Hier kommt, wie im Far Cry Thread schon durch die Blume angekündigt, mein Test zu Armed & Dangerous zur Ansicht. Wenn jemand das Spiel kennt und seine Meinung verewigt sehen möchte: Immer her damit.
---
Shooter für Fortgeschrittene und Profis
Armed & Dangerous
Volle Deckung: Wo die Lionhearts Schneisen durch Gegnermassen ballern, wächst kein Gras mehr. Mit den wilden Abenteuern von vier bizarren Destruktionsfetischisten melden sich die Giants-Macher von Planet Moon Studios zurück. Unser Test verrät, ob die explosive Mischung aus Nonstop-Action und abgedrehtem Humor auch diesmal wieder funktioniert.
Wer schon die Marx Brothers für eine seltsame Truppe hält, sollte sich bei den Lionhearts auf etwas gefasst machen: Dieses Quartett sprengt jeden Superlativ von „absurd“.
Da wäre zunächst einmal Jonesey, ein sprengstoffverliebter und auch sonst mehr als nur latent gewalttätiger Maulwurfs-Bergarbeiter mit schottischem Akzent, der ohne seine zwei geliebten Revolver nicht das Haus verlässt. Nummer Zwei im Bunde ist Rexus, ein zwergenhafter, stockblinder Prophet mit wundersamen geistigen Fähigkeiten und strengem Körpergeruch. Dann ist da nach Q, ein großer, sensibler, teetrinkender Killer-Roboter, dessen Kopfputz und Umhang die Vermutung nahe legen, dass er sich für einen römischen Zenturio hält. Und schließlich kommen wir zu Roman, dem Anführer der Truppe, der noch fast der Normalste ist – was jedoch nicht viel heißen will. So trägt der selbsternannte Robin Hood ständig ein Halstuch vor dem Mund, weil er glaubt, er sehe so verwegener aus. Q hingegen vermutet, dass er einfach nur schlechte Zähne hat.
Um es kurz zu machen: Eine Bilderbuch-Heldentruppe sind die Lionhearts ganz sicher nicht. Als der fiese König Forge die Bewohner des schönen Landes Milola unterwirft und durch die Entschlüsselung des „Buchs der Herrschaft“ seine Souveränität endgültig zu besiegeln sucht, nehmen die vier Irren trotzdem tapfer den Kampf auf. Ihre bevorzugte Methode: Alles niedermähen, was im Weg steht.
Viva la Resistance!
Da man Materialschlachten bekanntlich nicht mit einer Zwille gewinnt, setzt Roman auf schweres Gerät: Vom Maschinengewehr, über zielsuchende Raketen bis zum Granatwerfer reicht das Arsenal, aus dem er immer bis zu drei Waffen mit sich herumschleppen kann. Um der Gegnerschar, einer bizarren Mischung aus gut ausgerüsteten Orks, Sicherheitskräften mit deutschem Akzent und dicken Befestigungsanlagen, effektiver zu Leibe zu rücken, darf man aber auch noch ein paar Sekundärwummen mit sich führen. Standardmäßig sind das Haftminen, die Roman seinen Feinden an den Allerwertesten klebt, woraufhin diese schreiend das Weite suchen. Die Versorgung mit Nachschub übernehmen neben den obligatorischen Power-Ups die örtlichen Pubs, in denen die Resistance einen florierenden Waffenhandel eingerichtet hat. Neben Großkalibrigem für jeden Geschmack stehen auch etwas abgedrehtere Gadgets zur Verfügung. Wie wäre es z.B. mit der „Land-Shark-Gun“? Das Schmuckstück verschießt einen weißen Hai, der sich durch den Boden zu den Gegnern buddelt und diese dann genüsslich herunterschlingt. Die „Guy-Fawkes-Traitor-Bomb“ unterzieht Feinde einer Gehirnwäsche, während das „Black Hole in a Box“ lästige Störenfriede einfach ins Nirgendwo saugt. Die „Topsy-Turvy-Bomb“ ist sicherlich der Trumpf eines jeden ambitionierten Widerstandskämpfers: Sie dreht für einige Sekunden die Erde um. Da kennen die Schergen von König Forge kein Halten mehr...
Bauern retten, Gegner plätten
Der Weg zur Rettung von Milola ist steinig und führt vor allem über Berge von Gegnern. Oberflächlich betrachtet lesen sich die Aufträge der 21 Missionen durchaus abwechslungsreich: Mal sind bestimmte Verteidigungsanlagen auszuschalten, während es in anderen Fällen gilt, Roman unbeschadet durch feindverseuchte Dörfer zu schleusen. Außerdem müssen die Lionhearts häufiger losziehen, um gekidnappte Bauern aus der Gewalt des Königs zu retten und wieder auf der heimischen Fußmatte abzusetzen, wo sie sofort beginnen, sich mit ihren Gattinnen zu streiten. Je nachdem, wie groß ein Level ist, kann die Suche nach den mitunter ganz gut versteckten Landwirten und ihren verlassenen Gehöften durchaus zur Geduldsprobe werden – trotz praktischer Richtungsanzeige zum nächsten Missionsziel auf dem Kompass. Wenngleich manche Einsätze taktisches Vorgehen tatsächlich belohnen und die genreübliche Linearität in die Wüste schicken, gilt in den meisten doch die Losung, alles niederzumähen, was auch nur entfernt nach einem Feind aussieht. Das macht dank blitzsauberer Steuerung und witziger Gadgets auf jeden Fall eine Menge Spaß. So kann man mit dem Jetpack den Gegnern effektiv aufs Dach steigen, während gesäuberte Befestigungsanlagen nur darauf warten, dass man die Kanonen auf ihre ehemaligen Besitzer richtet.
Wirklich außergewöhnliche Ideen sucht man jedoch vergeblich – das Meiste hat man schon einmal in ähnlicher Form woanders gesehen. Vor allem aus dem eigenen Giants hat man bei Planet Moon einiges recycelt. Erschwerend kommt hinzu, dass einige Spielelemente kaum eine gewisse Alibi-Funktion verleugnen können. Die zuvor erwähnten Spezialwaffen sind zwar immer wieder witzig anzusehen, aber nur selten wirklich unverzichtbar, um eine Mission zu bewältigen. Außerdem wird die KI keine Nobelpreise gewinnen: Die Gegner werden nur durch ihre Masse und Zielgenauigkeit gefährlich, während die eigenen Mitstreiter so himmelschreiend dämlich sind, dass man sie in der Regel auch einfach in einer Ecke parken kann, bis der Einsatz erledigt ist. Für etwas willkommene Auflockerung im Helden-Alltag sorgen hingegen die spaßigen Verteidigungsmission: Hier darf das Gehirn für ein paar Minuten bei der Garderobe abgeben werden, während man mit einem Geschützturm anstürmenden Gegnermassen die Vorteile eines taktischen Rückzugs erläutert.
Lachen bis der Arzt kommt
Technisch vermeidet Armed & Dangerous jeglichen Vorstoß in Extreme, egal ob positiver oder negativer Art, und rangiert somit in überdurchschnittlichen bis guten Regionen. Neben dem soliden Grundgerüst gefallen eine hohe Weitsicht in den stattlich großen Levels, witzige Gegneranimationen und recht spektakuläre, zum Rambazamba-Spielprinzip passende Destruktionseffekte. Die Landschaften wirken allerdings aufgrund eher niedriger Polygonzahlen häufig eher wie Vororte von Eckenhausen, und auch bei den Texturen hätte ein wenig mehr Auflösung hier und da durchaus nicht geschadet. Beim Ton sieht es besser aus: Die Musikuntermalung bietet gelungen auf das britisch-humoristische Ambiente abgestimmte Klänge, während das Feuerwerk der Lionhearts von einem brachialen Crescendo aus dumpfen Explosionen, fauchenden Raketen und knatternden Maschinengewehrsalven begleitet wird. Absolute Spitzenklasse ist – im englischen Original – die Synchronisation. Die erstklassigen Sprecher passen hervorragend zu ihren Rollen und tragen die trockenen, sarkastischen Kommentare des Heldenquartetts perfekt vor. Die deutsche Fassung ist hingegen ein ziemlich nichts sagendes Trauerspiel, das die hintergründigen Anspielungen auf groben Holzhammer-Humor reduziert.
Das wirkt sich bei Armed & Dangerous ungleich tragischer aus, als bei den meisten anderen Genrevertretern, ist die abgedrehte Story doch der Star des ansonsten eher gewöhnlichen Spiels. Stilistisch irgendwo zwischen Shrek und Monty Python angesiedelt, präsentieren die technisch eher mäßigen, dafür aber erstklassig inszenierten Zwischensequenzen eine Mischung aus urkomischen Parodien auf berühmte Filmszenen, Veralberungen alter Klischees und typisch britischen Sprüchen.
Dieses und jenes
Die Spieldauer von Armed & Dangerous ist ordentlich, aber nicht berühmt. Erfahrene Computer-Haudegen dürften in der Regel nach rund 12 Stunden den Abspann sehen. Wenn man bedenkt, in welch erbärmliche Richtung der Genre-Trend geht, ist das zwar fast schon überdurchschnittlich, aber ein paar Levels mehr hätten es ruhig sein dürfen. Dafür haben die Programmierer aber auch vermieden, alle Register der Spielzeitstreckung zu ziehen: Obwohl Armed & Dangerous selbst auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad nichts für Grünschnäbel ist, die eher die eigenen Füße als den Gegner treffen, sind unfaire, nur durch Auswendiglernen zu meisternde Stellen erfreulich selten. Sollte es doch einmal etwas frustrierend werden, hilft ein halbwegs vernünftiges Speichersystem weiter, das erlaubt, jederzeit den Spielstand zu sichern – leider jedoch auf nur einem Slot, weshalb bei wiederholtem Speichern der vorherige Stand überschrieben wird. Da man sich jedoch nur selten in derart garstige Sackgassen manövrieren kann, dass nur noch ein Neustart der Mission weiterhilft, lässt sich dieses kleine Manko verschmerzen.
Weniger erfreuliche Nachrichten gibt es hingegen für freunde explosiver Mehrspieler-Schlachten, denn den entsprechenden Modus sucht man vergeblich. Das ist ausgesprochen schade, da das Grundprinzip durchaus interessante Möglichkeiten geboten hätte. Besonders ein kooperativer Modus, in dem sich alle Lionhearts von Menschen gesteuert durch die Story ballern, wäre sicher eine interessante Option gewesen. (bs)
ButtSeriously *****
Es gibt sie also doch noch: Programmierer mit Humor. Ich hatte angesichts der endlosen Massen irrer Wissenschaftler, blutrünstiger Mutanten und außerirdischer Invasoren die Hoffnung fast schon aufgegeben, zur Abwechslung mal einen Shooter zu Gesicht zu bekommen, der auch meine Lachmuskeln an den Rand der Erschöpfung bringt, anstatt nur Sehnenscheidenentzündungen im Zeigefinger hervorzurufen. Angesichts der ständigen Salven urbritischer Anarcho-Witze kann ich es Armed & Dangerous leicht verzeihen, ansonsten „nur“ gut zu sein. Neue Maßstäbe setzen die Programmierer sicherlich in keiner Disziplin. Dafür bietet dieser Titel etwas, das man in so vielen Computerspielen völlig vergeblich sucht: Charme. Doch da nicht nur Schönheit im Auge des Betrachters liegt, sondern auch Humor eine ziemliche Geschmacksfrage ist, sollte man nicht nur die in dieser Beziehung recht gründlich bereinigte deutsche Fassung mit Vorsicht genießen, sondern allgemein lieber vor dem Kauf die Demoversion konsultieren. Ansonsten gilt: Wer Monty Python witzig fand, wird auch mit den Lionhearts seinen Spaß haben und kann ruhigen Gewissens zehn Punkte zur Endwertung addieren. Wer hingegen die britische Kulttruppe für einen Haufen unkomischer Deppen hält oder generell zum Lachen lieber in den Keller geht, sollte um Armed & Dangerous einen großen Bogen machen.
Wertung:
Grafik: 70
Sound: 90
Einstieg: 80
Komplexität: 70
Steuerung: 80
Multiplayer: -
Spielspaß: 80
---
Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001