Benutzeravatar
Ssnake
Think Tank
Hauptmann
Hauptmann
Thema Autor
Beiträge: 2232
Registriert: Do, 5. Sep 2002, 23:18
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Krieg im Computerspiel: Atmosphäre vs. Humanitarismus?

Mi, 26. Feb 2003, 10:28

:?:
Anläßlich der C&C-Generals Diskussion um die Berechtigung der Indizierung dieser Thread. Die Frage betrifft mich insoweit auch sehr persönlich, weil ich ja bekanntlich an einem Spiel arbeite, das in engem Zusammenhang mit meinem Avatar steht. Zudem kommt bei mir natürlich noch eine einschlägige Berufserfahrung hinzu.

Die Bw hat ja auch in Zeiten des Kalten Krieges immer nur anonym von "dem Feind" gesprochen, wenn sie in Manövern und Sandkästen taktische Überlegungen angestellt hat. Natürlich war das taktische Verhalten und die Ausrüstung des angenommenen Feindes angelehnt an das Verhalten des wahrscheinlichsten Gegners. Allerdings war die Unterdrückung der namentlichen Erwähnung mehr als nur einfache Bigotterie, da die Sowjetunion ja auch "blockfreie" Staaten mit Technik und taktischer Schulung ausstattete, insofern also die Methoden auch anderswo anzutreffen waren.

Nun, zurück zu den Spielen. Folgende Thesen:
1. Ein Spiel, das erfolgreich sein will, muß Multiplayermodus bieten.
2. Spiele leben auch von einer dramatischen Überhöhung von "Gut gegen Böse"
3. Ein "anständiger Bösewicht" trägt mehr zur Atmosphäre bei als ein grundguter Paladin in schwuler Silberrüstung.


Damit ergibt sich für Spiele, die nicht in einer klar erkennbaren Fantasy-Welt stattfinden (das schließt Science Fiction, (entfernte) Historie u.ä. mit ein) das Dilemma, daß der Bösewicht zwar klar erkennbar sein soll, andererseits die Zeichnung von Feindbildern vermieden werden sollte, wenn man sich einer humanitären Erziehung weiterhin verpflichtet fühlt.

Ich halte es beispielsweise für undenkbar, unser Spiel darauf auszurichten, einen (derzeit noch) hypothetischen Feldzug durch einen virtuellen Irak zu simulieren, um damit an der Kasse zu punkten. Andererseits ist das aber genau der Verlust an Atmosphäre, den sich womöglich ein Spieler wünscht.
Ich will aber vermeiden, Teil einer Propagandamaschine zu werden, die mal die Nordkoreaner aus der Kiste hüpfen läßt, mal die Chinesen, die Iraker, oder wer sonst ganz oben auf der schwarzen Liste von Washington steht.


Nun habe ich es mal mit einem fiktiven Szenario versucht, das wiederum von zwei Seiten spielbar sein sollte. Blau (schon vor Preußens Zeiten klassische Farbe für eigene Truppen) soll dabei einen Konvoi mit Hilfsgütern beschützen. Rot (s.o.) in einer an eine zusammengewürfelten Rebellentruppe angelehnten Truppeneinteilung wiederum hat den Auftrag, den als Hilfsgüterkonvoi getarnten Waffentransport zu überfallen. Gewürzt habe ich das mit jeder Menge islamischem Revolutionsgebrabbel. Dann kam der 11. September, der neuerliche Krieg in Afghanistan, und ich habe jede Lust verloren, an diesem Szenario weiterzumachen.

Es ist ja schwierig, eine Verbindung zwischen realistischer Simulation des modernen mechanisierten Gefechts einerseits und einer nicht an die Realität angelehnten, dennoch aber realistisch erscheinenden Atmosphäre andererseits hinzubekommen.

Sollten sich die computergesteuerten Einheiten an die Genfer Konventionen halten?
Wo zieht man die Grenze zwischen dem Bedürfnis nach einer überzeugenden Atmosphäre einerseits und dem Willen, das Fördern von Feinbildern zu unterlassen?
 
Benutzeravatar
Hattori Hanso
180 Grad
$ Dagobert $
$ Dagobert $
Beiträge: 9683
Registriert: Fr, 28. Jun 2002, 07:19
Wohnort: Provinz Tao Shan, zeitweise Stuttgart

Mi, 26. Feb 2003, 12:19

Ein Kriegsspiel hat hierzulande immer einen etwas unmoralischen Anstrich. Die meiste Spannung kommt bei realisitschen Kriegsspielen doch immer dann auf, wenn ein aktuelles Szenario verwurstelt wird oder man sich zumindest daran anlehnt. Vor 20 Jahren waren das eben immer die bösen Russen, heute sind es die bösen Moslems oder Chinesen, und in 10 Jahren vielleicht sogar die bösen Amerikaner. Spiele mit 2. Weltkrieg Szenario sind für uns Deutschen teilweise auch moralisch schwer zu verdauen. Beim MoH-Addon Spearhead habe ich schon auch ein komisches Gefühl gehabt als ich mit einem russischen Panzer durchs zerbombte Berlin gewalzt bin. Aber normalerweise habe ich da keine moralischen Bedenken, da ich sehr gut zwischen Spiel und Wirklichkeit unterscheiden kann. Das es Leute gibt denen so etwas keinen Spaß macht, kann ich gut verstehen, die zwingt aber ja auch niemand Kriegspiele zu spielen. Mir kommt bei der aufgesetzten Heilewelt Atmosphäre von Disneyfilmen und Knuddelspielen das kotzen, deshalb mache ich das solchen Leuten aber auch nicht madig. Letztendlich ist das eine Geschmacksfrage, und über Geschmack kann man bekanntlich ja nicht streiten.
--------------------------------------------------------
1+1 ist ungefähr 3

http://card.mygamercard.net/DeadlyEngineer.png

http://avatar.xboxlive.com/avatar/Deadl ... r-body.png
 
Benutzeravatar
thwidra
Inventar
Inventar
Beiträge: 3405
Registriert: Do, 27. Jun 2002, 16:26

Mi, 26. Feb 2003, 15:32

Geht es denn wirklich darum ein Feindbild zu fördern, wenn der Gegner einen Panzer hat, der ganz andere technische und taktische Möglichkeiten zur Verfügung hat, als das eigene Gefährt? Primär sollte es doch darum gehen, auf Basis der eigenen Möglichkeiten den simulierten "Feind" auszutricksen. Ob er dann Chinese, Moslem, Amerikaner, Ork oder Marsianer heißt, ist doch für das eigentliche Spielgeschehen egal.

Beim (Feind-)Szenario, ihren Motiven usw. kommt es vermutlich auf die Darstellung dieser Dinge an. Ein Motiv, dass die Handlungsweise eines fiesen Gegners erklärt, sollte recht leicht nachvollziehbar sein. Dann dürfte der Gegner nicht mehr zur 08/15-Schablone gehören. Folge: Atmosphäre des Spiels steigt.

Aber es ist schlußendlich wirklich Geschmackssache, ob man einen Feldzug im Irak oder im Nahen Osten nachspielen will, oder nicht. Ich würde soetwas für geschmacklos halten, aber es dürfte generell schwierig sein, eine Grenze zu ziehen. Ob also ein Zweites-Weltkriegs-Szenario das richtige ist, kann ich auch nicht sagen. Eher etwas "unbekannteres", also ohne Bezug zu aktuellen und historischen Ereignissen, dafür mit bekannten Völkern/Ländern wäre "besser" geeignet.

Schwierige Frage das.
 
Benutzeravatar
Doc SoLo
Ghost Doc
Hauptmann
Hauptmann
Beiträge: 2111
Registriert: Mo, 8. Apr 2002, 11:19
Wohnort: Mittweida

Mi, 26. Feb 2003, 21:29

Es ist ja schwierig, eine Verbindung zwischen realistischer Simulation des modernen mechanisierten Gefechts einerseits und einer nicht an die Realität angelehnten, dennoch aber realistisch erscheinenden Atmosphäre andererseits hinzubekommen.

Das halte ich nicht für schwierig, sondern für unmöglich. Du kannst deinen hyperrealistisch dargestellten Leo II schließlich nicht in einem Konflikt zwischen erfundenen Ländern herumrollen lassen - das wäre ja absurd. Von daher bist du wohl gezwungen, zumindest real existierende Konfliktparteien zu nehmen. Ob du dann selber einen Konflikt erfindest oder einen bestehenden nimmst, macht keinen großen Unterschied. Beides kann mühelos als moralisch bedenklich verargumentiert werden. Wenn man eine realistische Panzersimulation programmiert, kann man die Vorwürfe der Moral-Apostel wohl nicht vermeiden.
Eher etwas "unbekannteres", also ohne Bezug zu aktuellen und historischen Ereignissen, dafür mit bekannten Völkern/Ländern wäre "besser" geeignet.

Also einen Konflikt zwischen England und den USA oder Deutschland und Österreich? Alle anderen (realistischer wirkenden) Möglichkeiten würden ja in die "Verwerflich"-Kategorie fallen.

Ciao,

Doc SoLo
 
Benutzeravatar
Chellie
Hamsterbacke
Goldjunge
Goldjunge
Beiträge: 6458
Registriert: So, 7. Apr 2002, 14:20
Wohnort: Sachsen (Rossau)
Kontaktdaten:

Mi, 26. Feb 2003, 22:21

Doc SoLo hat geschrieben:
Also einen Konflikt zwischen ... Deutschland und Österreich?


Ja das ist doch der Hit! Wie war gleich der Witz mit den zwoa Panzer :lol:.

cu
Chellie
Wir die Willigen, geführt von den Unwissenden, tun das Unmögliche für die Undankbaren.
Wir haben so lange so viel mit so wenig getan, dass wir inzwischen in der Lage sind, mit nichts alles zu tun.
 
Benutzeravatar
Ssnake
Think Tank
Hauptmann
Hauptmann
Thema Autor
Beiträge: 2232
Registriert: Do, 5. Sep 2002, 23:18
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Do, 27. Feb 2003, 09:57

Doc SoLo hat geschrieben:
Es ist ja schwierig, eine Verbindung zwischen realistischer Simulation des modernen mechanisierten Gefechts einerseits und einer nicht an die Realität angelehnten, dennoch aber realistisch erscheinenden Atmosphäre andererseits hinzubekommen.

Das halte ich nicht für schwierig, sondern für unmöglich. Du kannst deinen hyperrealistisch dargestellten Leo II schließlich nicht in einem Konflikt zwischen erfundenen Ländern herumrollen lassen - das wäre ja absurd.

Die Bw macht in ihren Übungen doch nichts anderes. Da ist von "Goldland" und "Blauland" die rede, ohne daß der Rest der Übung absurd und komisch erschiene. Die Frage ist halt, ob die Übernahme eines solchen Schemas von Spielern akzeptiert wird, wenn der Rest stimmt. Ich würde das vorbehaltlos akzeptieren, aber erstens bin ich beruflich vorgeschädigt, zweitens laufe ich ja Gefahr, betriebsblind zu werden. Schließlich mache ich das jetzt seit sieben Jahren.

Daß ich gegen politisch korrekte Gesinnungsfaschisten in der Argumentation nicht gewinnen kann, weiß ich. Aber ich will trotzdem vermeiden, reale Propaganda mit einem Spiel zu verbreiten, ohne deswegen notwendigerweise an Atmosphäre zu verlieren.

Im Grunde stelle ich es mir auch witzig vor, mit Panzern mal gegen Battlemechs anzutreten. :D Das muß aber einer späteren Version vorbehalten bleiben...
 
Benutzeravatar
Ssnake
Think Tank
Hauptmann
Hauptmann
Thema Autor
Beiträge: 2232
Registriert: Do, 5. Sep 2002, 23:18
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Do, 27. Feb 2003, 10:07

thwidra hat geschrieben:
Geht es denn wirklich darum ein Feindbild zu fördern, wenn der Gegner einen Panzer hat, der ganz andere technische und taktische Möglichkeiten zur Verfügung hat, als das eigene Gefährt? Primär sollte es doch darum gehen, auf Basis der eigenen Möglichkeiten den simulierten "Feind" auszutricksen. Ob er dann Chinese, Moslem, Amerikaner, Ork oder Marsianer heißt, ist doch für das eigentliche Spielgeschehen egal.

Meine Rede. Viele Spieler sehen das aber (angeblich?) anders. Sie sagen, es kommt keine rechte Atmosphäre auf, wenn die Einsatzbefehle in nüchternem Ton gehalten sind und den Feind niemals konkret benennen, oder schildern, wie böse er doch sei.
Aber es ist schlußendlich wirklich Geschmackssache, ob man einen Feldzug im Irak oder im Nahen Osten nachspielen will, oder nicht. Ich würde soetwas für geschmacklos halten, aber es dürfte generell schwierig sein, eine Grenze zu ziehen. Ob also ein Zweites-Weltkriegs-Szenario das richtige ist, kann ich auch nicht sagen. Eher etwas "unbekannteres", also ohne Bezug zu aktuellen und historischen Ereignissen, dafür mit bekannten Völkern/Ländern wäre "besser" geeignet.

Schwierige Frage das.

Jau, willkommen im Club. ;)
Man könnte ja sehr wohl auch argumentieren, daß eine solche Simulation geeignet ist, dem interessierten Staatsbürger darzulegen, wofür die Steuermilliarden augegeben werden, und selbst abzuschätzen, wie der Verlauf eines Gefechts sein könnte. Das könnte einerseits helfen, Vorurteile abzubauen, andererseits aber natürlich auch nur ein falsches Bild durch ein anderes falsches Bild zu ersetzen.

Beispielsweise finde ich es undenkbar, eine Computersimulation eines Kriegsverbrechens wie der Bombardierung der Eder- und Möhne-Stauseen zu entwickeln - was andere Firmen aber nicht davon abgehalten hat, es zu tun. Nun könnte man sagen, daß auch das einen irgendwie informativen Charakter habe, oder daß es ja egal sei, ob Kriegsverbrechen oder normales Verbrechen (ich bin ja auch nicht per se gegen "Hitman"), und daß es ja die Natur des Computerspiels ist, im Virtuellen zu verbleiben.
 
Benutzeravatar
Early
Adopter
Superreicher
Superreicher
Beiträge: 8081
Registriert: Fr, 28. Jun 2002, 11:50

Do, 27. Feb 2003, 11:58

thwidra hat geschrieben:
Geht es denn wirklich darum ein Feindbild zu fördern, wenn der Gegner einen Panzer hat, der ganz andere technische und taktische Möglichkeiten zur Verfügung hat, als das eigene Gefährt? Primär sollte es doch darum gehen, auf Basis der eigenen Möglichkeiten den simulierten "Feind" auszutricksen. Ob er dann Chinese, Moslem, Amerikaner, Ork oder Marsianer heißt, ist doch für das eigentliche Spielgeschehen egal.

Beim (Feind-)Szenario, ihren Motiven usw. kommt es vermutlich auf die Darstellung dieser Dinge an. Ein Motiv, dass die Handlungsweise eines fiesen Gegners erklärt, sollte recht leicht nachvollziehbar sein. Dann dürfte der Gegner nicht mehr zur 08/15-Schablone gehören. Folge: Atmosphäre des Spiels steigt.

Aber es ist schlußendlich wirklich Geschmackssache, ob man einen Feldzug im Irak oder im Nahen Osten nachspielen will, oder nicht. Ich würde soetwas für geschmacklos halten, aber es dürfte generell schwierig sein, eine Grenze zu ziehen. Ob also ein Zweites-Weltkriegs-Szenario das richtige ist, kann ich auch nicht sagen. Eher etwas "unbekannteres", also ohne Bezug zu aktuellen und historischen Ereignissen, dafür mit bekannten Völkern/Ländern wäre "besser" geeignet.

Schwierige Frage das.


Also meiner Meinung nach ist es im Prinzip egal ob ich jetzt einen Irak-Feldzug nachspiele, einen Vietnam-Krieg, einen Weltkrieg oder den Napoleon-Feldzug. Es waren alles Kriege und es hat egal in welchem Zeitalter sogenannte Kriegsverbrechen gegeben. Nur weil der eine Krieg noch nicht solange her ist oder kurz vor dem Ausbruch steht ist er meines Erachtens nach nicht schlimmer als ein anderer.

Es ist und bleibt eben ein Spiel. Ob jemand ein moralisches Problem hat oder nicht ist eben - eh wie schon geschrieben - jedem sein eigenes Problem.

Ich persönlich spiele allerdings kaum bis gar nicht solche Simulationen. Zwar nicht wegen moralischer Bedenken sondern schlicht und einfach weil's mir keinen Spaß macht.

Mit Blauland gegen Goldland könnte ich allerdings gar nix anfangen. Geht in meinen Augen viel "Atmosphäre" verloren. Damit wären sogenannte Story-Elemente (die es in Sims eh viel zu wenig gibt - vielleicht interessiert's mich ja deshalb nicht) von vornherein einem Misslingen ausgesetzt.
CU Early
 
Benutzeravatar
Alex
Großer Meister
Großer Meister
Beiträge: 2857
Registriert: Di, 9. Jul 2002, 20:39
Wohnort: Berlin

Do, 27. Feb 2003, 12:08

Prinzipiell würde ich einfach sagen: Historische Ereignisse als Grundlage (zum "Nachspielen") zu nehmen, ist absolut ok. Mit historisch meine ich alles, was bereits geschehen ist mit einer ordentlichen "Trauerfrist" - also durchaus den Vietmankrieg oder sogar den "1." Golfkrieg - wenn nicht grad ein neuer anstehen würde. Man kann natürlich dann darüber diskutieren, ob das Spiel die ganze Tragweite der Ereignisse nicht einfach unter den Tisch kehrt oder verwässert - a la Medal of Honor, einfach die bösen Nazis abknallen. Spiele müssen keinen Geschichtsunterricht leisten, aber sich der Geschichte durchaus bewusst sein.

Heikel finde ich fiktive Konflikte, die sich sehr nahe an der aktuellen Realität oder durchaus möglichen Zukunft orientieren. Kriegsspiele rund um zb den Irak oder Nordkorea würden diese Staaten vor-verurteilen und als "Schurkenstaaten" oä darstellen. Mit einer geschickten Umkurvung dieser Problematik wie bei Operation Flashpoint (wo der Bösewicht ein abtrünniger General und nicht gleich die gesamte Sowjetunion ist) kann man trotzdem ein "realistisches" Szenario erstellen.
 
Benutzeravatar
Early
Adopter
Superreicher
Superreicher
Beiträge: 8081
Registriert: Fr, 28. Jun 2002, 11:50

Do, 27. Feb 2003, 12:14

Alex hat geschrieben:
Prinzipiell würde ich einfach sagen: Historische Ereignisse als Grundlage (zum "Nachspielen") zu nehmen, ist absolut ok. Mit historisch meine ich alles, was bereits geschehen ist mit einer ordentlichen "Trauerfrist" - also durchaus den Vietmankrieg oder sogar den "1." Golfkrieg - wenn nicht grad ein neuer anstehen würde. Man kann natürlich dann darüber diskutieren, ob das Spiel die ganze Tragweite der Ereignisse nicht einfach unter den Tisch kehrt oder verwässert - a la Medal of Honor, einfach die bösen Nazis abknallen. Spiele müssen keinen Geschichtsunterricht leisten, aber sich der Geschichte durchaus bewusst sein.

Heikel finde ich fiktive Konflikte, die sich sehr nahe an der aktuellen Realität oder durchaus möglichen Zukunft orientieren. Kriegsspiele rund um zb den Irak oder Nordkorea würden diese Staaten vor-verurteilen und als "Schurkenstaaten" oä darstellen. Mit einer geschickten Umkurvung dieser Problematik wie bei Operation Flashpoint (wo der Bösewicht ein abtrünniger General und nicht gleich die gesamte Sowjetunion ist) kann man trotzdem ein "realistisches" Szenario erstellen.


Stimmt! Operation Flashpoint hat die Kurve optimal erwischt.

Bei den fiktiven Konflikten könnte man allerdings argumentieren, dass sie harmloser als die historischen sind. Immerhin haben die "fiktiven" ja (noch) gar nicht stattgefunden.

Die "Trauerfrist" finde ich sehr Doppelmoral-behaftet. Nur weil ein paar Jahre vergangen sind, ist der Krieg dann doch nachspielbar?

Und wegen Medal of Honor: Jeder US-Kriegsfilm aus den 50ern oder 60ern hatte ungefähr den selben Story-Verlauf. Ist halt eben ein kurzweiliger Ego-Shooter mit dem Hintergrund des 2. Weltkrieges. Tiefe darf man da eben nicht erwarten - wie bei jedem anderen Ego-Shooter auch.
CU Early
 
Benutzeravatar
fflood
lange Leitung
All Star
All Star
Beiträge: 11179
Registriert: Mo, 8. Apr 2002, 15:02

Do, 27. Feb 2003, 12:18

Ssnake hat geschrieben:
(...) politisch korrekte Gesinnungsfaschisten (...)


Was bitte darf ich mir denn darunter vorstellen?
 
Benutzeravatar
thwidra
Inventar
Inventar
Beiträge: 3405
Registriert: Do, 27. Jun 2002, 16:26

Do, 27. Feb 2003, 15:49

Doc SoLo hat geschrieben:
...
Eher etwas "unbekannteres", also ohne Bezug zu aktuellen und historischen Ereignissen, dafür mit bekannten Völkern/Ländern wäre "besser" geeignet.

Also einen Konflikt zwischen England und den USA oder Deutschland und Österreich? Alle anderen (realistischer wirkenden) Möglichkeiten würden ja in die "Verwerflich"-Kategorie fallen.

Ciao,

Doc SoLo


Der Satz ist ganz schön unglücklich von mir. Da hab ich vorher nicht recht mitgedacht.

Ja, es kann auch ein Konflikt zwischen Deutschen und Österreichern sein, vielleicht ist die Hemmschwelle hier allerdings höher, als z.B. bei Amerikaner vs. Japaner. Was dem Szenario vielleicht hilft, ist, einen Gegner oder auch die eigene Seite nicht völlig homogen darzustellen. Also zu sagen, die Chinesen sind die Bösen, die Inder die Guten. (Das hat mir in Starcraft sehr gut gefallen, wo aller Missionen lang, ein Guter zum Bösen wurde, oder man mit der feindlichen Macht einen pakt schloss, um gegen einen Dritten zu kämpfen.) Alex hat das auch bei Operation Flashpoint angedeutet.


Ssnke hat geschrieben:
thwidra hat geschrieben:
Geht es denn wirklich darum ein Feindbild zu fördern, wenn der Gegner einen Panzer hat, der ganz andere technische und taktische Möglichkeiten zur Verfügung hat, als das eigene Gefährt? Primär sollte es doch darum gehen, auf Basis der eigenen Möglichkeiten den simulierten "Feind" auszutricksen. Ob er dann Chinese, Moslem, Amerikaner, Ork oder Marsianer heißt, ist doch für das eigentliche Spielgeschehen egal.

Meine Rede. Viele Spieler sehen das aber (angeblich?) anders. Sie sagen, es kommt keine rechte Atmosphäre auf, wenn die Einsatzbefehle in nüchternem Ton gehalten sind und den Feind niemals konkret benennen, oder schildern, wie böse er doch sei.


Ich denke, dann belibt nichts anderes übrig, als doch ein fiktives Szenario aber vielleicht mit dem einen oder anderen realen (Länder-)Namen darzustellen.

Ssnake hat geschrieben:
Jau, willkommen im Club. ;)
Man könnte ja sehr wohl auch argumentieren, daß eine solche Simulation geeignet ist, dem interessierten Staatsbürger darzulegen, wofür die Steuermilliarden augegeben werden, und selbst abzuschätzen, wie der Verlauf eines Gefechts sein könnte. Das könnte einerseits helfen, Vorurteile abzubauen, andererseits aber natürlich auch nur ein falsches Bild durch ein anderes falsches Bild zu ersetzen.

Beispielsweise finde ich es undenkbar, eine Computersimulation eines Kriegsverbrechens wie der Bombardierung der Eder- und Möhne-Stauseen zu entwickeln - was andere Firmen aber nicht davon abgehalten hat, es zu tun. Nun könnte man sagen, daß auch das einen irgendwie informativen Charakter habe, oder daß es ja egal sei, ob Kriegsverbrechen oder normales Verbrechen (ich bin ja auch nicht per se gegen "Hitman"), und daß es ja die Natur des Computerspiels ist, im Virtuellen zu verbleiben.


Genauso könnte man aber sagen, dass der Spieler anschließend ein realistisches Buch zum Thema liest, oder sich einfach die neuesten Nachrichten im Fernsehen ansieht. Und sein Bild (durch den "invormativen" Charakter) des Kriegsgeschehens ändert sich wieder.
Unterscheidet der Spieler aber strikt vom Virtuellen, dürfte alles, was im Comuterspiel dargestellt ist, keinen direkten Einfluss auf seine Meinung haben.


Early hat geschrieben:
Also meiner Meinung nach ist es im Prinzip egal ob ich jetzt einen Irak-Feldzug nachspiele, einen Vietnam-Krieg, einen Weltkrieg oder den Napoleon-Feldzug. Es waren alles Kriege und es hat egal in welchem Zeitalter sogenannte Kriegsverbrechen gegeben. Nur weil der eine Krieg noch nicht solange her ist oder kurz vor dem Ausbruch steht ist er meines Erachtens nach nicht schlimmer als ein anderer.
Es ist und bleibt eben ein Spiel. Ob jemand ein moralisches Problem hat oder nicht ist eben - eh wie schon geschrieben - jedem sein eigenes Problem.


Du hast natürlich recht. Aber das führt wieder auf die Geschmacksfrage bzw. Hemmschwelle zurück, ab wann ein passierter Konflikt aktzeptabel ist oder nicht. Das moralische Problem eben.

Ich persönlich spiele allerdings kaum bis gar nicht solche Simulationen. Zwar nicht wegen moralischer Bedenken sondern schlicht und einfach weil's mir keinen Spaß macht.


Das trifft auf mich genauso zu. Mir liegen die fantastischen Szenario auch besser, als die realistischeren.
 
Benutzeravatar
ray
Abhängiger
Abhängiger
Beiträge: 467
Registriert: Fr, 6. Dez 2002, 01:03
Wohnort: Wuppertal

Fr, 28. Feb 2003, 00:27

Ich finde im Sektor Simulationen hat damals Enemy Engaged Comanche vs. Hokum (bzw. der Vorgänger) ein sehr gutes Vorbild aufgestellt, an dem sich alle Sims orientieren sollten.

Hier gab es eben die berühmte rote oder blaue Fraktion, repräsentiert durch amerikanische/NATO Hardware auf der einen, russisches Gerät auf der anderen Seite. Zwar gab es am Anfang der Kampagnen einen kurzen Text, der das Szenario beschreibt, aber den konnte/kann man sich getrost schenken. Der eigentliche Reiz des Spiels besteht darin, feindliche Positionen zu erobern und einzunehmen, den Gegner langsam zurückzudrängen und seine Ressourcen auszutrockenen, und das macht auf der roten Seite genauso viel Spaß wie auf der blauen. Um in den Heli zu gelangen ist es weder notwendig auf eine US-Flagge zu klicken (wie in Falcon 4), noch auch muß man die rusische Nationalhymne singen

EECH ist für mich das hervorragende Beispiel dafür, daß es möglich ist eine fesselnde Simulationen zu designen, ohne in grobschlächtiger Weise gerade aktuelle politische Vorgänge zu verwursten, so wie Generals, dessen Indizierung ich zumindest nachvollziehen kann. Ich habe das Spiel jedoch nicht selber gesehen, ich würde allerdings auch nicht im Traum darauf kommen, es mir zu kaufen.
 
Benutzeravatar
ButtSeriously
Code RED
Forumskrieger
Forumskrieger
Beiträge: 1778
Registriert: Mo, 8. Apr 2002, 18:41
Wohnort: Bochum

Fr, 28. Feb 2003, 00:35

Naja, Generals wurde nun wirklich schon bevor sich die momentane Situation entwickelte mit diesem Szenario angekündigt. Von verwursten könnte für meine Begriffe nur die Rede sein, wenn sie es nachträglich schnell noch umgestrickt hätten.

Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001
 
Benutzeravatar
Hattori Hanso
180 Grad
$ Dagobert $
$ Dagobert $
Beiträge: 9683
Registriert: Fr, 28. Jun 2002, 07:19
Wohnort: Provinz Tao Shan, zeitweise Stuttgart

Fr, 28. Feb 2003, 08:24

Um bei Ssnakes Problem zu bleiben: Am besten wäre es wohl, ein fiktives Szenario in einer nahen Zukunft zu entwickeln, und dies dann als Story für die Simulation zu verwenden. Damit hat man einen spannenden Hintergrund, da aber alles frei erfunden ist kann sich niemand moralisch auf den Schlips getreten fühlen. Eben wie in OpFlash.

Z.B. könnte das Szenario so aussehen dáß in Russland ein Umsturz stattfindet und eine Ultrakommunistische Regierung an die Macht kommt, die dann z.B. Deutschland angreift. Das wäre doch spannend, an die "bösen" Russen sind alle gewöhnt, es könnte ja zum Ausgleich noch die "guten" freiheitsliebenden Russen geben.... So etwas wäre moralisch wohl relativ neutral. Irgendwelche Moslems oder Irakis als Gegner zu verwenden wäre momentan zwar recht aktuell, aber leider ziemlich politisch unkorrekt.
--------------------------------------------------------

1+1 ist ungefähr 3



http://card.mygamercard.net/DeadlyEngineer.png



http://avatar.xboxlive.com/avatar/Deadl ... r-body.png

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Ganon und 4 Gäste