Mi, 25. Aug 2004, 15:29
Mein erster Beitrag zum GC-Special:
"X-Box-Ecke" oder "Über den Tellerrand geschaut" (Wenn jemand ne bessere Idee für die Überschrift hat, immer her damit.)
Weg mit alten Zöpfen: Mit neuer PR-Agentur, aktualisiertem Marketingschwerpunkt und einer kräftigen Preissenkung im Koffer erschienen Microsofts X-Box-Mannen auf der Pressekonferenz der diesjährigen GC. Standen in den Vorjahren noch die eigene Technik und die Position zur Konkurrenz im Vordergrund, so sollten es laut Martin Bachmayer (Head of Marketing) nun die eigentlichen Inhalte sein. Mit 15 Millionen verkauften Geräten und einer Million X-Box-Live-Kunden sieht man die Marktdurchdringung als ausreichend an. Man hat sich wohl damit abgefunden, dass Japaner unbelehrbar sind. Vor diesem Hintergrund verwundert die verkündetete Preissenkung auf 149,99 Euro für das X-Box-Basisgerät etwas. Die PlayStation 2 ist sogar noch 99 Cent günstiger, allerdings auch erst seit der GC. Das alles zielt auf den dritten im Bunde, der in letzter Zeit mächtig auftrumpfen konnte. Womit wir wieder bei den Inhalten angelangt wären, denn nur dank einiger spezieller Spieletitel konnte Nintendo die Stellung seines Gamecube so stark verbessern.
Die Zukunft für die X-Box liegt im Online-Gaming, keine andere Konsole kann mit einem vergleichbaren Online-Angebot aufwarten. Als Hauptnutzungszeit von X-Box Live hat man die Primetime zwischen 19 und 21 Uhr ausgemacht. Deshalb soll der Dienst zu einer Art Premiumservice für vernetztes Spielen ausgebaut werden - ähnlich den Bezahlangeboten aus anderen Bereichen der Unterhaltungsbranche. Um die monatlich anfallenden Kosten zu rechtfertigen, muss man sich vom "Billigheimer" PC, der ja bereits seit Jahren dieses Gebiet bestellt, deutlich absetzen. Dies tut Microsoft auf dieselbe Art und Weise wie eh und je. Bereits existierende Technologien werden auf das wesentliche reduziert und unter einheitlicher, leicht bedienbarer Oberfläche dem technisch unbedarften Anwender zugänglich gemacht. Das senkt die Einstiegsschwelle und erschließt völlig neue Nutzerkreise. In wenigen Bedienschritten ist der eigene Clan erstellt und ein Spiel auf einem der bereitgestellten Server gestartet - ohne langwieriges Gefummel in irgendwelchen Konfigurationsdateien. Komfortfunktionen wie Buddylisten, Terminplaner für Online-Sessions und eine Art Anrufbeantworter für ins Headset gesprochene Spieleinladungen runden das Ganze ab. Die von Boris Schneider-Johne (Product Manager X-Box) demonstrierten Features sind in ihrem Kern allesamt nicht neu, sondern auf dem PC schon länger verfügbar. Dort sind dazu aber viele verschiedene Tools erforderlich, die jeweils eine eigene Oberfläche mitbringen und konfiguriert werden müssen. Auf der X-Box ist dagegen alles schick in die Spielgrafik integriert und direkt mit dem Controller bedienbar. Das Spielerlebnis soll dem der Video-DVD ähneln: Player öffnen, Scheibe einlegen und gemütlich im Sessel lümmelnd Spass haben.
Das alles hat jedoch auch seine Schattenseiten. Zum einen sind die Kosten für X-Box Live mit 60 Euro für das Starterkit und später 7 Euro im Monatsabo beträchtlich, da in diesen Preisen noch kein einziger Spieletitel enthalten ist. Erschwerend kommt hinzu, dass das Zahlen nur per Kreditkarte möglich ist. Zum anderen geht ohne DSL-Leitung gar nichts. Die Beteuerungen, andere Internetanschlüsse seien zu langsam, sind kaum nachvollziehbar - schließlich nutzen immer noch viele PC-Spieler problemlos ISDN-Anschlüsse. Der wahre Grund dürfte der technische Aufwand für die Einwahlpunkte sein. Doch auch wenn man dies außen vor lässt, bleibt das Onlinespielen per Konsole ein oberflächliches Erlebnis. Es fehlt einfach die Verbindung zur großen weiten Welt, zu den tausenden Community-Seiten, Online-Ligen, Diskussionsforen, IRC-Channels - eben die gesamte Infrastruktur, die rund um PC-Online-Spiele über Jahre gewachsen ist. Man ist auf den kleinen Ausschnitt beschränkt, den Microsoft einem heute und in Zukunft anbieten möchte. Insofern stößt X-Box Live in eine Marktlücke vor, denn gestandene PC-Spieler werden kaum umschwenken. Leute, die bisher nicht in der Lage waren, die Hürden auf dem Weg zum Onlinespielen zu nehmen und über das nötige Kleingeld verfügen, bekommen dagegen ein sehr interessantes Angebot. Bekanntermaßen hatte Microsoft auf anderen Gebieten mit ähnlicher Taktik durchschlagenden Erfolg. Diesmal ist das Ganze jedoch durchaus positiv zu bewerten, immerhin besteht nicht die Gefahr, dass die Netzgemeinde auf Jahre hinaus mit den E-Mail-Würmern und Viren technisch desinteressierter Anwender belästigt wird. (sl)
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Ciao,
Doc SoLo
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2. EDIT: Überarbeitete Fassung.
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Doc SoLo am Do, 26. Aug 2004, 18:46, insgesamt 2-mal geändert.