Mafia dürfte eines der meisterwarteten PC-Spiele der letzten Zeit sein. Schon seit zwei Jahren werden potenzielle Käufer mit grandiosen Screenshots und einem vielversprechenden Szenario verwöhnt. Jetzt endlich ist das Spiel draußen und erfüllt die hohen Erwartungen.
Entwickelt wurde Mafia von der tschechischen Spieleschmiede Illusion Softworks. Aber keine Angst: Hier wird nicht der brutalen Russen-Mafia gehuldigt, sondern Italo-Amerikanern in der harten Zeit der 30er Jahre. Rezession, wo man hinschaut, den Leuten geht es schlecht; als ob das noch nicht genug ist, verhängt die dekadente Regierung auch noch ein Alkoholverbot, die Prohibition. Da muss es doch jemanden geben, der der Politik den Riegel vorschiebt!
Taximann Tommy
Tommy Angelo kann da leider nicht viel machen: Auch er leidet an der wirtschaftlichen Lage und verdient sein trocken Brot als Taxifahrer in der Stadt Lost Heaven. Da dort nicht nur der Himmel, sondern auch Hopfen und Malz verloren ist, sichert ihm der Job nur das blanke, triste Überleben, sonst nichts.
Eines weiteren trüben Tages wartet Tommy wieder mal vergebens auf zahlende Kundschaft, ruht sich aus und gönnt sich mal ein bisschen Luxus: ne schöne Kippe rauchen. Plötzlich aber ist aller Müßiggang vergessen, denn ganz in der Nähe sind ohrenbetäubender Lärm und Schreie zu hören. Was mag das zu bedeuten haben? Was ist los? Zu allem Überfluss wird Tommy auch noch in die Geschichte miteinbezogen: Zwei bewaffnete Männer laufen auf ihn zu und schreien ihn an, das Taxi schleunigst in Bewegung zu setzen und nahende Verfolger abzuschütteln. Von solch schusskräftigen Argumenten überzeugt, dreht Tommy den Zündschlüssel um, tritt auf das Gaspedal und fährt um sein Leben und das seiner Gäste. Erstmals greift jetzt der Spieler ein. Hier eine 180-Grad-Drehung mittels Handbremse, da in die Fußgängerzone gefahren, und die Feinde sind abgeschüttelt. Allerdings ist das schöne Taxi um ein paar Einschusslöcher reicher. Klugerweiser verzichtet Tommy darauf, dies anzusprechen und setzt die beiden Herren an einer Bar ab.
Als er den Namen der Bar erkennt, wird ihm etwas mulmig: Salieri steht da in roten Lettern geschrieben. Das ist doch der Mann, vor dem sich ganz Lost Heaven fürchtet, und dann wird er auch noch gebeten, im Wagen zu warten, da sich Salieri erkenntlich zeigen werde. Die Spannung der Zwischensequenz steigt dramatisch an: Tommy zieht nervös an einer Zigarette, lässt den Schlüssel im Zündschloss, während die orchestrale Musik immer furchteinflößender wird; man spürt sogar Tommys Herzschlag, der zu einer ungesunden Heftigkeit anschwillt, als sich ein Ganove dem Taxi nähert: ganz langsam natürlich, die rechte Hand tief in der linken Seite des Mantels versteckt. Endlich zieht er die Hand heraus und man sieht... zum Glück nur einen Umschlag mit einer Handvoll Dollars, deutlich mehr, als Tommy für die Reparatur braucht. Das Angebot, bei Salieri arbeiten zu können, nimmt er nur noch nebenbei wahr. Ein Tommy Angelo arbeitet doch nicht für die Mafia! Gott sei Dank kann er sich nun wieder seinem tristen Leben hingeben.
Tommys Traum(a)
Also beschränkt er sich wieder aufs Taxifahren: Da es dabei keine zeitliche Begrenzung gibt, kann sich der Spieler erstmals in aller nötigen Ruhe dem Spiel und der Grafik widmen. Die Stadt besteht aus neun Stadtteilen, unter anderem Little Italy, China Town, einem Arbeiterviertel, einem Villenviertel, das aufgrund seiner Lage in den Bergen von niederen Wagen kaum zu erreichen ist, also alles, was eine konfliktgeladene Kleinmetropole so braucht. Vier große Brücken, teilweise sogar aufklappbar für den Schiffsverkehr, und ein Tunnel verbinden die einzelnen Stadtteile untereinander.
In den Straßen selbst herrscht zumeist Halligalli pur: Unterschiedlichste Autos (aber leider keine Fahrräder oder Pferdekutschen), Straßenbahnen und Züge versuchen, möglichst zügig von A nach B zu kommen und verschaffen sich dafür auch notfalls mittels (Licht-)Hupe Gehör. Geordnet geht es dabei eher selten zu, denn außer Ampeln gibt es keine Autorität oder Regelung, die von allen Verkehrsteilnehmern akzeptiert wird.
Da können einem die Fußgänger nur leid tun, in Lost Heaven gibt es nicht einmal Fußgängerampeln oder Zebrastreifen; so handeln diese Herrschaften getreu dem Motto "Augen zu und durch", nicht selten heißt es dann aber auch "Schluss, Aus und vorbei". Einige scheinen nämlich nicht zu wissen, dass Autofahrer bei Zusammenstößen meist die Gewinner sind.
Zumindest kann man zuvor noch die Gesichter bewundern, denn schönere gab es in noch keinem Spiel! Vor allem die Hauptcharaktere wirken beinahe fotorealistisch: Haare, Augen, Falten, Mund lassen sogar in der Bewegung beim Sprechen fast vergessen, dass Mafia kein Kinofilm ist. Einzig die Ohren wirken ein wenig wie angeklebt und angeschweißt, schade. Der restliche Körper ist nicht mehr ganz so detailreich, aber immer noch nett anzuschauen; die Mode von damals würde wohl vielen besser gefallen als die heutige. Die Bewgungen sind recht geschmeidig, und der "Pampers-Effekt" vieler anderer Spiele kann hier nicht ausgemacht werden.
Die Autos sind ebenfalls sehr hübsch und abwechslungsreich, von der 80 Km/h-Kiste, die einen Anstieg höchstens im ersten Gang nimmt, bis zum Luxuswagen, der jeden in ungläubiges Staunen versetzt, wird alles geboten. Natürlich ist auch soundtechnisch feststellbar, wie PS-stark das Gefährt in etwa ist.
Mit der Tab-Taste kann eine halbdurchsichtige Karte von Lost Heaven eingeblendet werden, die sowohl Standort als auch Ziel anzeigt. Hat man die Stadt durch die ersten Taxifahrten erst kennen gelernt, findet man sich problemlos zurecht. Um nicht aus Versehen zu schnell zu fahren und damit Ärger mit der Polizei zu riskieren- je nach Höhe der Überschreitung der Geschwindigkeit winken ein harmloses Bußgeld bis hin zur "tödlichen" Gefängnisstrafe -, empfiehlt sich die Einschaltung des Tempomats, der dafür sorgt, dass 60 Km/h oder 40 mph nicht überschritten werden.
Nachdem mal wieder Ruhe am Taxistand herrscht und Tommy seine Kippe genießt, wird er auf einmal übelst von ein paar Burschen verprügelt, und das Taxi wird demoliert. Die Ganoven, die er für die Jungs von Salieri abgeschüttelt hat, haben sich leider sein Nummernschild gemerkt! Da die Salieri-Bar nicht allzu weit weg ist, denkt er noch einmal kurz an das Job-Angebot und entschließt sich, es nun doch anzunehmen, eine große Wahl hat er eh nicht mehr. Also steuert der Spieler Tommy so schnell er kann aus der Verfolgerperspektive durch verschiedene Hinterhöfe, in denen sich Waschweiber gar lustige Geschichten erzählen oder ein Mann seine Frau sucht, zu Salieri, dessen Männer dann erstmal die Übeltäter ausschalten. Tommys neue Karriere beginnt.
Tausend Tote
Die insgesamt 20 Mission laufen meist nach dem gleichen Muster ab: In einem Zimmer der Salieri-Bar sagt der große Don, welchen Plan er ausgeheckt hat und was zu tun ist. Danach endet die Zwischensequenz und Tommy deckt sich entweder allein oder zusammen mit seinen Kollegen Paulie und/oder Sam im Nachbargebäude beim befreundeten Waffendealer Vincenzo mit Wummen ein. Es gibt zwei Waffenarten: Kleine Handfeuerwaffen können in quasi unbegrenzter Anzahl im großen Mantel mitgeführt werden, größeren Kanonen bietet der Mantel nur einer Platz, so dass zwei Stück mitgeführt werden könnten (eine im Mantel, eine in der Hand), allerdings würde das sofort die Polizei auf den Plan rufen.
Die Waffen unterscheiden sich anhand des Munitionsvorrats, Schussschnelle oder Dauer des Magazinwechsels; vom Colt bis zum Thompson-Maschinengewehr ist alles vorhanden, was ein gefürchteter Mafioso braucht. Die Thompson ist die eindeutige beste Waffe, das Ding schießt schneller und genauer als Lucky Luke und John Wayne zusammen. In manchen Missionen rückt Vincenzo aber gar nur eine Baseballkeule raus.
Danach geht es zum etwas einfältigen Ralph, der Tommy mit einem Wagen versorgt. Schließlich fährt der Spieler zum Einsatzort, und der eigentliche Spaß kann beginnen.
Die Areale können unterschiedlicher kaum sein: In Privatwohnungen, Bars, Kunsthallen oder am Flughafen wird geklaut, geprügelt und geschossen, bis der Auftrag erfüllt ist. Dabei müssen ab und an mehrere Dutzend Gegner eliminiert werden; teilweise wirkt die Gewalt sogar grenzdebil (Massaker in einer Kirche während einer Beerdigungsfeier). Die deutsche Version kommt übrigens ohne Blut aus; wer nicht ohne kann, saugt sich im Internet einen entsprechenden Patch. Aber es gibt auch vollkommen gewaltfreie Missionen, so muss z.B. Tommy einen Fahrer bei einem Rennen ersetzen und unbedingt gewinnen, immerhin hat Salieri auf einen Sieg gesetzt.
Die Areale sind allesamt sehr liebevoll und abwechslungsreich erstellt worden, sowohl was die Grafik betrifft als auch die Aufträge, so dass während des gesamten Spiels keine Langeweile aufkommt. Die Entwickler haben nicht einmal den Humor vergessen, so werden sich Kinofreunde immer mal wieder an den einen oder anderen Streifen erinnert fühlen, sogar an den großen Konkurrenten wurde gedacht: eine Untermission hört auf den schönen Namen "Grand Theft Truck".
Tommy fragt sich zu Beginn seiner Handlungen noch öfters, ob es denn richtig sei, was er so macht, aber je brutaler und schwieriger seine Aufgaben werden, desto abgebrühter wird er. Er baut Freundschaften innerhalb des Salieri-Clans auf, Feindschaften zu den gegnerischen Morellos, und das Geld stimmt auch. Tommy besitzt jedoch ein Gewissen, das sich immer mal wieder meldet und Entscheidungen beeinflusst.
Tadellose Technik?
Die Grafik bei Mafia ist kaum zu kritisieren: Dichter Autoverkehr, viele Fußgänger, gute Texturen an den Häusern erzeugen eine sehr glaubwürdige Stimmung. Die Gesichter sehen auch beim Sprechen sehr real aus. Das größte Ärgernis sind zahlreiche Clipping-Fehler. Oftmals steht der Spieler z.B. in einem Parkhaus und kann durch das Dach sehen, oder die Waffe steckt zur Hälfte in der Wand drin. An bestimmten Positionen kann es sogar mal vorkommen, dass der Gegner keine Chance hat zu treffen, der Spieler aber sehr wohl. Um mit vollen Details spielen zu können, wird zumindest ein Rechner im oberen Bereich benötigt. Empfehlenswert ist, die Farbtiefe von 32 Bit auf 16 Bit zu reduzieren, das wirkt sich auf die Grafikqualität kaum aus, auf die Performance hingegen sehr stark.
Die KI dürfte auch bei vielen für Kopfschütteln sorgen: Irgendwie gibt es in Lost Heaven nur Sonntagsfahrer! Vorfahrtsregeln gibt es wohl nur sehr begrenzt, außer dass bei roten Ampeln gehalten wird und dass Linksabbieger irgenwie immer Vorfahrt zu haben scheinen. Fahrer stoppen ihren Wagen am Straßenrand, und steigen an der Fahrerseite aus, ohne mal kurz auf den Verkehr zu achten. Manchmal kommt es sogar vor, dass einem Wagen zum Flughafen gefolgt werden soll, dieser aber dort nie ankommt, weil der Chauffeur gegen eine Ampel gerast ist und irgendwie den Rückwärtsgang nicht findet. Da hilft dann nur, neu zu laden.
Apropos Speichersystem: Das Spiel speichert an gewissen Punkten automatisch ab, das war´s. Bei langen Missionen ist das unter Umständen sehr ärgerlich, wenn die Arbeit einer halben Stunde oder mehr für die Katz´ ist, aber im Allgemeinen kann man damit gut zurecht kommen.
Der Sound steht außerhalb jeglicher Kritik: Er schwillt an, wenn es brenzlig wird, ändert sich je nach Stadtviertel, die deutschen Synchronstimmen (u.a. die deutsche Stimme von Marlon Brando) sind exzellent und tragen einen sehr großen Teil zur Atmosphäre bei.
Der Schwierigkeitsgrad ist in der Regel sehr ausgewogen, zu leichte Missionen oder unmenschlich schwere gibt es quasi kaum, so dass man das Spiel locker in einer Woche durchspielen kann. Schade, wenn es dann vorbei ist, aber diese Stunden sind so ziemlich das Spannendste und Unterhaltsamste, was es bei PC-Spielen überhaupt gibt.
Die Zwischensequenzen (alles Ingame-Grafik) sind sehr zahlreich und für die gesamte Stimmung von großer Bedeutung, da Mafia stark von seiner Handlung lebt. Aufgrund der hohen Qualität dieser Szenen kann man sich nach getaner Arbeit einfach nur auf selbige freuen.
Ein großer Nachteil zu GTA 3 ist die strenge Linearität in Mafia. Man kann in Missionen natürlich entscheiden, wie man zum Einsatzort kommt und wie man dann dort vorgeheht, ab und zu auch mal eine Nebenmission annehmen, aber das war es dann auch schon. Der Don befiehlt, Tommy macht.
Auch wenn es nicht gerade wenige Kritikpunkte gibt, so fallen diese kaum ins Gewicht. Zu spaßig, zu gut ist Mafia, so dass diese Mali nicht nur ausgebügelt werden, sondern nur sehr sporadisch überhaupt bemerkt werden.