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Di, 22. Nov 2005, 14:00

Tequila! hat geschrieben:
@ssnake: Ich kenne solche (europäischen/globalen) Vergleichsstatistiken nicht. Aber selbst wenn du dir die Mühe machtest, dir vom BKA die deutsche Kriminalitätsstatistik zu holen und die mit denen anderer Länder zu vergleichen, würde das wenig aufschlussreich sein. Dazu sind zunächst die Statistiken von der Erhebung zu unterschiedlich.

Ich glaube auch eine Linie quer durch alle Innenministerien zu erkennen, daß Vergleichbarkeit und eine Vereinheitlichung von statistischen Erhebungen, Erfolgskontrolle überhaupt, gar nicht erwünscht ist - es sei denn, man könne über selektive Präsentation eigene Erfolge propagieren.
Aber was die verschiedenen Medienwirkungstheorien angeht, gibt es eigentlich nur eine, die Gewaltkonsum eine positive Wirkung zuschreibt ("Katharsistheorie"). Nur wird die heutzutage nicht mehr vertreten, weil sie wohl empirisch nicht zu stützen war (so sagen jedenfalls Schwind, Theunert, Löschper und wie sie alle heißen).

Soweit würde ich ja auch gar nicht gehen - Schädlichkeit, die ja die Minimalvoraussetzung für eine Verbotsdiskussion sein sollte, ist ja auch nicht nachgewiesen. Soweit ich das übersehe, gibt es zwei Sorten von Untersuchungen zur Medienwirkung - jene, die methodisch überzeugend durchgeführt wurden und im Wesentlichen ohne Ergebnis sind, und jene, die methodisch angreifbar sind und dadurch die Wirkungshypothese bestätigen.

Es fängt ja schon damit an, daß die Schwelle von "Gewalt" gar nicht einheitlich definiert werden kann. Was ist denn, bitteschön, Gewalt? Wir erkennen Gewalt, wenn wir sie sehen, das ist wie mit der Pornographie. Zu definieren, was Gewalt ausmacht, fällt schon schwerer. Entweder die Definition ist so allgemein gehalten, daß nahezu jedes beliebige Beispiel darin erfaßt ist. Oder man muß sich schon fragen, ob die Darstellung von Gewalt überhaupt identisch mit Gewalt sein kann.

Solange Kausalität nicht nachweisbar, nicht einmal begründet vermutbar ist, bleibt jede Verbotsdiskussion von Populismus und Hysterie dominierte Veranstaltung, von der sich der denkende Mensch besser fernhält.
Und zur Verknüpfung mit dem schon vorhandenen Agressionspotential sagt Höhler:" Eine Zunahme der Gewaltakte infolge gewalttätiger Fernsehfilme verzeichnen die Forscher für jene Jugendlichen, die aus einem soziokulturellen Milieu mit geringer Aggressionshemmung kommen. Die Höhe der Hemmschwelle scheint also für den realen Ausbruch aus der aggressiven Stimmung in die aggressive Handlung entscheidend [...] So bilden bei Kindern aus den aggressionsbetonten Milieus, die in der Regel mit der sozialen Unterschicht identisch sind, materielle Verbesserungen der Situation, die als Synonyme für persönlichen Erfolg und höheres Ansehen gelten, erstrebenswerte Ziele. Ein gewalttätiger Fernsehheld ist für diese Kinder nachamenswert, wenn er, gleichviel mit welchen moralischen Mitteln, sein Ziel erreicht".

Daß es eine Korrelation zwischen bevorzugt konsumierten Medieninhalten und realem Verhalten gibt, bezweifle ich nicht. Aber Korrelation ist eben nicht Kausalität - es könnte ebensogut sein, daß die Wirkkette genau umgekehrt ist, gewaltbereite Menschen also gerade deswegen Gewalt darstellende Medieninhalte bevorzugen, weil es ihren eigenen Neigungen entgegenkommt.
Passend dazu war neulich ein Bericht im Spiegel, dass Spiele intelligenzhemmend wirken können. Allerdings umso stärker, umso weniger Intelligenz der Betroffene von Beginn an mitbringt. Will sagen: Cleveren schadet es nicht (nützt in gewissen Grenzen sogar), während für "Dumme" uU recht gravierende Folgen eintreten können bzgl. der Lernentwicklung.

Ja, das ist das, was der Herr Pfeiffer (noch) herausfinden will. Ich fürchte nur, soweit ich seinen Ansatz verstanden habe, daß er in erster Linie Korrelationen aufdecken will, für die es u.U. nicht mal einer wissenschaftlichen Untersuchung bedürfte, weil sie schon lange bekannt sind. Kausalität wird Herr Pfeiffer nicht nachweisen können, solange er wissenschaftlich seriös bleibt. Daran habe ich leider meine Zweifel, als niedersächsischer Innenminister hat er schon zuviel Politik betrieben, als daß die Unschuldsvermutung in seinem Fall länger gelten kann.
 
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Di, 22. Nov 2005, 14:16

Wenn es eine Kausalität zwischen Gewalt und Videospielen geben würde müßte in Japan eigentlich Mord und Totschlag vorherrschen. Was da an Videospielen konsumiert wird und wie explizit da teilweise die Gewaltdarstellung ist.... Das Gegenteil ist aber der Fall, Japan hat eine extrem niedrige Quote an Gewaltverbrechen.

Rainer Rossshirt hatte in der PCGames mal einen interessanten Gedankengang dazu: 100% aller Gewalttäter trugen zur Tatzeit eine Unterhose. Müßte man also nicht jede Form von Unterwäsche verbieten?
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Ssnake hat geschrieben:
Wenn ein Spiel Geschmadder statt intelligentem Spielprinzip bietet, ist es eben ein schlechtes Spiel. Daher wird sich intelligentes Spieldesign langfristig am Markt sowieso durchsetzen - insofern bedarf es auch deswegen keines Verbotes.


So wie sich im Fernsehen auch die intelligenten Sendungen durchgesetzt haben? Recht optimistische Sichtweise, wie ich finde...

Rainer Rossshirt hatte in der PCGames mal einen interessanten Gedankengang dazu: 100% aller Gewalttäter trugen zur Tatzeit eine Unterhose. Müßte man also nicht jede Form von Unterwäsche verbieten?


Naja, diese Theorie müsste sich eigentlich leicht widerlegen lassen. Mir fallen schon aus dem Stegreif einige Gewalttaten ein, bei deren Durchführung ein Mangel an Unterhosen durchaus von Vorteil wäre.
 
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Di, 22. Nov 2005, 15:59

fflood hat geschrieben:
Ssnake hat geschrieben:
Wenn ein Spiel Geschmadder statt intelligentem Spielprinzip bietet, ist es eben ein schlechtes Spiel. Daher wird sich intelligentes Spieldesign langfristig am Markt sowieso durchsetzen - insofern bedarf es auch deswegen keines Verbotes.


So wie sich im Fernsehen auch die intelligenten Sendungen durchgesetzt haben? Recht optimistische Sichtweise, wie ich finde...

Rainer Rossshirt hatte in der PCGames mal einen interessanten Gedankengang dazu: 100% aller Gewalttäter trugen zur Tatzeit eine Unterhose. Müßte man also nicht jede Form von Unterwäsche verbieten?


Naja, diese Theorie müsste sich eigentlich leicht widerlegen lassen. Mir fallen schon aus dem Stegreif einige Gewalttaten ein, bei deren Durchführung ein Mangel an Unterhosen durchaus von Vorteil wäre.


Das heißt ja nicht daß man die Unterhose bei der Gewalttat anbehält. Auch einem Killerspielspielespieler wird es schwerfallen dieses während der realen Gewalttat zu spielen, oder? :green:
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Warum nicht? Die Füße hätte er ja noch frei. ;-)

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Di, 22. Nov 2005, 16:22

fflood hat geschrieben:
Warum nicht? Die Füße hätte er ja noch frei. ;-)

Killerspielspielespieler


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ja sorry, ich bin vor Aufregung ins stottern geraten :green:
Ein Spiel war das wohl zu viel.....
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Di, 22. Nov 2005, 19:25

@ssnake: Hmmm...irgendwie denke ich, eine Parallele zur Umweltdiskussion zu sehen. ;)
Ich meine die Differenzierung zwischen Ursächlichkeit und Übereinstimmung. Wenn eine Kausalität nicht nachzuweisen ist, kann man unter Umständen nicht sicher sagen, ob das an deren Fehlen oder der Unzulänglichkeit der Untersuchungsmethoden liegt. Man sollte also trotzdem überlegen, ob man nicht Konsequenzen aus einer hohen Korrelation zieht … im hier genannten Bereich etwa: Sollte man gewaltgeneigten Menschen überhaupt die Chance geben ihre „Abartigkeit“ weiter auszuleben? Und zudem: Sollte man das Risiko eingehen, dass Kausalität zwischen Spielen und Gewaltbereitschaft besteht, wenn auf der andern Seite der Interessenabwägung „nur“ die Unterhaltung einiger weniger steht…?
Oder anders gesagt: Selbst wenn auf der einen Seite nur die Gefahr stünde, dass Spiele Gewalt auslösen, wäre dann nicht trotzdem deren Verhinderung wichtiger als das Interesse der Gegenseite, das zwar unwiderleglich, aber nur im Interesse an Unterhaltung besteht?
Cheers,
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Di, 22. Nov 2005, 21:10

Tequila! hat geschrieben:
Oder anders gesagt: Selbst wenn auf der einen Seite nur die Gefahr stünde, dass Spiele Gewalt auslösen, wäre dann nicht trotzdem deren Verhinderung wichtiger als das Interesse der Gegenseite, das zwar unwiderleglich, aber nur im Interesse an Unterhaltung besteht?

Das ist aber ein absolut allgemeiner Ansatz, den man auf wirklich alles beziehen kann, was man will. So kann man meinesachtens jedoch nicht an das Thema herangehen, sonst enden wir noch in einem Staat, der einem alles vorschreibt, nur um uns vor allen möglichen Gefahren zu bewahren, die irgendwann einmal auftreten könnten. Genau der falsche Weg, wie finde...
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Mi, 23. Nov 2005, 07:56

Tequila! hat geschrieben:
@ssnake: Hmmm...irgendwie denke ich, eine Parallele zur Umweltdiskussion zu sehen. ;)
Ich meine die Differenzierung zwischen Ursächlichkeit und Übereinstimmung. Wenn eine Kausalität nicht nachzuweisen ist, kann man unter Umständen nicht sicher sagen, ob das an deren Fehlen oder der Unzulänglichkeit der Untersuchungsmethoden liegt. Man sollte also trotzdem überlegen, ob man nicht Konsequenzen aus einer hohen Korrelation zieht … im hier genannten Bereich etwa: Sollte man gewaltgeneigten Menschen überhaupt die Chance geben ihre „Abartigkeit“ weiter auszuleben? Und zudem: Sollte man das Risiko eingehen, dass Kausalität zwischen Spielen und Gewaltbereitschaft besteht, wenn auf der andern Seite der Interessenabwägung „nur“ die Unterhaltung einiger weniger steht…?
Oder anders gesagt: Selbst wenn auf der einen Seite nur die Gefahr stünde, dass Spiele Gewalt auslösen, wäre dann nicht trotzdem deren Verhinderung wichtiger als das Interesse der Gegenseite, das zwar unwiderleglich, aber nur im Interesse an Unterhaltung besteht?


Genausogut könnte man aber auch die Schlussfolgerung ziehen daß es vielleicht besser ist wenn Gewalttätige Menschen ihre Fantasien in Videospielen ausleben anstatt sie zu unterdrücken und sie dann doch vielleicht einmal in der Realität ausleben?
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Mi, 23. Nov 2005, 08:58

Wie oben schon geschrieben, letztere Theorie (bzgl. Katharsis) ist wohl aus Sicht der Verhaltensforscher schlicht und einfach nicht haltbar.

Was die Gefahren angeht: Das ist aber eine Regel, die unser gesamtes Rechtssystem durchzieht. Je gefährlicher eine Tätigkeit ist, desto mannigfaltiger und schärfer sind die Einschränkungen/Beschränkungen. Es wird ja auch im Verwaltungsrecht differenziert zwischen präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt (die eigentlich "gewünschtes" Verhalten betreffen, das jedoch staatlich kontrolliert werden muss) und repressiven Verboten mit Genehmigungsvorbehalt (an sich ungewünschtes Verhalten, das im Ausnahmefall zulässig sein kann).

Meiner Ansicht nach, soll ja kein totales Verbot her. Aber dass bestimmte Grenzen ggf. als "unüberschreitbar" festgelegt werden, damit hätte ich kein Problem. Das Prinzip der BPjM finde ich schon gar nicht verkehrt, vorausgesetzt, es arbeiten qualifizierte Leute mit ...

Ein Problem, das ich tatsächlich eher sehe an meiner Argumentation, liegt darin, dass ein solches Verbot die Hersteller einschränkt und damit mE eine (grundrechtliche) Position beeinträchtigt wird, die etwas schwerer "wegzuwischen" ist als die Unterhaltungsgier der "Massen" (damit meine ich uns ;)), deren Stellenwert ich nach wie vor fraglich finde.
Zuletzt geändert von Nackter Onkel am Mi, 23. Nov 2005, 09:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Mi, 23. Nov 2005, 09:41

Tequila! hat geschrieben:
Ein Problem, das ich tatsächlich eher sehe an meiner Argumentation, liegt darin, dass ein solches Verbot die Hersteller einschränkt und damit mE eine (grundrechtliche) Position beeinträchtigt wird, die etwas schwerer "wegzuwischen" ist als die Unterhaltungsgier der "Massen" (damit meine ich uns ;)), deren Stellenwert ich nach wie vor fraglich finde.


Nur darf man auch nicht vergessen, dass die Spiele Millionen Menschen unterhalten und davon - wenn überhaupt - vielleicht nur einer durchdreht. Selbst die mögliche Geschädigten-Rate ist halt einfach so gering, dass die ganzen Verbote mehr zerstören als das sie bringen.
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Mi, 23. Nov 2005, 10:25

Das Problem ist daß es nur Theorien gibt die stimmen mögen oder auch komplett falsch sind. Richtige Beweise gibt es aber auf beiden Seiten nicht. Die vielbeschworene "Verrohung" der Gesellschaft ist bislang auch ausgeblieben, und das obwohl alle Medien inzwischen deutlich brutaler geworden sind als noch vor 30 Jahren.Einzelne Leute die "durchdrehen" hat es auch früher schon gegeben, ein wirklich signifikanter Anstieg in der Anzahl ist nicht feststellbar, wenn dann nur ein Anstieg der Aufmerksamkeit auf solche Fälle, bedingt durch die intensivere Berichterstattung. Von den Auswirkungen her kann also kein "neues Problem", daher ist es auch fraglich ob man neue Verbote braucht.

Die Wahrscheinlichkeit daß jemand der Gewalttätige Medien konsumiert auch wirklich eine Gewalttat begeht ist statistisch gesehen auch sehr klein, wobei man hier ja auch einen umgekehrten Schlußannehmen könnte. (Was ja auch schon angespochen wurde) also daß eben gewalttätige Menschen auch gerne gewalttätige Medien konsumieren (wie auch mancher friedfertige Mensch).

Bei Kinderpornographie z.B. sieht diese Statistik wesentlich schlimmer aus. Hier ist die Quote derer die diese konsumieren (was an sich ja schon eine Straftat ist) und dann selbst irgendwann eine solche Tat begehen deutlich höher. Außerdem wurde hier das entsprechende Material ja nicht virtuell erstellt sondern es kamen wirkliche Personen (die Kinder) dabei zu schaden.

Bei Gewalttätigen Medien bleibt die Gewalt ja so lange rein virtuell und es ist niemand zu Schaden gekommen bzw. kommt solange keiner zu Schaden bis ein Konsument wirklich austickt. Ob dies aufgrund des Mediums oder aus anderen Gründen passiert kann nicht bewiesen werden, eine Betrachtung der entsprechenden Fälle legt eher die Vermutung nahe daß doch andere Gründe für die Gewalttat ausschlaggebend waren. Beim Täter von Erfurt darf man auch annehmen daß er die Tat auch ausgeführt hätte wenn er niemals Counterstrike o.ä. konsumiert hätte. Als Sündenbock boten sich aber natürlich sofort die Computerspiele an, was durch die anderen Medien (Fernsehen Zeitung) auch begierig aufgegriffen wurde weil man dadurch ja davon ablenken konnte daß man selber viele gewaltphantasien verbreitet. Auf einer solchen fragwürdigen Hetzkampagne einen Gesetzentwurf gegen eine kleine Minderheit aufzubauen halte ich für ein extrem fragwürdiges Vorgehen.
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Mi, 23. Nov 2005, 10:59

Tequila! hat geschrieben:
@ssnake: Hmmm...irgendwie denke ich, eine Parallele zur Umweltdiskussion zu sehen. ;)
Ich meine die Differenzierung zwischen Ursächlichkeit und Übereinstimmung. Wenn eine Kausalität nicht nachzuweisen ist, kann man unter Umständen nicht sicher sagen, ob das an deren Fehlen oder der Unzulänglichkeit der Untersuchungsmethoden liegt.

Da hast Du völlig recht. Unwiderlegbare Vermutungen werden von Ökostalinisten gerne vorgekramt, wenn es um die Verhinderung von letztlich beliebigen Technologien geht. Mehr als 2000 Studien zum Thema "Elektrosmog" kommen zu keinem Ergebnis (außer daß sich Ohrknorpel um 0.5 Grad erwärmen kann, was aber freilich schon dadurch erreicht wird, daß die Ohrmuschel durch Auflegen des Telefons plötzlich windgeschützt ist). Dem stehen ca. 1000 Unfallopfer gegenüber die jedes Jahr zusätzlich gerettet werden können, weil es Mobilfunktechnologie gibt.
Hält das irgendeinen Hysteriker auf, das Verbot von Mobilfunk (hormonartigen Chemiesubstanzen/Killerspielen/Windrädern/Atomstrom) zu fordern? Natürlich nicht, Hysterikern ist mit Argumenten sowieso nicht beizukommen. Und es ist letztlich völlig egal, um was es konkret geht - das Muster ist immer dasselbe. Eine unkonkrete Gefahr wird mit Hilfe von Vermutungen, Hochrechnungen und Dunkelziffern aufgeblasen bis sie bedrohlich klingt, Vorteile der betroffenen Technologie werden gar nicht erst erwähnt, und zur Not kommt der Diskussionsfliegenpatscher, daß ja schon ein einziger Toter zuviel sei. Und wenn nichts bewiesen werden kann, liegt das immer nur daran, daß man nicht genau genug hinguckt - wird es hingegen bewiesen, hat man ja schon immer davor gewarnt.

Der Trick bei der ganzen Kiste ist halt, "Vorsichtsprinzip" und den Mangel an Falsifikierbarkeit zu kombinieren, so kann man wunderschön agitieren.
Man sollte also trotzdem überlegen, ob man nicht Konsequenzen aus einer hohen Korrelation zieht … im hier genannten Bereich etwa: Sollte man gewaltgeneigten Menschen überhaupt die Chance geben ihre „Abartigkeit“ weiter auszuleben? Und zudem: Sollte man das Risiko eingehen, dass Kausalität zwischen Spielen und Gewaltbereitschaft besteht, wenn auf der andern Seite der Interessenabwägung „nur“ die Unterhaltung einiger weniger steht…?

Sind es nur "einige wenige"?
Und wie grenzt Du ab? Was ist eine erlaubte Form der Unterhaltung, was ist nicht erlaubt?

Geschmacksfragen können nicht Grundlage von Gesetzgebung sein. Gesetze müssen zudem konkret sein. Im Falle von "Killerspielen" fällt es mir schwer, hier eine Abgrenzung zu finden. Warum beispielsweise darf ein Kinofilm oder ein Fernsehkrimi Morde zeigen, nicht aber ein Computerspiel? Wenn ein Computerspiel es auch darf, wo sind die Grenzen? Wenn Blut aus roten Pixeln gemacht wird? Wäre blaues Blut also OK? Darf Blut überhaupt gezeigt werden? Ist jeder Fleck an der Wand zu verbieten? Was ist mit "verbaler Gewalt"? Psychoterror?
Wenn wir uns erst mal den Präzedenzfall gefallen lassen, daß Medieninhalte für jedermann verboten werden, nur weil man den unwiderlegbaren Verdacht äußert, daß es irgendeine negative Folge hätte, dann führen wir die Zensur durch die Hintertür wieder ein, von der es heißt, daß sie nicht stattfinde.

Es ist nicht hinnehmbar, daß in einem Land mit allgemeiner Wehrpflicht Erwachsenen der Konsum von Medien verboten werden soll, die genau das Thematisieren, was konkreter Gegenstand des Wehrdienstes ist. Ganz im Gegenteil müßte es zur Pflicht von allen demnächst der Wehrpflicht unterliegenden Bürgern gehören, sich darüber zu informieren, welche Konsequenzen es haben könnte, sich für oder gegen eine Teilnahme am Wehrdienst zu entscheiden.
Der Killerspielediskussion liegt ein mechanistisches Weltbild zugrunde, nach dem unterstellt wird, daß Medienkonsum den freien Willen zumindest erheblich beeinflußt. Wenn das tatsächlich der Fall wäre, dann müßten wir überhaupt jeglichen Medienkonsum als unzulässige Geistesbeeinflussung verbieten - schließlich hätte das dann ja wohl auch Rückwirkungen auf Wahlergenisse.

Ich weigere mich hinzunehmen, daß volljährigen, mündigen Bürgern von staatlicher Seite vorgeschrieben werden soll, welche Medieninhalte konsumierbar sind. Das wäre Gedankenpolizei in Reinkultur. Insoweit hast Du recht: Eine "vernünftige Diskussion" kann über das Thema niemals zustandekommen, weil es hier um unverhandelbare Grundsätze geht. Es geht um die Frage, ob wir Politikern erlauben darüber zu entscheiden, wie wir uns unterhalten. Heute sind es "Killerspiele", morgen Rennspiele, weil sie zum Rasen erziehen und dadurch Verkehrstote verursachen. Der Phantasie der Gesellschaftsingenieure mit mechanistischem Weltbild sind keine Grenzen gesetzt - es sei denn, wir ziehen sie. Und ich sage, die Linie verläuft genau HIER.
 
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Mi, 23. Nov 2005, 13:06

Unser Ssnake ist heute wieder sehr kämpferisch.... was nichts daran ändert daß seine Argumente mal wieder wunderbar durchdacht sind.

Dieses ganze Gedöhns um die Killerspiele ist eine Hetzkampagne gegen Videopspieler die so etwas gerne Spielen. Wirkliche Beweise für die Schädlichkeit gibt es nicht und wird es wahrscheinlich auch nie geben.

Übrigens nochmal der Hinweis auf das Buch "Kinder brauchen Monster": In einem Kapitels schreibt der Author daß es gerade in der Zeit als die besonders gewaltfrei erzogenen 60er Jahre Kinder zu jugendlichen wurden (etwa 75-85) besonders viele Gewalttätige Jugendliche gab. Soviel zu der These daß die Katharsis-Theorie nicht haltbar sei. Wer nie Gewalt kennengelernt hat hat auch nie gelernt damit umzugehen.
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Mi, 23. Nov 2005, 14:29

Ich glaube nicht, daß es das ist, was Jones sagen wollte - sondern daß der Umgang mit Gewaltphantasien gelernt werden muß, und daß deren Unterdrückung zum Aufstau latenter Gewalt führt, die sich dann möglicherweise irgendwann real Bahn bricht. Dies weniger im Sinne der (letztlich wohl von Freud initiierten "Ballontheorie" (jeder Triebform wird ein "Ballon" zugeordnet, dessen Füllstand ein Maß für Streß ist. Triebabfuhr führt dabei zu Befriedigung; die Katharsistheorie scheint mir davon direkt abgeleitet zu sein - wobei ich mir nicht sicher bin, ob Freud das virtuelle Ausleben von Gewalt tatsächlich als Triebabfuhr eingeordnet hätte).

Wie auch immer: Gewaltphantasien gehören zum Menschen dazu. Das mag man bedauern, aber Verbote beseitigen diese Phantasien nicht. Wir erleben auch deswegen Gewaltphantasien in Medien, weil auch die Kreativen solche Phantasien haben - es ist sicher nicht nur abhängig von der Nachfrage.
Klar ist aber auch, es gibt diese Nachfrage, und ich halte sie nicht von der Unterhaltungsindustrie induziert; sie ist ursprünglich. Das mag verstörend wirken, es mag mit unseren Idealvorstellungen von der Welt kollidieren - - - nur schafft das den Sachverhalt nicht aus der Welt. Auch deswegen halte ich von einer Verbotsdiskussion nichts.
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