Doc SoLo hat geschrieben:@Ssnake:
Ssnake, du rechtfertigst die Realität einmal mehr mit Idealen, die ich in ihr eben gerade nicht als gegeben sehe. Das macht keinen Sinn.
Produzenten und Konsumenten sind in der Marktwirtschaft verfeindete Parteien.
Von Feindschaft zu sprechen halte ich angesichts meiner persönlichen Erfahrungen als Unternehmer für absurd. Ich verstehe mich als Partner der Wünsche meiner Kunden. Ich muß versuchen, möglichst genau zu verstehen was sie wollen, und diesen Bedarf dann auf eine Weise erfüllen, die die Bedürfnisse befriedigt und mir zugleich ein Auskommen sichert.
Da ich das alles selbst finanziere, bin ich auch keinen anonymen Aktionärsgruppen verantwortlich, sondern frei in allen unternehmerischen Entscheidungen.
Selbstverständlich kommt man am Punkt der Preisverhandlung zu der Notwendigkeit, einen Interessenausgleich finden zu müssen. Selbstverständlich versuche ich, aus dem Markt so viel Geld herauszupressen, wie ich kann. Genau dafür hat mich mein Partner angeheuert. Und selbstverständlich wäre es meinen Kunden lieber, wenn wir weniger Geld verlangen würden.
Man könnte sogar sagen, daß wir auf unserem Gebiet Monopolisten sind. Im Grunde strebt
jeder Produzent von Gütern eine Monopolstellung auf einem bestimmten Gebiet an - sei es Preisführerschaft, oder Produkteigenschaften, die die Konkurrenz nicht anbietet. Das Ziel muß sein, das eigene Produkt dem direkten Vergleich mit anderen Produkten zu entziehen, um einen höheren Preis zu rechtfertigen. Man könnte beispielsweise Steel Beasts mit Battlefield 2 vergleichen, oder Flashpoint. Wenn wir genau dasselbe machen würden, wären 125,- US-Dollar pro Lizenz am Markt nicht durchzusetzen. Kunden würden Konsumverzicht üben und stattdessen BF2 spielen. Nun kaufen einige Leute bei uns aber dennoch trotz des augenscheinlich höheren Preises, weil unser Produkt eben NICHT direkt vergleichbar ist mit den Produkten unserer Konkurrenz. Und wenn man SB Pro im Wettbewerb mit etablierten Gefechtssimulatoren sieht - naja, dann haben wir eben eine Preisführerschaft, die unsere Konkurrenten auf den anderen Märkten nicht unterbieten können. Sie müssen also hinreichend viele bessere Detaillösungen bieten, um die höheren Preise zu rechtfertigen.
Erstere versuchen zum Beispiel, ihre Produkte genau so viel schlechter und billiger zu machen, dass der Kunde es im Moment der Kaufentscheidung geradeso nicht merkt und weiter denselben Preis zahlt.
Billiger bedeutet eben nicht zwangsläufig auch "schlechter". Prozeßinnovation in der industriellen Produktion führt durchaus zu gleichwertigen Resultaten bei verminderten Kosten. Stahlbeton-Brücken sind erheblich billiger bei gleicher Tragfähigkeit herzustellen als Mauerwerk-Lösungen - für den Kunden entsteht also nicht nur kein Nachteil, sondern sogar ein Preisvorteil,
obwohl der Bauunternehmer gegenüber der Mauerwerk-Konstruktion mehr Gewinn abschöpft.
Marktwirtschaft ist kein Nullsummenspiel. Es ist nicht automatisch so, daß Kunden verlieren, wenn Unternehmer gewinnen. Es ist nur wichtig zu beachten, daß nur solche Geschäftsbeziehungen langfristig tragbar sind, die für beide Parteien vorteilhaft sind. Am Ende einer Geschäftsbeziehung stellt sich eventuell die Frage, ob man die Kuh weiter melken oder sie stattdessen schlachten sollte - aber letzteres kann man eben nur einmal, man zerstört sich damit den Markt - und baut möglicherweise eine Reputation auf, die einem weitere Geschäfte schwieriger macht.
Die Kunden dagegen spielen mehrere zum Verkauf gezwungene Anbieter des gleichen Produkts gnadenlos mit der Verzichtsdrohung gegeneinander aus, um den billigsten Preis zu erzielen. Ich denke, das belegt meine Eingangsthese.
Das setzt aber nun mal voraus, daß die Produkte tatsächlich vergleichbar sind. Im Bereich der Lebensmitteldiscounter mit ihren Handelsmarken ist das durchaus zu beobachten - aber es steht ja jedem Unternehmer frei, sich dort zu tummeln oder selber eigene Markenprodukte zu entwickeln, für die er dann jeweils kleine Monopolrenditen abschöpfen kann.
Daran kann ich nichts verwerfliches finden, und ich sehe auf diesem Gebiet auch kein Systemversagen.
Einen fairen Ausgleich zwischen beiden Parteien gibt es doch nur, wenn bei den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, relativer, sicherlich schwer zu beschreibender und ganz sicher nicht messbarer Gleichstand herrscht.
Nun ja ... im Fall von Microsoft und Sony muß man doch aber auch feststellen, daß sie ihre starken Marktpositionen nicht über Nacht und zufällig entwickelt haben. Sie haben lange Jahre die Bedürfnisse ihrer Kunden augenscheinlich besser erfüllt als ihre Konkurrenten. Sie sind Beispiele dafür, daß sich Konsumenten ihre Oligopolisten durchaus selbst heranzüchten. Aber auch dann können weder MS noch Sony ihre Kunden zum Konsum zwingen. Auch Oligopolisten sind gezwungen, brauchbare Produkte anzubieten, wenn sie langfristig am Markt bestehen wollen. Ich kenne keine Firma, die erfolgreich über viele Jahrzehnte am Markt tätig wäre, die nicht auf Kooperation mit ihren Kunden ausgerichtet ist. Ob es Microsoft und Sony in dreißig, vierzig Jahren noch geben wird (und in welcher Form und auf welchen Märkten), steht dahin.
In einem oligopolistischen Markt, wo wenige Anbieter ihre Aktionen genau koordinieren und planen können, bleibt Konsumenten nur der Konsumverzicht als Druckmittel, den sie dummerweise nicht koordinieren und planen können. Sie müssen sich anonym, jeder einzeln zu diesem - auch für sie selber nachteiligen - Verhalten durchringen und das beste hoffen. Da sehe ich kein Gleichgewicht mehr.
Konsumenten sind machtvoller geworden. Allein schon die vereinfachte globale Kommunikation setzt Konzerne unter erheblichen Druck, gerade
weil die Konsumenten heute besser informiert sind. Ja, Microsoft beherrscht den Markt für PC Betriebssysteme - aber wie lange würde dieser Zustand andauern, sobald Linux DirectX-Schnittstellen unterstützen würde und ansonsten bessere oder gleichwertigere Funktionalität & Verläßlichkeit zu vergleichbaren oder geringeren Kosten anböte, und Microsoft die eigenen Betriebssysteme nicht weiterentwickeln würde?
Es mag ja sein, daß es für Spielekonsolen nur zwei große Anbieter gibt - aber es gibt eben auch den riesigen Markt der PCs, der vollständig von den Konsumenten beherrscht wird und auf dem die Preise annähernd den variablen Kosten ihrer Herstellung entsprechen. Der PC-Markt ist Konsumentenparadies, und er steht funktionell in Konkurrenz zu den neueren Konsolen. Insofern muß man nicht mal auf Spiel- und Medienvergnügen verzichten, wenn man keine PS3 oder XBox kauft. Wenn Du mir verklickern willst, daß das alles Systemversagen ist - dann kann ich nur sagen, daß ich solches Systemversagen begrüße, auch wenn mich das in Deinen Augen zum selbstgefälligen, fetten Wessi abstempelt.
Ich habe den Eindruck, daß Du im Kern eher Pessimist bist. Ich meine das in dem Sinne, daß wir in vielen Fällen dasselbe beobachten, Du aber stets die möglichst negative Deutung der Szene bevorzugst. Ja, es gibt die Mechanismen, die Du beschreibst, aber ich sehe sie nicht immer als konstituierende Elemente der Marktwirtschaft (oder der Demokratie), oder ich sehe sie in einem anderen Zusammenhang.
Insofern unterscheidet uns wohl eine psychologisch-philosophische Grundhaltung, die kaum überwindbar ist, was sich wahrscheinlich aus unseren unterschiedlichen Biographien ableitet.
Du hast die Musikindustrie genannt. Dort spielt das psychologische Preisempfinden eine Rolle. Über, beim Konsumenten subjektiv als Kleinbeträge empfundene, aber überhöhte Preise wurden jahrelang riesige Gewinne erzielt. Es ist einfach für die wenigen Anbieter, den Preis ihres Millionenartikels ein paar Cent zu erhöhen, aber schwierig für die Konsumenten, diese für jeden einzelnen unbedeutende Preiserhöhung zu erfassen und sich dagegegen zu wehren. Der Schaden, gemessen am marktwirtschaftlichen Optimum entsteht trotzdem. Dass Konsumverzicht neuerdings durch die Tauschbörse ersetzt wird, ist dabei eine ganz andere Sache. Da herrscht dann wirklich marktwirtschaftliches Chaos.
Die "kreative Zerstörung", von der Herr Schumpeter des öfteren sprach - ja.
Und deshalb kotzt mich diese selbstgefällige Ablehnung jeder Systemkritik so an, die viele, ja die überwiegende Mehrheit der "Wessis" an den Tag legt. Fett, faul und selbstgerecht ist eure demokratisch-marktwirtschaftliche Gesellschaft geworden. Kritiklos und beliebig, weil innerlich vergammelt!
Tja... es ist nicht so, daß ich nicht anerkenne, daß man immer wieder Beispiele finden kann, in denen Marktmechanismen tatsächlich versagen. Ich will auch nicht behaupten, daß es der Markt immer richtet. Aber mein Eindruck ist, daß speziell in Deutschland und Frankreich ein Wunsch nach paternalistischer Staatslenkung besteht, den ich vollkommen ablehne, weil er mich persönlich in vielen Bereichen einengt und in einigen Bereichen das Potential hat, mich wirtschaftlich zu ruinieren (und das ist jetzt ganz ernst gemeint, wenn ich an ein Urteil des Bundessozialgerichts denke, das vor kurzem gefällt wurde).
Daher neige ich dazu, stets eine Lanze für Freiheit und Selbstverantwortlichkeit zu brechen, ganz einfach deswegen, weil ich finde, daß wir in vielen Bereichen zu ängstlich sind, weil wir mehr Optimismus gebrauchen können. Das mag gelegentlich als kritiklose Affirmation an den Kapitalismus erscheinen, aber für mich ist es ein Kämpfen für Ideale, die nach meinem Eindruck unser Land gut gebrauchen könnte.
Bei aller Begrüßung von Marktprinzipien generall wurdere ich mich aber gelegentlich über die materialistische Einstellung gerade von Dir, wenn Du Konsumverzicht mit Existenzbedrohung gleichsetzt. Gewiß, Geld zu haben bedeutet ein Gewinn an Freiheit, und ja, shoppen macht gelegentlich Spaß - aber das alles ist mit weniger wichtig als eine Arbeit zu haben, die mich inspiriert und die mir gefällt, mit Kunden in Kontakt zu treten, die mir eine interessante Geschichte erzählen können, das Wissen darum, daß ich mit meinen Lösungen Menschen glücklicher mache und sie inspirieren kann, kreativ zu werden. Deswegen bin ich Unternehmer in erster Linie. Gewinne sind mir nur deswegen wichtig, weil sie allein die Voraussetzung schaffen, jene Arbeit fortzusetzen, die mich inspiriert.
Deswegen ist es mir auch wurstegal, was Sony und Microsoft sich da ausdenken, und deswegen kann ich vielleicht auch nur sehr begrenzt nachvollziehen, warum Du Dich darüber so echauffierst. Wenn das für Dich fette Selbstgefälligkeit ist... naja, dann werde ich damit wohl leben müssen.