Na, dann lausche einfach meinen Worten.
RED hat ein Kamerasystem vorgestellt, daß meines Erachtens gleich auf drei Ebenen revolutionär ist.
1. Bereits erwähnt: der Preis. 17.500$ ist ohne Objektiv, doch wenn man es mit der Konkurrenz vergleicht, ist es trotzdem mehr als spektakulär. Bislang bekam man für den Preis nicht einmal eine vernünftige HD-Broadcast-Kamera, geschweige denn etwas für digitales Kino, das mit 4520x2540 Bildpunkten nativer Auflösung (CMOS-Sensor im Super-35mm-Format, was auch gleich das Tiefenschärfe-Problem von digitalem Video löst) mehr aufzeichnet als jedes andere Konkurrenzprodukt, und das auch noch in einer beliebigen Framerate von 1 bis 60 (oder 1 bis 120 wenn man nur 2K/1080p nutzt).
2. Das modulare Design. RED hat so eine Art "Open-Source-Kamera" veröffentlicht, mit einem noch nie zuvor gesehenen modularen Design. Das erklärte Ziel ist, eine Kamera zu schaffen, die dem Filmemacher nicht durch irgendeinen proprietären Mist vorschreibt, wie er zu drehen hat, sondern ihm die freie Wahl läßt. Beispiel Objektive: Super 35mm, Standard 35mm, Super 16mm, B4 (die Linsen für die Sony-Digitalkameras) oder spezielle RED-Objektive - das ist die freie Wahl des Kunden. Nicht umsonst hat die RED-Kamera dutzende "Hardpoints" an ihrem Gehäuse, an denen man alle möglichen externen Geräte befestigen kann - mehr als man vermutlich jemals brauchen wird, doch so ist definitiv genug Platz für all die Erweiterungen, an die bislang noch keiner gedacht hat.
Um einen Vergleich zu wagen: Die Sony FW950 war im Kamerabereich wie die beste Spielkonsole. Die RED ist ein extrem erweiterbarer Hochleistungs-PC. Nur billiger als die Spielkonsole. Wenn das kein Geschäft ist...
3. Die geringen Folgekosten - ein direktes Ergebnis von Punkt 2 und auch ein wenig Punkt 1. Wieder das Beispiel Objektive: Bei der Sony FW950 braucht man eben die B4-Objektive, da sie drei 2/3-Zoll-CCD-Chips für die Bilderzeugung nutzt, die erheblich kleiner sind als die Aufnahmefläche von 35mm- oder Super-35mm-Film. Ergo ist an die Verwendung von 35mm-Objektiven überhaupt nicht zu denken und die B4-Objektive sind sündhaft teuer, da die Optik noch hochwertiger sein muß, um die nötige Detailmenge auf die kleine 2/3-Zoll-Fläche zu bringen. RED hingegen benutzt eben einen CMOS-Sensor in Super-35mm-Größe. Da können die großen Produktionsfirmen und Studios ihre bisherigen Super-35mm- und Standard-35mm-Objektive weiterverwenden.
Das gibt es auch schon bei einigen anderen HD-Digital-Videokameras, wie z.B. der Genesis von Panavision. Doch hier haben die Chips eben nur 2K-Auflösung. Folge: Wer in 2K/1080p-Auflösung drehen will,
muß 35mm-Objektive benutzen. Super-16mm ist nicht drin, da die das Licht wieder auf eine kleinere Fläche bündeln. Kein Problem bei der RED-Kamera: Da diese einen Sensor mit 4520x2540 Bildpunkten hat, arbeitet sie mit Super-16mm-Objektiven einfach in einem "Fenster-Modus", benutzt als nur einen Teil der Pixel ihres Sensors. Das ist für 2K/1080p-Auflösung noch völlig ausreichend. Ergo können kleine Independent-Filmemacher, die bislang Super-16mm-Film benutzt haben, ihre alten Objektive weiterverwenden. Neueinsteiger können relativ günstig ein paar alte Super-16-mm-Objektive erwerben und damit dann für unter 20.000$ in einer Bildqualität drehen, die 35mm bei Filmtransfer fast ebenbürtig und bei digitaler Projektion sogar überlegen ist. Das kostete bislang zwischen 60.000 und 100.000$ für eine 35mm-Kamera und
mindestens 200.000$ für das Filmmaterial bei einem 2-Stunden-Streifen. Für kleine Produktionen ist das ein nicht unerheblicher Teil es Gesamtbudgets - mitunter so viel, daß 35mm-Film eben gar keine Option ist und man bislang auf 16mm-Film oder Low-End-HD-Video ausweichen mußte.
Beispiel Speichermedien: Was 35mm-Film kostet, habe ich ja schon geschrieben. Super-16mm ist trotz seines Namens auch nicht gerade ein Super-Sonderangebot. Bei der Sony FW950 kann man günstigere Medien verwenden, aber die Kamera selbst ist teuer und die externen Aufzeichnungsdecks/-computer/-wasauchimmer sind ebenfalls nicht gerade billig. Auftritt RED: Hier kann man im RED-Codec (oder voraussichtlich optional auch in Codecs anderer Anbieter) 2k/1080p in 4:2:2-Farbauflösung (wenn man keine Extrem-Compositings wie bei Star Wars machen will völlig ausreichend, da für das bloße Auge kaum von unkomprimiertem 4:4:4 zu unterscheiden ist) auf handelsübliche 2,5-Zoll-SATA-Festplatten aufzeichnen (ein externes RAID-Array für unkomprimierte Aufzeichnung in Maximal-Auflösung gibt's auch, aber das kann man natürlich nicht verschenken
). 40GB sollen dabei bereits für eine Stunde Aufzeichnung bei 24fps reichen. Billiger kann man auf diesem Niveau nicht drehen. Tatsächlich ist es die günstigste Methode, die ich je gesehen habe.
So, genug jetzt. Wenn ich alle Vorzüge der RED-Kamera hier aufliste, sitze ich morgen noch hier, und vermutlich interessiert dieser Kram schon niemanden.
Bezeichnenderweise war ich beim Schreiben ständig versucht, bei den Eigenschaften der anderen Kameras die Vergangenheitsform zu benutzen. Irgendwie scheint mit der RED von einem Tag auf den anderen alles bisherige wie graue Vorzeit - eben eine echte Revolution.
Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001