Sa, 11. Sep 2004, 12:52
So, hier kommt die nächste Etappe: Vivendi Universal Games.
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Vivendi Universal Games
Vivendi Universal – sind das nicht diese Pleitegeier? Nun, das ist vielleicht etwas unfein ausgedrückt, aber tatsächlich machte der französische Medienkonzern zuletzt vor allem durch seine finanziellen Sorgen Schlagzeilen. Nach der prestigeträchtigen Fusion mit dem amerikanischen Fernsehsender NBC sind diese Probleme ausgeräumt und die Firma kann sich wieder auf ihre Produkte konzentrieren. Mit ganz so stolz geschwellter Brust wie EA vermochte man sich auf der Games Convention deshalb zwar noch nicht zu präsentieren, aber das eine oder andere Highlight lugte dennoch aus der Dutzendware hervor.
The Chronicles of Riddick: Escape from Butcher Bay
Vin Diesel ist der legitime Nachfolger von Arnold Schwarzenegger: Facettenreiches Mienenspiel ist nicht seine Stärke, doch wenn es um die Verkörperung rabiater Muskelmänner geht, ist er die erste Wahl – so auch für die Rolle des Schwerverbrechers Richard B. Riddick in David Twohys SF-Horrorstreifen Pitch Black, zu dem dieser Tage das Prequel The Chronicles of Riddick in den Kinos läuft. Die passende Versoftung liefern die Staarbreeze Studios mit Escape from Butcher Bay, bei dem man dem Knacki zur Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis verhelfen muss. Die Xbox-Version der allseits hoch gelobten Mixtur aus Shooter, Schleichspiel und Action-Adventure liegt bereits seit August in den Läden und weiß durch abwechslungsreiches Leveldesign, schicke Grafik und Vin Diesels unvergleichliche Stimme zu gefallen. Mittlerweile munkelt man, dass es vermutlich auch eine PC-Fassung geben wird. Wann diese erscheint ist jedoch ebenso unklar wie die Frage, ob das einzige ernsthafte Manko des Programms – die mit rund acht Stunden viel zu kurz geratene Spielzeit – beseitigt wird, was als eher unwahrscheinlich einzustufen ist. Dennoch: Ein paar mehr Titel von diesem Kaliber und Filmumsetzungen könnten glatt einen guten Ruf bekommen.
Empire Earth 2
Schon vor gut zwei Jahren versuchten sich die Stainless Steel Studios daran, Echtzeitstrategie und Imperienbau der Marke Civilization mit einander zu paaren. Das Kind dieser gewagten Verbindung war das durchaus gelungene Empire Earth, das sich dann Ende des Tages allerdings konventioneller spielte, als der exotische Stammbaum vermuten ließe. Jetzt liefert Mad Doc Software einen Nachfolger, der in diesem Bereich nachhelfen soll. In Empire Earth 2 führt man als Herrscher mit erstaunlich langer Lebensspanne eine von 14 verschiedenen Zivilisationen in 3 Kampagnen von der Steinzeit bis in eine futuristische Zukunft. Neben den Lieblings-Features der Stunde wie wechselnden Wetterverhältnissen und einer KI, die sich angeblich automatisch an das Können des Spielers anpasst, soll vor allem das Wirtschafts- und Forschungssystem erheblich wichtiger werden, damit der Aufbau-Teil diesmal nicht mehr wie eine zaghaft gedopte Variante des Standard-Basisbaus unzähliger anderer Echtzeitstrategie-Titel wirkt. Wenn die Automatisierungsfunktionen wie versprochen dabei helfen, das Mikromanagement nicht in nervige Mausklick-Orgien zu verwandeln, dürfte zur Jahresfrist 2004 ein interessanter, technisch ansprechender Genre-Vertreter erscheinen.
Evil Genius
Schurken sind die Protagonisten der Saison: Während EA den Spieler in Golden Eye: Rogue Agent als desertierter Spion reihenweise persönlich Gegner in den Ruhestand schicken lässt, schlüpft man bei Evil Genius in die Rolle eines brillanten Bösewichts. Nachdem sich Republic: The Revolution, das Erstlingswerk des einst als neuem Wunderknaben der Branche gehandelten Demis Hassabis, letztes Jahr als mit zu viel Vorschusslorbeeren bedachter Flop entpuppte, geht man es bei den Elixir Studios diesmal ruhiger an: Statt Innovations-Großtaten steht ein klassisches Aufbauspiel im Stil von Theme Park und Konsorten an, das vor allem durch sein schräges Szenario aufgepeppt werden soll. So baut man auf einer entlegenen Südseeinsel sein düsteres Domizil auf und heuert ein paar verrückte Wissenschaftler an, die sofort fleißig neue Massenvernichtungswaffen entwickeln. Mit diesen erpresst man dann die freie Welt, die so etwas natürlich nicht auf sich sitzen lassen kann und ein paar Spezialeinheiten entsendet, um die bösen Buben auszuräuchern – dabei sollte doch nun wirklich jeder wissen, dass ein Superschurke von Format überall Fallen aufstellt. Das Ergebnis dieser Mixtur ist so eine Art Dungeon Keeper an der Oberfläche. Technisch haut es sicherlich niemanden aus den Socken, doch die bunte Comic-Grafik erfüllt ihren Zweck. Wenn Elixir nicht wieder so viele Design-Schnitzer wie bei Republic in die Spielesuppe wirft, dürfte Ende September mit Evil Genius ein durchaus passables Aufbauspiel in die Läden kommen.
F.E.A.R.
Bei Monolith Productions hat man anscheinend ein Faible für seltsame Abkürzungen. Nach N.O.L.F. (No One Lives Forever) beglückt man die Kundschaft diesmal mit F.E.A.R., was – so will es die Science-Fiction-Mär des Spiels – für die Spezialeinheit „First Encounter Assault and Recon“ steht. In der Rolle eines dieser High-Tech-Krieger geht man seltsamen Vorkommnissen in einem Raumfahrt-Zentrum nach – nur um sich wenig später in den für Shooter wohl unvermeidlichen Feuergefechten wiederzufinden. Die Grafik ist eher gehobener Durchschnitt, weiß aber durch einige hübsche Destruktionseffekte zu gefallen: Glas splittert in alle Richtungen, Kugeln bohren sich durch Wände und Explosionen zerlegen spektakulär Fahrzeuge in ihre Einzelteile. Eine wirklich interessante Idee ist die Beschränkung auf die Ego-Perspektive: Nicht nur das eigentliche Spielgeschehen, sondern auch Zwischensequenzen wie Verfolgungsjagden sieht man durch die Augen des Protagonisten. Wenn dieser sich dann mit dem Auto überschlägt, erlebt man das entsprechend hautnah mit. Ansonsten steht vor allem das übliche Gemetzel an, bei dem man mit umfangreichem Waffenarsenal und dem einen oder anderen Fußtritt jede Menge Übeltäter unschädlich macht. Ob die Story und der ungewöhnliche Blickwinkel wirklich funktionieren, kann natürlich erst die fertige Version verraten, die 2005 für PC erscheinen soll.
Fight Club
David Finchers Film ist Kult – sagte man sich wohl auch bei Vivendi und lässt Genuine Games deshalb ein Prügelspiel zu dem Streifen zimmern. Klingt wie eine blöde Idee? Ist es vermutlich auch, denn dass die Knochenbrecherei im Vorbild nur eine untergeordnete Rolle spielte, schert bei Vivendi wohl niemanden, und so geht es eigentlich nur darum, mit verschiedenen Schlagkombinationen den Gegnern die Visage zu verformen. Selbst wenn Fight Club ein passabler Genre-Vertreter werden sollte, stellt sich leider die Frage, ob es wirklich nötig ist, für eine rabiate Kieferkorrektur tolle Lizenzen zu verbraten. Wer wirklich alles braucht, was irgendwie entfernt an David Finchers Schaffen erinnert und obendrein noch eine Xbox oder Playstation 2 besitzt, kann sich ab Ende Oktober in den Läden umsehen.
Half-Life 2
Woran liegt es bloß, dass der Autor dieser Zeilen Valve den November-Termin für Half-Life 2 nicht so recht abnehmen will? Vermutlich daran, dass auf der Games Convention von dem Shooter wieder das Gleiche wie im vergangenen Jahr zu sehen war – nämlich so gut wie nichts. Außer den von der vorletzten E3 recycelten Screenshots und Videos ließ sich weit und breit kein Informations-Krümelchen erblicken. So bleibt nur das Übliche festzuhalten: Das Spiel sieht immer noch todschick aus und verfügt sicherlich auch über genug spielerisches Potenzial. Bis Vavle den großen Worten endlich einmal etwas Konkretes folgen lässt, gibt es aber keinen Grund, in Begeisterungsstürme zu verfallen. Da kann man sich nur überraschen lassen.
Leisure Suit Larry: Magna Cum Laude
Der größte Schwerenöter der Spielegeschichte, Larry Laffer, feiert dieser Tage ein Comeback – oder genauer gesagt sein Neffe Larry Lovage. Ob die Entwickler von High Voltage Software erst zur Entscheidung kamen, auf ein anderes Mitlied der Schürzenjägerfamilie auszuweichen, nachdem es ihnen misslungen war, das Original vernünftig in 3D nachzubilden, ist leider unbekannt. Vivendi verspricht jedenfalls ein klassisches Adventure im Stil der Vorgänger, doch wie es um die Rätsel bestellt ist, wird erst die Verkaufsversion zur Zufriedenheit zeigen können. Wenn die größte Pressemeldung zum Thema sich mit der Verpflichtung von ProSieben-Moderator Oliver Pocher als Larry-Sprecher beschäftigt, lässt sich der eine oder andere Zweifel an der Qualität nicht ganz vertreiben, zumal es sich erst erweisen muss, ob die versprochenen zwölf „Minispiele“ nicht mehr nerven als unterhalten. Die Story ist wieder eine Version der bekannten Aufreißer-Posse: Der Möchtegern-Casanova treibt dieses Mal am College sein Unwesen. Ab Oktober macht sich Larry auf PC, Xbox und Playstation 2 an alles heran, was zwei X-Chromosomen hat.
Men of Valor
Der schmalzige Titel klingt nach Revisionismus pur, doch Vivendi verspricht eine kritische Auseinandersetzung mit der Vietnamkriegs-Thematik. Ob Entwickler 2015, der zuvor bereits an Medal of Honor: Allied Assault gearbeitet hat, das gelingt, bleibt abzuwarten. Immerhin sorgt die Möglichkeit, sowohl in die Rolle eines US-Soldaten, als auch in die eines Vietcong zu schlüpfen, für die Chance, beide Perspektiven kennen zu lernen. Neben den unvermeidlichen Urwald-Schusswechseln stehen auch die Teilnahme an der Tet-Offensive und Intermezzos mit Helikoptern und Patrouillenbooten auf dem Plan. Die Landschaftsdarstellung weiß vor allem dank des Licht- und Schattenspiels im Blätterwerk bereits jetzt zu überzeugen, während an der noch etwas unspektakulär herüberkommenden Atmosphäre weiter gearbeitet werden sollte – verglichen mit Call of Duty und Medal of Honor wirkt das bislang gesehene eher wie Krieg light. Wenn dieser Mangel noch ausgeräumt wird, hat Men of Valor insgesamt durchaus das Potenzial, der bislang ernsthafteste Titel zur brisanten Thematik zu werden. Ab Oktober 2004 können PC- und Xbox-Besitzer in der US-Version durch das Unterholz kriechen. Eine entschärfte deutsche Version erscheint einen Monat später.
Tribes: Vengance
Während es wie im Vorgänger erneut einen Online-Modus für 32 Spieler gibt, verpasst Irrational Games dem jüngsten Spross der Tribes-Reihe diesmal auch einen Einzelspielermodus samt Science-Fiction-Story. Dort steht ausnahmsweise nicht die Vernichtung des Gegners, sondern eine Friedensmission auf dem Plan: Der Protagonist begibt sich auf eine gefährliche Reise, um der ewige Blutfehde zwischen zwei Klans ein Ende zu setzen. Doch genauso wenig wie auf dem Balkan ein paar freundliche Worte helfen, geht es in Tribes Vengance ohne Feuerkraft – Shooter bleibt eben Shooter. Für Mobilität in den teils sehr weitläufigen Außenarealen sorgen nicht nur Gleiter, Jet Packs und Schusters Rappen, sondern mit Skiern auch ein eher selten gesehenes Fortbewegungsmittel. Die Grafik provoziert im Zeitalter von Doom 3 für keine herunterschnellenden Unterkiefer mehr, wirkt aber dank der jüngsten Unreal-Technologie sehr passabel. Ab Oktober ziehen PC-Besitzer in den neuen Feldzug.
World of Warcraft
Für das wohl unbestrittene Highlight von Vivendis GC-Lineup sorgte – in Abwesenheit zu konkreten Informationen zu Half Life 2 – einmal mehr das beste Pferd im Entwicklerstall, das wenig überraschenderweise auf den Namen Blizzard Entertainment hört. Wie es sich für ein Online-Rollenspiel von Format gehört, gibt es in World of Warcraft massig Charakterklassen und Völker zur Auswahl. Einmal in die gewünschte Rolle geschlüpft, wartet natürlich eine riesige Fantasy-Welt mit mehreren tausend anderen menschlichen Teilnehmern darauf, per Pedes oder auf dem Rücken eines Reittieres erkundet zu werden. Blizzard hat sich dabei für das nach den Ereignissen in Warcraft III gründlich umgepflügte Königreich Azeroth entschieden, dessen monsterverseuchte Gefilde für reichlich spaßige Quests sorgen sollen. Die Spielwelt wirkt bereits recht lebendig, was für Online-Titel schon einmal kein schlechter Anfang ist. Auch technisch macht Blizzard im Internet-Bereich keiner etwas vor: Für ein Solo-Programm wäre die Optik leicht angestaubt, doch im Internet hat man selten Schöneres gesehen. Die positiven Stimmen aus dem bereits angelaufenen Beta-Test und Blizzards bekannter Hang zum Perfektionismus dürfen durchaus optimistisch stimmen. Tief in die Tasche muss aber auch diesmal gegriffen werden: Wie im Genre üblich sollte man mit monatlichen Gebühren von nicht unter zehn Dollar rechnen. Wer das nötige Kleingeld und viel Zeit hat, kann sich bereits auf den US-Start im November 2004 freuen. Spezielle europäische Server sollen wenig später online gehen – wobei es auch landesspezifisch werden kann. Damit stehen erstmals auch allen, die nicht des Englischen mächtig sind, die Tore in die weite Welt des Internetspielens offen – umfangreicher Support in Deutsch inklusive. (bs)
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Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001