thwidra hat geschrieben:Erstens mal verstehe ich den Zusammenhang zwischen Arbeitsaufwand & Kosten und Zensur nicht.
Zweitens, wieso soll ein Hersteller ein Feature nicht wieder raus schmeisen können? Was ist denn, wenn irgendein Feature, welches sich in der Planung noch so toll anhört, in der Praxis das Gamebalancing über den Haufen wirft? Ein gescheiter Programmierer nimmt das natürlich wieder raus. Ist das dann suspekt? Ich glaube nicht. Mit "freiwilliger Selbstzensur" hat das nichts zu tun.
es ging mir nicht um den zusammenhang zwischen arbeitszeit & zensur, sondern zwischen designentscheidung und zensur (um endlich weg von diesem "zensur wird definitionsgemäß nur vom staat ausgeübt"-problem wegzukommen, verwende ich ab jetzt den begriff erzwungene modifikation).
designentscheidungen sind natürlich alle handlungen des teams, die dazu führen, dass das spiel am ende so ausschaut, wie es das team beabsichtigt hat. nachträgliche änderungen können viele gründe haben: technologische (performance bricht bei feature x ein), auf grund des spielspasses/der story, juristisch (-> verbot), oder auch gesellschaftliche (bild könnte über uns berichten, wenn... wertneutral gesehen (siehe auch marketing)). die letzten beiden sind natürlich eng mit finanziellen erwägungen gekoppelt.
fällt der grund für eine designentscheidung in eine der beiden letzten kategorien, ist es für mich eine erzwugene modifikation, da das team in der design-freiheit eingeschränkt wird.
grundsätzlich könnten die leute dort natürlich schon 100%ig konform zu den paragraphen/gesellschaftlichen normen gearbeitet haben (bzw. wollten sie so arbeiten), dann läge kein zwang vor.
in diesem fall war das feature aber bereits implementiert (und irgendwer muss das ja schließlich absichtlich programmiert haben, sowas ist ja kein "unfall" der einfach so passiert), die änderung erfolgte nachträglich. siehst du worauf ich hinaus will?
...denn es geschieht auf Grund der Überlegungen und Handlungen der Programmierer. Sie werden durch nichts gezwungen, dies zu tun, denn ihnen bleibt ja eine Wahl. Erst wenn es wirklich einen Zwang gibt, lässt sich imo auch von einer Zensur sprechen. Hier liegt wie gesagt kein Zwang vor, nur weil sich eine Behörde über ein Detail in der Demoversion (wohlgemerkt nicht des vollständigen und fertigen Produktes) aufregt, sehe ich das jedenfalls nicht als zwanghafte Vorgabe von außerhalb des Programmier-Teams.
zwei dinge: natürlich müssen die programmierer überlegen und handlungen setzen, aber das hatten sie anscheinend schon getan, als sie das ragdoll system so einsetzten, wie sie es eben taten... die späteren handlungen wurden anscheinend (zumindest ist ein kausaler zusammenhang naheliegend, oder?) von den bemerkungen der behörde ausgelöst..
das zweite: "nur weil sich eine Behörde über ein Detail .. aufregt .... nicht als zwanghafte Vorgabe". das ist so, wie wenn ich mich in ein geschäft stelle, mit einer waffe herumspiele und mich freundlich mit dem geschäftsführer unterhalte: es wäre doch schade, wenn ihm oder seinem geschäft etwas zustoßen würde, die zeiten sind ja so schlecht, etc... aber wenn ich nachher etwas geld in einem kuvert finden würde... [
nicht wörtlich zu verstehende übertreibung, hoffe die idee wird klar]
Die Entwickler machen es ja aus vorauseilendem Gehorsam und Angst vor einer Indizierung und nicht aus eigenem Willen - ist für mich also schon eine Art Zensur.
Sie machen das aus eigenem Willen, und nicht weil ein Beamter in ihren Programmier-Stuben steht und das verlangt. Es ist in diesem Land immer noch so, dass jeder frei das tun und lassen kann, was er will, programmieren kann, wass er will. Sie können das Spiel auch mit dem "Zuck"-Effekt auf den Markt werfen, nur müssen sie dann mit einer Indizierung rechnen. Ist klar, dass sie sich dagegen entscheiden (und das frei und ohne behördliche Aufsicht) um eine möglichst hohe Wirtschaftlichkeit dem Programm zu garantieren.
Du sagt es ja selbst: Es ist klar, dass sich die Programmierer dagegen entscheiden, denn sonst würden sie aufgrund des dubiosen Indizierung-Gesetzes grobe wirtschaftliche Schäden hinnehmen müssen.
Wo hat das mit Zensur zu tun? Wenn sich die Programmierer selbst und frei dazu entscheiden, sie also eine Wahl hatten?
schöne freiwilligkeit. es wird ihnen demonstriert, wie leicht man ihr geschäft "ruinieren" könnte [
vase fällt im geschäft auf den boden, um beim oberen beispiel zu bleiben], dann lässt man ihnen aber die freie wahl bezüglich ihrer vorgehensweise..
Vom Staat wird gar nichts vor gegeben (außer für Jugendliche). Es gibt keine Zensur durch den Staat in Deutschland. Was der Staat, also die Behörden tun, ist zu reagieren auf (vermeintlich) bedenkliche Inhalte diverser Medien. Das hat nichts mit einer Zensur, also einer Vorab-Beschneidung eines Mediums, zu tun.
Ebenso ist eine Indizierung keine Zensur und interessiert mich als Erwachsener gar nicht (höchstens dann, wenn ich Probleme bekomme, an das Produkt heranzukommen). Indizierte Titel oder Titel mit einer Alterseinstufung ab 16/18 gehören in der Regel zu Recht auch nicht in Kinderhände. Das hat aber nichts mit Zensur zu tun, selbst wenn der Staat (nach Erscheinen, vorher kann er es ja gar nicht), alle Spiele indiziert.
zustimmung, deswegen auch die obige ausklammerung von zensur. allerdings ist es trotzdem eine rumreiterei auf der begriffsdefinition - wir sprechen von einer über umwege (beeinflussung des marktes) erreichten änderung eines spieles durch den staat.
für den restlichen teil des postings behalte bitte in erinnerung, dass ich hier auf fraggys posting geantwortet habe, in dem auch er ALLGEMEIN geschrieben hat - von grünem blut und robotern. meine beispiele blieben deswegen absichtlich allgemein (und damit für die far cry diskussion teilweise irrelevant).
thwidra hat geschrieben:Du dehnst das Problem auf irrelevante Tatsachen aus. Niemand hat ein Problem damit, wenn du dir Inseln oder Sonnenutergänge physikalisch realistisch ansehen willst. Hier geht es aber um eine einzelne Ragdoll-Animation, die für die Spiel-Atmosphäre unerheblich ist und einen böse-makaberen Zusatz in einen Spiel-Medium darstellt.
thwidra hat geschrieben:Er wird realistisch sterben, denn es wird ja nicht die Physik- und Ragdoll-Engine entfernt.
"unerheblich" nach welchem maßstab? wenn der gegner von einer granate getötet wird, soll er bitte möglichst "natürlich" durch die gegend fliegen, das wird dann als "realistisch" von game mags gefeiert. in welchem moment soll deiner meinung nach die ragdoll-animation außer kraft gesetzt werden? zum todeszeitpunkt? gut, dann haben wir einen stocksteifen gegner, der durch die luft fliegt oder einen abhang runterollt. zu dem zeitpunkt, an dem er nach der landung ruhig herumliegt? warum ausgerechnet dann?
thwidra hat geschrieben:...dass uns etwas vorgespielt wird, dass der gegner wie ein mensch handelt, handeln soll, wir glauben sollen, dass er so handelt - sich versteckt, flüchtet, lauscht oder angreift - eine annäherung an die realität. ...
und plötzlich ziehst du eine grenze - der gegner soll nicht realistisch sterben. er soll ausschauen wie ein mensch, er soll rumrennen wie ein mensch, er soll kämpfen wie ein mensch, er soll bluten wie ein mensch - aber sobald er umgebracht wurde, soll er möglichst bitte, wenns leicht geht, wie ein stein herumliegen.
nachdem ihn der spieler also kaltblütig umgebracht hat, gejagt und ermordet hat, könnte der anblick von zuckenden armen oder beinen bei weiterem beschuss zuviel für das schwache gemüt des durchschnittlichen deutschen spielers sein.
Jetzt bist du es aber, der mit der seltsamen Logik um sich wirft, weil du die Fakten verdrehst. Der Spieler ist in Far Cry kein Mörder oder brutaler Schlächter, so wie du das darstellst. Wenn dort ein Gegner abgeschossen wird, dann geschicht das aus Verteidigung, oder weil der einzig mögliche Weg zum Ziel durch die Gegnermassen hin durch führt. Dabei ist es völlig egal, ob es Aliens, Mutanten, Roboter oder Menschen sind, mit all den passenden Animationen und Grafiken, die genau aus dieser Motivation heraus getötet werden.
interessant. für dich ist ein
söldner, der im spielverlauf hunderte nach menschlichem abbild geformte gegner umbringt kein brutaler schlächter? mit deiner argumentation hast dich gerade in die von fraggy beanstandete "es ist doch nur ein spiel"-ecke geschlagen. verteidigung? BITTE? der söldner infiltriert die insel, entvölkert sie um abschließend die basis zu sprengen. ja, klar - die anderen waren natürlich die bösen...
dass das spiel VERLANGT, den gegner umzubringen, um ein ziel zu erreichen, ändert nichts an der eigentlichen handlung. ich verurteile das ja nicht, ich spiele es selber - nur bin ich mir selbst gegenüber ehrlich genug um noch zu sehen, was ich da auf dem monitor für ein blutbad anrichte...
thwidra hat geschrieben:Aber muss man dann unbedingt noch "realistisch" auf den leblosen Körper einschießen, nachdem ein notwendiges Teilziel (Tod des Gegners) erreicht ist, und sich an dieser einen ach so tollen Ragdoll-Animation ergötzen? Ich glaube nicht.
ich sehe das problem nicht in diesen sadistischen möglichkeiten, sondern in den einschränkungen, die durch die entfernung aufgeworfen werden könnten. meinetwegen entfernt die einschuss-zuckungen, überhaupt kein problem - allerdings will ich weder den ausgeübten zwang wegdiskutiert sehen noch eine einschränkung in der sonst action-film-reifen far cry engine hinnehmen.
Wenn du den Tod eines Gegners als Mord siehst, dann ist das genauso schlimm.
wie würdest du es bezeichnen? "ein hindernis auf dem weg zum gewinn des spieles beseitigt"? eine herausforderung, die vom designer gestellt wurde, überwunden?
es wird wie mord dargestellt, also ist es ein mord. natürlich ist es ein spiel - nur ändert das für mich nichts an den begriffen, die ich für die handlungen verwenden werde.
das spiel verlangt diese "morde" um das ziel zu erreichen, damit sind sie gerechtfertigt (wenn ich dich richtig verstanden habe). trotzdem sind es morde und dementsprechend wären sie in der realen welt genauso verwerflich wie die "leichenschändung". und wenn ich mich recht entsinne stehen auf mord im allgemeinen höhere strafen als auf andere vergehen. natürlich ist es nur ein spiel, der ermordete ist nur etwas software - aber das gleiche gilt auch für seine leiche. wenn ich die auslöschung des "lebens" des söldners abstrahiere(n kann), warum nicht auch das andere?
mfg
wulfman