Es gibt kein offizielles Verbot oder eine internationale Konvention zum Verzicht auf uranhaltige Munition. Nachdem ich in den letzten Jahren etwa zehn verschiedene medizinische Papiere/Erfahrungsberichte zu dem Thema gesichtet habe, mußte ich meine ablehnende Haltung teilweise korrigieren.
Zunächst die Fakten:
Uran-Penetratoren neigen beim Einschlag zu einer feinstäubigen Erosion; im Gegensatz zu wolframbasierten Penetratoren, die zum Aufpilzen neigen. Der Vorteil von Uran liegt also in der Materialeigenschaft, sich während des Penetrationsprozesses quasi selbst zu schärfen, also entlang von Druckbändern abzuscheren. Die kleinen Partikel benötigen zudem weniger Platz bei der Bewegung aus dem Krater im Ziel, so daß ein größerer Anteil der kinetischen Energie zur Vertiefung des Kraters statt zu seiner Erweiterung verwendet wird. Daraus resultiert eine gegenüber gleichartigen Wolframpenetratoren um bis zu 10% höhere Durchschlagsleistung.
Uran neigt zudem zur Selbstentzündung und Verbrennung bei Kontakt mit Sauerstoff, vor allem bei den hohen Temperaturen, die durch die Materialverformung und Erosion beim Einschlag entstehen. Dies wird noch verstärkt durch den staubartigen Charakter der erodierten Partikel (vgl. Kohlestaub- oder Mehlstaubexplosion). Damit entsteht im Ziel eine Sekundärwirkung, die über die Fragmentbildung beim erfolgreichen Durchschlag hinausgeht und häufig zur Inbrandsetzung des Ziels beiträgt. Damit ist die Wahrscheinlichkeit des Durchschlags und zudem die Wirkung bei erfolgreichem Durchschlag erhöht, was auch insoweit wünschenswert ist, weil es zu einem verringerten Munitionseinsatz führen kann. Die Standardregel ist ja, so lange draufzuhalten, bis das Ziel entweder die Form, die Farbe, oder das Verhalten ändert. Es kommt durchaus vor, daß ein Ziel äußerlich unversehrt bleibt, obwohl es effektiv vernichtet ist.
Uran ist, ebenso wie Wolfram, ein Schwermetall. Schwermetalle, die im Körper eingelagert werden, können Nerven-, Nieren- und Leberschäden hervorrufen (vgl. Blei- und Quecksilbervergiftungen). In diesem Zusammenhang nehmen sich Uran und Wolfram nicht viel. Darüber hinaus ist abgereichertes Uran U238, welches zumindest offiziell ausschließlich für die Munitionsherstellung eingesetzt wird, vergleichsweise schwach aktiv und sendet beim Zerfall größtenteils Alpha-Teilchen und zum weitaus geringeren Teil Gammastrahlung aus. Alpha-Strahlung kann schon durch ein Blatt Papier wirksam abgeschirmt werden und ist eigentlich nur dann wirklich gefährlich, wenn radioaktive Partikel "inkorporiert" werden, d.h. mit Nahrung, Atemluft oder über Wunden aufgenommen und dann nicht ausgeschieden, sondern im Körper eingelagert werden.
Meine Befürchtungen (basierend aus meiner Studienvertiefungsrichtung "Reinhaltung von Luft und Wasser) waren also folgende:
- Beim Einschlag entstehen Uranstäube, die nicht verbrennen und nur langsam oxidieren. Diese Stäube könnten inkorporiert werden.
Dieser Einwand ist wenig stichhaltig, denn:
Große Partikel werden weder vom Wind verweht, noch geschluckt.
Kleine Partikel hingegen sind nicht wasserlöslich, werden also das Grundwasser nicht nennenswert belasten.
Die von den Stäuben zusätzlich eingetragene radioaktive Hintergrundstrahlung liegt abseits der unmittelbaren Einschlagstelle (z.B. das ausgeglühte Panzerwrack) unterhalb der Bandbreite der natürlichen Strahlung, wie sie z.B. bei Vulkangestein auftritt (z.B. in der Eifel).
Es belibt das Restrisiko der Inhalation dieser Uranstäube, wenn es sich um eine trockene Gegend mit häufig Staub aufwirbelnden Winden handelt. Der größte Teil der Stäube dürfte aber schnell in der Umgebung adsorbiert werden, z.B. Blattwerk von Wäldern/Büschen/Gräsern. - Beim Einschlag entstehen uranhaltige Feinstäube, die verbrennen und verschiedene Uranoxide entstehen lassen, v.a. U2O3. Diese Oxide könnten inkorporiert werden
Auch dieser Einwand hat sich als nicht stichhaltig herausgestellt, weil auch Uranoxide kaum wasserlöslich sind. Damit schlägt die o.g. Argumentationskette wieder zu. - Bei erfolgender Inkorporierung könnten sich die verschiedenen uranhaltigen Substanzen im Körper einlagernSelbst für den Fall, daß uranhaltige Substanzen mit der Nahrung aufgenommen werden, sind sie chemisch relativ inert und werden weder von der Magensäure in größerem Umfang gelöst, noch über den darm aufgenommen. In Versuchen hat man herausgefunden, daß in den ersten 12 Stunden nach Aufnahme von uranhaltigen Substanzen 80% wieder ausgeschieden werden; weitere 12 Stunden später sind es dann akkumuliert 96% usw. (der Restbestand läßt sich berechnen als ( 1 - 0,8 )^t, wobei t Vielfache von 12 Stunden sein sollen.)
Bleiben noch die Fälle Inhalation von Stäuben und die Inkorporation über Wunden. Darüber habe ich noch keine vollständige Kenntnis. - Neben der radioaktiven Strahlung wären uranhaltige Substanzen v.a. durch ihre chemische Schwermetall-Wirkung gefährlich.
Das ist grundsätzlich zutreffend, allerdings mit den o.g. Einschränkungen des schnellen Ausscheidens. Außerdem ist Uran in dieser Hinsicht nicht schlimmer als die einzige Alternativsubstanz, Wolfram.
Soweit, so gut. Allerdings gibt es ernstzunehmende Gerüchte, daß nicht nur abgereichertes Uran als Material für die Geschosse verwendet worden ist, sondern auch allgemeiner Atommüll. Sollten diese Gerüchte zutreffen, wäre das zweifellos eine außerordentlich ernste Angelegenheit. In allererster Linie natürlich für die Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten, denn bei einem Mix aus den verschiedensten Zerfallsprodukten von Plutonium die ganze Zerfallsreihe abwärts ließe sich natürlich keinerlei Aussage mehr treffen, wie hoch der tatsächliche Gefährdungsgrad wäre, oder wie man sich schützen könne.
In zweiter Linie wäre es aber auch verbrecherisch gegenüber den US-Soldaten, die darauf vertrauen können müssen, daß die Munition tatsächlich so schwach radioaktiv ist, wie das eigentlich zu vermuten wäre. Außerdem hat allgemeiner Atommüll ja auch nicht die vom Uran so geschätzten Materialeigenschaften (Härte, Dichte, pyrophorische Neigung sowie adiabatische Scherneigung), eine solche Munition könnte also sogar erheblich schwächer sein als "echtes" dU. Damit läge natürlich ein klassischer Betrug von Seiten der Munitionshersteller vor, möglicherweise in Verbundung mit Bestechlichkeit bei der Qualitätskontrolle/Eingangskontrolle der US Army. Es wäre also nicht Ausdruck einer Gleichgültigkeit der Regierung, oder einer zynischen Haltung der Armeeführung, sondern einfach ein klassisches Wirtschafts- und Umweltverbrechen - mit allerdings verheerender Wirkung für die unbeteilgten Soldaten und die betroffene Zivilbevölkerung.
Soweit es also um korrekt hergestellte Munition geht, halte ich den Wirbel um Uran-Munition für absolut überzogene Panikmache. Uran wird hier als Reizwort genutzt, um unbegründete Ängste zu schüren, unter Ausnutzung klassischer "Anti-Atom-Reflexe". Es ist ein Beispiel für die Ausnutzung von Unwissen in der Bevölkerung, möglicherweise auch ein Ausdruck für das Unwissen der Journalisten, die sowas zusammenschreiben. Denn bemerkenswerterweise ist der eigentliche Skandal, der da möglicherweise noch der Aufdeckung harrt, praktisch noch gar nicht thematisiert worden.