Ich fühle mich nun auch zu einem etwas ausführlicheren Kommentar bemüßigt. Vorweggeschickt: Es folgt eine ganze Litanei an Nörgeleien, aber das seid ihr ja nun über die Jahre von mir gewöhnt.
Was nicht heißen soll, dass ich Oblivion nicht mag. Ganz im Gegenteil. Es war jeden Cent wert, da es insgesamt Spaß macht. Das liegt sicher nicht zuletzt an der für ein Rollenspiel guten Grafik, wie Alex schon sagte. Auch der Umfang und das Gefühl von Bewegungsfreiheit - ohne durch die Komplexität erdrückt zu werden (wie auch schon in Morrowind)- schlagen sich auf der Habenseite nieder.
Auf permanente Abstürze, Hardwarehunger und nicht zu beendende Quests will ich jetzt hier nicht noch mal eingehen. Es gibt zahlreiche andere Kritikpunkte.
Anfangs sagte ich noch in einem Posting „Klasse Charaktersystem, wie immer“. Nach und nach stellt sich das als krasse Fehleinschätzung dar. Die Charakterentwicklung ist höchst problematisch. Wie gehabt verbessern sich die Werte nicht über EXP, sondern durch Verwenden der jeweiligen Fertigkeit, der Stufenanstieg erfolgt nach der Verbesserung von 10 Fertigkeiten. Das klingt (ähnlich wie damals bei UO) nach einer guten Idee. Ist es letztendlich aber nicht. Daraus entstehen nämlich Folgeprobleme. Zum einen ist das Ganze sehr anfällig für Manipulationen. Von Dungeon zu Dungeon hüpfende Elfen in schwerer Rüstung, die bei jedem Sprung willkürlich Zauber raus hauen, würden selbst in der Realität eines Fantasy-Landes in der Klapsmühle landen. Bei Oblivion werden sie dagegen innerhalb kürzester Zeit mächtige Helden – sogar ohne einmal gekämpft zu haben.
Zum anderen lässt sich jede Fertigkeit mit entsprechender Zeit (scheinbar) beliebig trainieren. Die anfangs ausgewählten Spezialfertigkeiten haben keinen wirklichen Effekt, außer dass sie etwas schneller ansteigen. Mit genügend Geduld wird der Charakter so zu einem All-Rounder. Dabei macht es doch gerade so Spaß, wenn man die Qual der Wahl hat („Ich könnte jetzt hier Stärke steigern und dafür dann … nee … Geschicklichkeit wäre noch besser … oder … oder … Moment …“ und so weiter und so fort). Diablo, Fallout und Gothic zeigen mE nach sehr anschaulich, wie gut so eine Art Diversifizierung dem Spielspaß und vor allem auch dem Wiederspielwert tun kann.
Außerdem zieht die Abwesenheit von EXP die Nutzlosigkeit der Quests nach sich. Ich renne stundenlang durch die Gegend und bekomme dafür nur eine Hand voll Gold. Toll. Da kann ich es auch gleich bleiben lassen und Monster farmen oder in der Arena antreten, was bei Weitem lukrativer ist. So gut die Quests (wenn sie denn funktionieren) auch sein mögen: um ihrer selbst Willen löse ich sie dann doch nicht.
Dann wäre da noch der „Warenbestand“. Oblivion vermittelt mir bisher, dass alle Händler ihre Waffen und Rüstungen von der gleichen Manufaktur beziehen. Der Abwechslungsreichtum lässt sehr zu wünschen übrig. Zumindest die Unterteilung in Magier-, Dieb- und Kämpferrüstung wäre für mich das Minimum. Es gibt jedoch leider nur leichte und schwere Rüstung in begrenzter Variation. Dünn.
Das nächste sind die Kämpfe. Mit *einem* Gegner funktionieren sie noch ganz gut. Mit mehreren werden sie heillos unübersichtlich. Zumal, wenn man auch noch einen Helfer beschworen hat. Kämpfe ich dann aus der Ego-Perspektive, sehe ich allein wegen meines Schildes das Gewusel vor mir nicht mehr (Blocken verdeckt ¾ des Bildschirms). Kämpfe ich aus der Third-Person-Perspektive, habe ich kein Fadenkreuz mehr. Meine Zauber landen also irgendwo, nur nicht da, wo sie hin sollen.
Zudem sind die Gegner von der Charakterstärke abhängig. Die gut gemeinte Idee dahinter ist, dass der Spieler nie überfordert und nie unterfordert sein soll. Nur ist es wie so oft: das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Der Witz an einem RPG ist mE, dass ich am Anfang vor jeder Ratte wegrennen muss und mich dafür gegen Ende als Überheld durch Orkhorden hacke als wären sie Butter (wie treffend der an sich platte Vergleich ist, weiß derjenige, der schon mal in meinen Kühlschrank geschaut hat *g*). Eben dieses Hochgefühl: Man begegnet dem Pausenbrot raubenden Bully aus der Grundschule nach 20 Jahren wieder, nur ist er ein schlaksiger Hungerhaken und man selbst ein 2,20m 150 kg Muskelberg mit schwarzem Gürtel geworden. Oblivion ist da eher wie die Realität: Auch mit 30 bekommt man wieder fleißig auf die Fresse.
Zumal: wenn wenigstens die Monstersorten wechseln würden. Aber nein. An der Stelle, wo ich auf Stufe 1 „Diebe“ umbrachte, bringe ich nun auf Stufe 16 „Marodeure“ um. Die sehen gleich aus, sind nur etwas stärker und droppen bessere Klamotten. Großartig.
Zu den wirklich finsteren Menüs hat Alex ja schon was gesagt, aber für Zauberer sind sie kein Ärgernis, sondern ein Horror. Die 8 Tasten-Shortcuts sind schnell aufgefüllt und dann scrollt man, viele Zauber vorausgesetzt, Stunden durch die Listen, bis man mal den richtigen Spruch findet. Zumal es nur eine handvoll unterschiedlicher Icons gibt und die Zauber*namen* in der Regel unzutreffend sind (Feuerball = Heilzauber). Zaubermacros, wie bei Wow, jibbet es natürlich nicht.
Ein Wort zu den Dungeons: Was anfangs super aussieht, nutzt sich relativ schnell ab. Die immer gleichen Texturen hätte ich ohne weiteres ertragen, aber komplette Elemente wiederholen sich. Das ist mit der Zeit echt nicht mehr witzig. Wie auf dem Jahrmarkt: „Meine Damen! Meine Herren! Sehen sie ein Monster aus den Welten von Daggerfall! Sehen sie den tot geglaubten Schrecken aus der Urzeit: den …*dramatische Pause* … fürchterlichen Dungeongenerator!“
Wo wir schon von „fürchterlich“ reden. So cool ich die Idee finde, jeden Gesichtszug meines Charakters selbst gestalten zu können: Das Ergebnis sieht bei Oblivion in aller Regel so intelligent aus wie ein Burschenschaftlertreffen. Gerade die NPC machen den Eindruck, als wären sie alle in der Nähe des gleichen Atomkraftwerks aufgewachsen. Wenn die Grafikoption „Körperschatten“ an ist, werfen zu allem Übel die Kieferknochen ulkige Schatten, die aussehen wie Gesichtsbehaarung. Wo wir wieder beim Jahrmarkt wären: „Kommen Sie! Staunen Sie! Nur hier gibt es Hugo den Affenmenschen und Lula die bärtige Lady!“
Vielleicht wird das eine oder andere noch durch Patch behoben. Aber zu viele der Probleme sind leider zentrale Bestandteile des Spiels, so dass man diesbezüglich getrost alle Hoffnung fahren lassen darf.
EDIT: Auch so Schoten, wie dass ich durch ein verschlossenes Gatter den dahinter befindlichen Schalter nicht per Telekinese umlegen kann (sondern diesen Spruch scheinbar nur an "dafür vorgesehenen" Stellen verwenden darf), nerven wie Sau.
