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Fr, 28. Feb 2003, 10:25

fflood hat geschrieben:
Ssnake hat geschrieben:
(...) politisch korrekte Gesinnungsfaschisten (...)


Was bitte darf ich mir denn darunter vorstellen?

Diejenigen, die in ihrer Form der Argumentation und den Schluß nahelegen wollen, daß sie die besseren Menschen seien und jeder, der sich nicht ihrer Meinung anschließt, ein böser Mensch sei. Bei denen rationale Argumentation durch emotionalen Aufruhr verdeckt wird, weil, wer "Wut und Trauer" (oder auch "Trauer und Wut") verspürt, wahrhaftiger ist, insbesondere wenn es sich um Fragen wie "soziale Gerechtigkeit/Nestwärme" und "Weltfrieden" geht. Etwa das verstehe zumindest ich darunter.

Will sagen: Ich hab' nichts gegen Leute mit anderer Meinung. Ich bin auch nicht dagegen, daß sie ihre Meinung hartnäckig verteidigen (mach' ich ja genauso) - aber wenn sie anfangen, Andersdenkenden die moralisch-ethische Integrität abzusprechen, hört bei mir der Spaß auf.
 
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Fr, 28. Feb 2003, 10:46

thwidra hat geschrieben:
Ssnake hat geschrieben:
Jau, willkommen im Club. ;)
Man könnte ja sehr wohl auch argumentieren, daß eine solche Simulation geeignet ist, dem interessierten Staatsbürger darzulegen, wofür die Steuermilliarden augegeben werden, und selbst abzuschätzen, wie der Verlauf eines Gefechts sein könnte. Das könnte einerseits helfen, Vorurteile abzubauen, andererseits aber natürlich auch nur ein falsches Bild durch ein anderes falsches Bild zu ersetzen.


Genauso könnte man aber sagen, dass der Spieler anschließend ein realistisches Buch zum Thema liest, oder sich einfach die neuesten Nachrichten im Fernsehen ansieht. Und sein Bild (durch den "invormativen" Charakter) des Kriegsgeschehens ändert sich wieder.

Unterscheidet der Spieler aber strikt vom Virtuellen, dürfte alles, was im Comuterspiel dargestellt ist, keinen direkten Einfluss auf seine Meinung haben.

Da bin ich ein wenig anderer Meinung.
Ich habe bei der Bundeswehr Ende der 80er/Anfang der 90er jahrelang gepaukt, wie man sich eines massiven Überfalls durch mechanisierte Divisionen nach "Kräftgliederung Rot" zur Wehr setzen sollte; Richt-/Ladeschütze, Kraftfahrer für Leo 2, Kommandantenlehrgang, Offizierlehrgang, Zugführerlehrgang, Schießlehrerlehrgang, Übungsplatzaufenthalte, simulatorgestütztes Training, Sandkasten, Filme, Planspiele - und nicht zuletzt die intensive Diskussion mit Kameraden.

Ein halbes Jahrzehnt später sitze ich vor dem Szenario-Editor von Steel Beasts V 0.28 und habe gerade, so "rein aus Scheiß", mal ein einfaches (aber an gelernten Sachverhalten ausgerichtetes) Szenario entwickelt, bei dem einige hundert Feindpanzer auf engem Raum mit hoher Geschwindigkeit auf mich zurollen.

Nichts, aber auch gar nichts in meiner Ausbildung zuvor, die sicher nicht schlecht war, hat mich auf diesen Anblick vorbereiten können - daß man nicht mal weiß, worauf man zuerst schießen soll bei dieser Lawine aus Stahl. In diesen Momenten merkt man, daß obwohl man der Schöpfer und Herr des Szenarios ist, das Resultat der Simulation einen sehr wohl fundamental zu überraschen vermag.
Es ist ein Unterschied, bei Avigdor Kahalani zu lesen, wie sein Bataillon 1973 im Golan eine Angriffswelle nach der anderen durch die syrischen Panzerregimenter abwehrt und die Lage immer verzweifelter wird - oder es selbst zu erleben, selbst wenn es nur im Rahmen einer Simulation erfolgt. Kein Hexfeldspiel, kein Fernsehteam, kein Zeitungsbericht kann diese Atmosphäre erzeugen (freilich ist auch ein Computerspiel nur ein schwacher Ersatz der Realität, ist klar).

Der PC schafft eine enorme Rechenkraft in unser aller Heim, eine Macht, die vor wenigen Jahren noch den Regierungen und Großkonzernen vorbehalten war. Damit ermöglicht diese Technologie auch dem interessierten Bürger, sich ein besseres Bild von seiner Armee oder einem möglichen Krieg zu machen, als das je zuvor ohne direkte eigene Anschauung möglich war.
Die Schlußfolgerungen muß natürlich jeder selbst ziehen. Ich sehe meine Arbeit auch als Teil einer umfassenden, technologisch induzierten Demokratisierungsbewegung, als eine Möglichkeit, zur Mündigkeit als Staatsbürger und Wähler zu gelangen.
 
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Hattori Hanso
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Fr, 28. Feb 2003, 10:55

Ich fand persönlich die Szene in Stalingrad schon schlimm genug, als der EINE lumpige T34 auf die Stellung zurollt....
--------------------------------------------------------
1+1 ist ungefähr 3

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Dirty Harry hat geschrieben:
Um bei Ssnakes Problem zu bleiben: Am besten wäre es wohl, ein fiktives Szenario in einer nahen Zukunft zu entwickeln, und dies dann als Story für die Simulation zu verwenden. Damit hat man einen spannenden Hintergrund, da aber alles frei erfunden ist kann sich niemand moralisch auf den Schlips getreten fühlen. Eben wie in OpFlash.

Z.B. könnte das Szenario so aussehen dáß in Russland ein Umsturz stattfindet und eine Ultrakommunistische Regierung an die Macht kommt, die dann z.B. Deutschland angreift. Das wäre doch spannend, an die "bösen" Russen sind alle gewöhnt, es könnte ja zum Ausgleich noch die "guten" freiheitsliebenden Russen geben.... So etwas wäre moralisch wohl relativ neutral. Irgendwelche Moslems oder Irakis als Gegner zu verwenden wäre momentan zwar recht aktuell, aber leider ziemlich politisch unkorrekt.
Dem ließe sich entgegenhalten, daß

1. Die ehemalige Sowjetunion gar nicht mehr die wirtschaftliche Kapazität hat, einen umfassenden Krieg zu führen, so ein Szenario also kaum überzeugend wirkt (sondern vielmehr ziemlich bemüht klingt, um die Russen noch irgendwie im Spiel zu halten)

2. Wenn es zur Zeit überhaupt eine Bedrohung des Westens gibt, diese vom Nahostkonflikt und dem aggressiven Islamismus ausgeht (nicht notwendigerweise von "den Moslems" - auf Political Correctness sei einfach mal geschissen.

Das Problem mit "realistisch anmutenden" Rahmenlagen ist, daß sie entweder "zu nah" für das allgemeine Empfinden an der Realität angelehnt sind, oder daß sie nur Leute mit beschränktem Vorwissen zu überzeugen vermögen.
Die Verwendung von Platzhalterwörtern für echte Staaten hat demgegenüber den Vorteil, daß man ganz nah an der Realität bleiben kann, ohne ünerwünschterweise Roß und Reiter beim Namen nennen zu müssen. Wer will, kann das im Geiste ergänzen - muß es aber nicht.
 
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thwidra
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Fr, 28. Feb 2003, 11:16

Ssnake hat geschrieben:
thwidra hat geschrieben:
Ssnake hat geschrieben:
Jau, willkommen im Club. ;)
Man könnte ja sehr wohl auch argumentieren, daß eine solche Simulation geeignet ist, dem interessierten Staatsbürger darzulegen, wofür die Steuermilliarden augegeben werden, und selbst abzuschätzen, wie der Verlauf eines Gefechts sein könnte. Das könnte einerseits helfen, Vorurteile abzubauen, andererseits aber natürlich auch nur ein falsches Bild durch ein anderes falsches Bild zu ersetzen.


Genauso könnte man aber sagen, dass der Spieler anschließend ein realistisches Buch zum Thema liest, oder sich einfach die neuesten Nachrichten im Fernsehen ansieht. Und sein Bild (durch den "invormativen" Charakter) des Kriegsgeschehens ändert sich wieder.

Unterscheidet der Spieler aber strikt vom Virtuellen, dürfte alles, was im Comuterspiel dargestellt ist, keinen direkten Einfluss auf seine Meinung haben.

Da bin ich ein wenig anderer Meinung.
Ich habe bei der Bundeswehr Ende der 80er/Anfang der 90er jahrelang gepaukt, wie man sich eines massiven Überfalls durch mechanisierte Divisionen nach "Kräftgliederung Rot" zur Wehr setzen sollte; Richt-/Ladeschütze, Kraftfahrer für Leo 2, Kommandantenlehrgang, Offizierlehrgang, Zugführerlehrgang, Schießlehrerlehrgang, Übungsplatzaufenthalte, simulatorgestütztes Training, Sandkasten, Filme, Planspiele - und nicht zuletzt die intensive Diskussion mit Kameraden.

Ein halbes Jahrzehnt später sitze ich vor dem Szenario-Editor von Steel Beasts V 0.28 und habe gerade, so "rein aus Scheiß", mal ein einfaches (aber an gelernten Sachverhalten ausgerichtetes) Szenario entwickelt, bei dem einige hundert Feindpanzer auf engem Raum mit hoher Geschwindigkeit auf mich zurollen.

Nichts, aber auch gar nichts in meiner Ausbildung zuvor, die sicher nicht schlecht war, hat mich auf diesen Anblick vorbereiten können - daß man nicht mal weiß, worauf man zuerst schießen soll bei dieser Lawine aus Stahl. In diesen Momenten merkt man, daß obwohl man der Schöpfer und Herr des Szenarios ist, das Resultat der Simulation einen sehr wohl fundamental zu überraschen vermag.
Es ist ein Unterschied, bei Avigdor Kahalani zu lesen, wie sein Bataillon 1973 im Golan eine Angriffswelle nach der anderen durch die syrischen Panzerregimenter abwehrt und die Lage immer verzweifelter wird - oder es selbst zu erleben, selbst wenn es nur im Rahmen einer Simulation erfolgt. Kein Hexfeldspiel, kein Fernsehteam, kein Zeitungsbericht kann diese Atmosphäre erzeugen (freilich ist auch ein Computerspiel nur ein schwacher Ersatz der Realität, ist klar).

Der PC schafft eine enorme Rechenkraft in unser aller Heim, eine Macht, die vor wenigen Jahren noch den Regierungen und Großkonzernen vorbehalten war. Damit ermöglicht diese Technologie auch dem interessierten Bürger, sich ein besseres Bild von seiner Armee oder einem möglichen Krieg zu machen, als das je zuvor ohne direkte eigene Anschauung möglich war.
Die Schlußfolgerungen muß natürlich jeder selbst ziehen. Ich sehe meine Arbeit auch als Teil einer umfassenden, technologisch induzierten Demokratisierungsbewegung, als eine Möglichkeit, zur Mündigkeit als Staatsbürger und Wähler zu gelangen.


Naja, stimmt schon, nur bleibt es schlußendlich ein Spiel. Wer aus dieser brisanten Materie ein paar Aspekte in den falschen Hals bekommt, sollte das Spiel (trifft auch auf die zahlreichen indizierten Shooter zu) nicht anfassen. Ein moralisch gefestigter Spieler sollte aber nicht unbedingt ein Problem in der Darstellung* eines Feindbildes haben.
Was passiert mir den als Spieler, wenn ich soeiner Spielsituationen gegenüberstehe? Vermutlich bekomme ich einen leichten Nervenkitzel, ein mulmiges Bauchgefühl. Wenn ich dann die Gegner besiege sogar Freudengefühle. Ich habe ein Erfolgserlebnis und gehe dann vom PC weg. Aber übertrage ich das Erlebte auf die Realität? Läuft in mir ein anderes geistiges Bild ab, wenn ich die neuesten Kriegsnachrichten im Fernsehen sehe? Ich glaube nicht.
Vielleicht hilft es mir ein geistiges Bild von Kahalanis Panzerkrieg zu bekommen, ob es am Ende richtig ist, wird aber wohl nur Kahalani oder einer seiner Männer persönlich sagen können.

Also ich glaube nicht, dass nur ein Spiel wesentlich dafür verantwortlich ist, ein umfassendes Kriegsbild zu haben. Genauso wie das kein Fernsehfilm oder ein paar Nachrichten erzielen können.
Was bleibt ist das mulmige Bauchgefühl zum einen und die Überlegungen, wie ich den feindlichen Panzer im Spiel austrickse, zum anderen. Wer davon ein umfassendes Bild auf die reale Welt überträgt, braucht meienr Meinung nach dringenst Aufklärung.


*Darstellung natürlich nur in den Sinne, was der eigene Geschmack erlaubt, sich anzuschauen.

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