Doc SoLo hat geschrieben:Angesichts des Projekts finde ich die Formulierung "ein paar engagierte Leute" immer noch ganz angemessen für ein 50-köpfiges Team.
Dann wurde Sonys CineAlta nach Angaben von Sony und Lucasfilm auch von "ein paar engagierten Leuten" entwickelt. Und zwar von noch ein paar weniger.
Ich habe nicht gesagt, dass das kein Problem wäre, sondern dass es von einer Firma dieser Größe als wertschöpfende Eigenleistung, mit der man später Geld verdienen kann, sicherlich machbar ist.
Was anderes habe ich damit auch nicht gemeint, doch da Du die Formulierung "kein Konstruktionsproblem" verwendet hast, habe ich es halt auch nicht mehr ausgeschrieben.
Ich versteh den Satz nicht ganz. Was habe ich als selbstverständlich vorrausgesetzt?
Es klang für mich so, als hättest Du wie selbstverständlich vorausgesetzt, daß sich RED und die dort arbeitenden Ingenieure trotz ihrer jahrelangen Erfahrung in diesem Bereich der bei so einem Projekt zu lösenden Schwierigkeiten nicht selbst bewusst wären - etwa, daß man CMOS-Sensoren nicht mal so eben ohne Grundlagenforschung aus dem Hut zaubert.
Bei CMOS-Bildsensoren gibt es keine Trennung zwischen Konstruktion und Fertigung. Da gibt es nur Fertigung, weil alle Probleme genau da liegen. Entweder ein Halbleiter-Hersteller ist in der Lage, einen so großen Chip mit der gewünschten Auflösung herzustellen oder eben nicht. Bisher gab es keinen. Wenn es jetzt einen Hersteller gibt, der das kann, dann liegt die "wertschöpfende Eigenleistung" von RED daran ziemlich nahe bei Null, weil diese kleine Firma einfach nicht die Möglichkeit hat, die entsprechenden Herstellungsprozesse substantiell zu verbessern. Was will RED da also selbst entwickelt haben?
Adam Wilt, der das RED-Projekt für das Digital Cinematography Magazine besucht hat, erklärt den Prozeß wie folgt: Das RED-Ingenieursteam arbeitet in direkter Abstimmung mit einem Ingenieursteam bei einem Partnerunternehmen zusammen. Gemeinsam werden die dort vorhandenen Grundlagen ihrer CMOS-Sensortechnik als Basis für die weitere Arbeit genommen.
Das Partnerunternehmen hat bereits verschiedene CMOS-Sensoren für wissenschaftliche Fotografie entwickelt - darunter Chips, deren Auflösung weit jenseits dessen liegt, was man sich als Ziel für die RED One gesetzt hat, aber auch einige, die etwa in dem 4K-Plus-Bereich liegen, den die RED One haben soll. Die fraglichen Chips sind etwas größer als das Super35-Format.
Was diese Chips noch nicht geeignet für Videokameras macht, ist ihre Scanning-Frequenz: Laut Wilt lag sie bislang bei einem Maximum von rund 12fps für Serienaufnahmen. Hier soll die Kooperation mit RED in Spiel kommen: Die RED-Sensor-Ingenieure haben bei Sony und Panasonic zuvor daran gearbeitet, ebenfalls die CMOS-Technik in hohen Auflösungen auf videotaugliche Scanning-Raten zu befördern. Die Früchte der Arbeit, die diese Leute mit begonnen haben, sieht man zur Zeit bei beiden Firmen, etwa den 2K+-Sensor der Panavision Genesis und die 1080p-Sensoren in zwei Panasonic-Broadcast-Kameras, die ebenfalls auf der NAB vorgestellt wurden. Die RED-Ingenieure bringen also ihr Know-How ein, um in Kooperation die vorhandene CMOS-Technik weiterzuentwickeln. Wilt wurde dabei im RED-Hauptquartier ein Prototypen-Setup vorgeführt, das 34 4K-Bilder oder 75 2K-Bilder pro Sekunde lieferte (Ziel der Entwicklung sind ja bekanntlich 60/120), was ihn (vor rund anderthalb Monaten) extrem beeindruckte, weil er so etwas noch nie zu Gesicht bekommen hatte (34 4K-Bilder, wohlgemerkt; 75 2K gibt es bereits bei der Genesis). Jetzt wäre er vermutlich nur noch mittelmäßig beeindruckt, da auf der NAB mittlerweile noch eine 4K-Kamera vorgestellt wurde - allerdings mit einem sehr viel klassischeren Konzept und entsprechend hohen Folgekosten in jeder Aufnahmeform.
Was hat RED also selbst entwickelt? Weniger als sie auf ihrer Homepage behaupten? Ja, definitiv. Aber zum großkotzigen Marketing hatte ich mich ja bereits geäußert. Muß man vielleicht den größeren Teil der Anerkennung für die technische Leistung dem Halbleiter-Partner zollen? Vielleicht. Meines Erachtens sogar wahrscheinlich, wenngleich nach Wilts Artikel RED ebenfalls wichtiges Know-How mit in das Sensor-Projekt eingebracht hat. Dennoch würde ich die Verdienste von RED eher im "Drumherum" lokalisieren: dem flexiblen Open-Source-Design und der Indie-Option 2K in 4:2:2 mit handelsüblichen SATA-Festplatten und 16mm-Objektiven aufzuzeichnen - Features, die schon lange überfällig waren. Die Festplattenaufzeichnung gibt es ja (fast) auch bei der Silicon-Imaging-Kamera zu einem ähnlichen Preis, das OS-Design hingegen bislang nur bei RED - weshalb ich ja RED auch nur als "Speerspitze" bezeichne, nicht als alleinigen Auslöser der "Revolution" (wie sich RED selbst stilisiert).
Um das vielleicht mal ganz klarzustellen und weitere Mißverständnisse zu vermeiden: Mir geht es hier nicht darum, wem am Ende die Lorbeeren gebühren. Daß RED sich so aggressiv in den Vordergrund drängt, während der Partner bislang vornehm im Hintergrund werkelt, hat sicherlich viel mit der Marketing-Strategie zu tun und weniger damit, daß RED hier eigene Kaninchen aus dem Hut zaubert. Aber ganz ehrlich gesagt: Wenn es am Ende eine funktionierende RED-Kamera zum angekündigten Preis gibt, ist es mir egal, ob da nun nur RED draufsteht oder auch wirklich von RED selbst entwickeltes Zeug drin ist. Mir geht es nur um die Frage, ob die RED One als Projekt realisiert werden kann, und mittlerweile - dank des Artikels des renomierten Adam Wilt und der Mitwirkung von Graeme Nattress und vieler anderer Namen, die mir schon länger ein Begriff sind - beantworte ich sie, nachdem ich vor einem halben Jahr selbst noch "Vaporware!" gerufen habe, mit einem "ja".
Um noch einmal kurz auf Mikes mir bereits bekannten, da ja sehr alten Blog-Eintrag einzugehen: Die 4K+-RAW-Aufzeichnungsfrage würde ich vorerst einmal zurückstellen. Daß die problematisch werden würde, war mir schon klar, als ich die Spezifikationen zum ersten Mal las. Daher fällt 4K+-RAW - besonders in 60fps - für mich auch erst einmal in die Kategorie "Jim&Ted machen einen auf dicke Hose".
Darüber habe ich ja schon geschrieben, also hier nicht noch einmal. Doch muß man dies, wenn man die Marketing-Fettschicht abgekratzt hat, alles einmal im Kontext sehen: Wer braucht zur Zeit 4K+-Recording? Antwort: niemand, weil sich die Kinobetreiber schon mit dem Upgrade auf den aktuellen 2K-Standard, der wohl für viele Jahre - wenn nicht Jahrzehnte - dominant sein wird, schwer genug tun.
Da stellt sich natürlich die Frage, was ein 4K-Sensor bringt. Meines Erachtens zweierlei: Einerseits, völlig unabhängig von den USPs des RED-Projekts, massives Oversampling, wie es in moderaterer Form auch bei der Genesis mit ihrem 2K+Sensor für 2K-Aufzeichnung stattfindet. Ich lehne mich sicherlich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich davon ausgehe, daß Dir die Vorzüge als extrem technisch versiertem Menschen bekannt sind und spare mir daher weitere Erläuterungen - es ist schon so spät, daß es fast wieder früh ist.
Andererseits, mit Blick auf die RED-USPs: Zukunftssicherheit wie im 35mm-Filmzeitalter. Ein Konzeptproblem der aktuellen Digital-Cinema-Kameras, vor allem für Indies mit dünnem Geldbeutel, ist die Generationenfolge: Will man etwas besseres mit neuen Features, kauft man eine neue Kamera. Das war zu Film-Zeiten anders: Man behielt die Kamera, flanschte Video-Assist an, nutzte neuen Filmstock, etc. Genau dies will RED teilweise ins Digital-Zeitalter retten: Mit einem 4K+-Sensor (der übrigens obendrein austauschbar sein soll!), ist man vermutlich bereits für die nächste Generation der Kinoprojektion gerüstet. Anstatt dann eine ganz neue Kamera zu kaufen, nutzt man stattdessen neue, dank des modularen Grunddesigns integrierbare Aufzeichnungsmodule, was eine preisgünstigere Lösung sein dürfte. Niemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, würde JETZT versuchen, 4k+ in 60fps wirklich aufzuzeichnen. Aber in fünf Jahren - wer weiß? Das ist eine der zentralen Ideen des RED One Design: Die Kamera soll, ähnlich wie die aktuellen 35mm-Filmkameras, grundsätzlich in der Lage sein, nicht nur ihre ersten Besitzer auf hohem Niveau glücklich zu machen.
So, jetzt reicht's erst einmal. Hinter mir beschwert sich bereits jemand, daß ich immer noch am PC sitze.
Vielleicht gibt's morgen noch ein paar weitere Gedanken von mir zum Thema, aber andererseits bin ich an diesem Punkt fast versucht, mich einfach zurück zu lehnen und und 6-9 Monate abzuwarten - denn dann werden wir ja sehen, wo das RED-Projekt dann steht, womit sich die Frage, ob es realiserbar ist, in nicht allzu ferner Zukunft von alleine klären dürfte.
Eins verspreche ich Dir: Wenn es auf der nächsten NAB keine funktionierende RED One gibt, werde auch ich rufen: Vaporware!
Grüße von
ButtSeriously
In memoriam PC Player 1/93 - 6/2001