wird. Heiliger Gral und so. An den Beispielen Bioshock und The Witcher habe ich versucht nachzuweisen, bis zu welchem Ausmaß bereits jetzt agency in Computerspielen gegeben ist, wobei hier die aristotelischen Grundstrukturen des Aufbaus eines Dramas den Ausgangspunkt setzen. Davon ausgehend wird eine Struktur der interaktiven Geschichte gebildet und diese mit den phänomenologischen Kategorien agency, transformation und immersion verknüpft. Hört sich hoffentlich spannend an vielleicht hat ja jemand Interesse dran, mal so was zu lesen. Ich würde mich freuen.

Generell kann ich die Game Studies-Serie des vwh-Verlages nur empfehlen, die ersten vier Bücher, die ich bisher gelesen habe, sind interessante Analysen zu einzelnen Aspekten von Computerspielen.

Das ist jedenfalls meine erste richtige Veröffentlichung! 8)
 
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Fraggy
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So, 8. Feb 2009, 01:57

Aus welcher wissenschaftlichen Perspektive wird das denn betrachtet? bzw. was hast du studiert? Medienwissenschaften/Kommunikationswissenschaften oder doch eher etwas IT-lastiges?
I did absolutely nothing and it was everything I thought it could be.
(Peter Gibbons)
 
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thwidra
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So, 8. Feb 2009, 13:48

Das wird alles aus der geisteswissenschaftlichen Perspektive betrachtet, genauer eben Medienwissenschaft. Ich bin zwar selbst kein Medien- und Kommunikationswissenschaftler, kenne mich aber (zumindest ein klein wenig) im Bereich narrativer Strukturen aus. Natürlich hatte ich anfangs etwas Hilfe vom Herausgeber bei der Literatur, habe mich in die entsprechenden Theorien (Aristoteles und seine dramatische Poetik, Crawford und sein interactive storytelling, Brenda Laurels interactive drama, Janet Murrays phänomenologische Kategorien agency, immersion und transformation und Michael Mateas Verknüpfung von interactive drama und agency) eingearbeitet, soweit das für den Aufsatz notwendig war. Die Theoriebasis im Aufsatz stammt also nicht von mir, ich habe das nur zusammengefasst dargestellt und mir selbst die Probanden rausgepickt.

Ich hatte natürlich im September die Zeit dafür, damit und mit der anfänglichen Literaturhilfe hätte ich es sonst nicht machen können. Andere Aufsätze im Buch wurden auch von Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Bereichen geschrieben, ein Beitrag stammt von einer Musikwissenschaftlerin, ein anderer von einem Literatur- und Sprachwissenschaftler (Gothic Gaming), wieder ein anderer von einer Kulturwissenschaftlerin, ich selbst bin Historiker, aber natürlich sind auch drei Medienwissenschaftler dabei, u.a. der Herausgeber, der auch alle Beiträge auf inhaltliche Fehler abgeklopft hat.
Zuletzt geändert von thwidra am So, 8. Feb 2009, 13:51, insgesamt 2-mal geändert.
 
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tafkag
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Re: Game Studies: Gefangen im Flow?

So, 8. Feb 2009, 23:04

thwidra hat geschrieben:
Das ist jedenfalls meine erste richtige Veröffentlichung! 8)


Glückwunsch!
 
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Alex
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Mo, 9. Feb 2009, 09:13

Auch von mir einen herzlichen Glückwunsch. Die Buchreihe klingt auch wirklich interessant, endlich werden Videospiele mal so ernst genommen und so sinnlos seziert wie andere Medien. ;)
 
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thwidra
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Di, 10. Feb 2009, 20:22

Hehe, danke. :) Falls jemand jemanden kennt, der eine Magister-/Diplomarbeit in dem Bereich schreibt, der Verleger ist immer auf der Suche nach guter Ware. ;)
 
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Ganon
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Mi, 11. Feb 2009, 17:12

Respekt, mein Lieber! Sowas kann nicht jeder vorweisen. Und das Thema klingt auch noch interessant! ;-)
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Leland Yee, the Senator that decided that violent videogames were so dangerous to society that he needed to propose a law that banned selling them to minors, was arrested recently for weapons trafficking. He was buying shoulder-mounted rocket launchers from an extremist Islamic group and accidentally sold them to a member of the FBI. I mean, thank God he doesn't play videogames or he might have really become a threat to society.

-- Extra Credits Episode 200
 
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Do, 12. Feb 2009, 23:24

das scheint mir in der tat hochinteressant zu sein. vor allem weil die behandelten gametypen zu meinen traumgames gehören.

btw. ein aristotelisches drama mit einem null-A ansatz wäre mal eine sache... :)
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Ich bin echt dankbar fuer 8 jahre PCPlayer-Abo. das GameStar Abo hab ich gekuendigt. die PCPowerplay fand ich auch nicht so richtig brauchbar. jetzt suche ich mein heil in online mags wie gamona.de, escapistmagazine.com, rockpapershotgun.com

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