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Hattori Hanso
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Mo, 15. Mär 2004, 10:14

Wie gesagt: Nicht nur vertrottelt sondern sogar unnötig. Ein Spiel mit dem ab 18 Sticker darf nicht mehr an Jugendliche verkauft werden, also ist eine Indizierung völlig sinnlos!
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Mi, 17. Mär 2004, 09:09

thwidra hat geschrieben:
So realistisch das "Zucken" der leblosen Körper sein soll, wenn man drauf schießt, so fern ab jenseits des guten Geschmacks ist das auch. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, das zu machen, wer dazu ein Bedürfniss hat, naja. So was zu programmieren zeugt schon von reichlich Seltsamkeit.

Es wird wahrscheinlich einfach nur eine natürliche Konsequenz der Physik-Engine gewesen sein. Da muß man als Programmierer gar nicht explizit ein "Leichen-Zucken" einbauen. Du definierst Impulserhaltung und in sich bewegliche/gelenkige Körper, und das war's. Es erfordert vielmehr einen Programmieraufwand, um diesen Spezialfall wieder herauszunehmen.

Diese Diskussion hier geht wieder mal am Kern vorbei. Wer das, was das Spiel oder ein bestimmtest Feature für ihn persönlich bedeutet, auf die Allgemeinheit projiziert, folgt im Kern derselben Logik wie die Jugendschützer und der deutsche Gesetzgeber vor den letzten Änderungen. Nach dieser Logik gehört eigentlich jegliches Killerspiel verboten. Es gibt keine graduelle Schwelle zwischen "noch tolerierbarer Brutalität" und "geschmacklosem Gewaltspiel". Computerspiele sind nicht gewalttätig. Ihre Konditionierungsmacht wird maßlos überschätzt. Wer glaubt, daß das Leichen-Zucken in einer Demo in Jugendlichen den Wunsch keimen läßt, es in Realität auszuprobieren, muß dieselbe Konditionierungsmacht auch den allgegenwärtigen Tötungshandlungen im Computerspiel zuschreiben, und dann bleibt eigentlich nur die Konsequenz, alle Egoshooter und Militärsimulationen zu verbieten.

Die Frage ist doch vielmehr, was das Spiel für den einzelnen Spieler bedeutet - ob es ihm vielleicht das Gefühl vermittelt, sein eigenes Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können. Denn darum geht es in jedem Computerspiel: Der Spieler kann das beeinflussen, was um ihn herum passiert. Kinder, die dieses Gefühl im realen Leben nicht haben, können durch (jegliches) Spiel (auch ohne Computer) Selbstbewußtsein und den Willen zur Selbstbehauptung gewinnen. Erst durch das Spiel lernen wir, zwischen Realität und Phantasie zu unterscheiden.
Wenn also jemand seine Phantasie von "zuckenden Leichen" ausleben will, dann müssen wir doch zu allererst nachschauen, was es ihm persönlich bedeutet. Es kann ihn Neugier auf das Physik-System treiben, oder er will als beängstigend empfundene Vorstellungen verarbeiten, oder er hat tatsächlich eine krankhafte Phantasie.
Verbietet man einem Computerspiel, so etwas darstellen zu dürfen, so ist das nichts weiter als staatlich organisierte Verdrängung. Wir wollen eine gewaltfreie Gesellschaft, da wird ein Computerspiel mit Gewalt-Inhalten als Bedrohung des gesellschaftlichen Gefüges empfunden. Man prügelt den Sack und meint den Esel.
 
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Mi, 17. Mär 2004, 10:54

Mit der Aussage über die Wirkung von Spielen auf die Psyche von Menschen und insbesondere Kindern wäre ich etwas vorsichtiger. Zumal da noch Einiges selbst unter Expterten ungesichert erscheint. Allein in gängigen Kriminologie-Büchern existieren die folgenden, widersprüchlichen Erklärungsmodelle für die Wirkung von massenmedialer Gewalt:

Abfuhr-/Katharsishypothese: Das Ansehen von Gewalt führt zu einer Aggressionsabfuhr. Diese Theorie beruht auf der psychoanalytischen Triebtheorie, sozusagen die visuelle Gewalt als Ersatzbefriedigung.
Unterdrückungs-/Inhibitationsthese: Geht ebenfalls von einer Aggressionsminderung aus, allerdings weniger beruhend auf dem Konzept der Ersatzbefriedigung als auf dem Prinzip der Aggressionsunterdrückung. Durch das Anschauen von Gewalt soll Angst vor Gewalt entstehen.
Anregungs-/Stimulationstheorie: Basierend auf den Lerntheorien wird hier davon ausgegangen, dass das Betrachten von Gewalt in den Medien das Erlernen von gewalttätigen Handlungen erleichtert. Diese Theorie ist durch Untersuchungen teilweise bestätigt worden.
Gewöhnungs-/Habitualisierungsthese: Durch das wiederholte Betrachten von Gewalt entsteht eine Gewöhnung, eine Desensibilisierung.
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Mi, 17. Mär 2004, 12:29

Skrihnschott hat geschrieben:
Mit der Aussage über die Wirkung von Spielen auf die Psyche von Menschen und insbesondere Kindern wäre ich etwas vorsichtiger. Zumal da noch Einiges selbst unter Expterten ungesichert erscheint. Allein in gängigen Kriminologie-Büchern existieren die folgenden, widersprüchlichen Erklärungsmodelle für die Wirkung von massenmedialer Gewalt:

Abfuhr-/Katharsishypothese: Das Ansehen von Gewalt führt zu einer Aggressionsabfuhr. Diese Theorie beruht auf der psychoanalytischen Triebtheorie, sozusagen die visuelle Gewalt als Ersatzbefriedigung.
Unterdrückungs-/Inhibitationsthese: Geht ebenfalls von einer Aggressionsminderung aus, allerdings weniger beruhend auf dem Konzept der Ersatzbefriedigung als auf dem Prinzip der Aggressionsunterdrückung. Durch das Anschauen von Gewalt soll Angst vor Gewalt entstehen.
Anregungs-/Stimulationstheorie: Basierend auf den Lerntheorien wird hier davon ausgegangen, dass das Betrachten von Gewalt in den Medien das Erlernen von gewalttätigen Handlungen erleichtert. Diese Theorie ist durch Untersuchungen teilweise bestätigt worden.
Gewöhnungs-/Habitualisierungsthese: Durch das wiederholte Betrachten von Gewalt entsteht eine Gewöhnung, eine Desensibilisierung.


Eben, ich denke auch, man kann die Aussage "gewalttätige Spiele/Filme/wasauchimmer machen gewalttätig" weder pauschal abstreiten noch bestätigen. Das kommt auf die Psyche des Konsumenten an. Der eine reagiert sich dabei ab, der nächste findet es abschreckend und beim wieder anderen bringt es eine Abstumpfung, die Gewalt als weniger schlimm erscheinen lässt. Das ist halt das Problem: So ganz unsinnig ist die ganze Jugendschutz-Geschichte nicht. Aber das frühere System war schon relativ unsinnig, da ziemlich willkürlich. Die aktuelle Lösung mit den USK-Einteilungen finde ich schon sinnvoll. Eigentlich sollte Indizierung da wirklich überflüssig werden. Aber ich denke auch, die PBjS will sich nicht so einfach abschieben lassen. Das sieht man doch schon daran, dass kurz vor Einführung des neuen Gesetzes noch schnell mehrrere Spiele indiziert wurden (die teilweise ab 16 freigegeben waren).
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Leland Yee, the Senator that decided that violent videogames were so dangerous to society that he needed to propose a law that banned selling them to minors, was arrested recently for weapons trafficking. He was buying shoulder-mounted rocket launchers from an extremist Islamic group and accidentally sold them to a member of the FBI. I mean, thank God he doesn't play videogames or he might have really become a threat to society.

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Mi, 17. Mär 2004, 12:47

Da sind wir wieder bei der Diskussion was zuerst da war - die Henne oder das Ei.

Macht konsumierte Gewalt gewalttätig oder konsumieren gewalttätige Menschen gerne Gewalt. Zu diesem Thema empfehle ich das von Ssnake vorgeschlagene Buch "Kinder brauchen Monster".

U.a. zitiert der Author ein höchst interessantes Phänomen: In den 70ern war in Amerika Gewalt in den Medien absolut verpönt, und die Kinder wurden möglichst völlig Gewaltfrei erzogen. Interessanterweise stieg die Gewaltrate unter Jugendlichen drastisch an als diese Generation ins Teenageralter kam.

Man kann es dann nämlich auch andersherum sehen: Der Versuch Kinder Agrressionsfrei zu erziehen löst später um so mehr Aggressionen aus, weil die Kinder keine Möglichkeit gehabt haben mit Aggressionen und Gewalt umzugehen zu lernen.
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Mi, 17. Mär 2004, 13:50

Es wird gar nicht hinterfragt, wie Soziologen und Psychologen zu ihren Aussagen bezüglich der konditionierenden Wirkung von Medienkonsum kommen. Gerard Jones hat die gängigsten Experimente vorgestellt, und ich kann ihm in seiner Schlußfolgerung nur zustimmen: Es gibt keinen einzigen schlüssigen Beweis, kein einziges methodisch überzeugendes Experiment, keine einzige hinsichtlich der Arbeitshypothese neutrale Studie, die überzeugend auch nur irgendeine mittel- und langfristige Beeinflussung der menschlichen Psyche durch Medienkonsum nachweist oder wenigstens nahelegt. Alle diesbezüglichen Studien weisen entweder gravierende methodologische Fehler auf, sind fehlerhaft ausgewertet oder verkürzt und inhaltlich entstellend wiedergegeben, oder entgegen dem wissenschaftlichen Kodex nicht ergebnisneutral durchgeführt worden. Der wissenschaftliche Aussagewert dieser seit 40 Jahren durchgeführten Arbeiten ist Zero.

Interessanterweise ist ja auch beim Jugendschutz in nahezu einmaliger Durchbrechung der Rechtsprinzipien in Deutschland die Arbeitsgrundlage eine Schuldvermutung: Solange bei jeglichen Medien nicht nachgewiesen werden kann, daß sie für die sittliche, moralische und geistige Entwicklung von Heranwachsenden unschädlich sind, darf ihre Verbreitung an Jugendliche untersagt werden. Von Natur aus vorsichtige Juristen haben nämlich schon in den 50er Jahren erkannt, daß der Nachweis der Schädlichkeit auf annähernd unüberwindliche Schwierigkeiten stößt. Angesichts der Tatsache, daß Deutschland zwischen 1950 und 1990 eine ziemlich einsame Stellung mit seinen Jugendschutzbestimmungen hatte, müßte ja zumindest eine vergleichende Studie über die Gewaltbereitschaft der in dieser Zeit herangewachsenen Generationen in verschiedenen Ländern zu einem Ergebnis mit statistischer Signifikanz kommen. Auch hier ist mir nichts bekannt.


Es ist sehr unpopulär, das auszusprechen, und natürlich kann mir ohne weiteres Befangenheit vorgeworfen werden. Ich stelle aber fest, daß entgegen dem angeblichen Trend zu einer stetig fortschreitenden Brutalisierung der von Heranwachsenden konsumierten Medien der Trend zum Tierequälen eindeutig rückläufig ist. Prügeleien auf Schulhöfen und in Kneipen sind seltener als früher. Wenn überhaupt, ist ein gesamtgesellschaftlicher Rückgang gewalttätiger Auseinandersetzungen zu beobachten.

Abschließend möchte ich noch die zum Nachdenken anregende Bemerkung von Gerard Jones einwerfen, daß die Diskussion um virtuelle Brutalität ausschließlich auf die (angeblichen) negativen Auswirkungen abstellt, niemals aber auch nur in Erwägung gezogen wird, daß sie auch positive Auswirkungen haben könnte - z.B. Stärkung des Selbstbewußtseins, Steigerung geistiger Flexibilität, eine Bejahung des Wettbewerbsgedankens, der Abbau von Ängsten und Aggressionen, das Erlernen der Trennung von Phantasie und Realität. Speziell im letzteren bereich fragt man sich gelegentlich, ob Kinder nicht weiter sind als manche hysterischen Erwachsenen.
 
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Mi, 17. Mär 2004, 15:24

EIn besonderer Witz an der ganzen Sache in Deutschland ist ja auch, daß man bis man 18 ist möglichst nicht mit Gewalt in Berührung kommen soll (mal der Sinn des Jugendschutzgesetzes auf den spitzen Punkt gebracht), um dann mit 18 zur Bundeswehr eingezogen zu werden um das Töten von Menschen zu lernen. (Ich weiß ich weiß, man soll die Verteidigung unseres schönen Landes lernen, aber letztendlich läuft es darauf hinaus.

Wenn ich meinen 14 und 15 jährigen Nichten eines meiner N64 Spiele vorenthalte weil es ab 18 ist bekomme ich von denen die lapidare Frage "Wieso, ist doch nur ein Spiel" vorgeknallt. Ich glaube die meisten Kinder können sehr wohl zwischen Spiel und Realität unterscheiden.

Außerdem ist es eine Tatsache daß die Indizierung das betreffende Objekt für Jugendliche nur umso interessanter macht. Nach dem Motto: Was verboten ist macht doppelt Spaß!"
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Di, 30. Mär 2004, 19:41

Ssnake hat geschrieben:
...
Es gibt keine graduelle Schwelle zwischen "noch tolerierbarer Brutalität" und "geschmacklosem Gewaltspiel".

Doch, spätestens dann, wenn sich mein Skrupell meldet, sich das (schlechte) Gewissen einschaltet, gibt es diese Schwelle. Denke schon, dass soetwas bei vielen Menschen noch rudimentär vorhanden ist.

Computerspiele sind nicht gewalttätig. Ihre Konditionierungsmacht wird maßlos überschätzt. Wer glaubt, daß das Leichen-Zucken in einer Demo in Jugendlichen den Wunsch keimen läßt, es in Realität auszuprobieren, muß dieselbe Konditionierungsmacht auch den allgegenwärtigen Tötungshandlungen im Computerspiel zuschreiben, und dann bleibt eigentlich nur die Konsequenz, alle Egoshooter und Militärsimulationen zu verbieten.

Dass das Bedürfnis entsteht, die dargestellten, interaktiven Szenen eines Spiels in der Realität auszuprobieren, hat von uns hier niemand behauptet. Ich habe nur die meiner Meinung nach sinnlose Gewaltausübung in einem Spiel kritisiert.

...
Wenn also jemand seine Phantasie von "zuckenden Leichen" ausleben will, dann müssen wir doch zu allererst nachschauen, was es ihm persönlich bedeutet. Es kann ihn Neugier auf das Physik-System treiben, oder er will als beängstigend empfundene Vorstellungen verarbeiten, oder er hat tatsächlich eine krankhafte Phantasie.
...

Das stelle ich ebenfalls nicht in Frage. Nach der Diskussion habe ich das in der zweiten Demo auch ausprobiert, um zu sehen, über was wir eigentlich diskutiert haben. Weil ich neugierig war. Das Bedürfniss, das ein weiteres mal zu tun, habe ich aber bestimmt nicht verspürt, ganz im Gegenteil.
Diese "Phantasie" aber z.B. aus Frust heraus ausleben zu wollen, oder um "Aggressionen abzubauen", halte ich nicht für richtig.
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