Ich kann den Zielstrich schon fast sehen. Mann, das wird vermutlich der längste Artikel, den wir je veröffentlich haben
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Microsoft
Wie nicht anders zu erwarten stand Microsofts Präsenz auf der Games Convention ganz im Zeichen der Xbox. Darf man trotzdem einen Blick riskieren, wenn man für eine auf PC-Spiele spezialisierte Seite schreibt? Die Antwort lautet: ja, denn zum einen wird der heimische Rechenklotz erstaunlicherweise noch nicht ganz vergessen, und zum anderen sind einige Xbox-Spiele so interessant, dass man ruhig einen Blick über den Tellerrand riskieren sollte.
Dungeon Siege II
Viel zu sehen war vom Nachfolger von Gas Powered Games’ erfolgreichem Schnetzel-RPG nicht, weshalb man sich nur an die wie immer mit Vorsicht zu genießenden Ankündigungen halten kann. Demnach tritt das Hack&Slay-Konzept des Vorgängers zu Gunsten von mehr Komplexität in den Hintergrund. Ausgefeiltere Charakterwerte und vielseitigeres Partymanagement sollen für ein insgesamt runderes Spielerlebnis sorgen, und auch der etwas dünnen Story will man ein paar zusätzliche Scheibchen Tiefe angedeihen lassen. Die Idee eines Bürgerkriegs im Fantasyreich – fieser Tyrann natürlich inklusive – klingt zwar nicht gerade originell, aber vielleicht wird es trotzdem noch ganz spannend. Ob die inhaltlichen Änderungen funktionieren, ist zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht abzusehen. Im Frühjahr 2005 darf man auf dem PC wieder Orks jagen.
Fable
Peter Molyneux hält nichts von festen Spielwegen: Der Design-Guru von Lionhead Studios, unter dessen wachsamen Argusaugen das Action-Rollenspiel Fable bei Big Blue Box entstanden ist, setzt einmal mehr auf ein Konzept, das möglichst viele Freiheiten erlauben soll. Dementsprechend übernimmt man nicht einfach nur einen Helden, den man dann gradlinig durch eine typische Fantasy-Story hetzt, sondern kann abseits der Erzählung ein komplettes Leben führen – sogar Alterung und Heirat inklusive. Obendrein dreht sich einmal mehr alles um Gut und Böse: Wie bei Knights of the Old Republic kann man die meisten Aufgaben auf eine eher neutrale, eine gute und eine böse Art und Weise lösen. Entsprechend soll sich dann nicht nur der Charakter des Protagonisten, sondern auch die Reaktion der NPCs auf ihn verändern. Ähnlich direkt hat Big Blue Box auch das Skill-System gestaltet: Statt Erfahrungspunkte zu sammeln, werden Fähigkeiten direkt trainiert. Wer z.B. immer fleißig mit dem Schwert Monster schnetzelt, wird schon bald zum meisterhaften Klingenschwinger. In der Praxis scheint sich das alles etwas konventioneller zu spielen, als es auf dem Papier klingt, doch da Fable designt zu sein scheint, eine lebendige Welt bietet und hervorragend aussieht, sollte nicht allzu viel schief gehen. In den USA ist das Programm bereits seit September 2004 für die Xbox erhältlich; die deutsche Fassung folgt Anfang Oktober. Die Andeutungen der Entwickler bezüglich einer späteren PC-Umsetzung sind kaum falsch zu verstehen, aber eine offizielle Ankündigung ist bislang ausgeblieben.
Forza Motorsport
So weit ist es schon gekommen: Um in der Flut immer gleich klingender Rennspiele noch einen Namen mit etwas Wiedererkennungswert zu finden, wird sogar schon der Schlachtruf der Ferraristi geplündert. Doch bei Forza Motorsport könnte es sich sogar richtig lohnen, den Titel im Gedächtnis zu behalten, und zwar nicht nur wegen der unverschämt guten Grafik. Auch spielerisch will Microsoft mit einer extrem ausgefeilten Fahrphysik punkten, die sogar aerodynamischen Druck und Schwankungen der Außentemperatur berücksichtigen soll. Ungewöhnlich ist außerdem die Idee, eine Art „Stellvertreter“ trainieren zu können: Die Entwickler spendieren eine KI, die in der Lage sein soll, den Fahrstil des Spielers zu erlernen und dann zu kopieren, so dass man das derart erzogene Nachwuchstalent dann in anderen Autos des eigenen Teams fahren lassen kann. Ansonsten setzt man auf Gigantomanie pur – wie bei Sonys Gran Turismo-Reihe: Über 60 lizenzierte Originalfahrzeuge und Rennstrecken in aller Welt – inklusive der legendären Nordschleife – warten auf einen Besuch. Klingt alles zu schön um wahr zu sein? Tatsächlich ist es zu diesem Zeitpunkt sehr schwer zu sagen, ob die Pläne nicht etwas zu ehrgeizig geraten sind. Gelingt es Microsoft jedoch, auch nur einen Teil umzusetzen, dürfte mit Forza Motorsport eines der beeindruckendsten Rennspiele überhaupt Ende 2004 in die Läden donnern.
Halo 2
Als Nachfolger von Halo tritt man ein schweres Erbe an: Nicht nur die begeisterten Spieler des ersten Vorzeigeshooters, sondern auch die Microsoft-Bosse schielen angesichts der „System Seller“-Qualitäten des Titels bereits argwöhnisch auf das neue Werk der Bungie Studios. Die haben sich entsprechend ins Zeug gelegt, um allen Erwartungen gerecht zu werden. Der auf der Games Convention gezeigte Multiplayer-Modus macht einen dementsprechend großartigen Eindruck: Die Levels sind exzellent designt, die Grafik wäre sogar für PC-Verhältnisse erste Sahne und das gekonnt zwischen Komplexität und schnörkelloser Eleganz balancierende Spielprinzip scheint wieder gewohnt gut zu funktionieren. An eben dieser Basis wird vor allem sinnvolles Feintuning betrieben: So sind Fahrzeuge jetzt in mehr Variationen erhältlich – etwa mit einem Raketenwerfer als Heckgeschütz – und können darüber hinaus beschädigt oder gar in waghalsigen Manövern während der Fahrt gekapert werden. Das Waffenarsenal wurde außerdem vor allem um die Waffen der außerirdischen „Covenant“ erweitert. Die schmucke Energieklinge ist diesmal natürlich auch dabei. Bei der Beurteilung der Einzelspielerkampagne muss man sich leider weiterhin auf Trailer und Entwicklerinformationen stützen: Die Story spiel diesmal auf der von den fiesen Invasoren verwüsteten Erde und soll wie beim Vorgänger die eine oder andere interessante Wendung bieten. Vor allem aber verspricht Bungie, dass dank filmreifer Skriptsequenzen, verbesserter KI und überarbeiteter Physikengine noch mehr als in den bereits sehr lebendigen Levels des Vorgängers los sein wird. Eigentlich wollte man Halo 2 längst fertig haben, aber das Feintuning dauerte dann doch länger als geplant. Der neue Termin im November 2004 wurde von Bungie diesmal hoch und heilig als definitiv und endgültig versprochen. Anders als beim Vorgänger wird es diesmal wohl selbst Jahre später keine PC-Version geben: Der große Hoffnungsträger des Shooter-Genres erscheint exklusiv für die Xbox.
Jade Empire
Wenn Knights of the Old Republic für die Bioware-Programmierer wirklich nur eine Auftragsarbeit war, fragt man sich, wie gut dann erst ihr seit vielen Jahren geplantes Leib-und-Magen-Projekt werden soll. Auf jeden Fall hat das Rollenspiel Jade Empire mit seiner direkt aus der chinesischen Mythologie entliehenen Geschichte eines der frischesten und unverbrauchtesten Szenarios seit langem zu bieten, das zudem technisch mit sehr viel Liebe zum Detail umgesetzt wurde. Während das Prinzip, praktisch jedes Problem auf neutrale, gute und böse Art lösen zu können, direkt aus KotOR übernommen wurde, geht man beim Kampfsystem neue Wege. Statt nur taktische Entscheidungen zu treffen, hat Bioware eine Prise Prügelspiel in das RPG-Menü gemischt, wobei man aber kein Fingerakrobat sein muss, um siegreich aus den Schlägereien hervorzugehen. Der überlegte Einsatz von verschiedenen Fähigkeiten zum durchschlagenden „Special Moves“ steht im Vordergrund. Die auf der Games Convention vorgestellte Version machte bereits Lust auf mehr, doch bis März 2005 werden sich Xbox-Rollenspieler auf jeden Fall noch gedulden müssen. Eine PC-Veröffentlichung ist bislang nicht angekündigt, erscheint jedoch für einen späteren Zeitpunkt nicht völlig unmöglich.
MechAssault 2: Lone Wolf
Während die PC-Spiele im Battletech-Universums gewisse Anleihen bei Simulationen besaßen, geht es auf der Xbox ausschließlich actionorientiert zu. Und so kann man sich dank der einfachen, eingängigen Steuerung auch bei MechAssault 2: Lone Wolf gleich wieder ohne große Lernanstrengungen ins Cockpit der riesigen Kampfroboter schwingen. Doch diesmal darf man nicht nur auf riesigen, metallischen Beinen alles niederwalzen, sondern auch auf den eigenen als Fußsoldat durch die Gegend tippeln, mit dem Panzer durchs Unterholz rasseln oder sich in ein Flugzeug schwingen, um den Gegnern aus luftiger Höhe aufs Dach zu steigen, wodurch die Xbox Live-Gefechte noch wesentlich vielseitiger als beim Vorgänger werden, der in diesem Bereich bereits seine große Stärke hatte. Für Einzelspieler sah es etwas dröger aus, da die Kampagne seinerzeit keine Bäume ausriss. Die Day 1 Studios geloben Besserung – mal sehen, ob’s klappt. Technisch ist MechAssault kein Meilenstein, aber insgesamt durchaus gelungen. Vor allem die Lichteffekte und die Farbpalette wurden überarbeitet, womit die düstere Optik dem Battletech-Universum diesmal vermutlich etwas besser gerecht wird, als die mitunter etwas bunte Grafik des Vorgängers. Ab Januar 2005 kann man sich wieder ins Getümmel stürzen; mit einer PC-Version sollte man nicht rechnen.
Zoo Tycoon 2
Tierfreunde und verhinderte Zoodirektoren bekommen von Blue Fang Games erneut die Chance, sich ihr ganz persönliches Gehegeparadies zu zimmern. Wieder gilt es, mit abwechslungsreicher Bauweise sowohl Insassen als auch Besucher bei Laune zu halten, damit die Kassen klingeln. Am Grundprinzip des Vorgängers wird nicht gerüttelt; es gibt vor allem neue Ausstattungsoptionen. Allerdings will man den bislang manchmal etwas arg lauen Schwierigkeitsgrad durch neue Herausforderungen dezent anheben. Auf technischer Seite wird diesmal eine nicht sonderlich beeindruckende, mit ihrem putzigen Design aber ihren Zweck erfüllende 3D-Grafik geboten, die gegenüber dem ersten Zoo Tycoon auf jeden Fall einen deutlichen Fortschritt darstellt. Bereits im November 2004 kann man auf dem PC wieder der tierischen Baulust frönen.
(bs)
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Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001