Erster Entwurf des Doom-Tests ist bereit.
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Shooter für Einsteiger, Fortgeschrittene und Profis
Doom 3
Das neue Werk von id ist da und spaltet die Geister: Ist es nun teuflisch gut oder höllisch schlecht? Wenn man den Hype entsorgt hat, bleibt wenig Schwarz und Weiß, dafür aber umso mehr Grau übrig – wie so oft.
Ein Gang zum Arbeitsamt kann ziemlich schnell zum Alptraum werden. Erst fleddert man sich durch einen Dschungel aus Papierkram, irrt durch schlecht ausgeschilderte Gänge, und wenn man dann nach stundenlangem Warten endlich einen akut depressiven Mitarbeiter zu Gesicht bekommt, kann dieser auch nicht weiterhelfen.
Für den namenlosen Marine in id-Softwares jüngstem Streich beginnt der wahre Höllentrip jedoch erst, als er seine neue Stellung antritt. Dabei klang in der Jobbeschreibung alles noch so toll: Sicherheitsdienst auf der brandneuen Marsbasis der Union Aerospace Corporation, dem führenden Unternehmen für High-Tech jedweder Art. Zu dumm, dass es da einen gewissen Dr. Malcolm Betruger gibt, der auf der Hitliste notdürftig von Umlauten befreiter sprechender Namen einen Spitzenplatz verdient. Mit geheimen Experimenten im ebenso geheimen „Delta-Sektor“ stößt der zwielichtige Geselle ein Tor zu Hölle auf. Die dort ansässigen Dämonen lassen sich nicht zwei Mal bitten und verwandeln den größten Teil des Personals kurzerhand in willenlose Zombies. Wer nach dieser Schocktherapie noch nicht mit fauligem Atem grunzend durch die Gänge wankt, taugt allenfalls als Zwischenmalzeit für die ausgebüchste Satansbrut.
Es doomt so sehr…
Schon bald befindet sich GI Joe in der archetypischen 3D-Shooter-Situation: Ein Mann, eine Knarre und enge Gänge voller Monster, die es aus bislang ungeklärten Umständen als ihre Lebensaufgabe sehen, aus dunklen Ecken harmlosen Passanten ins Gesicht zu springen. So geht Doom 3 also ganz klar zu den Wurzeln seiner Vorgänger zurück und kombiniert diese dann mit einer klassischen Horrorshow: Flackernde Lichter, knietiefe Blutlachen und stammelnde Ungetüme, die durch abwechselnden Einsatz von Klauen, Schusswaffen und schlechtem Atem versuchen, den Spieler zum Ableben zu bewegen.
Weil jeder erfahrene Shooter-Haudegen natürlich auf der Beibehaltung der traditionellen Rollenverteilung besteht – sprich: Marine ballert, Monster sterben – steht das gesamte Waffenarsenal des ersten Doom komplett zur Verfügung: Von Schrotflinte und Maschinengewehr bis zu legendären Metzel-Klassikern wie der Kettensäge ist alles dabei, was man so braucht, um der Höllenbrut gehörig die Leviten zu lesen. Da Standardmanöver wie Deckungssuche oder Stellungswechsel bereits den Höhepunkt der geistigen Leistungen des meist sehr plötzlich auftauchenden Gesindels markieren, ist reflexartiges Abdrücken wichtiger als überlegtes Vorgehen.
Atemnot
Dabei kann man sich auch in bereits gesäuberten Abschnitten nicht immer entspannen. Sieht der Spielablauf die Rückkehr an einen früheren Punkt vor, kriechen wieder neue Monster aus allen möglichen Ritzen – ein heute nur noch selten anzutreffender Design-Kniff, an dem sich seit eh und je die Geister scheiden. Das dürfte für das der Dos-Ära entliehene Spielprinzip generell gelten. Außenlevels sind selten und eher schmückendes Beiwerk, während die üblichen Gimmicks wie Scharfschützengewehr und Fahrzeuge durch völlige Abwesenheit glänzen. Alles andere wäre in den recht klaustrophobisch gehaltenen Levels ohnehin wenig sinnvoll: Die Gegner springen in der Regel so dicht vor die eigene Flinte, dass ein Blick durch ein Zielfernrohr bestenfalls noch dazu dienen könnte, ihre Hautprobleme zu diagnostizieren. Auch der Versuch, mit einem Jeep durch die engen Korridore zu heizen, dürfte spätestens beim nächsten Türrahmen ein unsanftes Ende finden. Wer seine 3D-Shooter also nach der Feature-Checkliste kauft, sollte einen weiten Bogen um Doom machen, denn das Spiel setzt auf extrem traditionellen, aber durchaus eleganten Drei-Schritt-Minimalismus: Raum betreten, ausräuchern, weitergehen. Hier wird also alles bis auf den ursprünglichen, harten Kern des Genres eingedampft.
Damit man bei dieser dank ordentlichem Design gut funktionierenden, aber doch ziemlich repetitiven Vorgehensweise nicht nach ein paar Stunden mit hässlichen Tastaturabdrücken auf der Stirn aufwacht, setzt id-Software auf eine beunruhigende Gruselstimmung. Diese wird zunächst durch viele kleine, liebevolle Details aufgebaut: Unidentifizierbare Stimmen flüstern, entfernte Kampfgeräusche und Schreie hallen durch die Gänge und bei den kurzen Sprints über die stürmische Marsoberfläche reicht der Sauerstoff für kaum mehr als eine Minute. Dadurch baut Doom geschickt die unerbittliche Atmosphäre eines Alptraums ohne Entkommen auf: Außerhalb der Basis wartet durch die lebensfeindlichen Bedingungen der sichere Tod, während drinnen Satans Schergen lauern. Das Ganze ist offensichtlich – wie auch die trostlose, graue Düsteroptik – stark von James Camerons Aliens inspiriert und funktioniert trotz der eigentlich ziemlich lächerlichen Höllenposse um Dr. Betruger recht manierlich.
Stromausfall
Doom bedient sich jedoch auch weit weniger subtiler Mittel, um die Pumpe auf Trab zu halten: Die meisten Gänge sind schlicht und einfach stockfinster. Wenn dann Monster mit Schreien, die selbst Teilnehmer einer Casting-Show in die Flucht schlagen würden, aus einer besonders finsteren Ecke stürzen, reicht das zwar selten, um Leute mit Herzschwäche ins Jenseits zu befördern, doch für das eine oder andere Zusammenzucken sorgt es allemal. Das liegt auch nicht zuletzt an einem etwas zweifelhaften Feature: Der Spieler muss sich entscheiden, ob er eine Waffe oder die Taschenlampe zückt – und wird somit also gezwungen, sich zwischen Feuerkraft und Helligkeit zu entscheiden. Das wirkt schon etwas bizarr, denn sogar wenn man davon ausgeht, dass die Dämonen sämtliche Klebebandrollen in der Marsbasis aufgefuttert haben, sollte zumindest die gleichzeitige Benutzung von Pistole und Beleuchtung selbst den größten Grobmotoriker nicht vor ein unlösbare Aufgabe stellen. Zwar sägt die Qual der Wahl wirklich noch zusätzlich an den Nerven, aber das leider gleich im doppelten Sinne, weshalb ernsthaft bezweifelt werden darf, dass diese Idee als eine großartige Designentscheidung in die Spielegeschichte eingehen wird.
Nichts zu meckern gibt es hingegen bei der Technik – um es vorsichtig auszudrücken. Tatsächlich sollte man beim ersten Spielen die Tastatur vor herunterschnellenden Unterkiefern schützen, denn Doom 3 sieht wirklich aus wie von einem anderen Stern. Ob Umgebung, Menschen oder Monstrositäten: Dank extrem hoch auflösenden und durch Bump Mapping sehr plastisch wirkenden Texturen und ebenso detaillierten Polygonmodellen gibt sich das Spiel in keinem Bereich eine Blöße. Ein echter Durchbruch ist id allerdings vor allem mit den großartigen Lichteffekten gelungen, die ein fast perfektes Schattenspiel im schmalen Kegel der Taschenlampe ermöglichen. Wenn zunächst die schwarzen Umrisse eines Spinnenmonsters überlebensgroß hinter einer Ecke hervorlugen, dürften sich selbst bei hartgesottenen Zeitgenossen ein paar Nackenhaare kräuseln.
Der Teufel im Detail
Fast genauso tadellos ist auch die Tonkulisse gelungen. Während die Waffen noch unter Absonderung der üblichen Standardgeräusche ihre Kugeln auf die Reise schicken, überzeugt das Sounddesign ansonsten vollauf: Durch Mark und Bein gehendes Höllengekreisch der bösen Brut wechselt sich mit verräterischen Schritten und mysteriösen Flüsterstimmen ab. Letztere kann man dank perfekter 5.1-Abmischung so gut orten, dass man ihnen an einigen Stellen gar zu folgen versucht ist – wenngleich das oft nur in einen Hinterhalt, mitunter aber auch zu nützliche Goodies führt. Die Musik ist meist leise und unauffällig, was die Gänsehautstimmung jedoch eher unterstreicht.
Weder die brillante Technik, noch die die schaurige Stimmung können aber völlig über die größte Sünde von Doom hinwegtäuschen: Die doch recht starke Eintönigkeit des Leveldesigns. Bis zum Besuch beim Fürsten der Finsternis höchstpersönlich stapft man stundenlang fast nur durch die immer gleiche Mischung aus Korridoren, Labors, Sanitätsräumen, Büros und Hallen mit fröhlich vor sich hin blitzenden Science-Fiction-Maschinen. Dass diese Thematik nur selten durchbrochen wird, ist zwar sicherlich eine bewusste Design-Entscheidung, doch um auf ein paar mehr Variationen innerhalb dieses Schemas zu kommen, bedarf es keines Jahrhundertgenies. Auch wenn die Monsterattacken zuverlässig vor Sekundenschlaf schützen, hätte weniger deutsche Bauamtsmentalität bestimmt nicht geschadet. Das ist ein generelles Problem von Doom: Wenn man so durch die Gänge strolcht, fällt es allzu oft nicht schwer, sich das „bisschen mehr“ vorzustellen, welches das Spiel von „nur“ gut gelungen zu einem wirklich außergewöhnlichen Erlebnis befördert hätte. Ein klein wenig fader Nachgeschmack von verpassten Chancen weht also ebenso hartnäckig durch die Gänge wie das Zombie-Gegrunze.
Dafür geben Balance und Bedienung keinen Anlass zu Mecker-Tiraden: Die drei anfangs bereits zur Verfügung stehenden Schwierigkeitsgrade sind gut gestaffelt. Wenn man nach der ersten Spielstunde kapiert hat, dass in jedem Raum unangenehme Überraschungen warten können und entsprechend auf der Hut bleibt, wird man nur noch selten mit Trial-and-Error-Situationen konfrontiert. Lässt eine Fruststelle doch ausnahmsweise die Zornesröte ins Gesicht steigen, hilft das komfortable Speichersystem inklusive Quicksave zuverlässig weiter.
Höllenritt
Die Gehirnwindungen haben bei Doom nur einen Halbtagsjob: Denkaufgaben sind Mangelware und gehen über das Entsorgen von ein paar beschädigten Gefahrengutbehältern in einem Abfallschacht nicht hinaus. Meistens reicht es gar einen einzigen Knopf zu drücken oder die Sicherheitscodes einzugeben, die man in den über die ganze Basis verstreuten Logbüchern des verblichen Personals findet.
Trotzdem dauert es ein Weilchen, bis man für Ruhe im Karton gesorgt hat: Wer nicht gerade mit kompletter Todesverachtung so wild ballernd durch die Level hetzt, dass es Satan dazu verleiten könnte, ein Stelle als seine Urlaubsvertretung anzubieten, dürfte rund 20 Stunden bis zum Abspann brauchen. Der Umfang bewegt sich damit weit über dem mittlerweile doch recht erbärmlichen Schnitt des Genres.
Sobald die Hölle zur Zufriedenheit gelöscht wurde, bleibt noch der Multiplayer-Modus. Wer schon die traditionellen Werte der Einzelspieler-Kampagne zu minimalistisch fand, sollte sich hier auf einiges gefasst machen. Im Netzwerk oder Internet können ganze vier Spieler sich in drei verschiedenen Deathmatch-Varianten an die Gurgel gehen. Den einzigen, zaghaften Ansatz von Originalität bietet der Turniermodus, bei dem sich immer nur zwei Kontrahenten vor Publikum massakrieren. Das ist als Dreingabe für einen Singleplayer-Shooter noch akzeptabel, wird aber bestenfalls Nostalgiker mehr als ein paar Stunden beschäftigen. (bs)
Meinung *****
Satan hat ein PR-Problem: Alle hassen ihn. Dabei ist er im Grunde doch ein dufter Typ. Schließlich kennt er nicht nur die besten Witze, sondern verschafft Doom 3 durch Entsendung seiner Mitarbeiter auch noch eine herrlich schaurige Stimmung. Wenn man mit der Taschenlampe in der Hand in eine stockfinstere Ecke robbt, aus der hässliche Grunzlaute hallen, versteift sich die Nackenmuskulatur ganz unwillkürlich. Trotz der eher primitiven Schockeffekte, des stellenweise etwas faden Leveldesigns und einer aus dem ProSieben-Nachtprogramm entliehenen Handlung spielt id-Software dank unerbittlicher Attacken aus dem Hinterhalt und der hässlichsten Vertreter aus Lucifers Gruselkabinett gekonnt auf der Klaviatur des Schreckens. Dazu trägt auch die perfekte Technik bei, die für die trostlose Höllenfahrt wie maßgeschneidert erscheint. Edle Hardwareausstattung ist somit Pflicht: Ohne einen starken Rechner und eine gute Surround-Anlage verpasst man das Beste, zumal nach Subtraktion des Drumherums nur ein schlichter Shooter-Kern übrig bleibt, der direkt aus der Gründerzeit des Genres entliehen ist. Somit ist Probespielen vor dem Kauf fast unverzichtbar, denn es hängt eigentlich einzig und allein davon ab, dass der Stimmungsfunke überspringt, ob man Doom liebt oder bald in die tiefsten Abgründe der Hölle verdammen möchte. Da bislang jedoch nur Halo die Feature-Inflation zu meiner vollen Zufriedenheit in elegantes Design zu integrieren vermochte, freut es mich persönlich, dass Doom 3 keinen Ballast mitschleppt, der vom Wesentlichen ablenkt: Nur ich, meine Wumme und das Grauen. Licht aus, bitte.
Wertung
Grafik: 100
Sound: 90
Einstieg: 80
Komplexität: 70
Steuerung: 80
Multiplayer: 40
Gesamt: 84
Pro:
- Teuflisch gute Technik
- Dichte Grusel-Atmosphäre
- Solider Shooter-Kern
Contra:
- Noch ein dunkler Gang
- Kein Mut zur Neuerung
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Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001